Parlamentskorrespondenz Nr. 171 vom 01.04.2003

FRAUEN SPRECHEN IMMER ÖFTER SELBST BENACHTEILIGUNGEN IM BETRIEB AN

Gleichbehandlungsbericht 2001 liegt dem Parlament vor

Wien (PK) - Dem Parlament ist der gemeinsame Bericht des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen und des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Vollziehung des Gleichbehandlungsgesetzes für das Jahr 2001 (III-16 d.B.) zugegangen. Dieser Bericht umfasst einen Berichts- und einen Praxisteil, der vor allem Beratungsbeispiele enthält.

DIE ANWALTSCHAFT FÜR GLEICHBEHANDLUNGSFRAGEN

Im Jahr 2001 verzeichnete die Anwaltschaft für Gleichbehandlungsfragen insgesamt 6.254 Beratungen (persönliche Gespräche, Telefonate, Interventionen im Betrieb, Kontakte mit AnwältInnen, Gespräche mit ExpertInnen in den Interessenvertretungen). Davon entfielen 46 auf das Arbeitsrecht, 27 auf das Sozialversicherungsrecht und fast 90 % (5.760) auf das Gleichbehandlungsgesetz. Hier wurden vor allem Informationen über die Tatbestände, Rechtsfolgen des Gesetzes und Unterstützungsmöglichkeiten (26 %) eingeholt. Die Diskriminierung durch sexuelle Belästigung war in 21 % der Fälle ein Thema, gefolgt von der Diskriminierung bei der Festsetzung des Entgelts bzw. Gewährung freiwilliger Sozialleistungen (15 %) sowie der Benachteiligung beim beruflichen Aufstieg (11 %) und bei den Arbeitsbedingungen (10 %).

Im Berichtsjahr wurden 1.548 neue Beratungsfälle verzeichnet: 1.264 (76 %) betrafen das Gleichbehandlungsgesetz, 46 (4 %) das Arbeits- und Sozialversicherungsrecht und 238 (20 %) sonstige Gleichbehandlungsfragen. Gegliedert nach Tatbeständen ergibt sich, dass die Hälfte der Beratungsfälle das GlBG betreffen, 15 % sexuelle Belästigung, 9 % die Arbeitsbedingungen, je 8 % Entgelt/Sozialleistungen und die Begründung des Arbeitsverhältnisses und 5 % die Beförderung.

FRAUEN SPRECHEN IMMER ÖFTER SELBST BENACHTEILIGUNGEN IM BETRIEB AN

Der bereits im Jahre 2000 erkennbare Trend hat sich verstärkt, dass Frauen es selbst in die Hand nehmen wollen, ihre Benachteiligung im Betrieb anzusprechen und gegenüber ArbeitgeberInnen und Vorgesetzten für eine Verbesserung zu kämpfen. Daher wird die präzise rechtliche Abklärung der konkreten Arbeitsplatzsituation immer wichtiger, ebenso das Wissen über häufig vorgebrachte Gegenargumente. Auch Coaching und das Erarbeiten einer individuellen Verhandlungsstrategie bilden zunehmend einen wichtigen Teil der Beratungstätigkeit für selbst aktiv werdende Beschwerdeführerinnen.

Erstmals haben sich RichterInnen an die Anwaltschaft für Gleichbehandlungsfragen gewandt, um in bei ihnen anhängigen Fällen den Spielraum für Vergleichsabschlüsse auszuloten.

Nach wie vor schwerwiegend sind die Benachteiligungen, denen Frauen bei Bewerbungsgesprächen ausgesetzt sind. Hier ist keinerlei Verbesserung festzustellen: Fragen nach Schwangerschaft und Familienplanung sind nach wie vor an der Tagesordnung, es wird zunehmend auch die berufliche Position des Partners und sein Einkommen hinterfragt.

Gehäuft haben sich Beratungsfälle von Frauen, die als Töchter in Unternehmen ihrer Eltern einsteigen, wobei aber Brüder bzw. Söhne die Leitung der Betriebe übernehmen. Die Frauen werden zu Angestellten ihrer Brüder, die diese familiäre Situation oft ausnutzen: Entweder werden die Frauen zu untergeordneten Hilfsdiensten herangezogen oder sie üben zwar die Agenden einer Geschäftsführerin aus, ohne aber dafür bezahlt zu bekommen bzw. sich offiziell mit diesem Titel bezeichnen lassen zu dürfen.

GENDER MAINSTREAMING IN KOLLEKTIVVERTRÄGEN

Offene direkte Entgeltdiskriminierung in Kollektivverträgen ist in Österreich bereits im ersten Jahrzehnt der Geltung des Gleichbehandlungsgesetzes, also in den achtziger Jahren, behoben worden. Hingegen sind Probleme mittelbarer Diskriminierung auch in der Zeit seit Einrichtung der Anwaltschaft für Gleichbehandlungsfragen Gegenstand von Beratungen, von Verfahren vor der Gleichbehandlungskommission und eines direkten Antrages einer Gewerkschaft beim OGH.

Da Kollektivverträge die Basis für innerbetriebliche Entgeltfestsetzung sind, sind die kollektivvertraglichen Körperschaften der ArbeitnehmerInnenseite immer mehr bemüht, die kollektivvertragliche Basis so zu gestalten, dass Schlupflöcher für Diskriminierungen zumindest kleiner und auf Sicht geschlossen werden.

WEB-SITE DER ANWALTSCHAFT FÜR GLEICHBEHANDLUNGSFRAGEN

Die Anwaltschaft für Gleichbehandlungsfragen ist seit Herbst 2001 unter der Adresse http://www.bmsg.gv.at/bmsg/relaunch/gleichbehandlung/welcome.htm erreichbar. Über Internet können daher Anfragen sowie Beratungswünsche an die Anwaltschaft gerichtet werden.

TÄTIGKEIT DER GLEICHBEHANDLUNGSKOMMISSION

2001 wurden zum Stichtag 31.12.2001 in 5 Sitzungen 12 Fälle behandelt. 3 Einzelverfahren wurden mit Prüfungsergebnissen/Vorschlägen abgeschlossen. 3 der im Laufe des Jahres 2001 anhängig gewesenen Anträge wurden in verschiedenen Verfahrensstadien zurückgezogen.

22 neue Anträgen wurden im Berichtsjahr eingebracht, der Großteil davon bezog sich auf Beschwerden wegen sexueller Belästigung, der Rest auf Einstellungs- und Aufstiegsdiskriminierungen, Diskriminierung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses sowie die Erstellung eines Gutachtens zum Thema "Sexistische Werbematerialien". (Schluss)