Parlamentskorrespondenz Nr. 271 vom 17.04.2002

PARLAMENTARISCHES NACHSPIEL ZU DEN DEMONSTRATIONEN VOM WOCHENENDE

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Wien (PK) - Mit den Stimmen der Regierungsfraktionen beschloss der Nationalrat heute die Dienstrechtsnovelle 2002, mit der u.a. die Möglichkeit des Sonderurlaubs für Beamte neu geregelt und die Familienhospizkarenz eingeführt wird. Unter einem debattiert wurde ein SP-Antrag auf Änderung des Bundesimmobiliengesetzes. Die Debatte gestaltete sich - an die Einführung eines besonderen Rechtsschutzes für Beamte der Exekutive anknüpfend - teilweise zu einem parlamentarischen Nachspiel zu den Demonstrationen und Gegenkundgebungen im Zusammenhang mit der Wehrmachtsausstellung am Wochenende.

Vor Eingang in die Tagesordnung gab Präsident Dr. FISCHER im Rahmen geschäftsordnungsmäßiger Mitteilungen bekannt, dass die Grünen eine Kurzdebatte über die Anfragebeantwortung 3243/AB des Sozialministers zur versorgungsrechtlichen Situation der Opfer der NS-Militärjustiz verlangt haben. - Diese Kurzdebatte wird um 15 Uhr zum Aufruf gelangen.

In der Debatte über die Dienstrechtsnovelle 2002 stellte Abgeordnete Dr. MERTEL (S) ihrer teilweise zustimmenden, teilweise kritischen Auseinandersetzung mit der Regierungsvorlage den Vorwurf an die Regierungskoalition voran, das Parlament wieder einmal autoritär überfahren zu haben. Ein zunächst im Umfang begrenzter Novellenentwurf sei auf dem Weg in das Parlament um zahlreiche Bestimmungen erweitert und noch im Ausschuss per Abänderungsantrag der Freiheitlichen um die Einführung der Sterbekarenz und den Gruppenrechtsschutz für Exekutivbeamte erweitert wurde. "Mit einer solchen Vorgangsweise werden demokratische Grundrechte ad absurdum geführt", klagte die Abgeordnete.

Ihrer inhaltlichen Kritik an der vorliegenden Dienstrechtsnovelle schickte Mertel voraus, dass ihre Fraktion jede Stärkung des dienstrechtlichen Schutzes von Beamten begrüße, die erweiterten Möglichkeiten bei Sonderurlaub und Dienstfreistellung für ebenso sinnvoll halte wie die Wiedereröffnung der Optionsmöglichkeit von im alten Schema verbliebenen Vertragsbediensteten oder die höhere Vergütung für Universitätsassistenten und die Ausweitung der Behalteklausel für Beamte im alten Gehaltsschema. Für unzureichend hielt Mertel aber die Neuerungen beim Schmerzensgeld und bei der geplanten Rechtsschutzversicherung für Beamte, die ihre Partei nicht nur für Exekutivbeamte, sondern für alle Beamten einführen möchte, wozu die Abgeordnete einen Abänderungsantrag vorlegte.

Die Familienhospizfreistellung sei prinzipiell zu begrüßen, fragwürdig sei aber die Art der Einführung. Abgeordnete Mertel machte darauf aufmerksam, dass der vorgesehene Gesetzestext auf Regelungen der Privatwirtschaft verweise, die nicht existieren. Die Abgeordnete lehnte dies als Präjudiz von Verhandlungen entschieden ab und ortete überdies erheblichen Diskussionsbedarf hinsichtlich der finanziellen Absicherung privater Pflegepersonen, der Auswirkungen auf professionelle Pfleger und auch über den Begriff "Sterbekarenz", der völlig unpassend sei, wenn es etwa um die Pflege behinderter Kinder gehe.

Abgeordneter Dr. MIEDL (V) konzentrierte sich auf die Einführung einer Gruppen-Rechtsschutzversicherung für Exekutivbeamte und wies den Vorwurf seiner Vorrednerin zurück, seine Fraktion wolle die Einführung einer Rechtsschutzversicherung für alle Beamten verhindern. Verwundert zeigte sich der Redner darüber, dass Mertel nichts zu den Vorfällen am 13. April gesagt habe, und warb um Verständnis für die Gefühlslage von Polizisten, die sich bei der Erfüllung ihrer dienstlichen Aufgaben einer Horde von Gewalttätern gegenübersehen, die sie mit Pflastersteinen, Eisenstangen und Zaunlatten attackiert. Miedl hielt es für unverständlich, dass Abgeordneter Van der Bellen für solche Demonstranten Partei ergreife und Abgeordneter Jarolim sich über das Verhalten der Polizisten "erschüttert" gezeigt habe. Erschütterung sei angesichts von 33 verletzten Polizisten angebracht, hielt Abgeordneter Miedl fest, und ersuchte den Innenminister um Aufklärung der Vorfälle und insbesondere über die Rolle, die Abgeordneter Öllinger gespielt habe. "Ist er tatsächlich von Polizeigeneral Schnabel zur Vermittlung gerufen worden?", lautete Miedls Frage an den Ressortleiter.

Abgeordneter Dr. PILZ (G) bekannte sich dazu, Beamten, gegen die ungerechtfertigte Vorwürfe erhoben werden, die Prozesskosten zurückzuerstatten. Das gleiche Recht sollte aber auch für Bürger gelten. "Warum sollen sie in einem Konflikt mit einem Beamten im Regen stehen gelassen werden?" fragte der Abgeordnete.

In seiner Stellungnahme zu den Ereignissen vom 13. April in Wien zeigte sich auch Abgeordneter Pilz empört über gewaltbereite Demonstranten, die Beamte tätlich angegriffen und verletzt haben. "Das sind kriminelle Akte, das hat nichts mit Demonstrationsrecht zu tun", stellte Pilz unmissverständlich klar.

Zu einer kurzen Sitzungsunterbrechung, in der eine "Stehpräsidiale" stattfand, führte der an den Redner und seine Fraktion adressierte Zwischenruf des Abgeordneten Ing. Westenthaler "In ihren Reihen sitzt die Gewalt", der aus den Reihen der Oppositionsparteien mit dem Ruf "Neonazi" beantwortet wurde.

Nach der Sitzungsunterbrechung ging Abgeordneter Pilz auf die Verfahren gegen gewaltbereiten Demonstranten ein und wandte sich dabei gegen die Einführung einer "politischen Zurufjustiz". Pilz erinnerte daran, dass VP-Klubobmann Khol die Staatsanwaltschaft per Presseaussendung habe wissen lassen, was seiner Meinung nach zu tun sei. So habe der Staatsanwalt vom VP-Klubobmann erfahren, was er öffentlich zu vertreten habe und was er am nächsten Tag in der Post haben wird.

Seinem Vorredner Miedl warf Pilz Vergesslichkeit hinsichtlich der Ereignisse vor, die vor den jüngsten Gewalttätigkeiten am Burgtor geschehen seien. "Wie hat es zu Genehmigung einer Neonazi-Kundgebung am Heldenplatz zu einem einschlägigen Thema kommen können", lautete die Frage des Abgeordneten Pilz. Wie konnte es passieren, dass gewalttätige Neonazis "Sieg, Heil"-rufend durch die Kärntner Straße ziehen konnten. Diese Fragen sollte der Innenminister beantworten, schloss Abgeordneter Pilz.

Abgeordnete Dr. PARTIK-PABLE (F) begrüßte die Einführung einer Rechtsschutzversicherung für Exekutivbeamte als eine wichtige Weichenstellung, zumal gerade die jüngsten Ereignisse in Wien zeigten, dass die Demonstrationen immer gewalttätiger würden. "Linke Chaoten" scheuten immer weniger davor zurück, Exekutivbeamte gewalttätig zu attackieren. Die Ausführungen des Abgeordneten Pilz - der sich heute "wie ein Jesuitenpater" von Gewalt distanziert habe - sollen die Vergangenheit dieses Abgeordneten nicht vergessen lassen, er sei oft dort zu sehen gewesen, wo Steine und Molotow-Cocktails geworfen wurden. Und um zur Aufklärung der Vorfälle vom letzten Samstag beizutragen, präsentierte Partik-Pable ein Foto, das Abgeordneten Öllinger bei dem Versuch zeige, einem Polizisten den Schutzschild zu entreißen. Abgeordnete Partik-Pable forderte die Opposition insgesamt und insbesondere den Klubobmann der Grünen dazu auf, sich von gewalttätigen Demonstranten zu distanzieren.

Zu einer weiteren Sitzungsunterbrechung gab Abgeordneter Edlinger (S) Anlass, der die Ausführungen der Abgeordneten Partik-Pable mit dem Zwischenruf "Sieg Heil" kommentierte.

Abgeordneter Ing. WESTENTHALER (F) meldete sich zur Geschäftsordnung zu Wort, gab bekannt, dass S-Abgeordneter Edlinger Partik-Pable "Sieg Heil" zugerufen habe, und verlangte eine sofortige Sitzungsunterbrechung. 

Abgeordneter Dr. KHOL (V) meinte in seiner Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung, auch seine Kollegen hätten diesen Ruf gehört.

Der Vorsitz führende Präsident DI PRINZHORN unterbrach hierauf die Sitzung und berief eine "Stehpräsidiale" ein.

Nach Wiederaufnahme der Beratungen entschuldigte sich Abgeordneter Dr. CAP (S) namens seiner Fraktion für den Zwischenruf von Edlinger, der vor dem inkriminierten Zwischenruf gesagt habe "Jetzt fehlt noch...".

Abgeordneter Dr. PILZ (G) meinte in seiner tatsächlichen Berichtigung, er habe niemals an einer gewalttätigen Opernballdemonstration "in erster Reihe" teilgenommen. Weiters gab er bekannt, dass Öllinger kontaktiert worden sei, im Falle einer Eskalation zu vermitteln.

In einer weiteren tatsächlichen Berichtigung nannte Abgeordneter ÖLLINGER (G) die Behauptung von Partik-Pable, er habe versucht, einem Beamten einen Schutzschild zu entreißen, als unwahr. Außerdem gab er bekannt, dass der Generalinspekteur ihn angerufen und darüber informiert habe, dass es beim Burgtor gewalttätige Auseinandersetzungen gibt. Dann habe man besprochen, dass er, Öllinger, versuchen werde, beim Burgtor beruhigend einzuwirken, was aber nicht mehr möglich gewesen sei.

Abgeordneter Dr. JAROLIM (S) zitierte im Rahmen einer tatsächlichen  Berichtigung aus einer APA-Aussendung und stellte klar, dass es sich um eine versuchte Fehldarstellung von Partik-Pable gehandelt habe.

Abgeordneter PARNIGONI (S) ersuchte die Fraktionen, dem Abänderungsantrag der SPÖ betreffend Schmerzensgeld für Exekutivbeamte für im Dienst erlittene Schäden zuzustimmen. In Richtung Partik-Pable meinte er, das Demonstrationsrecht und die Freiheit der Bürger auf Meinungsäußerung müssten verteidigt werden und es müsse auch sicher gestellt sein, dass Tausende gegen Wiederbetätigung demonstrieren können. Dem Innenminister müsste seiner Ansicht nach bekannt gewesen sein, dass "Größeres passiert" und deutsche Neonazis sich in Österreich aufhalten. Deshalb richtete er an Strasser die Frage, ob er sich mit Experten beraten habe, was zu tun sei. Wurden nämlich Kompetenzen überschritten, dann sei der Auftrag nicht deutlich genug gewesen. Als skandalös sah Parnigoni es an, dass man jetzt Schnabl einen "Strick" daraus drehen möchte.

Vizekanzlerin Dr. RIESS-PASSER kam auf das eigentliche Verhandlungsthema zurück und unterstrich u.a. die Neuregelung des Sonderurlaubs, womit ein Privileg abgeschafft werde, denn in Zukunft werde nicht der Dienstgeber die Interessenvertreter der Beamten bezahlen, sowie die Familienhospizkarenz und Maßnahmen im Bereich der Exekutive. Angesichts der Ereignisse am Wochenende sei es besonders wichtig, dass Polizisten, die in Ausübung ihres Dienstes verletzt werden, eine Entschädigung erhalten, meinte sie.

Im Zusammenhang mit den Vorfällen am Wochenende wies die Vizekanzlerin darauf hin, dass es solche Ausschreitungen bereits in der Vergangenheit bei Opernball- und Donnerstag-Demonstrationen gegeben habe, und bedankte sich bei den Exekutivbeamten für ihren schwierigen Einsatz zum Schutze der Bevölkerung.

Der Vorwurf gegen Abgeordneten Öllinger gehe auf Widerstand gegen die Staatsgewalt, erklärte Riess-Passer. Unverständlich sei ihr, warum Schnabl gerade Öllinger über die gewalttätigen Ausschreitungen informiert hat. Verbale Distanzierung von Gewalt seitens der Grünen ist ihrer Ansicht nach zu wenig.

Abgeordneter KISS (V) kommt auf das Bild der Demonstration zu sprechen, das belege, "wie es G-Abgeordneter Öllinger mit der Gewalt halte", sehe man darauf doch einen gewaltbereiten Abgeordneten, der attackiert. Für sich zog Kiss die Schlussfolgerung, dass jemand, den der Generalinspekteur anruft und von ihm will, dass er sich unter die Demonstranten mischt, ein "Rädelsführer" sei. Für Kiss steht ferner fest: Die Grünen stehen für Gewalt in diesem Land, die Regierungsparteien hingegen sagen nein zur Gewalt.

Abgeordneter Dr. VAN DER BELLEN (G) warf seinem Vorredner "miesen rhetorischen Stil" vor und meinte, er würde sich nie hinreißen lassen zu sagen, in den Reihen der ÖVP sitzen Verbrecher. Als glatte Unwahrheit qualifizierte er auch den Vorwurf, Öllinger wäre mitten in gewaltbereiten Chaoten mit Pflastersteinen und Holzlatten gegen die Exekutive vorgegangen. Khol wirft er vor, Öllinger zu verurteilen und nicht die Unschuldsvermutung gelten zu lassen. Das Entwenden von Pflastersteinen oder Eisenstangen, die gegen Menschen eingesetzt werden, stelle für ihn, Van der Bellen, eine kriminelle Handlung dar. Aber ein friedlicher Demonstrant Van der Bellen, Pilz oder Öllinger habe das staatsbürgerliche Recht, vor gewalttätigen Demonstranten in Schutz genommen zu werden. Öllinger sei nicht auf die Polizei losgegangen, betonte Van der Bellen nochmals und erinnerte daran, dass seinerzeit bei der Besetzung der türkischen Botschaft durch Angehörige der Kurden Peter Pilz vermittelt habe, was auch der damalige Minister Schlögl bestätigt habe.

Abgeordneter Mag. SCHWEITZER (F) bemerkte, wenn irgendwo in Österreich Gewaltbereitschaft auf der Straße zu sehen sei, dann seien die Grünen dabei. Für Schweitzer steht fest, dass die Grünen und ihre Vorfeldorganisationen die Demonstranten letzten Samstag gerufen haben, um Gewalt auszuüben. Der Rechtsschutz für öffentliche Bedienstete sei gerade in Zeiten wie diesen die einzig richtige Reaktion, folgerte der Redner. Die Grünen würden offenbar nicht wollen, dass die Exekutivbeamten, die vom grünen Mob mit Pflastersteinen beworfen werden, Rechtsschutz genießen, sagte Schweitzer. Die Grünen schützen die Täter, die FPÖ hingegen schützt die Opfer, unterstrich der Redner mit Nachdruck.

Schweitzer forderte in einem Entschließungsantrag der Regierungsparteien den Innenminister auf, unter Berücksichtigung der Erfahrungen in anderen EU-Staaten die Möglichkeit der Einführung eines Vermummungsverbotes für Demonstranten zu prüfen.

Abgeordneter PENDL (S) erteilte Gewalt von rechts und links eine klare Absage und betonte, die SPÖ stehe hinter der Exekutive.

Unter Hinweis auf die Einsparungsmaßnahmen der Regierung bei der Exekutive sprach Pendl den Koalitionsparteien jegliche Glaubwürdigkeit bei den Beamten ab. In einem Abänderungsantrag forderte er die Gleichstellung der Vertragsbediensteten, die ausgegliederten Einrichtungen zugewiesen sind, mit den übrigen Bundesbediensteten in Bezug auf das Sozialplangesetz.

Innenminister Dr. STRASSER verteidigte die Exekutive gegen Anschuldigungen und meinte, für die Polizei sei es nicht maßgeblich, ob eine Demonstration von rechts oder von links komme. Einzig und allein relevant für das Handeln der Polizei sei, ob die Vorgaben des Gesetzes eingehalten werden oder nicht. Vermummte, die prügeln, und Glatzköpfe, die mit Parolen den Rechtsstaat verhöhnen, müssen mit allen Konsequenzen bekämpft werden, betonte Strasser.

Der Minister sicherte den Beamten der Wiener Polizei seine volle Rückendeckung zu und unterstrich, die zuständigen Polizisten hätten richtig gehandelt. Der Einsatz habe für ihn einmal mehr gezeigt, wie gefährlich polizeiliche Arbeit sei. Die Einführung eines Rechtsschutzes für Beamte sei deshalb längst fällig.

Im Übrigen rief Strasser zu einer Demonstration politischer Vernunft auf und warnte vor verbalen Ausschreitungen. Die Aussagen des Abgeordneten Jarolim stufte er in diesem Zusammenhang als "wenig hilfreich" ein.

Abgeordnete Dr. FEKTER (V) griff die Anregungen der Oppositionsparteien auf und forderte in einem Entschließungsantrag Maßnahmen, um politische Demonstrationen auf dem Heldenplatz wegen dessen besonderer historischer Bedeutung hintanzuhalten.

Mit scharfen Worten verurteilte Fekter Gewalt von rechts wie links. Einigen Abgeordneten warf sie mangelnden Sensibilität vor, wobei sie meinte, wenn sich Jarolim und Öllinger als Abgeordnete unter gewaltbereite Demonstranten mischten, dann könnten sie sicherlich nicht deeskalierend wirken.

Abgeordneter ÖLLINGER (G) warf der Polizei Säumigkeit vor: Die Kameradschaft Germania, die zu der Demonstration gegen die Wehrmachtsausstellung aufgerufen hatte, sei eindeutig eine neonazistische Organisation. Allein aus diesem Grund hätte die Exekutive, zumal der Verdacht der Wiederbetätigung im Raum stand, handeln und die Veranstaltung von vornherein verbieten müssen, unterstrich er. Der Innenminister habe das Verbotsgesetz ignoriert, ist für Öllinger klar.

Der Redner betonte, er sei am Samstag deshalb demonstrieren gegangen, weil er etwas dagegen habe, "dass die Straße den Nazis gehört". Von einer kleinen Gruppe sei Gewalt ausgeübt worden. Er, Öllinger, habe keine Möglichkeit gesehen und, wie er sagte, auch nicht den Mut gehabt, auf diese Demonstranten Einfluss zu nehmen und sich den Steinen entgegenzustellen.

Zu dem ihn betreffenden Vorfall teilte Öllinger mit, es habe zwischen ihm und den Polizisten eine erregte Debatte gegeben, in deren Verlauf es zu einem Fußtritt gekommen sei. Er habe daraufhin die Beamten um einen Gesprächstermin gebeten. Die Konsequenz des Vorfalls sei aber die Anzeige gewesen.

Präsident Dr. PRINZHORN erteilte dem Abgeordneten Edlinger für seinen Zwischenruf "Sieg Heil" einen Ordnungsruf und kündigte an, diesen in der nächsten Präsidiale zu thematisieren.

Abgeordneter Mag. SCHWEITZER (F) berichtigte tatsächlich, seine Fraktion habe die in Rede stehenden Fotos nicht von der Polizei, sondern von einem Fotografen erhalten.

Bundesminister Dr. STRASSER hielt eingangs fest, dass die Polizei dafür sorge, dass Abgeordneter Öllinger seine politische Überzeugung überall vertreten könne. Die Polizei arbeite nach österreichischen Grundsätzen und sonst nichts. Der einfache Polizist halte "seinen Kopf für ihre Sicherheit hin". Er selbst bekenne sich dazu, schon 1980 eine Demonstration gegen den damaligen Präsidentschaftskandidaten Burger organisiert zu haben und unterstrich seine diesbezügliche politische Haltung. Im übrigen seien bei der genannten Demonstration keine Landgendarmen im Einsatz gewesen, wie dies Öllinger behauptet habe.

Abgeordneter REINDL (F) zeigte sich erfreut darüber, dass der Sonderurlaub für Beamte abgeschafft würde, womit ein weiteres freiheitliches Wahlversprechen erfüllt werde, seien die Freiheitlichen doch stets gegen jede Form von Privilegien eingetreten. Weiters betonte er die Notwendigkeit einer

Gruppenrechtschutzversicherung für die Exekutive, wobei er auf die Verdienste der Exekutive hinwies, die sich auch bei der Demonstration am Samstag gezeigt hätten.

Abgeordneter PRÄHAUSER (S) brachte einen Abänderungsantrag zur Dienstrechtsnovelle ein und wies auf die unterschiedliche Rechtsgrundlage für politische Betätigungen in der Privatwirtschaft und bei den Bundesbediensteten, vor allem hinsichtlich allfällig möglicher Karenzierungen, hin. Hier sei eine gerechte Lösung zu finden, unterstrich Prähauser. Man sollte Menschen, die politisch arbeiten wollen, auch entsprechend unterstützen, ohne dass es dabei zu ungerechtfertigen Privilegien komme, so der Redner, der sich sodann ebenfalls mit den Ereignissen vom vergangenen Samstag befasste.

Abgeordneter KÖSSL (V) meinte an die Adresse des Abgeordneten Öllinger, wenn die Burschenschaft "Germania" eine neonazistische Organisation wäre, dann wäre sie in Österreich verboten. Da dem nicht so ist, könne sie nicht neonazistisch sein, und von ihr angemeldete Demonstrationen müssten daher zugelassen werden. Die in Rede stehenden Gesetzesentwürfe begrüßte der Redner, der sich gegen den Extremismus von links und rechts aussprach. Gleichzeitig wünschte er den verletzten Exekutivbeamten vom Hohen Haus aus baldige Genesung. Gleichzeitig forderte er die Abgeordneten Öllinger und Jarolim vor dem Hintergrund der Ereignisse zum Rücktritt auf.

Abgeordnete Mag. STOISITS (G) sprach zum Thema Familienhospizkarenz und zeigte sich erfreut darüber, dass hier Schritte gesetzt würden, um es Angehörigen zu ermöglichen, die Betroffenen bis zuletzt zu betreuen. Hinsichtlich des Sonderurlaubs für Gewerkschaftsfunktionäre wähnte sich die Mandatarin nicht im vollen Umfang über die Hintergründe informiert, sodass es ihr schwer falle, hier zuzustimmen. Hinsichtlich der Gruppenrechtsschutzversicherung bemängelte die Rednerin fehlende Gleichbehandlung und brachte einen Entschließungsantrag ein, wonach ein solches Instrumentarium allen StaatsbürgerInnen zur Verfügung gestellt werden solle.

Abgeordneter JUNG (F) kritisierte den Abgeordneten Edlinger für seinen Zwischenruf und sprach sich dafür aus, jemanden nicht vorab zu diskriminieren. Sodann befasste sich auch Abgeordneter Jung mit den Vorfällen vom vergangenen Samstag. Kritik übte der Redner dabei an dem Wiener Polizeichef Schnabl, der sich in der Situation falsch verhalten habe. Sollten sich die Vorwürfe gegen Abgeordneten Öllinger wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt bewahrheiten, dann müsste dieser umgehend die Konsequenzen ziehen und zurücktreten.

Abgeordneter MARIZZI (S) plädierte für den Weg der Deeskalation, wie er von Innenminister Strasser, aber auch von seinem Fraktionskollegen Pendl propagiert worden sei. Man müsse sich seitens der Staatspolizei fristgerecht mit neonazistischen Organisationen beschäftigen, denn dann hätte es wohl auch keine Gegengewalt gegeben. Sodann befasste sich Marizzi mit den gegenständlichen Vorlagen, die er kritisch durchleuchtete, wobei er sich vor allem für verbindliche Regelungen beim Schmerzensgeld für Exekutivbeamte aussprach.

Abgeordnete LENTSCH (V) begrüßte die Inhalte der gegenständlichen Dienstrechtsnovelle, die sie taxativ vorstellte, und begründete die darin enthaltenen Neuerungen. Besonders hob sie dabei die nun geschaffene Möglichkeit der Familienhospizkarenz hervor, bei der es sich um eine wichtige Reform handle.

Abgeordneter WIMMER (S) befasste sich mit der Änderung des Bundesimmobiliengesetzes, dabei auf gesetzliche Lücken hinsichtlich des Sozialplanes, der zwar für Beamte, nicht aber für Vertragsbedienstete gelte, hinweisend, weshalb es hier zu einer entsprechenden Änderung kommen müsse.

Abgeordneter EGGHART (F) verteidigte das Vorgehen der Exekutive am vorangegangenen Samstag und kritisierte das Verhalten der Opposition, insbesondere die Aussage des Abgeordneten Edlinger. Die vorliegenden Entwürfe zum Beamtendienstrecht begrüßte der Redner.

Abgeordneter PRINZ (V) schloss hinsichtlich der Dienstrechtsnovelle an seinen Vorredner an und votierte vor allem für den Abschluss einer Gruppenrechtsschutzversicherung für die Exekutivbeamten, die im Lichte der jüngsten Ereignisse überaus wünschenswert wäre. Ebenso begrüßte er die Einführung der Familienhospizkarenz, die die soziale Kompetenz der Bundesregierung einmal mehr unterstreiche.

Abgeordneter Mag. MAINONI (F) meinte, es sei dringend notwendig, dass es eine Gruppenrechtsschutzversicherung für Exekutivbeamte gebe angesichts solcher Abgeordneter, wie sie die Grünen hätten. Immer, wenn Demonstrationen in gewalttätige Ausschreitungen mündeten, seien grüne Abgeordnete dabei, skizzierte er. Anhand mitgebrachter Ziegelsteine demonstrierte Mainoni, mit welchen Gegenständen die Exekutivbeamten bei der Demonstration am Samstag attackiert wurden. Demonstranten, die solche Ziegelsteine werfen, seien keine Aktivisten oder linke Chaoten, sagte er, "das sind Verbrecher".

Abgeordnete Dr. PAPHAZY (F) hielt fest, die vorliegende Dienstrechtsnovelle mache in einigen Bereichen mit den "Privilegien der ÖGB-Bonzen" Schluss. Sie forderte ÖGB-Chef Verzetnitsch auf, offen zu legen, wie hoch der Streikfonds des ÖGB dotiert sei und wofür die Mittel verwendet würden. Nach Einschätzung der Abgeordneten müssten dort "zweistellige Milliardenbeträge" liegen, es sei denn, die Gelder würden zur Unterstützung von Demonstrationen verwendet.

Abgeordneter Dr. WITTMANN (S) stimmte der Aussage von G-Klubobmann Van der Bellen zu, wonach es in Wien durchaus eine gute Praxis gebe, mit Demonstrationen umzugehen und auf Deeskalation zu setzen. Einen Vorwurf kann man seiner Ansicht nach Innenminister Strasser aber nicht ersparen. Die Staatsanwaltschaft hätte Wittman zufolge im Vorfeld prüfen müssen, ob es einen rechtsradikalen Hintergrund der Demonstration gegen die Wehrmachtsausstellung gebe, und in Folge dessen die Demonstration nicht zulassen dürfen. Kritik übte er zudem daran, dass es kein einziger Abgeordneter der FPÖ in der Debatte für Wert befunden hätte, auf die rechtsradikalen Parolen der Demonstranten hinzuweisen und sie zu verurteilen.

Abgeordneter EGGHART (F) wies in einer tatsächlichen Berichtigung die Behauptung Wittmanns, kein freiheitlicher Abgeordneter habe sich von den rechtsradikalen Parolen distanziert, als falsch zurück.

Abgeordneter Dr. KURZMANN (F) wertete die vorliegende Dienstrechtsnovelle als gute Weiterentwicklung des Beamtendienstrechts. Er wies darauf hin, dass damit der Sonderurlaub für Beamte begrenzt und die finanzielle Vergütung für Universitätsassistenten und -dozenten, die als Ärzte an Universitätskliniken verwendet werden, angehoben würde. Zudem komme es zur Einführung der Familienhospizkarenz für Beamte. Als erfreulichen Fortschritt beurteilte Kurzmann auch die Einführung einer Gruppenrechtsschutzversicherung für Exekutivbeamte.

Abgeordneter Dr. KRÜGER (F) meinte in Richtung Abgeordnetem Wittmann, er sage ganz deutlich, dass, wenn jemand in Österreich im öffentlichen Raum Parolen wie "Sieg Heil" rufe, die Sicherheitsbehörden unverzüglich einzuschreiten hätten. Massive Vorwürfe richtete er gegen die Grünen. Durch ihr Verhalten würde, so Krüger, den radikalen Demonstranten der Eindruck vermittelt, die Grünen seien ihre politische Schutzmacht und würden alles unternehmen, dass niemandem etwas passiere. Den Zwischenruf von Abgeordnetem Edlinger wertete er als "unfassbare Entgleisung".

Abgeordneter Dr. PILZ (G) nannte die Vorwürfe der FPÖ gegenüber den Grünen haltlos und hielt fest, man solle ein bewusstlos am Straßenrand liegendes vierzehnjähriges Mädchen ebenso wenig bagatellisieren wie 33 verletzte Polizisten. Bedauern äußerte Pilz darüber, dass es im Rahmen der Debatte nicht gelungen sei, drei selbstverständliche Feststellungen außer Streit zu stellen: gemeinsam etwas gegen kriminelle und gewalttätige Demonstranten unternehmen zu wollen, gemeinsam klären zu wollen, wie in Zukunft neonazistische Veranstaltungen unterbunden werden können, und schließlich außer Streit zu stellen, dass es rechtsstaatliche Verfahren gebe und von Vorverurteilungen Abstand zu nehmen ist. Innenminister Strasser muss ihm zufolge die politische Verantwortung dafür übernehmen, dass wider besseres Wissen und wider das Verbotsgesetz die Demonstration gegen die Wehrmachtsausstellung genehmigt worden sei.

Abgeordneter GAUGG (F) forderte G-Klubobmann Van der Bellen auf, sich von "linksradikalen Elementen" in seiner Partei zu trennen. Für ihn sei es unverständlich, wie Van der Bellen dem Treiben zusehen könne, meinte er. Als "ungeheuerlich" qualifizierte Gaugg, dass sich zwei Abgeordnete des Nationalrates, die Abgeordneten Öllinger und Jarolim, bei gewalttätigen, radikalen Demonstranten befunden hätten.

SPÖ-Klubobmann Dr. CAP bezeichnete es als "politischen Skandal", dass eine Demonstration von Rechtsradikalen am Heldenplatz zugelassen worden sei. In Richtung der Koalitionsparteien erklärte er, es wäre an der Zeit, über die Verbrechen der Wehrmacht zu diskutieren und klare Worte zur Zeit von 1938 bis 1945 und zur Rolle der Wehrmacht zu finden. Zudem mahnte er ÖVP und FPÖ, vorsichtig im Umgang mit dem Demonstrationsrecht zu sein. Es gehe nicht an, dass alle Demonstrationen, die Kritik an der Regierung zum Inhalt haben, als gewaltbereit verdächtigt würden.

Mit einem von Cap eingebrachten Entschließungsantrag will die SPÖ sicherstellen, dass neonazistische Demonstrationen bzw. Demonstrationen, die für rechtsextreme Zwecke missbraucht werden, in Hinkunft nicht mehr bewilligt werden.

Abgeordneter Mag. KUKACKA (V) unterstrich, die ÖVP distanziere sich klar von den Demonstranten gegen die Wehrmachtsausstellung und von den dort gerufenen Parolen. Von seiten der ÖVP gebe es keine Akzeptanz für Gewaltbereitschaft, weder von rechts noch von links, betonte er. Kukacka trat dafür ein, dass sich Veranstalter von Demonstrationen schriftlich verpflichten müssen, für alle Kosten und Schäden, die durch die Demonstration entstehen, aufzukommen. Zudem sprach er sich für ein Vermummungsverbot als klares Zeichen gegen Gewaltbereitschaft aus. Die Grünen forderte der Abgeordnete auf, "endlich einen klaren Trennungsstrich" zu linksextremen Gruppen zu ziehen.

FPÖ-Klubobmann Ing. WESTENTHALER forderte den Rücktritt von SPÖ-Finanzsprecher Edlinger und begründete das damit, dass dieser laut Stenographischem Protokoll den Zwischenruf "Sieg Heil" ohne relativierende Zusätze getätigt habe. Den von Abgeordnetem Cap eingebrachten Entschließungsantrag bezeichnete Westenthaler als entlarvend. Die SPÖ fordere lediglich ein Demonstrationsverbot für Rechtsextremisten und stelle damit einen Freibrief für jede Art von Gewalt von links aus, konstatierte er.

Bei der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf teils mit VP-FP-Mehrheit, teils mit VP-FP-SP-Mehrheit angenommen.

Die beiden von den SozialdemokratInnen eingebrachten Zusatzanträge blieben in der Minderheit nachdem sie sowohl von den Koalitionsparteien als auch von den Grünen abgelehnt worden waren.

Der SP-Abänderungsantrag fand nur die Unterstützung von SPÖ und Grünen und blieb somit in der Minderheit.

Der Entschließungsantrag von FPÖ und ÖVP zum Vermummungsverbot wurde mit den Stimmen der Koalitionsparteien mehrheitlich angenommen. Dies gilt auch für den VP-FP-Entschließungsantrag betreffend SPÖ-Verlangen auf Demonstrationsverbot am Heldenplatz.

Der Entschließungsantrag der Grünen betreffend Rechtsanwaltskosten bei strafgerichtlichen Freisprüchen blieb mit den Stimmen der Grünen in der Minderheit.

Der SPÖ-Entschließungsantrag betreffend Verbot neonazistischer Demonstrationen fand nur die Unterstützung von SPÖ und Grünen und gilt somit als abgelehnt.

Der Ausschussbericht zum Antrag der SPÖ hinsichtlich der Änderungen des Immobiliengesetzes wurde von ÖVP und FPÖ angenommen. Die Initiative der SPÖ ist damit abgelehnt.

(Schluss Dienstrecht/Forts. NR)