Parlamentskorrespondenz Nr. 90 vom 05.03.2003

BUDGETAUSSCHUSS: GESETZLICHES BUDGETPROVISORIUM PLENUMSREIF

----

Wien (PK) - Der Budgetausschuss trat heute unter der Vorsitzführung seines Obmannes Jakob Auer zusammen und behandelte zunächst den Entwurf für ein gesetzliches Budgetprovisorium (10 d.B.), den die Bundesregierung vorgelegt hat, weil sie wegen der Nationalratswahlen vom 24. November 2002 keinen Entwurf für ein Bundesfinanzgesetz 2003 eingebracht und der Nationalrat keinen Budgetbeschluss für 2003 gefasst hat. Bis zum Inkrafttreten eines ordentlichen Budgets bilden das Bundesfinanzgesetz 2002 und seine neun Novellen die Basis der Haushaltsführung, für die Ermessensausgaben ist eine Bindung von fünf Prozent (2002: 3 %) vorgesehen. Dadurch soll eine stabile Grundlage für die Erstellung des Bundesvoranschlages 2003 geschaffen und die Einhaltung des Stabilitätsprogramms sichergestellt werden.

Der Gesetzentwurf wurde unter Berücksichtigung eines Abänderungsantrages mit redaktionellen Verbesserungen und einer Umschichtungsmöglichkeit zugunsten des Vereins für Konsumenteninformation mit V-F-Mehrheit verabschiedet. Das Verlangen des S-Abgeordneten Kai Jan Krainer nach einer Ausschussfeststellung zugunsten der Volksanwaltschaft, die auf finanzielle Probleme aufmerksam gemacht hatte, fand keine Mehrheit, weil Finanzminister Karlheinz Grasser die Abgeordneten der Regierungsfraktionen von seiner Ansicht überzeugte, dass hinsichtlich der Volksanwaltschaft derzeit kein Handlungsbedarf bestehe. Er werde im Rahmen der Budgetberatungen "alles in seiner Kraft Stehende tun, damit die Volksanwälte ihrer wichtigen Aufgabe nachkommen können". Die innerhalb weniger Wochen stark auf 0,6 % nach unten revidierten Prognosen für das Maastricht-Defizit für 2002 veranlassten die Oppositionsabgeordneten Christoph Matznetter und Werner Kogler(G) zu Kritik an der Validität der vom Ressort bekannt gegebenen Daten.

Die Abgeordneten Matthias Ellmauer und Günter Stummvoll (beide V) werteten die günstige Prognose als positiv. Finanzminister Karlheinz Grasser wies nach, dass die von seinem Haus bekannt gegebenen Daten kaum abwichen. Die Differenzen seien beim Einarbeiten der Vollzugsergebnisse von Ländern und Sozialversicherungen entstanden. Die dem Ausschuss beigezogenen Experten DDr. Frisch (Staatsschuldenausschuss), Dr. Eder (Bundesfinanzierungsagentur) und Rechnungshofpräsident Dr. Fiedler rieten unisono zur Verabschiedung des gesetzlichen Budgetprovisoriums, um eine Erhöhung der Refinanzierungskosten des Bundes nach dem Erreichen des Verschuldungslimits im automatischen Budgetprovisorium zu vermeiden. Sorgen der Opposition wegen der 5-prozentigen Bindung der Ermessensausgaben zerstreute Finanzminister Grasser und wies auf die Notwendigkeit der Ausgabenbindung im Interesse einer restriktiven Haushaltsführung zur Erreichung der Stabilitätsziele hin. Als wahrscheinlichen Termin für den Beschluss des geplanten Doppelbudgets 2003/04 nannte der Finanzminister den kommenden Juni.

DIE DEBATTE IM EINZELNEN   

Abgeordneter Christoph Matznetter (S) leitete die Debatte mit der Klage darüber ein, dass die vorgesehene Ausgabenbindung von 5 % in einzelnen Ressorts zu Finanzierungsproblemen führen könnte. So befürchte etwa die Volksanwaltschaft Schwierigkeiten hinsichtlich der Erfüllung ihrer Aufgaben.

Abgeordneter Werner Kogler (G) erkundigte sich ebenfalls nach den Auswirkungen der 5 %-Bindung bei den Ermessensausgaben sowie nach der Rolle der so genannten "Kassenstärker" und den zu erwartenden Auswirkungen auf die Refinanzierungskosten des Bundes, wenn der Liquiditätsdruck auf die Republik steige.

Abgeordnete Melitta Trunk (S) erinnerte an insgesamt 16 dringende Projekte, zu denen sich das Land Kärnten mit einstimmigen Landtagsbeschlüssen bekannt habe, die aber im Budgetprovisorium nicht enthalten seien.

Abgeordneter Günter Stummvoll (V) erbat Auskunft über Erfahrungen mit der Ausgabenbindung bei früheren gesetzlichen Budgetprovisorien und unterstützte das Anliegen, die Argumente der Volksanwaltschaft in die Budgetberatungen einzubeziehen.

Abgeordneter Hans Moser (S) interessierte sich für den Zeitplan der Budgetberatungen.

Finanzminister Karl-Heinz Grasser ging zunächst auf die Ermessensausgaben ein und hielt fest, dass die 3 %-Bindung des Vorjahres ausnahmslos und ohne Probleme eingehalten werden konnte. Die 5-prozentige Ausgabenbindung diene der Fortsetzung einer stabilitätsorientierten Haushaltsführung. Bei gleichzeitiger Schwerpunktsetzung auf Investitionen in Bildung und Forschung gehe es darum, durch einen restriktiven Budgetvollzug die Defizitentwicklung in einer akzeptablen Bandbreite zu halten. Bei früheren Budgetprovisorien habe es keinerlei Probleme bei den Ausgabenbindungen gegeben. Die Ansätze geben den haushaltsleitenden Organen Freiheiten, verlangen von ihnen aber auch Verantwortung und den Einsatz ihrer Managementfähigkeiten. Wenn eine Steuerreform zu einer Reduzierung der Staatseinführung führen soll, setze dies eine Rückführung der Staatsausgaben voraus.

Hinsichtlich der Volksanwaltschaft wandte sich der Finanzminister gegen den Vorschlag, durch eine Ausschussfeststellung vor den Budgetverhandlungen Festlegungen zu treffen, er fürchte Präzedenzwirkungen bei anderen Ressorts, die auch sagen könnten, sie hätten Budgetprobleme. Es sei ihm ein großes Anliegen, das reibungslose Funktionieren der Volksanwaltschaft sicherzustellen; aus heutiger Sicht bestünden keine Probleme, die Funktion der Volksanwaltschaft mit den im Budgetprovisorium vorgesehenen Mitteln zu gewährleisten. "Wir werden mit der Volksanwaltschaft im Rahmen der Budgetberatungen verhandeln und versuchen, uns auf einen Ansatz zu einigen", sagte der Finanzminister.

Auch über die sechzehn Kärntner Projekte werde, kündigte der Finanzminister an, zwischen dem Land Kärnten und den zuständigen Ministern verhandelt werden. Die Ressorts werden die Projekte im Rahmen ihrer Prioritätensetzungen berücksichtigen.

Hinsichtlich des Zeitplans für Vorlage, Beratung und Beschluss des ordentlichen Budgets 2003 gab der Finanzminister die Absicht bekannt, ein Doppelbudget 2003/2004 auszuverhandeln und vor dem Sommer zu beschließen. Er sei daran interessiert, so rasch wie möglich zu einem Beschluss zu kommen, es gehe ihm aber auch um sorgfältige und seriösen Verhandlungen.

Der heutige Beschluss über das gesetzliche Budgetprovisorium sei ein wichtiges Signal des Budgetausschusses an die Finanzmärkte, sagte der Finanzminister, um zu verhindern, dass die Refinanzierungskosten des Bundes steigen.

Abgeordneter Kurt Gartlehner (S) sah eine besondere Verantwortung des Nationalrates, dafür zu sorgen, dass die Volksanwaltschaft in ihrer Arbeit nicht behindert werde. Sein Fraktionskollege Christoph Matznetter führte den erhöhten Arbeitsanfall bei der Volksanwaltschaft auf die Gesetzgebung in der Zeit der Regierung Schüssel I zurück. Er sprach von "Sekundärkosten einer schlampigen und unter Zeitdruck abgewickelten Gesetzgebung" und äußerte die Hoffnung auf einen Lernprozess der Regierung Schüssel II. Es gelte, in der Gesetzgebung Probleme zu vermeiden, die den Bürger dazu zwingen, sich an die Volksanwälte zu wenden.

Scharfe Kritik übte der Abgeordnete auch an der Finanzpolitik des Ressortleiters, der das Null-Defizit im Jahr 2001 durch Vorzieheffekte bei den Einnahmen erreicht habe. Für die Standortqualität sei nicht die Frage entscheidend, wann ein gesetzliches Budgetprovisorium beschlossen werde, wichtiger sei die Zuverlässigkeit der Daten, die vom Finanzminister in der Öffentlichkeit bekannt gegeben werden. Matznetter wies auf mehrmalige Revisionen der Defizitzahlen während der letzten Monate hin, die in der Öffentlichkeit als Hinweis darauf verstanden wurden, dass nicht ordentlich gerechnet werde. Darüber hinaus warf Matznetter dem Finanzminister vor, sich hinter den Hochwasseropfern zu verstecken, die als Ausreden für die steigenden Ausgaben herhalten müssten.

Abgeordneter Kurt Eder (S) wies die Verantwortung für die Notwendigkeit, ein Budgetprovisorium zu beschließen, den Regierungsparteien zu. Die Regierung könne nicht erwarten, dass die Opposition die Verantwortung dafür übernimmt, dass nach den Neuwahlen kein Budgetbeschluss für das Jahr 2003 zustande gekommen sei.

Abgeordneter Günter Stummvoll (V) meinte, die von der SPÖ verlangte Ausschussfeststellung würde das Instrument des Ausschussberichtes entwerten und sprach sich dafür aus, die von ihm unterstützten Anliegen der Volksanwaltschaft in die Budgetverhandlungen einzubringen.

Abgeordneter Werner Kogler (G) mahnte die Budgetgrundsätze der Transparenz und der Klarheit ein und bezeichnete es als ein Problem, wenn innerhalb weniger Wochen differierende Zahlen zum Budgetvollzug bekannt gegeben werden. Es ist gut, wenn das Defizit statt 1,3 % des BIP nur 0,6 % ausmache; werden solche Differenzen aber innerhalb weniger Wochen bekannt gegeben, stelle sich die Frage der Glaubwürdigkeit. Die Grünen seien nicht generell gegen Ausgabenbindungen, sie wollten aber wissen, in welchen Ressorts diese Bindungen besonderen Druck auslösen, sagte Kogler.

Der Vorsitzende des Staatsschuldenausschusses, Universitätsprofessor DDr. Frisch, führte als erster der dem Ausschuss beigezogenen Experten aus, dass das gesetzliche Budgetprovisorium wichtig sei, da die Refinanzierungskosten in den ersten Monaten des Jahres besonders hoch seien und schon im April der Zeitpunkt erreicht sein könnte, zu dem der Finanzminister an die Grenzen des automatischen Budgetprovisoriums gelangt. Das Ansehen Österreichs als erstklassiger Schuldner dürfe nicht in Frage gestellt werden sollte. Den aktuellen Stand der Staatsschulden bezifferte Frisch mit 146,6 Mrd. € oder 68 % des BIP.

Der Leiter der Bundesfinanzierungsagentur, Dr. Eder, wies auf die hohe Sensibilität der Finanzmärkte für schlechte Nachrichten hin und erklärte, dass es verfassungsrechtlich zwar immer möglich sei, die Verbindlichkeiten des Staates zu erfüllen, bei den langfristigen Schulden würden die Märkte aber sehr sensibel reagieren, was zu höheren Kosten führen würde.

Der Präsident des Rechnungshofes Dr. Fiedler erläuterte die verfassungsrechtlichen Grundlagen der Budgeterstellung und ging auf die Vorkehrungen ein, die die Verfassung für den Fall trifft, dass kein ordentliches Budget beschlossen wird. Dabei machte er auf den Vorrang aufmerksam, den der Verfassungsgesetzgeber einem gesetzlichen Budgetprovisorium gegenüber einem automatischen Budgetprovisorium gibt.

Dazu kommen wirtschaftliche Aspekte, denn man müsse sich die Frage stellen, ob der Einsatz von Kassenstärkern eine günstige Form der Refinanzierung darstelle. Ein gesetzliches Budgetprovisorium sei vorzuziehen, lautete die Conclusio des Rechnungshofpräsidenten.

Abgeordneter Maximilian Hofmann (F) wies die Behauptung zurück, der Finanzminister verstecke sich hinter den Hochwasseropfern. Hofmann unterstrich auch die Ausgaben für das Konjunkturpaket II. Außerdem wollte er wissen, warum die Defizitprognose für das Jahr 2002 von 1% auf 0,6% zurückgenommen wurde.

Abgeordnete Michaela Sburny (G) verdeutlichte die Probleme mit der 5%-Bindung bei den Ermessensausgaben, indem sie auf die zahlreichen Initiativen hinwies, die jeweils für ein Jahr planen und nicht wissen, ob sie Förderungen bekommen oder nicht.

Abgeordneter Fritz Neugebauer (V) wies die Qualifizierung des gesetzlichen Budgetprovisoriums als "viertschlechteste Lösung" durch die Abgeordneten Christoph Matznetter und Kai Jan Krainer zurück. "Unsere Verfassung hat keine schlechten Bestimmungen."

Finanzminister Karl-Heinz Grasser trat der Behauptung entgegen, die Arbeit der Volksanwaltschaft würde behindert. Er werde alles in seiner Kraft stehende tun, damit die Volksanwälte ihrer wichtigen Aufgabe nachkommen können. Derzeit bestehe aber kein Handlungsbedarf. Im Interesse einer stabilitätsorientierten Haushaltsführung und in Verantwortung gegenüber der europäischen Währung sehe er keine Alternative zu einer fünfprozentigen Ausgabenbindung.

Zum Thema "Abweichungen des Budgetvollzugs vom Bundesvoranschlag" stellte der Finanzminister fest, dass der Budgetvollzug in den Jahren 2000 und 2001 jeweils deutlich besser war als veranschlagt. Die deutliche negative Abweichung des Jahres 2002 sei auf die bei der Beschlussfassung des Budgets nicht absehbare Wachstumsverlangsamung und die Hochwasserhilfe zurückzuführen. Während der administrative Saldo mit einer sehr geringen Abweichung eingeschätzt wurde, habe es beim Maastrichtdefizit größere Abweichungen gegeben, weil die Länder und die Sozialversicherung wesentlich positivere Daten bekannt geben konnten als zunächst erwartet. (Forts.)