Parlamentskorrespondenz Nr. 403 vom 04.06.2002

FAMILIENAUSSCHUSS: FINANZIELLE ABSICHERUNG BEI FAMILIENHOSPIZKARENZ

Untersuchungen für erhöhte Familienbeihilfe nur noch bei einer Stelle

Wien (PK) - Als Begleitmaßnahme zur kürzlich vom Nationalrat beschlossenen Einführung der Familienhospizkarenz stimmte der Familienausschuss heute einer Gesetzesänderung zu, die auf eine bessere finanzielle Absicherung jener Personen abzielt, die Familienhospizkarenz in Anspruch nehmen. Demnach kann der Sozialminister Personen, die sich zum Zwecke der Sterbebegleitung eines nahen Angehörigen oder der Betreuung eines schwerst kranken Kindes karenzieren lassen, in besonderen Härtefällen eine Geldzuwendung aus dem Familienhärteausgleich gewähren. Genauere Richtlinien für die Gewährung entsprechender Zuwendungen sollen von einer Arbeitsgruppe des Sozialministeriums ausgearbeitet werden. Einen Rechtsanspruch auf Geldzuwendungen gibt es ausdrücklich nicht, Gesundheitsstaatssekretär Reinhart Waneck versicherte den Abgeordneten im Ausschuss jedoch, dass die Ablehnung eines Antrages aus rein finanziellen Gründen nicht möglich sein wird, sondern nur dann, wenn der Antrag nicht den - noch auszuarbeitenden - Richtlinien entspricht.

Die Gesetzesänderung erhielt dennoch lediglich die Zustimmung der Koalitionsparteien. Die SPÖ begründete ihre ablehnende Haltung vor allem mit dem fehlenden Rechtsanspruch auf Zuwendungen aus dem Familienhärteausgleich. So gab Abgeordnete Barbara Prammer zu bedenken, dass jemand, der sich den Ausfall seines Gehalts für zwei, drei Monate nicht leisten könne, nicht in der Lage sein werde, Familienhospizkarenz in Anspruch zu nehmen, wenn er nicht gleichzeitig die Rechtssicherheit habe, dass er finanzielle Mittel aus dem Familienhärteausgleich erhalte. Abgeordnete Theresia Haidlmayr wies seitens der Grünen darauf hin, dass Ansuchen um Familienhärteausgleich nach wie vor an die österreichische Staatsbürgerschaft gekoppelt seien, was sie für EU-rechtswidrig hält.

FPÖ-Familiensprecherin Edith Haller meinte zur Frage des Rechtsanspruchs, aus Budgetgründen "ist halt nicht alles möglich". Die Kritik an der Gesetzesänderung hält sie allerdings nicht für berechtigt, da man davon ausgehen könne, dass, wenn eine Antrag den Richtlinien entspricht, auch Härteausgleich gewährt werden wird.

Grundlage für den Beschluss bildete ein Abänderungsantrag der beiden Koalitionsparteien zu einem Gesetzesvorschlag der Regierung auf Änderung des Familienlastenausgleichsgesetzes. Neben den begleitenden Bestimmungen zur Familienhospizkarenz sieht der Gesetzentwurf vor, dass die notwendigen Untersuchungen zur Erlangung der erhöhten Familienbeihilfe für erheblich behinderte Kinder künftig nur mehr von den Bundesämtern für Soziales und Behindertenwesen durchgeführt werden dürfen. Die Abgeordneten erwarten sich davon vor allem eine bundesweit einheitliche Begutachtungspraxis und damit eine bessere Nachvollziehbarkeit für die Betroffenen. Die geschätzten jährlichen Kosten von rund 540.000 € bis 645.000 € sollen aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen getragen werden.

Um sicher zu stellen, dass von Familien mit behinderten Kindern keine unnötige und beschwerliche Mobilität eingefordert wird, fasste der Familienausschuss eine Ausschussfeststellung, wonach er davon ausgeht, dass das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen jene Sachverständigen für die Untersuchung heranzieht, deren regionale Erreichbarkeit in Bezug auf den Wohnort der Kinder am ehesten gegeben ist.

Dieser Teil des Gesetzentwurfes wurde auch von der SPÖ mitgetragen. Ausschussvorsitzende Ilse Mertel (S) zeigte sich ebenso wie die Vertreter der Koalitionsparteien darüber erfreut, dass es auf diesem Gebiet zu einer Vereinheitlichung kommt. Abgeordnete Haidlmayr (G) forderte hingegen, für die Untersuchungen jene Ärzte oder Fachkliniken heranzuziehen, die das Kind kennen und betreuen, da nichtspezialisierte Sachverständige "keine Ahnung von irgendwelchen Behinderungen" hätten.

Eingeleitet wurde die Diskussion im Ausschuss durch Abgeordnete Edith Haller (F), die auf die unterschiedliche Spruchpraxis bei der Zuerkennung von erhöhter Familienbeihilfe hinwies und sich durch den vorliegenden Gesetzentwurf nunmehr Verbesserungen erwartet. Der in der Begutachtung des Gesetzentwurfes geäußerte Einwand, wonach es problematisch sei, dass das Bundesamt gleichzeitig Entscheidungs- und Berufungsinstanz ist, wird Haller zufolge dadurch begegnet, dass künftig als Berufungsinstanz die Unabhängigen Finanzsenate zuständig sein werden.

Von mehreren Abgeordneten wurde eine Änderung jener Richtsatzverordnung eingemahnt, die Grundlage für die Feststellung des Grades der Behinderung ist. So machte etwa Ausschussvorsitzende Ilse Mertel (S) darauf aufmerksam, dass die Richtsatzverordnung für Kriegsgeschädigte entwickelt wurde und beispielsweise für geistige Behinderungen nur bedingt anwendbar sei. Gesundheitsstaatssekretär Reinhart Waneck kündigte an, eine Neuregelung vornehmen zu wollen.

Die Einwände von Abgeordneter Haidlmayr, wonach es aufgrund einer mangelnden Kompetenz der Sachverständigen zu "verrückten Entscheidungen" komme, wies Waneck zurück. Er unterstrich, dass die Amtssachverständigen einer Aufsicht unterliegen und selbstverständlich auch geschult würden. Abgeordnete Evelyn Freigaßner (F) ergänzte, aus Gründen der Objektivität könne es nicht sein, dass der eigene Arzt als Gutachter fungiere.

Eine ausführliche Diskussion gab es bezüglich der Frage des Härteausgleichs bei Inanspruchnahme der Familienhospizkarenz. So meinte etwa Abgeordnete Barbara Prammer (S), mit den Gesetzentwurf gehe die Koalition zwar in die richtige Richtung, wenn es jedoch keinen Rechtsanspruch auf Leistungen aus dem Härteausgleichsfonds gebe, werde es für viele Personen nicht möglich sein, Familienhospizkarenz in Anspruch zu nehmen. Ein Abänderungsantrag der SPÖ, der einen entsprechenden Rechtsanspruch vorsah, wurde jedoch von der Koalitionsmehrheit abgelehnt. Auch ein Abänderungsantrag der Grünen, jene Bestimmung aus dem Familienlastenausgleichsgesetz zu streichen, der Ansprüche aus dem Familienhärteausgleich an die österreichische Staatsbürgerschaft bindet, fand keine Mehrheit.

FPÖ-Familiensprecherin Haller räumte ein, dass ein Rechtsanspruch "ohne Frage was für sich hätte", da er den Zugang zur Familienhospizkarenz erleichtern würde, aus budgetären Gründen sei aber "halt nicht alles möglich". Die Kritik der Opposition am Gesetzentwurf hält sie jedenfalls nicht für berechtigt, da davon auszugehen sei, dass Härteausgleich gewährt werde, wenn ein Antrag den - noch zu erstellenden - Richtlinien entspreche. Diese Ansicht vertrat auch Gesundheitsstaatssekretär Waneck, der zusätzlich betonte, dass die Ablehnung eines Antrags aus rein finanziellen Gründen gar nicht möglich sei. Insofern bestehe ohnehin ein gewisser Rechtsanspruch, meinte er.

Seitens der ÖVP verwies Abgeordnete Ridi Steibl darauf, dass es neben dem Härteausgleich eine weitere Möglichkeit der finanziellen Absicherung für Personen gebe, die Familienhospizkarenz in Anspruch nehmen. So sei vorgesehen, Personen ohne weitere Untersuchung einen Vorschuss auf Pflegegeld der Stufe 3 zu gewähren, wenn sich ein Angehöriger entschließe, Familienhospizkarenz in Anspruch zu nehmen.

Die Abgeordneten der SPÖ ließen sich von dieser Argumentation jedoch nicht überzeugen. So erklärte Abgeordnete Heidrun Silhavy, sie gehe davon aus, dass der Abänderungsantrag der Koalitionsparteien "Augenauswischerei" sei. Wenn, wie die Koalition festhalte, kein Geld da sei, müssten die Richtlinien für die Gewährung aus dem Härteausgleich so eng gefasst werden, dass nur wenige Personen Anspruch hätten. Ihre Fraktionskollegin Prammer machte geltend, dass aufgrund der im Gesetzentwurf vorgesehenen Kann-Bestimmung kein Rechtsmittel gegen die Ablehnung eines Antrags ergriffen werden könne. Ausschussvorsitzende Mertel räumte allerdings ein, dass die Familienhospizkarenz an sich positiv zu sehen sei.

Abgeordnete Mertel äußerte mit Verweis auf eine Studie des Finanzministeriums darüber hinaus Bedenken, dass dem Familienlastenausgleichsfonds in den nächsten Jahren ein Defizit drohe. Dem widersprach allerdings Gesundheitsstaatssekretär Waneck, der darauf hinwies, dass der FLAF laut einer Prognose bis 2007 ausgeglichen bilanzieren werde. Im Übrigen rechnet das Sozialministerium seiner Auskunft nach damit, dass pro Jahr 400 bis 500 Personen, die Familienhospizkarenz in Anspruch nehmen werden, Mittel aus dem Härtefonds erhalten.

Die im FP-VP-Abänderungsantrag enthaltenen begleitenden Bestimmungen zur Familienhospizkarenz erhielten bei der Abstimmung die Zustimmung der Koalitionsparteien, die ursprünglichen Bestimmungen der Regierungsvorlage, die sich auf die Untersuchungen zum Erhalt der erhöhten Familienbeihilfe beziehen, wurden auch von der SPÖ mitbeschlossen. Die Abänderungsanträge der Opposition blieben in der Minderheit.

Mit der Familienhospizkarenz erhalten ArbeitnehmerInnen einen bedingten Rechtsanspruch auf eine bis zu sechsmonatiger Dienstfreistellung für die Sterbebegleitung von nahen Verwandten und für die Betreuung schwerstkranker Kinder, wobei sowohl eine völlige Freistellung als auch eine Arbeitszeitreduktion möglich sind. Das Arbeitsentgelt entfällt während der Zeit der Familienhospizkarenz, jene Personen, die diese in Anspruch nehmen, bleiben aber kranken- und pensionsversichert.

OPPOSITIONSANTRÄGE VERTAGT

Vom Familienausschuss einstimmig vertagt wurden zwei Entschließungsanträge der Grünen. Zum einen wollten die Grünen Minister Haupt auffordern, gesetzliche Grundlagen vorzulegen, die den Zweck haben, die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen ("Übereinkommen über die Rechte des Kindes") in den Rang eines Verfassungsgesetzes zu heben (541/A[E]). Begründet wird diese Initiative von den Grünen damit, dass die Kinderrechte, die im Übereinkommen festgeschrieben sind, in der Bevölkerung weitgehend unbekannt seien und viele davon in Österreich auch nicht gewährleistet wären.

Während sich die ÖVP bezüglich der Forderung der Grünen skeptisch zeigte, meinte Abgeordnete Edith Haller (F), sie könne dem Entschließungsantrag sehr viel abgewinnen. Haller kündigte in diesem Sinn Gesprächsbereitschaft an und äußerte die Hoffnung, einen Vier-Parteien-Antrag zu diesem Thema zustande zu bringen. ÖVP-Abgeordneter Gerhard Bruckmann sagte hingegen, er  halte nichts davon, weitere Rechte in der Bundesverfassung zu verankern und so die Bundesverfassung mit Dingen zu "überfrachten", die mit der Verfassung überhaupt nichts zu tun hätten. Seine Fraktionskollegin Ridi Steibl gab ergänzend zu bedenken, dass die in der Verfassung verankerten Grund- und Freiheitsrechte ohnehin für alle gelten, unabhängig vom Alter.

Unterstützt wurde der Vorschlag der Grünen dem gegenüber von der SPÖ und von Gesundheitsstaatssekretär Reinhart Waneck. Man habe in ihm einen hundertprozentigen Mitstreiter, wenn es darum gehe, die Rechte der Kinder festzulegen und verfassungsmäßig zu verankern, stellte er fest. Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (S) regte an, am Tag der Kinderrechte am 20. November, eine Parlamentarische Enquete zu diesem Thema zu veranstalten. Abgeordneter Dieter Brosz (G) zeigte sich einerseits über die von Abgeordneter Haller signalisierte Gesprächsbereitschaft erfreut, fürchtet aber angesichts der Stellungnahmen seitens der ÖVP dennoch, dass sein Antrag "schubladisiert" werde.

Ein zweiter - heute ebenfalls vertagter - Entschließungsantrag der Grünen wendet sich gegen eine weitere Förderung des Pennälerringes durch das Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen. Begründet wird diese Forderung von den Grünen damit, dass verschiedene Mitgliedsorganisationen des ÖPR deutsch-nationale Aktivitäten entfalten und somit nicht die Anforderungen des Bundes-Jugendförderungsgesetzes erfüllen.

Die FPÖ begründete die Vertagung des Antrags damit, dass der Pennälerring, wie zwei Anfragebeantwortungen von Minister Herbert Haupt zeigten, eindeutig alle Voraussetzungen für den Erhalt einer Basisförderung nach dem Jugendförderungsgesetz erfüllt habe. Die Grünen würden verlangen, dass das Sozialministerium dem Pennälerring entgegen den Förderbestimmungen, also gesetzwidrig, Förderungen verweigere, kritisierte beispielsweise Abgeordneter Wilhelm Weinmeier. Durch die Vertagung solle den Grünen ihm zufolge die Gelegenheit gegeben werden, ihre Vorwürfe durch Unterlagen zu belegen, sagte er.

Abgeordneter Dieter Brosz blieb bei seiner Kritik und erklärte, er teile die Ansicht des Sozialministeriums nicht, dass beim Pennälerring die Voraussetzungen für den Erhalt von Förderungen nach dem Jugendförderungsgesetz gegeben seien. Zudem fragte er sich, warum der Pennälerring für die Erneuerung der Kücheneinrichtung und ähnlicher Maßnahmen Projektförderung erhalten habe, einer Kritik, der sich auch die SPÖ anschloss. Sie verstehe nicht, warum einer Organisation, bei der sie die Gefahr der Wiederbetätigung sehe, Basis- und Projektförderung gegeben werde, umriss etwa Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (S).

Gesundheitsstaatssekretär Reinhart Waneck machte geltend, dass 115 verschiedene Organisationen vom Ministerium nach den Bestimmungen des Jugendförderungsgesetzes gefördert würden. Eine "lupenreine" Abrechnung über die Verwendung der Mittel sei Voraussetzung für weitere Förderungen. Das Ministerium habe im Übrigen keine Verdachtsmomente in Bezug auf eine Verletzung des Verbotsgesetzes durch den Pennälerring. (Schluss)