Parlamentskorrespondenz Nr. 706 vom 13.11.2002

BERICHT ÜBER DIE VOLLZIEHUNG DES GLEICHBEHANDLUNGSGESETZES 2001

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Wien (PK) - Der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen hat, gemeinsam mit dem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, einen Bericht über die Vollziehung des Gleichbehandlungsgesetzes für das Jahr 2001 erstellt, der nun dem Parlament zugeleitet wurde (III-174 d.B.). Er informiert u.a. darüber, dass im Jahr 2001 insgesamt 6.254 Beratungen durchgeführt wurden. Die meisten Anfragen entfielen dabei auf den Bereich Diskriminierung durch sexuelle Belästigung (43 %), gefolgt von den Themenschwerpunkten Information zum Gleichbehandlungsgesetz (21 %), Diskriminierung bei der Festsetzung des Entgelts (16 %), beruflicher Aufstieg bzw. Beförderung (11 %), Beendigung des Arbeitsverhältnisses sowie sonstige Arbeitsbedingungen (jeweils 7 %). Außerdem enthält der Bericht noch Informationen bezüglich der Situation der Anwaltschaft für Gleichbehandlungsfragen, Resümees der einzelnen Regionalanwältinnen sowie Anmerkungen in Bezug auf die Weiterentwicklung des Gleichbehandlungsgesetzes. Weiters umfasst er noch einen so genannten Praxisteil, in dem die einzelnen Problemfälle detailliert beschrieben werden.

THEMENSCHWERPUNKTE IN DER BERATUNG 2001

Ein bereits im Jahr 2000 erkennbarer Trend, nämlich dass Frauen es selbst in die Hand nehmen wollen, ihre Benachteiligung im Betrieb anzusprechen und für Verbesserungen zu kämpfen, habe sich verstärkt, lautet eine Schlussfolgerung des Berichts. Nach wie vor schwerwiegend seien die Benachteiligungen, denen Frauen bei Bewerbungsgesprächen ausgesetzt sind. Hier ist keinerlei Verbesserung festzustellen, im Gegenteil: Fragen nach Schwangerschaft und Familienplanung sind nach wie vor an der Tagesordnung; es wird aber zunehmend auch nach der beruflichen Position des Partners und seinem Einkommen gefragt. Es sei zudem zu befürchten, dass Frauen Gefahr laufen, nicht aufgenommen zu werden, wenn ihr Ehemann oder Lebensgefährte gut verdient, weil sie "es dann nicht so nötig haben", selbst ihr Einkommen zu sichern.

Keine Veränderung ins Positive habe sich auch bei den Ausgliederungen bzw. Privatisierungen von Betrieben gezeigt. Nach wie vor ist bei Ausgliederungen die Frage, welcher gleichbehandlungsrechtliche Standard in Zukunft auf die Beschäftigten anzuwenden sein wird, kein Thema. Fast alle diesbezüglichen Gesetze treffen dazu keine Aussage und führen damit zu einer großen Unsicherheit bei den Betroffenen und den RechtsanwenderInnen. Die Anwaltschaft für Gleichbehandlungsfragen

hat deshalb ihre Zusammenarbeit mit Interessenvertretungen verstärkt, um im Vorfeld auf die Problematik aufmerksam zu machen, aber auch um in konkreten Anlassfällen möglichst rasch das tatsächlich anwendbare Gesetz eruieren und die Ratsuchenden bestmöglich unterstützen zu können.

Gehäuft haben sich Beratungsfälle von Frauen, die als Töchter in Unternehmen ihrer Eltern einsteigen, wobei aber Brüder bzw. Söhne die Leitung der Betriebe übernehmen. Die Frauen werden zu Angestellten ihrer Brüder, die diese familiäre Situation oft ausnutzen. Entweder werden die Frauen zu untergeordneten Hilfsdiensten herangezogen, die die Männer als selbstverständlich für das "Familienunternehmen" erachten, oder sie üben zwar Agenden einer Geschäftsführerin aus, ohne aber dafür bezahlt zu bekommen bzw. ohne offiziell diesen Titel tragen zu dürfen. Für die Frauen ist diese Situation oft extrem erniedrigend, da sie erkennen müssen, dass ihre fachlichen Fähigkeiten von den eigenen Angehörigen nicht wahrgenommen werden und sie von vornherein vom Familienverband nicht für dieselben Positionen im Unternehmen vorgesehen sind wie die Männer ihrer Generation.

FRAUENFÖRDERUNG UND GLEICHSTELLUNGSMANAGEMENT IN DEN BETRIEBEN

Das Thema Gleichstellung wird in den Unternehmen in den letzten Jahren präventiv - d.h. bevor es zu einer Beschwerde kommt - verstärkt diskutiert, konstatieren die AutorInnen des Berichts. Die Anwaltschaft für Gleichbehandlungsfragen wird bei diesen Diskussionen zur Beratung bzw. Unterstützung herangezogen und in innerbetriebliche Implementierungsvorgänge involviert. Die Aktivitäten reichen dabei von der Hilfestellung bei der Überarbeitung von Ausschreibungsverfahren, einer gendergerechten Gestaltung der Kriterien für Karriere- oder Nachwuchskräftepools, Umsetzung von vorbeugenden Maßnahmen im Bereich sexueller Belästigung bis hin zur Formulierung von Argumenten des Betriebsrats für Verhandlungen mit der Geschäftsführung zur Einführung von Vereinbarkeitsmaßnahmen.

Aufgrund vieler Anfragen hat sich die Anwaltschaft auch entschlossen, einen Leitfaden für geschlechtergerechte Sprache zu entwickeln. Diese Broschüre mit dem Titel "Geschlechtergerechter Sprachgebrauch im Unternehmen - Leitfaden für ArbeitgeberInnen" zielt darauf ab, Unsicherheiten bezüglich der korrekten mündlichen und schriftlichen Ausdrucksweise im Arbeitsalltag zu beseitigen. Der Leitfaden enthält u.a. Anleitungen für eine geschlechtergerechte bzw. geschlechtsneutrale Sprache bei Stellenausschreibungen, Personalfragebögen, Bewerbungsgesprächen, Dienstverträgen, Zeugnissen etc.

TÄTIGKEITSBEREICHE KOOPERATION, INFORMATION, BEWUSSTSEINSBILDUNG UND ÖFFENTLICHKEITSARBEIT

Einen weiteren Schwerpunkt stellten im Berichtsjahr die Schulungen für die beiden Interessenvertretungen der ArbeitnehmerInnen dar. Sie waren die wichtigsten KooperationspartnerInnen der Anwaltschaft für Gleichbehandlungsfragen bei ihren Bemühungen, die Sensibilisierung betreffend Diskriminierungen von Frauen im Berufsleben voranzutreiben. Insbesondere haben die Arbeiterkammern im Rahmen des Aktionsprogramms AK-Plus eine Vielzahl von Veranstaltungen zu Gleichbehandlungsthemen abgehalten, bei denen die Expertinnen der Anwaltschaft ihre Erfahrung und Expertise zur Verfügung gestellt haben. Auch mit den Frauenbildungseinrichtungen, die im Auftrag des Arbeitsmarktservice spezielle Bildungsangebote für Frauen und Mädchen machen, besteht eine enge Kooperation. Insgesamt wurden somit bei 93 Terminen 2095 Personen geschult. Auf der inhaltlichen Ebene standen zwei der wohl schwerstwiegenden Beeinträchtigungen, mit denen Frauen im Erwerbsleben nach wie vor konfrontiert sind, im Vordergrund: Einkommensdiskriminierung und sexuelle Übergriffe am Arbeitsplatz.

NOVELLE DES GLEICHBEHANDLUNGSGESETZES

Im Jahr 2001 wurde das Gleichbehandlungsgesetz novelliert. Zwei sehr wichtige Punkte im Bereich der Verfahrensmöglichkeiten zur Durchsetzung von Ansprüchen aufgrund des Gleichbehandlungsgesetzes wurden neu gefasst:

Zunächst wurde festgelegt, dass für die Vorsitzende/den Vorsitzenden der Gleichbehandlungskommission eine StellvertreterIn zu betrauen ist, wobei beide Tätigkeiten nicht ehrenamtlich ausgeübt werden. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben, die sie selbständig und unabhängig erfüllen können, steht ihnen die notwendig freie Zeit unter Fortzahlung ihrer Dienstbezüge zu. Weiters wurde eine Klarstellung getroffen, wonach von nun an auch das Einlangen eines Verlangens der Anwältin für Gleichbehandlungsfragen bei der Gleichbehandlungskommission sowie deren amtswegiges Tätigwerden fristenhemmend wirken. Allerdings müssen nach Auffassung der AutorInnen noch eine Reihe von Forderungen umgesetzt werden. Unter anderem wäre es wünschenswert, eine Parteienstellung in Verfahren gemäß Paragraph 20 des Gleichbehandlungsgesetzes vor der Bezirksverwaltungsbehörde zu erhalten. Damit wäre nämlich sichergestellt, dass der Standard in Fragen geschlechtsneutraler Stellenausschreibung auch von den zuständigen Bezirksverwaltungsbehörden berücksichtigt wird. Außerdem sollte die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgesetzes auch auf freie DienstnehmerInnen, arbeitnehmerInnenähnliche Beschäftigte und "neue Selbständige" ausgedehnt werden.

DIE SITUATION DER GLEICHBEHANDLUNGSANWALTSCHAFT

Im Jahr 2001 wurden zwei neue Regionalanwältinnen, nämlich Dr. Elke Lujansky-Lammer für das Bundesland Steiermark und Mag. Anna Moser für das Bundesland Kärnten, vom Sozialminister ernannt. Im Zuge der weiteren Regionalisierung der Anwaltschaft wird ein professionell begleiteter Teambildungsprozess durchgeführt. Da aufgrund der großen räumlichen Entfernungen und der vielfältigen Belastungen die Zusammenarbeit ungleich schwieriger sei als in anderen Bereichen, werde der Frage der Team- und Organisationsentwicklung eine große Aufmerksamkeit gewidmet, heißt es weiter im Bericht.

Tätigkeitsbericht der Gleichbehandlungskommission 2001

Im Jahr 2001 wurden in 5 Sitzungen insgesamt 12 Fälle behandelt. 3 Einzelverfahren wurden mit Prüfungsergebnissen bzw. Vorschlägen abgeschlossen; drei anhängige Anträge wurden zurückgezogen. Insgesamt wurden 22 neue Anträge eingebracht, wobei sich der Großteil auf Beschwerden wegen sexueller Belästigung bezieht, der Rest befasst sich mit Einstellungs- und Aufstiegsdiskriminierungen, sonstigen Arbeitsbedingungen sowie Diskriminierungen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses.(Schluss)