Parlamentskorrespondenz Nr. 717 vom 21.11.2002

DIE EURO-EINFÜHRUNG HAT KEINE TEUERUNGSWELLE AUSGELÖST

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Wien (PK) - Wirtschaftsminister Martin Bartenstein hat dem Nationalrat kürzlich den nunmehr bereits 3. Bericht der Euro-Preiskommission vorgelegt. Zu den Hauptaussagen zählt die Feststellung, dass sich das Preisklima im Gegensatz zu weit verbreiteten Empfindungen in der Bevölkerung in der Zeit zwischen Anfang März und Ende Juni 2002 beruhigt habe, nachdem die Inflation zu Beginn des Jahres infolge witterungsbedingter Engpässe bei Obst und Gemüse Spitzenwerte erreicht hatte. In Österreich sei die Teuerungsrate im Juni 2002 laut Verbraucherpreisindex auf 1,7 % zurückgegangen, nachdem sie im Jänner noch 2,1 % betragen hatte. Die Teuerung nahm im gesamten Euro-Währungsgebiet ab und machte im Juni 2002 nur mehr 1,8 % aus. Mit einem Plus von 1,5 % beim Harmonisierten Verbraucherpreisindex lag Österreich unter dem Durchschnitt der Euro-Länder und zählt nach wie vor zu den Ländern mit der niedrigsten Inflationsrate in der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion.

Von einem Preisschub als Folge der Bargeldumstellung kann in Österreich keine Rede sein, schreiben die Autoren des Berichts und erklären das Abflauen der Teuerung mit dem Rückgang der Auswirkungen des Ölpreisanstieges und der Tierseuchen, die die Preisentwicklung in Europa seit mehr als zwei Jahren bestimmt haben. Nunmehr sinke die Teuerungsrate in vielen EU-Ländern unter die Marke von 2 %.

Gegenteilige Empfindungen in der Bevölkerung werden von der Euro-Preiskommission darauf zurückgeführt, dass häufig gekauften Waren wie Treibstoffen, Obst oder Gemüse größeres Gewicht beigemessen werden und gerade bei diesen Waren - nicht eurobedingte - Preiserhöhungen stattgefunden haben, die aber der Euro-Einführung zugerechnet werden. Dazu kamen Preissteigerungen in Dienstleistungsbranchen, insbesondere in der Gastronomie. Negative Einschätzungen der Euro-Bargeldeinführung weichen aber deutlich von dem Gesamtbild ab, das die objektive Preisstatistik zeichnet.

PROBLEMLOSE WÄHRUNGSUMSTELLUNG - BESCHWERDEN GEHEN ZURÜCK

Aufgrund der intensiven Vorbereitungen der österreichischen Wirtschaft wurde die bis Ende Februar gesetzlich vorgeschriebene doppelte Währungsangabe überwiegend problemlos durchgeführt. Nur 67 Organstrafverfügungen und 49 Anzeigen waren notwendig, um den rechtskonformen Zustand herzustellen. Nunmehr wird die doppelte Preisauszeichnung freiwillig fortgesetzt.

Missstände und Missverständnisse wurden im direktem Kontakt mit den Unternehmern rasch und unbürokratisch bereinigt. Dabei habe sich das sogenannte "Leobener Kooperationsmodell" bewährt, in dem die Preisbehörden in den Ländern, die Arbeiter- und Wirtschaftskammern, die Ministerien für Justiz, Finanzen und Wirtschaft sowie die Euro-Hotlines bei der Bearbeitung von Beschwerden zusammenarbeiten. Lediglich 172 Beschwerden mussten von der Euro-Preiskommission genauer untersucht werden.

Die Beschwerden über Preiserhöhungen sind seit März 2002 stark zurückgegangen. Waren ursprünglich vor allem die Preise von Lebensmitteln und Drogeriewaren im Blickfeld der Öffentlichkeit, so wird nunmehr insbesondere die Preisentwicklung bei Speisen und Getränken in Restaurants und Cafés, bei Automaten und kleinen Dienstleistungsbetrieben kritisch betrachtet.

THEMENSCHWERPUNKTE IM BERICHTSZEITRAUM: BÜCHER UND BANKGEBÜHREN

Zu komplexen Fragestellungen für die Euro-Preiskommission haben Beschwerden über Buchpreise geführt, die in Österreich über den deutschen Buchpreisen liegen. Trotz Aufforderung der Kommission zu einer Euro-Cent-genauen Berechnung der österreichischen Bruttopreise sind einige Importeure bei der Praxis geblieben, auf die nächsten vollen 10 Cent aufrunden. Zwar sind die Buchpreise im Jahr 2002 im Vergleich zum Jahr 2001 gesunken, der Verdacht, die Aufrundung auf volle 10 Cent sei aufgrund der Euro-Einführung erfolgt, konnte aber nicht ausgeräumt werden. Bei der Suche nach einer aufkommensneutralen Vorgangsweise durch Auf- und Abrundung der Erzeugerpreise auf volle 10 Cent nach kaufmännischen Grundsätzen stellte sich aber die Frage der Vereinbarkeit mit den Bestimmungen des Buchpreisbindungsgesetzes.

Nach Konsultation des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes erklärte die Euro-Preiskommission, die Festsetzung des österreichischen Bruttoverkaufspreises von Büchern durch den Importeur mittels kaufmännischer Abrundung auf volle 10 Cent stehe zwar in Widerspruch zum Buchpreisbindungsgesetz, werde aber nur sanktioniert, wenn sie als sittenwidrig qualifiziert werden könne. Dies sei aber dann nicht der Fall, wenn bei der Preisfestsetzung sowohl kaufmännisch auf volle 10 Cent abgerundet als auch kaufmännisch auf volle 10 Cent aufgerundet werde. Die Euro-Preiskommission ersuchte daher die Vertreter der Buchhandelsbranche, den österreichischen Importeuren diese Vorgangsweise bei der Festsetzung der Buchpreise zu empfehlen.

ÜBERWEISUNGSGEBÜHREN BEI GRENZÜBERSCHREITENDEN ZAHLUNGEN

Eine Beschwerde galt Gebühren für grenzüberschreitende Überweisungen im Euroraum. Die Behauptung, Bankspesen für Auslandsüberweisungen seien im Zuge der Einführung des Euro erhöht wurden, wurde von Bankenvertretern zurückgewiesen. Die Spesen seien nicht nur nicht erhöht, sondern bereits seit 1999 kontinuierlich gesenkt worden. Irritationen seien bei Kunden durch den Vergleich unterschiedlicher Produkte (Scheck/normale Überweisung) entstanden, wobei die Banken darauf aufmerksam machen, dass Auslandsüberweisungen per Scheck am teuersten seien. Generell seien Überweisungen in das Ausland mit wesentlich höheren Kosten verbunden als Inlandsüberweisungen, führten die Vertreter der Banken aus und wiesen auf eine jüngst beschlossene EU-Verordnung mit folgenden Regelungen hin: Ab 1. Juli 2002 dürfen Banken für grenzüberschreitende elektronische Zahlungsvorgänge in Euro bis zu einem Betrag von 12.500 Euro nicht mehr als für entsprechende inländische Zahlungsvorgänge in Euro einheben.

Ab 1. Juli 2003 sollen auch für grenzüberschreitende Überweisungen in Euro bis zu einem Betrag von 12.500 Euro nur die gleichen Gebühren wie für entsprechende Inlandsüberweisungen in Euro gelten. Und schließlich wird der Maximalbetrag von 12.500 Euro ab dem 1. Jänner 2006 auf 50.000 Euro hinaufgesetzt.

PSYCHOLOGISCHE WAHRNEHMUNG DER PREISE – "GEFÜHLTE" INFLATION

In einem speziellen Kapitel befasst sich die Euro-Preiskommission mit dem europaweiten Phänomen, dass Konsumenten trotz gegenteiliger Inflationsdaten der Ansicht sind, die Preise seien aufgrund der Einführung des Euro wesentlich gestiegen. So schätzten deutsche Konsumenten im Mai 2002 die Inflation auf 4,8 %, während sie tatsächlich bei 1,9 % lag. Auch in Österreich wird die Teuerung von vielen Konsumenten als wesentlich größer empfunden als sie tatsächlich ist - und sie wird in jedem Fall dem Euro zugeschrieben.

Wirtschaftspsychologen interpretieren dies mit dem Umstand, dass die Konsumenten Preiserhöhungen generell wesentlich stärker wahrnehmen als Preissenkungen, wobei die Einführung des Euro-Bargeldes dazu geführt habe, dass die regelmäßig stattfindenden Preiserhöhungen aufgrund von Lohnsteigerungen und Rohstoffverteuerungen nun dem Euro zugeordnet werden, eine Haltung, die durch Medienberichte - Stichwort "Teuro" - bestärkt werde.

Teilweise läßt sich die Diskrepanz zwischen tatsächlicher und "gefühlter" Teuerung auch dadurch erklären, dass die Verbraucher der Preisentwicklung bei Waren und Dienstleistungen, die sie häufig kaufen bzw. beanspruchen, ein großes Gewicht beimessen; dagegen werden Preise bei Anschaffungen, die nur in größeren Abständen getätigt werden, oder Preise von Leistungen, die routinemäßig beansprucht werden (z.B. Miete) kaum wahrgenommen.

Tatsächlich sind gerade die Preise von Waren, die häufig angeschafft werden, bis zur Jahreswende 2001/2002 und darüber hinaus stark gestiegen: Beispiele hierfür sind Treibstoffe, Obst, Gemüse sowie Fleisch, Milch und Milchprodukte. Andere Waren und Dienstleistungen dagegen verteuerten sich nur geringfügig oder verbilligten sich sogar. Angesichts des Auseinanderklaffens der Preisentwicklung in diesen Bereichen ist es plausibel, dass die Verbraucher die Inflation als gravierender empfanden als sie tatsächlich war.

Vergleicht man die Erhebungen zum "subjektiven Faktor" bei der Euro-Einführung in den Ländern der Währungsunion, sieht man, dass Österreich relativ gute Daten aufweist: Lediglich 54,1 % der Befragten hatten Anfang des Jahres in Österreich das Gefühl, dass häufiger auf- als abgerundet wurde (in Deutschland: 76,3 %). Allerdings hat dieses Gefühl steigender Preise im Zusammenhang mit der Euro-Einführung in der gesamten Eurozone zugenommen. Waren im Jänner 67,3 % der Befragten dieser Ansicht, so sind dies im Mai 2002 83 %. Auch in Österreich stieg der Wert auf 77 %, in Deutschland sogar auf 87 %. Lediglich Portugal (65 %), Finnland (66 %) und Belgien (72 %) weisen geringere Werte auf.

Nach jüngsten Umfrageergebnissen vermuten 68,5 % der Europäer Preiserhöhungen, während dies in Österreich lediglich 41,2 % der Befragten sind. Dies ist der niedrigste Wert innerhalb Europas. Aufgeschlüsselt nach Branchen werden die häufigsten Preiserhöhungen bei Dienstleistungen, Restaurants und Cafes und bei Produkten aus Automaten vermutet, während sich bei der Beurteilung von Supermärkten Preiserhöhungen und Preissenkungen die Waage halten.

KEINE TEUERUNGSWELLE ALS FOLGE DER BARGELDUMSTELLUNG IN ÖSTERREICH

Detaillierte Vergleiche der Preisentwicklung in Österreich mit Deutschland und der Schweiz sowie eine Analyse des zeitlichen Verlaufes einzelner Untergruppen des Verbraucherpreisindex lassen nicht erkennen, dass die Einführung des Euro stärkere preiserhöhende Wirkung hatte. Die Euro-Preiskommission räumt aber ein, dass in einigen Bereichen Preiserhöhungen beobachtet werden, die mit der Währungsumstellung im Zusammenhang stehen könnten. Große Aufmerksamkeit hat etwa die Gastronomie in der Öffentlichkeit auf sich gezogen. Anders als in Deutschland und in anderen Ländern der Euro-Zone wurde der Jahreswechsel 2001/2002 in Österreich nicht dazu genützt, die Preise hinaufzusetzen. Erst im Juni 2002 traten Preiserhöhungen in Kraft, die als eurobedingte Nachzieheffekte gedeutet werden können.

In anderen Dienstleistungssektoren weicht die Entwicklung in Österreich allerdings nur wenig von jener in der Euro-Zone ab. Relativ stark erhöht wurden die Preise im Friseurgewerbe, für Autoreparaturen sowie für Installationsdienstleistungen, zum Teil schon zur Jahreswende, zum Teil erst in den nachfolgenden Monaten, wenngleich die Jahresveränderungsraten überwiegend unter der Marke von 5 % bleiben. 

Auch die Preisentwicklung der Industrieerzeugnisse beansprucht besonderes Interesse, entfällt auf diese Gruppe doch rund ein Drittel der Konsumausgaben. Hier lässt sich insgesamt eine stabile Entwicklung beobachten, mit Preissteigerungsraten unter jenen in Deutschland und in der Euro-Zone. Allerdings ist zuletzt in einigen Bereichen eine leichte Anhebung der Preise zu verzeichnen. (Schluss)