Parlamentskorrespondenz Nr. 318 vom 03.05.2002

GEDENKVERANSTALTUNG 2002 GEGEN GEWALT UND RASSISMUS

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Wien (PK) - Umrahmt wurde die Gedenkveranstaltung gegen Gewalt und Rassismus durch die Aufführung von fünf Werken für Streicher von Ernst Krenek, eine Lesung von Elisabeth Orth aus den autobiographischen Aufzeichnungen des Kommandanten in Auschwitz Rudolf Höß und die Aufführung von Arnold Schönbergs "Ode an Napoleon".

Die "fünf kurzen Stücke" entstanden im Herbst 1948 in Kalifornien, wo Ernst Krenek (1900 - 1991) seit 1947 lebte. Krenek hatte in Wien und Berlin Musik studiert und ab 1921 erste Werke komponiert. 1925 wurde er Assistent an der Staatsoper Kassel, ab 1927 wirkte er in Wiesbaden, wo im gleichen Jahr auch sein Hauptwerk "Jonny spielt auf" uraufgeführt wurde. 1929 kehrte er nach Wien zurück, wo ihn eine enge Freundschaft mit Alban Berg und Wilhelm Reich verband. 1933 erhielt er den Auftrag, für die Wiener Staatsoper eine Oper über "Karl V." zu schreiben, doch wurde die geplante Uraufführung des Werkes 1934 durch den damaligen Unterrichtsminister verhindert. In Deutschland war Krenek zu dieser Zeit bereits verfemt, und auch in Wien wurden seine musikalischen Möglichkeiten immer mehr eingeengt, sodass er als Journalist für die "Wiener Zeitung" sein Auskommen finden musste.

Nach der Okkupation Österreichs durch die Nazis floh Krenek nach Amerika, wo er in Poughkeepsie im Staate New York Professor für Musik am Vassar College wurde. 1942 übersiedelte er nach St. Paul (Minnesota), wo er ebenfalls eine Professorenstelle erhielt. 1945 wurde Krenek amerikanischer Staatsbürger. Mitte der 50er Jahre setzte eine verstärkte Krenek-Rezeption in den Staaten ein, die mit einiger zeitlicher Verzögerung auch in Europa ihren Niederschlag fand. 1980 wurde in Wien ein eigenes Krenek-Archiv eröffnet, 1982 gab es im Rahmen einer Ausstellung auch eine breite Werkschau aus dem Schaffen des Komponisten. 1984 wurde mit 50jähriger Verzögerung "Karl V." an der Wiener Staatsoper aufgeführt. 1991 starb Krenek in Santa Barbara, beigesetzt wurde er in einem Ehrengrab der Stadt Wien. Seit 1998 sorgt ein eigenes Krenek-Institut in Wien für die Pflege und Dokumentation des Krenekschen Oeuvres.

Die "fünf kurzen Stücke" zählen zu den praktisch ausgerichteten kammermusikalischen Werken Kreneks, die, wiewohl sie zwölftönig organisiert sind, die strenge Technik nicht ostentativ werden lassen und so eine unmittelbare Ausdruckswirkung erzielen. Zwei der Stücke etwa beginnen mit einem einprägsamen Motiv im Sinne klassischer Tradition, wobei Kreneks Anliegen offensichtlich wird, das dichte Klangbild durch eine an Bach erinnernde Klarheit musikalischer Logik anschaulich zu machen. So arbeitet etwa das zweite Stück mit einer einheitlich verwendeten Rhythmusfigur, über der sich eine frei fließende Melodie entspinnt, wodurch der abschließende Satz in seiner scherzoähnlichen Struktur und seine leichtfüßige Setzung besonders hervorgehoben wird.

Ausgeführt werden die Stücke vom Ensemble Trioplus Wien, das aus Martin Zalodek und Harald Krumpöck (Violine), Peter Sagaischek (Viola), Nikolaus Straka (Violoncello) und Johannes Marian (Klavier).

Der berüchtigte Kommandant des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau, Rudolf Höß (1900 - 1947), wurde im März 1946 von der britischen Militärpolizei verhaftet und schrieb während seiner Haft eine autobiographische Skizze nieder, in der er sich reulos zu seinem Handeln als Kommandant bekennt. Diese Autobiographie, 1958 in der BRD publiziert, gehört zu jenen Texten, die Hannah Arendt dazu veranlassten, von der "Banalität des Bösen" zu sprechen. Höß wurde für seine Verbrechen zur Rechenschaft gezogen, zum Tode verurteilt und 1947 in Auschwitz hingerichtet. Kammerschauspielerin Elisabeth Orth las Auszüge aus diesen Aufzeichnungen.

Arnold Schönberg (1874-1951) zählt zu den Begründern der Zwölftonmusik. Musikalisch war er gleichsam ein "Spätstarter". Nach einer Banklehre befasste er sich erst ab 1899 professionell mit Musik. Nach seiner Heirat zog er 1901 nach Berlin und trat dort, mittlerweile mit Richard Strauss befreundet, 1902 eine Stelle als Kompositionslehrer am Konservatorium Stern an. Ein Jahr später ist Schönberg wieder in Wien und unterrichtet auch hier Musik. Alsbald gehören Anton von Webern und Alban Berg zu seinen Schülern. 1908 führt er das erste atonale Werk der Musikgeschichte auf, was prompt einen Skandal evoziert.

Nachdem sein Versuch, an der Wiener Akademie eine Professorenstelle zu erlangen, darob scheitert, geht Schönberg wieder nach Berlin, wo er 1913 auch Kontakte zu Wassily Kandinsky und Franz Marc knüpft und sich am "Blauen Reiter" beteiligt. Nach dem Ersten Weltkrieg, den er in einer Militärkapelle überdauert, setzt Schönberg seine musikalische Karriere fort und avanciert 1925 zum Leiter der Meisterklasse für Komposition an der Preußischen Akademie der Künste in Berlin. Diese Position hat Schönberg bis 1933 inne, ehe er von den Nationalsozialisten vertrieben wird und über Frankreich nach Los Angeles emigriert.

1936 erhält Schönberg eine Professur an der UCLA, 1940 wird er amerikanischer Staatsbürger. 1949 wird er endlich auch in seiner Heimatstadt gewürdigt, die ihm die Ehrenbürgerschaft verleiht. Zwei Jahre später stirbt Schönberg in Los Angeles.

Die Reflexion über den Nationalsozialismus, aber auch die Reden von Winston Churchill und Franklin D. Roosevelt brachten Schönberg Anfang 1942 zur Beschäftigung mit Napoleon, wobei ihm das berühmte Poem von George Gordon Lord Byron (1788-1824) aus dem Jahre 1814 verstärkt beschäftigte. Byron, schon zu Schönbergs Zeit Inbegriff des romantischen Rebellen, des Freiheitskämpfers, Abenteurers und tragischen Helden, bewertete Napoleon in seinem Gedicht durchaus differenziert und höchst politisch. Schönberg las den Text ganz offensichtlich anders und befasste sich vor allem mit dem Problem der Tyrannei und ihrer Überwindung.

In der "Ode to Napoleon" manifestiert sich musikalisch aber auch eine gewandelte Auffassung von der "Methode der Komposition mit zwölf auf einander bezogenen Tönen". Schönberg sah den der Methode intendierten Zweck einer Zusammenhang stiftenden Wirkung nicht länger durch Reminiszenzen an die Tonalität gefährdet und verwendete überdies symbolträchtige Zitattechnik, klingen doch stellenweise Rückbezüge zur "Marseillaise" und zu Beethovens 5. Symphonie an. Schönberg übersetzte Byrons Text ins Deutsche, vorgetragen wird dieser durch David Cameron, der dem Wiener Theaterpublikum seit vielen Jahren durch seine Mitwirkung beim "Vienna English Theatre" ein "Household Name" ist. (Schluss)