Parlamentskorrespondenz Nr. 129 vom 27.02.2002

MEHR ODER WENIGER LEBENSMITTELSICHERHEIT

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Wien (PK) - Nach der ausführlichen Debatte über die Umbildung der Bundesregierung wandten sich die Abgeordneten dem Thema Lebensmittelsicherheit zu. Mit den Stimmen der Regierungsfraktionen und nach teilweise heftiger Kritik der Opposition beschloss der Nationalrat die Errichtung der Österreichischen Agentur für Ernährungssicherheit und des Bundesamtes für Ernährungssicherheit sowie damit zusammenhängende flankierende gesetzliche Maßnahmen.

Abgeordneter Mag. MAIER (S), der mit einem Korb voll Gemüse das Rednerpult betrat, unterstrich, die SPÖ lehne den vorliegenden Gesetzentwurf mit allem Nachdruck ab. Er erinnerte daran, dass die Regierung in Anbetracht diverser Futtermittelskandale und der dadurch aufgezeigten Kontrolldefizite im Bereich der Landwirtschaft vor einem Jahr angetreten sei, die Vertrauenskrise im Lebensmittelbereich zu beseitigen. Durch die nunmehr vorgesehene Agentur für Ernährungssicherheit wird sich Maier zufolge aber nichts ändern. "Was hier gemacht wird, ist eine Pflanzerei der österreichischen Konsumenten." Anstatt die Kontrolle zu verstärken, fasse man lediglich die Agenden der Untersuchungsanstalten zusammen, beklagte er. Die versprochene umfassende Kontrolle "vom Feld bis zum Teller" gebe es nicht.

Kritik übte Maier zudem daran, dass die Abgeordneten künftig kein Fragerecht mehr bezüglich der  durchgeführten Kontrollen haben. Er brachte in diesem Sinn einen Entschließungsantrag ein, in dem die SPÖ neben der Verankerung des Interpellationsrechtes die verpflichtende Vorlage eines jährlichen Berichts an den Nationalrat über die Tätigkeit der Agentur für Ernährungssicherheit einfordert.

Abgeordneter AUER (V) betonte dem gegenüber, mit der Agentur für Ernährungssicherheit würden effiziente Strukturen geschaffen. Die Agentur sei eine sinnvolle und positive Einrichtung, die zahlreiche Synergieeffekte bringe und den "Feinkostladen Österreich" unterstützen werde. Auer erwartet sich dadurch Lebensmittelsicherheit "vom Feld bis zur Ladentheke".

Der Abgeordnete gab darüber hinaus zu bedenken, dass Lebensmittelsicherheit nicht nur den Konsumenten, sondern auch den Bauern ein wichtiges Anliegen sei. Das Vertrauen der Konsumenten sei nämlich die beste Absatzgarantie für landwirtschaftliche Produkte. Prinzipiell konstatierte Auer, die Landwirtschaft bekenne sich zur Kontrolle, die Bürokratie dürfe aber nicht überhand nehmen.

Abgeordnete Dr. MOSER (G) fasste die Position der Grünen mit dem Satz "Ein Ja zur Reform, aber ein Nein zu dieser Form der Lebensmittelagentur" zusammen. Sie kritisierte u. a., dass künftig weniger finanzielle Mittel für Lebensmittel- und Veterinärkontrollen zur Verfügung stünden, Personal abgebaut werde und der Einfluss des Landwirtschaftsbereichs auf die Lebensmittelkontrolle steige, anstatt die Unabhängigkeit der Kontrollore zu verstärken. Zudem wies die Abgeordnete auf den Standpunkt des Rechnungshofes hin, wonach sich die Ausgliederung zentraler staatlicher Kontrollfunktionen nicht bewähre.

Als einen großen Schwachpunkt des Gesetzes nannte Moser schließlich die fehlende Eingliederung der Kontrollstellen vor Ort. Die erste Stelle der Kontrolle werde nach wie vor im Einflussbereich der Agrarlandesräte liegen, bemängelte sie. Man habe zwar alle Kontrollstellen des Bundes zusammengefasst, vor der mittelbaren Bundesverwaltung jedoch "kapituliert".

Abgeordnete ACHATZ (F) erklärte, die Bedenken der Opposition "stimmen einfach nicht". Am Forschungs- und Untersuchungsauftrag der Behörde ändere sich nichts, es werde auch in Zukunft auf Basis des Lebensmittelgesetzes genau so streng untersucht wie bisher. Trotz Personalverringerung bleibe die Qualitätssicherheit bestehen, da es lediglich zu einem Abbau von Doppelgleisigkeiten komme. Auch die Einbindung der Länder ist Achatz zufolge gegeben.

Deutlich zurückgewiesen wurden von der Abgeordneten Pauschalvorwürfe gegen die österreichische Landwirtschaft. 99,9 % der österreichischen Bauern würden "ordentlich und verantwortungsbewusst" arbeiten, bekräftigte sie. Schwarze Schafe gebe es überall.

Landwirtschaftsminister Mag. MOLTERER unterstrich, die Lebensmittelsicherheit sei für die Regierung eine der obersten Prioritäten. Das betreffe alle Lebensmittel, die in Österreich angeboten werden. Die Produzenten hätten ebensolche Verantwortung wie die verarbeitenden Betriebe oder der Lebensmittelhandel.

Molterer betonte die Notwendigkeit, im Interesse der Steuerzahler die Lebensmittelkontrolle so effizient wie möglich zu organisieren. Mit der Agentur geht man ihm zufolge weg vom Krisenmanagement hin zu einer offensiven Strategie. Die Schlagkraft der Kontrolle und die Qualitätssicherheit würden erhöht. Die Agentur habe europaweit Vorbildcharakter und werde auch zentraler Ansprechpartner für die EU-Lebensmittelbehörde sein, skizzierte der Minister.

Den Eindruck zu erwecken, die Landwirtschaft kontrolliere sich künftig selber, ist nach Auffassung Molterers falsch, aus der Konstruktion der Ernährungssicherheitsagentur gehe klar hervor, wer wofür verantwortlich ist. Für ihn wäre es außerdem, wie er sagte, der falsche Weg, das Vertrauen der Konsumenten in österreichische Produkte durch mangelnde Kontrollen aufs Spiel zu setzen.

Abgeordnete Mag. SIMA (S) stellte aus ihrer Sicht fest, dass die Ernährungssicherheits-Agentur nicht geeignet sei, den KonsumentInnen mehr Sicherheit zu bringen. Auch bei den letzten Skandalen sei es in erster Linie um die Landwirtschaft gegangen, und gerade im Vollzug der Kontrolle vor Ort werde sich durch das neue Gesetz nichts ändern. Eines der Kernprobleme sei, dass durch die mittelbare Bundesverwaltung die Lebensmittelkontrolle den Agrarlandesräten unterstellt sei. Bundesminister Haupt habe sich somit von der Landwirtschaft über den Tisch ziehen lassen, folgerte Sima.

Abgeordneter KAMPICHLER (V) meinte demgegenüber, dass die Bündelung der Agenden der verschiedenen Einrichtungen nur Vorteile bringen könne. Die Bundesregierung setze damit einen wichtigen Schritt zu integrierter Lebensmittelsicherheit. Mit der neuen Lebensmittelagentur habe man eine Vorreiterrolle in Europa eingenommen. Dadurch profitiere nicht nur der Konsument, sondern auch der Produzent und der Handel, und es werde gelingen, das Vertrauen der KonsumentInnen wieder zurückzugewinnen.

Abgeordneter DI PIRKLHUBER (G) vermisste eine Schwachstellenanalyse als Voraussetzung einer zielführenden Reform. Das vorliegende Gesetz jedoch greife seiner Meinung nach zu kurz. Die Grünen hätten sich ein Bündel von Maßnahmen gegen eine Landwirtschaft erwartet, die Masse statt Klasse bevorzugt, sowie Maßnahmen gegen Missbrauch von Exportsubventionen. Pirklhuber sprach sich auch für eine einzige Bundesbehörde aus, die besseres Risikomanagement gewährleiste. Das vorliegende Gesetz jedoch sei ein Etikettenschwindel, es gebe nicht einmal ein Durchgriffsrecht auf Landesebene. In diesem Zusammenhang brachte er einen Abänderungsantrag ein, der eine jährliche Berichterstattung über die Untersuchungsergebnisse an den Nationalrat vorsieht.

Abgeordneter ZELLOT (F) wies auf das strenge Lebensmittelrecht in Österreich und die strengen Kontrollen in der Landwirtschaft hin. Als Beispiel dafür schilderte er die Kontrolle bei der Selbstvermarktung. Die neue Lebensmittelagentur bewertete er als außerordentlich positiv, da damit eine lückenlose Kontrolle vom Stall bis zum Teller sichergestellt werde.

Bundesminister HAUPT stellte fest, dass mehr Mittel für die Lebensmittelsicherheit zur Verfügung stünden als bisher. Viele MitarbeiterInnen, die bislang nur aushilfsweise tätig gewesen seien, würden nun fix angestellt, kündigte der Minister an. Es würde auch die notwendige Infrastruktur für die Anstalten angeschafft und zwar mittels Auflösung von Rücklagen. Bei Lebensmitteln aus dem Ausland seien in seiner Amtszeit die Proben verdoppelt worden. Zur Zweiteilung der Kompetenzen meinte Haupt, dass beide Ressorts direkt vernetzt seien und man in der Vergangenheit bereits bewiesen habe, dass man unbürokratisch vorgehe. Er setze auch voraus, dass sich die BeamtInnen gesetzeskonform verhalten, und ersuchte, keinem und keiner von vorn herein zu unterstellen, nicht im Interesse der Sicherheit und Gesundheit der österreichischen Bevölkerung zu agieren. Schließlich hob Haupt die Vernetzung von Human- und Veterinärmedizin, Mikrobiologie und Chemie hervor, die zu mehr Sicherheit beitragen werde.

Abgeordnete HUBER (S) monierte, dass weder im Ausschuss noch im Plenum die Bedenken gegen das vorliegende Gesetz ausgeräumt werden konnten. Tatsache sei, dass Mittel gekürzt und MitarbeiterInnen wegrationalisiert würden. Damit werde die Lebensmittelkontrolle auf dem Altar des Nulldefizits geopfert, so Huber. Die Kompetenz gehöre ausschließlich in das Gesundheitsministerium, bekräftigte sie die Kritik ihrer Fraktion. Die Ausgliederung der neuen Agentur betrachtet sie mit großer Skepsis.

Abgeordneter DONABAUER (V) zeigte sich froh, in einem Land zu leben, in dem nicht jene Zustände herrschen, wie sie von der Opposition herbei geredet würden. Er bedauerte, dass die Opposition am Gesetz nicht konstruktiv mitgearbeitet habe und kritisierte die Aussagen von Klubobmann Cap zu diesem Thema scharf. Der Regierung gehe es um eine lückenlose Kontrolle und Beratung, um unternehmerische Sicherheit und um Sicherheit für die KonsumentInnen. Sie habe sich mit diesem Gesetz die Anerkennung der EU erworben und deshalb appellierte er an die Opposition, mit der Verunsicherung Schluss zu machen.

Abgeordnete Dr. GLAWISCHNIG (G) stören zwei Dinge, nämlich dass die Probleme in der Landwirtschaft mit dem gegenständlichen Gesetz nicht gelöst würden und die Reform der Agrarwirtschaft nicht erfolge. Eine reine Organisationsreform sei zu wenig. Die Rednerin zitierte aus einem Bericht des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie, in dem festgestellt wird, dass der biologische Landbau zurück gehe und die Landwirtschaft nicht nachhaltig agiere. Glawischnig sprach sich ebenfalls gegen die Ausgliederung der Ernährungssicherheits-Agentur aus. Alles in allem ziehe sich aus ihrer Sicht die Unterordnung der Konsumenteninteressen unter die Produktionsinteressen wie ein roter Faden durch diese Angelegenheit.

Abgeordneter WENITSCH (F) meinte, gesunde Lebensmittel seien auch im Interesse der Erzeuger und er sei überzeugt, dass die neue Agentur das Vertrauen in die Lebensmittelsicherheit wieder stärke. Dazu trage auch die Zusammenlegung von Bundesanstalten aus dem Agrar- und dem Gesundheitsbereich bei. Grundsätzlich könnten wir in Österreich auf unsere Bauern und deren Arbeit stolz sein, fasste Wenitsch zusammen.

Abgeordnete PARFUSS (S) trat ebenfalls für die alleinige Zuständigkeit des Gesundheitsministeriums im Bereich der Ernährung ein. So aber fürchtet sie, dass sich das Ganze als ein Bumerang entpuppen könnte. Zu diesem Zweck brachte sie einen Abänderungsantrag zum Ernährungssicherheitsgesetz ein, der im § 7 Abs. 3 eine Verfassungsbestimmung vorsieht.

Abgeordneter SCHWARZENBERGER (V) wies mit Nachdruck darauf hin, dass

es zu keinen Kompetenzverschiebungen kommt, denn die politische Verantwortung für den gesamten Lebensmittelbereich verbleibe auch nach der Gründung der Agentur für Ernährungssicherheit beim Minister Haupt, jene für Betriebsmittel und Boden beim Landwirtschaftsminister. Was die Kritik an der mangelnden Nachhaltigkeit der österreichischen Landwirtschaft betrifft, so halte er dieser Aussage entgegen, dass Österreich europaweit den höchsten Anteil an Bauern (80 %), die sich am Umweltprogramm beteiligen, aufweist. Er zeigte sich überzeugt davon, dass die Bündelung und Konzentration hoheitlicher Aufgaben zu zahlreichen Synergieeffekten führen wird und die Finanzierung gesichert ist.

Abgeordneter DI KUMMERER (S) wies darauf hin, dass es seit einer Woche eine EU-Verordnung in diesem Bereich gibt, wobei jedoch nur Teile davon im vorliegenden Gesetz übernommen wurden. Dies öffne neuen Unsicherheiten Tür und Tor, befürchtete er. Die Sozialdemokraten sprechen sich nicht gegen eine Steigerung der Effizienz aus, die durch eine Zusammenlegung von Anstalten erreicht werden könne. Vielmehr gehe es um die Frage der Kompetenzen und für ihn sei derzeit nicht gewährleistet, dass eine lückenlose Kontrolle durchgeführt werden kann. Weiters müsse man mit Einsparungen beim Personal, Qualitätsverlusten, einem Investitionsstopp sowie Schwierigkeiten bei der Zertifizierung rechnen. Im Sinne der Konsumenten sollte diese Materie noch einmal ausführlich diskutiert werden und er forderte daher die Abgeordneten auf, dem SPÖ-Rückverweisungsantrag zuzustimmen.

Dieses Gesetz werde zu mehr Sicherheit im Bereich der Lebensmittel führen, war Abgeordneter Dr. PUMBERGER (F) überzeugt. Das Vertrauen in die Lebensmittel müsse gestärkt werden und die Konsumenten müssen sich darauf verlassen können, dass ihr Essen pestizidfrei und bestens kontrolliert auf den Tisch komme. Durch die Zusammenführung der einzelnen Institute sollen Koordinationsprobleme beseitigt und Synergieeffekte erzielt werden. Da die meisten Krankheiten direkt oder indirekt durch die Ernährung verursacht werden liege ihm als Gesundheitspolitiker eine gute Lebensmittelkontrolle sehr am Herzen und sie trage auch dazu bei, dass Österreich zum Feinkostladen Europas wird.

Sie könne nicht verstehen, warum die Opposition die Tatsache kritisiere, dass die Agentur auch private Aufträge annehmen kann, meinte Abgeordnete Mag. PECHER (V). Schon bisher waren die österreichischen Erzeugerbetriebe seit vielen Jahren Kunden der Untersuchungsanstalten. So wurden allein im Jahr 2000 54.000 Proben untersucht, wobei 13.000 von privater Hand in Auftrag gegeben wurden. Diese Einnahmen sind wichtige Kostenträger für die Anstalten, gab Pecher zu bedenken. Sie begrüße ausdrücklich die Einrichtung der Agentur, da sich der Konsument neben einer Bündelung der Kräfte auch eine größere Kosteneffizienz sowie eindeutigere Analysen bei komplizierteren Proben erwarten kann.

Bei der Abstimmung wurde die Regierungsvorlage mehrheitlich angenommen; die Abänderungsanträge bzw. Zusatzanträge der Opposition sowie der S-Entschließungsantrag fanden keine Mehrheit. Auch der Rückverweisungsantrag der SPÖ verfiel der Ablehnung.

(Schluss Ernährungssicherheit/Forts. NR)