Parlamentskorrespondenz Nr. 528 vom 04.07.2002

KEINE EINIGUNG ÜBER ANTRAG ZU ANTI-ATOMPOLITIK UND TEMELIN

----

Wien (PK) - Mit den Stimmen von FPÖ und ÖVP wurde heute im Umweltausschuss eine Entschließung betreffend "Schwerpunkte der Anti-Atom-Politik Österreichs unter besonderer Berücksichtigung des KKW Temelin" mehrheitlich angenommen. Trotz intensiver Verhandlungen im Rahmen des kurz vorher zu Ende gegangenen Temelin-Ausschusses konnte keine Einigung mit der SPÖ und den Grünen erzielt werden. Abgeordnete Ulrike Sima (S) kündigte an, die SPÖ werde für das Plenum des Nationalrates einen eigenen Antrag vorbereiten. Die nun vorliegende Entschließung ersetzt den ursprünglich gemeinsamen S-F-V-G-Antrag (384/A[E]) zur Umsetzung der Melker Vereinbarungen, dessen Debatte am 15. November 2001 vertagt worden war.

Auf der Tagesordnung des Umweltausschusses standen darüber hinaus weitere am 15.November 2001 vertagte Anträge zur EU-Atompolitik und zum AKW Temelin (446/A[E], 515/A[E]), sowie ein Antrag der Grünen betreffend Vorschläge zur Umsetzung des Temelin-Volksbegehrens (596/A[E]), ein ebenfalls im November des Vorjahres vertagter Antrag der Grünen betreffend Umstellung der Stromversorgung der Bundesgebäude mit Ökostrom (400/A[E]) und die Petition Nr. 30 "Gegen Temelin - für unsere Zukunft" (30/PET). Diese wurden von den Regierungsfraktionen mehrheitlich abgelehnt.

In dem nun angenommenen umfassenden Entschließungsantrag bekräftigt der Nationalrat seine bisherigen Entschließungen zu Fragen der Nuklearpolitik im allgemeinen und zum Thema Temelin im besonderen sowie die "Drei-Stufen-Strategie" der Bundesregierung zum Ausstieg aus der Kernenergie: Schließung von nicht nachrüstbaren Kernkraftwerken, Schaffung einheitlicher und hoher Sicherheitsstandards für noch im Betrieb befindliche Kernkraftwerke und konsequente Verfolgung eines europaweiten Ausstiegs aus der Nutzung der Kernenergie.

Die Abgeordneten unterstützen auch die Initiativen der Bundesregierung zur Reform und Integration des Euratom-Vertrags in den EG-Vertrag mit neuen Zielsetzungen im Hinblick auf die Forcierung erneuerbarer Energieträger. Sie treten auch dafür ein, dass das Euratom-Forschungsprogramm anstelle neuer Nuklearprojekte weiter an das Ziel eines EU-weiten Atomausstiegs angepasst wird und dass die an der Finanzierung von AKW in Osteuropa hauptbeteiligten Banken keine neuen Finanzierungen und Kredite für Atomprojekte vergeben, sondern Mittel in den Ausstieg umlenken.

Explizit unterstreichen die unterzeichneten Abgeordneten ihren Willen, umgehend auch in Sondierungsgesprächen mit der EU eine finanzielle Beteiligung an einem konkreten Ausstiegsangebot für Temelin anzustreben, sofern die tschechische Seite hiezu Bereitschaft zeigt. Zu diesem Zweck soll auch eine parlamentarische Delegation Gespräche mit dem neu gewählten Parlament der Tschechischen Republik aufnehmen. Die österreichischen EU-Abgeordneten werden aufgefordert, eine neuerliche Initiative zur Abhaltung einer EU-weiten Ausstiegskonferenz einzuleiten.

Die Bundesregierung wird im Hinblick auf Temelin ersucht sicherzustellen, dass sich die tschechische Regierung weiterhin zum Melker Prozess bekennt und die dort festgehaltenen Sicherheitsauflagen wie vereinbart erfüllt. Die Bundesregierung solle mit Nachdruck auf einer vollständigen und vollinhaltlichen Umsetzung der "Vereinbarung von Brüssel" bestehen, wonach die Ergebnisse des Melker Prozesses in den Beitrittsvertrag einfließen und damit vor dem EuGH einklagbar werden.

Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend mit der neuen tschechischen Regierung Gespräche über Alternativen zur kommerziellen Nutzung von Temelin mit dem Ziel der Realisierung einer Nullvariante zu führen und auf EU-Ebene die Frage von Dumping-Exporten für tschechischen Atomstrom weiter zu thematisieren. Die Energiepartnerschaften mit Beitrittskandidaten und Reformstaaten Zentral- und Osteuropas ist nach dem Willen der ParlamentarierInnen konsequent fortzusetzen. Vor allem erscheint es ihnen notwendig dazu beizutragen, Voraussetzungen für einen Ausstieg aus der Kernenergienutzung in diesen Ländern zu schaffen.

Sie halten es auch für verfehlt, die Atomenergie bei der Erreichung des Kyoto-Ziels zu berücksichtigen. In diesem Sinne sei der EU-Umweltministerrat und der EU-Energieministerrat mit der Mitteilung der Kommission zum Grünbuch "Hin zu einer europäischen Strategie für Energieversorgung" zu befassen. Grundsätzlich soll sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene für möglichst frühzeitige Schließungsdaten für Bohunice, Kosloduj und Ignalia einsetzen und generell die Themen der Befristung von Betriebsdauern und des mittelfristigen Ausstiegs aus der Kernenergie ansprechen. (Schluss)