Parlamentskorrespondenz Nr. 533 vom 04.07.2002

GESUNDHEITSAUSSCHUSS: MEHR MEDIKAMENTE OHNE REZEPT

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Wien (PK) - Der Bund und das Land Steiermark treffen eine Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte ("Patientencharta"). Bereits Anfang der 90er Jahre setzten Diskussionen über die Weiterentwicklung und Kodifizierung der Patientenrechte ein. Da es sich dabei um eine Querschnittsmaterie handelt, die zudem sowohl in Bundes- als auch in Landesvorschriften geregelt ist, wurde der Versuch unternommen, auf Grundlage von 15a B-VG-Vereinbarungen eine vollständige und übersichtliche Zusammenfassung der Patientenrechte vorzunehmen ("Patientencharta"). Nach den Bundesländern Kärnten, Burgenland und Oberösterreich hat nunmehr auch die Steiermark den Wunsch nach einem bilateralen Abschluss geäußert, heißt es im Vorblatt der Regierungsvorlage (1035 d.B.).

Im Rahmen dieser Diskussion wurden auch zwei Anträge der SPÖ behandelt, die die Entschädigung von Patienten für medizinische Behandlungsfehler zum Inhalten haben. So forderten die S-Mandatare in einem Entschließungsantrag die Schaffung e iner eindeutigen Rechtsgrundlage für diesen Bereich. In den letzten Jahren sei zwar ein Netz an Schlichtungsstellen (z.B. bei den Ärztekammern, Patientenanwaltschaften) entstanden, es dürfe aber nicht übersehen werden, dass die Entscheidungen in einem weitgehend rechtsfreien Raum fallen. Dies berge die große Gefahr in sich, dass PatientInnen letztlich weit unter der ihnen tatsächlich zustehenden Entschädigungshöhe abgefunden werden. Darüber hinaus soll im Gesundheitsbericht ein gesondertes Kapitel aufgenommen werden, in dem die Tätigkeit der Schlichtungsstellen im Medizinbereich anonymisiert erfasst und ausgewertet wird (584/A[E]).

Abgeordneter Karl Donabauer (V) zeigte sich erfreut darüber, dass nun auch mit dem Bundesland Steiermark eine derartige Vereinbarung getroffen werden konnte. Er brachte noch einen Paragraph-27-Antrag ein, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird. Als Begleitmaßnahme zur Familienhospizkarenz sollen mit dem vorliegenden Antrag besondere Auszahlungsvorschriften und eine Vorschussregelung (mindestens in der Höhe des Pflegegeldes der Stufe 3) im Gesetz normiert werden, damit eine rasche Hilfe gewährleistet werden kann, erläuterte Donabauer.

Die Abgeordneten der Opposition kritisierten vehement die Einbringung des Antrages, da ihrer Ansicht nach kein inhaltlicher Zusammenhang zwischen der Änderung des Bundespflegegeldes und der Patientencharta bestehe.

Außerdem sei dieser Antrag gleichheitswidrig sowie inhuman und skandalös, meinte Abgeordnete Heidrun Silhavy (S), da Menschen ohne Angehörige, die aus dem Spital entlassen werden und dringend Hilfe brauchen würden, von dieser Maßnahme ausgeschlossen sind.

Ausschussobmann Alois Pumberger (F) wies darauf hin, dass in der Patientencharta das Recht auf Behandlung und Pflege sowie auf Selbstbestimmung verankert sei, wodurch sich ein Zusammenhang mit dem Pflegegeld ergebe. Außerdem stehe dem Ausschussobmann laut Geschäftsordnung das Recht zu, über diese Frage zu entscheiden.

Abgeordneter Erwin Rasinger (V) befasste sich mit dem Thema Patientenentschädigung, das schon eine lange Vorgeschichte habe. Er glaube, es sei für den Patienten besser, sofort Geld zu bekommen, wie dies jetzt möglich ist, als noch jahrelang auf eine Ideallösung zu warten. Das derzeitige Modell, das die Schiedsstellen, die Patientenanwaltschaften und den Härtefallfonds umfasst, sollte sich einmal entwickeln können und dann könne man schauen, wo Verbesserungen möglich sind.

Abgeordnete Renate Csörgits (S) trat für eine einheitliche Rechtsgrundlage im Sinne der Patienten ein.

Ausschussobmann Alois Pumberger zeigte sich froh darüber, dass nun das sechste Bundesland dieser Vereinbarung beitritt. Die Anträge der SPÖ bezeichnete er als "Schnee von gestern".

Abgeordneter Kurt Grünewald (G) sprach davon, dass er immer dafür gewesen sei, dass pflegerische Leistungen und Leistungen im Bereich der Sterbebegleitung finanziell abgegolten werden. Wenn man aber Geld, das für pflegerisch-medizinische Leistungen reserviert war, zur Sterbebegleitung umschichte, werde dies auf Kosten der professionellen Pflege gehen, kritisierte er.

Staatssekretär Reinhart Waneck meinte im Zusammenhang mit der Novelle zum Bundespflegegeldgesetz, dass es sich hierbei um begleitende Maßnahmen zur Familienhospizkarenz handle, verwies im Hinblick auf die Patientenentschädigung darauf, dass es um jene Fälle gehe, bei denen die Verschuldensabhängigkeit nicht festgestellt werden könne.

Nur drei Bundesländer, Vorarlberg, Salzburg und Wien, seien noch nicht bereit, dieser Patientencharta beizutreten, die Steiermark mache es jetzt und Tirol habe vor einigen Wochen beschlossen, diese Vereinbarung zu ratifizieren.

Bei der Abstimmung wurde die Patientencharta einstimmig genehmigt. Der § 27-Antrag betreffend Novellierung des Bundespflegegeldgesetzes fand die Zustimmung der beiden Regierungsparteien. Beide S-Anträge verfielen der Ablehnung durch die Mehrheit von FPÖ und ÖVP.

IN ZUKUNFT GIBT ES MEHR REZEPTFREIE ARZNEIMITTEL

Mit einer Novellierung des Rezeptpflichtgesetzes will die Regierung den Selbstmedikationsbereich stärken. Ausgangspunkt dafür ist ein Positionspapier, das von Vereinigungen europäischer Ärzte in Kooperation mit dem Europäischen Fachverband der Arzneimittelhersteller und mit Unterstützung der Europäischen Kommission ausgearbeitet wurde, und das den vermehrten Gebrauch von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln als bedeutenden Bestandteil der Gesundheitsversorgung ansieht. Dies entspreche nicht nur dem wachsenden Bedürfnis, mehr Verantwortung für die eigene Gesundheit zu übernehmen, sondern stelle auch einen kostensparenden Faktor für die nationalen Gesundheitssysteme dar.

Abgeordneter Kurt Grünewald (G) erinnerte im Zusammenhang mit dieser Ausweitung der Selbstmedikation daran, dass jedes Medikament einer Diagnose bedürfe. Abgeordneter Erwin Rasinger (V) meinte, die Selbstmedikation sei nichts Schlechtes, aber man dürfe die Patienten nicht überfordern. Auch hofft Rasinger, dass nicht alle billigen Medikamente nur rezeptfrei über die Apotheken bezogen werden und die Kassen dem Arzt verbieten, dieses Medikament zu verschreiben, sodass er zu einem teuren Medikament wechseln muss. Nach Ansicht von Ausschussobmann Alois Pumberger werde die Ausweitung der Selbstmedikation zu mehr Souveränität des Patienten führen, kann er sich doch viele Wege ersparen und Krankenscheine einsparen.

Staatssekretär Reinhart Waneck gab bekannt, dass es eine Liste gebe, welche Beschwerden via Selbstmedikation behandelt werden können. Hiezu zählen u.a. Erkältungen, Grippen, Entzündungen, Heuschnupfen, Verdauungsstörungen, Halsschmerzen, schwieriger Stuhlgang. Da die österreichischen Patienten nicht "erzogen" wurden, hinkt Österreich im Bereich der Selbstmedikation gegenüber anderen Ländern, vor allem den skandinavischen Staaten, wo die Selbstmedikation einen Anteil von über 30 % hat, nach.

Die Vorlage fand die Billigung von FPÖ und ÖVP. (Schluss)