Parlamentskorrespondenz Nr. 205 vom 21.03.2002

KRITIK DER OPPOSITION AN AUSSENMINISTERIN FERRERO-WALDNER

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Wien (PK) - Im Rahmen der Debatte über den Dringlichen Antrag von FPÖ und ÖVP betreffend Verbesserung des rechtlichen Status von Angehörigen der Exekutive und Zivilpersonen im Rahmen von UN-Missionen nahm Abgeordneter Dr. KRÜGER (F) einleitend zur generellen Fürsorgepflicht Stellung und erläuterte, dass das österreichische Strafrecht dem Universalitätsprinzip verpflichtet sei. Das heiße, dass Österreich, unabhängig vom Tatort, gegen jeden vermutlichen Straftäter, der die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, einen Strafantrag stelle. Damit kollidiere jedoch der Territorialanspruch. Jedenfalls stünden ÖsterreicherInnen unter einer gewissen Fürsorge ihres Heimatlandes, auch wenn sie im Ausland verurteilt worden seien.

Krüger ging dann anhand des konkreten Anlassfalles auf die unterschiedliche Behandlung von Militärpersonen einerseits und Polizeiangehörigen sowie ZivilistInnen andererseits im Rahmen friedenserhaltender Operationen ein. Für Soldaten gebe es entsprechende Abkommen, wodurch diese Immunität genießen. Personen mit Polizeiaufgaben, Lehrer oder Ärzte besäßen nur die berufliche Immunität, wobei es immer wieder zu schwierigen Abgrenzungsfragen komme. Die UNO aber könne sogar diese Immunität aufheben, kritisierte der Abgeordnete. Die Dringlichkeit des Antrages begründete Krüger damit, dass es im Interesse der Republik liegen müsse, für alle, die freiwillig in internationalen Einsätzen tätig seien, den gleichen Schutz zu gewährleisten. „Wer das nicht erkennt, verschließt die Augen vor den Aufgaben der Republik“, sagte er.

Krüger betonte auch, dass für den beschuldigten österreichischen Polizisten im Kosovo selbstverständlich die Unschuldsvermutung gelte und warf gleichzeitig den Grünen vor, hinsichtlich der Unschuldsvermutung differenziert vorzugehen, je nach dem, ob es sich um die Volxtheater-Karawane, um die Opernball- und Donnerstags-DemonstantInnen oder um Polizisten handle. Krüger verteidigte auch das Schreiben des österreichischen UNO-Botschafters, der lediglich den Generalsekretär der Vereinten Nationen darauf hingewiesen habe, dass der gegenständliche Vorfall die Entsendung weiterer ziviler Personen gefährden könnte. Sowohl der UNO-Botschafter als auch die Außenministerin seien vorbildlich ihrer Fürsorgepflicht nachgekommen.

Bundesministerin Dr. FERRERO-WALDNER begrüßte den vorliegenden dringlichen Antrag ausdrücklich, da er ihr Anliegen unterstütze. Sie habe bereits die Vertretung bei der UNO angewiesen, auf die Notwendigkeit der Prüfung der unterschiedlichen Stellung von Militär- und anderen Personen hinzuweisen. Dabei gehe es vor allem um die Stärkung der Rolle der Entsendestaaten bei der behördlichen Verfolgung ihrer Staatsangehörigen. Jedenfalls sei die Schlechterstellung von Zivilpersonen oder Polizisten gegenüber den Militärangehörigen nicht gerechtfertigt.

Die Ministerin stellte dezidiert fest, dass keineswegs daran gedacht sei, verdächtige Personen der Strafverfolgung zu entziehen, sondern darum, Zivilpersonen und Polizisten, die sich freiwillig für internationale Einsätze gemeldet haben, einen gleichwertigen Schutz zu gewähren. Im aktuellen Fall habe man nicht einmal die bestehenden Regeln eingehalten, sagte Ferrero-Waldner. Österreich habe daher sowohl bei der UNMIK als auch bei der Staatsanwaltschaft im Kosovo die sofortige Einleitung interner Ermittlungen verlangt.

Es sei unrealistisch zu glauben, man könne kurzfristig eine Änderung der Situation im Rahmen von UNMIK und KFOR erreichen. Ziel müsse es aber sein, bei künftigen Friedensmissionen den rechtlichen Status von Zivilpersonen und Polizisten in einem Abkommen zwischen EU und UNO zu regeln. Vor allem dürfe die Immunität nur nach Zustimmung der Entsendestaaten aufgehoben werden. Abschließend bekräftigte die Ministerin, dass ihr gegenüber immer wieder von offizieller Seite die besondere Wertschätzung für die österreichischen Beiträge für UNO-Missionen bestätigt werde.

Abgeordneter Dr. KHOL (V) bezeichnete es als die nobelsten Aufgaben österreichischer Außenpolitik, Frieden zu stiften, den Frieden zu schützen und die Menschenrechte zu wahren. Diese Aufgaben seien in den letzten Jahren vertieft worden, und es habe sich gezeigt, dass dies nicht mehr allein vom Militär geleistet werden könne. Der VP-Klubobmann ging dann auf den konkreten Fall des österreichischen Polizisten im Kosovo ein, der gezeigt habe, dass diese Personen Gefahr laufen, Behörden unterworfen zu werden, die in der Regel die Verfahrensgarantien der EMRK nicht einhalten. Er erwarte daher, dass das ganze Hohe Haus diesen dringlichen Antrag unterstützt.

Khol erläuterte abermals das Anliegen, eine Art Statut für internationale Hilfsdienste unter dem Dach der UNO, der EU und vergleichbaren internationalen Organisationen zu schaffen, das ähnlich dem für die Militärangehörigen sei. Auch er verteidigte das Schreiben des UNO-Botschafters und monierte, dass das Thema auch in der EU angeschnitten werden müsse. Jedenfalls sei dringender Handlungsbedarf gegeben.

Abgeordneter SCHIEDER (S) unterstrich, dass er die Heimholung des österreichischen Polizisten für richtig erachte. Zu kritisieren seien aber die Begleitumstände dieser Repatriierung, die problematisch und unprofessionell durchgeführt worden sei, was Österreich nicht geholfen hätte. Der vorliegende Antrag finde in seinem wesentlichen Kern seine, Schieders, völlige Zustimmung. Im ersten Punkt würde er jedoch den „Lobsatz“ weglassen, den zweiten Punkt könne er akzeptieren, wie er ist, und was den dritten Punkt betreffe, so hielte er es für klüger, diesen verbindlicher zu formulieren. Er kündigte daher in diesem Sinne einen eigenen Entschließungsantrag an und sprach die Hoffnung aus, dass man sich einigen werde.

Schieder konkretisierte in weiterer Folge seiner Rede die Kritik an der Außenministerin und erinnerte an die Debatte über das Entsendegesetz im Außenpolitischen Ausschuss. Bereits damals, im Jahr 1996, sei die Frage der unterschiedlichen Behandlung im Ausschuss releviert worden. Damals habe der Außenminister jedoch keinen Handlungsbedarf gesehen. Der Paragraph 5 selbst sehe eine Ermächtigung vor, mit der UNO zu verhandeln. Schieder appellierte an die Außenministerin, nicht noch mehr außenpolitisches Porzellan zu zerschlagen, denn Steiner sei nichts vorzuwerfen, und auch bei der UNO sollte man sich um eine Kalmierung bemühen. Die Pannen in der österreichischen Außenpolitik häuften sich, so Schieder, die Opposition werde nicht informiert. Wenn die Ministerin also die Außenpolitik allein haben wolle, dann gehörten sämtliche Fehler und Pannen ihr allein.

Abgeordneter Dr. OFNER (F) betonte, die Kosovo-Mission werde von Österreich brilliant erfüllt. Wenn es aber nicht gelingt, auch die Nicht-Soldaten entsprechend nachhaltig und weitgehend abzusichern, dann werde man Zivilpersonen von einer Meldung als Freiwillige abraten müssen. Ofner erinnerte daran, dass der Polizist, dem, wie er es ausdrückte, "die Hand ausgekommen ist", Gefahr lief, in ein kosovarisches Gefängnis oder in ein Irrenhaus zu kommen, wo er sein Leben riskiert hätte.

Abgeordneter Dr. PILZ (G) ortete Klärungsbedarf Österreichs gegenüber den Vereinten Nationen und kritisierte, die Beziehung zur UNO sei durch die Aussagen des österreichischen Botschafters schwer belastet worden. Pilz beklagte, seit der schwarz-blauen Wende hätte sich das Verhältnis der Bundesregierung gegenüber den Vereinten Nationen geändert, wobei er von einem Abwertungsprozess sprach. Österreich sei heute kein Pfeiler der UN mehr bei humanitären Einsätzen. Pilz appellierte an die Außenministerin zu reparieren, was noch zu reparieren ist.

Abgeordneter LOOS (V) sah keinerlei Pannen in der Außenpolitik und betonte, es sei Pflicht der Außenministerin, die Rechte und das Leben von Österreichern im Ausland zu schützen. Nun gehe es darum, Exekutivbeamten, Lehrern und Ärzten bei Auslandseinsätzen denselben Schutz wie den Soldaten zukommen zu lassen.

Abgeordneter PARNIGONI (S) konstatierte, die Außenministerin habe durch ihr diplomatisches Ungeschick keinesfalls zur sachlichen Klärung dieser heiklen Situation beigetragen. Er forderte Ferrero-Waldner auf, das Verhältnis mit den Vereinten Nationen zum Wohle des Ansehens Österreichs wieder ins richtige Lot zu bringen.

Abgeordnete Dr. PARTIK-PABLE (F) bezeichnete es als entscheidend, dass Österreich auch weiterhin im Interesse des Weltfriedens Beamte ins Ausland entsendet. Voraussetzung dafür sei aber eine Ausweitung der Immunität auf sämtliche Freiwillige.

Abgeordnete Mag. STOISITS (G) wertete die Intentionen des Dringlichen Antrages für richtig und bemerkte, es sei notwendig, dass nicht nur Soldaten, sondern auch Zivilisten an den friedenssichernden Missionen teilnehmen.

Abgeordneter ELLMAUER (V) dankte der Außenministerin für deren prompte Reaktion und meinte, solange die Einhaltung der Menschenrechte in Krisengebieten nicht gewährleistet ist, müsse die rechtliche Gleichstellung von Soldaten und Zivilisten Standard bei UNO-Einsätzen sein.

Abgeordnete Mag. KUNTZL (S) brachte einen Entschließungsantrag der SPÖ ein, der sich im Wesentlichen mit dem Dringlichen Antrag der Regierungsparteien deckt. Die Sozialdemokraten wollen mit ihrer Initiative aber sicherstellen, dass es dem Parlament nicht um Sonderregeln für Österreich, sondern um eine generelle Regelung geht.

Außenministerin Dr. FERRERO-WALDNER zeigte sich zuversichtlich, dass es längerfristig möglich sein werde, aus dem Vorfall heraus eine generelle Änderung der Bestimmungen herbeizuführen. Im Übrigen betonte sie, sie habe in dieser schwierigen Situation das getan, was zu tun war - nämlich bei Gefahr in Verzug rasch gehandelt.

Abgeordneter REINDL (F) sprach sich als Exekutivbeamter für eine Ausweitung der Immunität bei UNO-Einsätzen auf Zivilpersonen aus. Er forderte eine lückenlose Aufklärung des Falles, gab aber zu bedenken, das Recht müsse in Österreich gesprochen werden.

Abgeordneter KURZBAUER (V) begrüßte die Bemühungen der Außenministerin zur Verbesserung des Immunitätsschutzes und plädierte für ein gemeinsames Abkommen der EU mit der UNO auf diesem Gebiet.

Bei der Abstimmung wurde der Dringliche Antrag mit den Stimmen der Regierungsparteien angenommen. Der Entschließungsantrag der SPÖ fand keine Mehrheit.

KURZDEBATTE

Abgeordneter DI PIRKLHUBER (G) ortet eine schrittweise Verschärfung der Bedingungen für die Direktvermarktung bäuerlicher Produkte. Damit würden gerade jene Bäuerinnen und Bauern behindert, die ihre Produkte auf Bauernmärkten oder über kleine Hofläden verkauften bzw. innovative Projekte betrieben. Statt Direktvermarktung zu fördern, würden die Bauern, so Pirklhuber, seit 1995 "permanent zur Kasse gebeten". Erster Schritt sei die 1997 beschlossene neue Mehrwertsteuerregelung für Direktvermarktung gewesen.

Besondere Kritik übte Pirklhuber aber an den jüngsten BSVG-Novellen, die mit August 2001 bzw. Jänner 2002 in Kraft getreten seien und die Beitragsgrundlage für landwirtschaftliche Nebentätigkeiten geändert hätten. Für ihn ist es nicht einsichtig, dass der Umsatz inklusive Mehrwertsteuer und nicht das Einkommen als Bemessungsgrundlage für die Sozialversicherungsbeiträge herangezogen wird. "Das gibt es in keinem anderen Bereich." Der Agrarsprecher der Grünen forderte daher eine rasche Rücknahme der entsprechenden Bestimmungen.

Abgeordneter GRADWOHL (S) kündigte die Zustimmung der SPÖ zum Fristsetzungsantrag an und hielt fest, die neuen BSVG-Bestimmungen seien ein weiterer Anschlag gegen vorwiegend biologisch wirtschaftende Betriebe. Ihm zufolge geht es nicht an, dass nicht das Einkommen, sondern der Umsatz Bemessungsgrundlage für die Sozialversicherungsbeiträge ist.

Abgeordneter GAUGG (F) erinnerte daran, dass es die SPÖ sei, die ständig eine Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge verlange. Den Entschließungsantrag der Grünen wertete er als "gelebte Scharlatanerie", bei dessen Umsetzung die Bauern viel stärker als derzeit belasten würden. Eine Erhöhung der Einheitswerte würde, so Gaugg, auch eine Erhöhung der Kammerumlage und anderer Steuern nach sich ziehen.

Abgeordneter DONABAUER (V) betonte, seine Fraktion werde dem Fristsetzungsantrag der Grünen nicht zustimmen, "weil wir uns bei der Lösung unserer Probleme nicht unter Druck setzen lassen". Die Verpflichtung zur Leistung von Sozialversicherungsbeiträgen für Erlöse aus der Direktvermarktung begründete er damit, dass alle Erwerbstätigkeiten in Österreich beitragspflichtig seien, um das hochentwickelte Sozialsystem, auch das bäuerliche, erhalten zu können.

Bei der Direktvermarktung werde deshalb die Pauschalierungsverordnung angewendet, erläuterte Donabauer, weil ein Beitragszuschlag für Direktvermarkter zum Einheitswert viel zu kompliziert gewesen wäre und zudem kleine Bauern unverhältnismäßig mehr belastet hätte als große. Jeder landwirtschaftliche Betrieb, der keine Pauschalierung wolle, habe aber die Möglichkeit, eine Steuererklärung abzugeben, in diesem Fall würde der Einkommensteuerbescheid als Beitragsgrundlage für die Sozialversicherungsbeiträge herangezogen. Allgemein unterstrich Donabauer, die ÖVP stehe zur Direktvermarktung.

Abgeordnete Dr. MOSER (G) findet es empörend, dass Bauern 6,25 % des Umsatzes aus der Direktvermarktung inklusive Mehrwertsteuer zusätzlich an Sozialversicherungsbeiträgen zahlen müssten. Diese Regelung bestraft "die Tüchtigen und Fleißigen", meinte sie. Ihrer Auffassung nach sollten Direktvermarkter vielmehr verstärkt unterstützt werden. Generell urgierte Moser eine gemeinsame Versicherung der Bauern und der Gewerbetreibenden.

Der Antrag der Grünen, dem Sozialausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 626/A(E) betreffend Änderung der Pflichtversicherung und des Bewertungsgesetzes für bäuerliche Nebentätigkeiten und Direktvermarktung eine Frist bis 16. April 2002 zu setzen, blieb bei der Abstimmung in der Minderheit. (Schluss)