Parlamentskorrespondenz Nr. 637 vom 17.09.2002

EINEINHALB JAHRZEHNTE AN DER SPITZE DES NATIONALRATS

Anton Benya (1912 - 2001)

Wien (PK) - Anton Benya ist der Nationalratspräsident mit der längsten Amtszeit: Vom 4. November 1971 bis 17. Dezember 1986, mehr als 15 Jahre, stand er an der Spitze der 1. Kammer des Parlaments. Geboren 1912 in Wien, besuchte er hier Volks- und Bürgerschule, ehe er 1926 eine Mechanikerlehre begann. In dieser Zeit schloss er sich der Sozialdemokratie an und wurde in den Freien Gewerkschaften aktiv.

Benya wirkte auch nach dem Verbot der sozialdemokratischen Organisationen weiter für die Interessen der Arbeiterschaft, was ihm zweimal, 1934 und 1937, Verhaftungen einbrachte. Dennoch setzte er sein Engagement für die in die Illegalität gedrängte Gewerkschaft selbst während des Zweiten Weltkriegs unbeirrt fort.

Nach Kriegsende wurde Benya Funktionär des neu formierten ÖGB und übernahm noch 1945 den Vorsitz der Gewerkschaft Metall-Bergbau- Energie. Ab 1948 fungierte er als einer der leitenden Sekretäre des ÖGB, 1956 avancierte er zum stellvertretenden Generalsekretär, ehe er 1959 zum Vizepräsidenten und schließlich 1963 zum Präsidenten des ÖGB gewählt wurde. In dieser Funktion wurde Benya, gemeinsam mit seinem Gegenüber Rudolf Sallinger, zur Inkarnation der Sozialpartnerschaft, eine Achse, die den wirtschaftlichen Aufstieg Österreichs maßgeblich unterstützte. Mehr als 20 Jahre galten Benya und Sallinger als Garantie dafür, dass in Österreich ökonomische Interessengegensätze konsensual gelöst wurden, während es anderswo zu Streiks, Ausständen und Aussperrungen kam. Erst 1987 sollte sich Benya von der Spitze des ÖGB zurückziehen, wobei er freilich noch jahrelang der MBE mit Rat und Tat zur Seite stand.

Zu Beginn der VIII. Gesetzgebungsperiode im Juni 1956 zog Benya für die SPÖ in den Nationalrat ein, dem er in der Folge bis zum Ende der XVI. GP im Dezember 1986 angehörte. Im November 1971 verzichtete Nationalratspräsident Waldbrunner auf eine Wiederwahl in diese Funktion, worauf die SPÖ Anton Benya in Vorschlag brachte, der dieses Amt sodann bis 1986 bekleidete. Als sich Benya 74jährig in den Ruhestand zurückzog, konnte er auf die bislang längste Amtszeit als Nationalratspräsident zurückblicken, was sich auch darin ausdrückte, dass Benya gleich zweimal, nämlich 1974 anlässlich der Angelobung von Bundespräsident Rudolf Kirchschläger und 1986 aus Anlass der Angelobung von Bundespräsident Kurt Walheim, den Vorsitz in der Bundesversammlung führte.

Zusammen mit Bruno Kreisky bemühte er sich um eine Aussöhnung zwischen Sozialdemokratie und Arbeiterschaft einerseits und der katholischen Kirche anderseits, wobei er in diesem Bemühen im Wiener Erzbischof, Kardinal Franz König, den kongenialen und ebenso engagierten Partner fand.

Neben der Politik und der Gewerkschaftsarbeit gehörte sein Herz dem Sportklub Rapid - was sich gelegentlich auch auf das Zeitbudget parlamentarischer Veranstaltungen positiv auswirkte.

Am 5. Dezember 2001 starb Anton Benya in Wien. Sein Bild im Empfangsalon des Parlaments stammt von Adalbert Pilch. Eine Büste samt erklärender Gedenktafel findet sich im Foyer des Hauses Reichsratsstraße 9, welches unter der Amtsführung Benyas 1984 zur Nutzung durch das Parlament angemietet wurde. (Schluss)