Parlamentskorrespondenz Nr. 231 vom 24.04.2003

GRUNDSATZDEBATTE ZUM PENSIONSSYSTEM IM FINANZAUSSCHUSS

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Wien (PK) - Der Finanzausschuss hat heute unter der Vorsitzführung seines Obmannes Günter Stummvoll einstimmig einer Versicherungsaufsichtsgesetz-Novelle (27 d.B.) zugestimmt, die der Umsetzung von EU-Richtlinien dient. Die Solvabilitätsspanne, das von voraussichtlichen Belastungen freie Eigenkapital eines Unternehmens, soll erhöht werden, um den Versicherten mehr Sicherheit zu geben. Außerdem geht es um einen Liberalisierungsschritt im Zusammenhang mit WTO-Forderungen und der aktuellen GATS-Verhandlungsrunde: Die steuerrechtliche Benachteiligung von Versicherungsverträgen, die in einem Drittstaat abgeschlossen werden, soll entfallen.

Ein Abänderungsantrag der Koalitionsparteien - dem bei der Abstimmung nur die Grünen ihre Zustimmung verweigerten - soll den Versicherungsunternehmen ermöglichen, Produkte für die prämienbegünstigte Zukunftsvorsorge auch im Rahmen der klassischen Lebensversicherung anzubieten. Nach der bestehenden Rechtslage könnten Versicherungsunternehmen die prämienbegünstigte Zukunftsvorsorge nur im Rahmen der fonds- oder indexgebundenen Lebensversicherung anbieten. Konkret geht es um die Einrichtung eines eigenen Deckungsstockes sowie um Anpassungen bei den Vorschriften über die Deckungsrückstellung und die Risikobewertung.

PRIVATE PENSIONSVORSORGE - OPPOSITION FRAGT NACH DER SOZIALEN GERECHTIGKEIT   

Dieser Abänderungsantrag veranlasste die Mitglieder des Finanzausschusses zu einer Grundsatzdebatte zum Thema Pensionsvorsorge. Abgeordneter Christoph Matznetter (S) wiederholte einmal mehr die Kritik seiner Fraktion an der "schlampigen Gesetzgebung" der Regierungsparteien, die die prämienbegünstigte Pensionsvorsorge, die "dritte Säule", knapp vor Ende der letzten Legislaturperiode in einem "Husch-Pfusch-Verfahren" eingeführt haben. Nach einer ersten Reparatur sei nun schon nach wenigen Monaten eine weitere Gesetzesänderung notwendig. Die Zustimmung, die die SPÖ diesem Abänderungsantrag gebe, gelte der Sicherheit von Wertpapieren, sie bedeute aber keine Zustimmung zu dieser Sparform.

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (S) warnte davor, von der staatlichen Pensionsvorsorge weg in Richtung private Pensionsvorsorge zu gehen. "Wer sind die Personen, die die private Pensionsvorsorge im Rahmen der Finanzmarktaufsicht kontrollieren?", fragte die Abgeordnete und verlangte im Interesse der Transparenz, den jährlichen Bericht der Finanzmarktaufsicht ebenso im Plenum zu diskutieren wie die Berichte über die Tourismusbranche oder die Landwirtschaft.

Abgeordneter Thomas Prinzhorn (F) bekannte sich nachdrücklich dazu, dass staatliche Altersversorgungsverfahren durch private Formen zu ergänzen und mahnte dazu einen Vier-Parteien-Konsens ein.

Abgeordneter Werner Kogler (G) hielt es ebenfalls für bedenklich, wie die Gesetzgebung mit der Pensionssicherung umgehe, und kündigte die Ablehnung des Abänderungsantrages durch seine Fraktion an. Einen Vier-Parteien-Konsens sah Kogler darüber, dass es eine private Pensionsvorsorge geben soll. Die Frage laute aber, "was wie hoch gefördert werden soll". Und: "Wo soll der Staat eingreifen und Zuschüsse leisten?" - Jedenfalls wandte sich Kogler entschieden gegen jede Zurückdrängung des staatlichen Umlageverfahrens. "Wenn die Finanzierung der ersten Säule schwierig wird", sei es nicht nachzuvollziehen, "dass man immer mehr öffentliches Geld in die Hand nimmt, um private Modelle zu stützen." Zuerst ist, so Kogler, darauf zu schauen, "dass man die erste Säule auf die Reihe bekommt".

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (S) widersprach Abgeordnetem Prinzhorn: "Es gibt keine Vier-Parteien-Einigung in der Pensionsreform."

ÖVP: PRIVATE PENSIONSVORSORGE BRAUCHT STARTHILFE 

Abgeordneter Günter Stummvoll (V) untermauerte die Förderung der zweiten und dritten Säule der Pensionsvorsorge mit dem Argument, dass die private Pensionsvorsorge Starthilfe brauche, um sich entwickeln zu können. "Denn wir leben in einem Land, indem man den Menschen lange gesagt hat, der Staat sorgt vor, du brauchst dich um nichts zu kümmern." Er sei nicht der Meinung, dass die staatliche Förderung der privaten Pensionsvorsorge auch in 30 Jahren noch notwendig sein werde, als Starthilfe sei sie aber erforderlich.

Abgeordneter Peter Michael Ikrath (V) wies die Behauptung zurück, dass an die Ablösung des Umlageverfahrens gedacht sei. Die zweite und dritte Säulen seien lediglich als Ergänzungen der ersten Säule gedacht. Man müsse die Menschen aber ermutigen, von ihrer Freiheit Gebrauch zu machen und Verantwortung für ihre Zukunft zu übernehmen.

Auch Abgeordneter Hans Moser (S) stellte die Verteilungsfrage. Er rechne damit, dass maximal 500.000 Menschen in Österreich von den Prämien für die private Pensionsvorsorge profitieren würden. "Was ist mit den anderen?", lautete die Frage Mosers.

SPÖ: UMLAGEVERFAHREN BIETET GRÖSSTE SICHERHEIT

Abgeordneter Hannes Bauer (S) trat vehement für das Umlageverfahren ein, da es über alle Schicksalsschläge und wirtschaftlichen Entwicklungen hinweg das größte Maß an Sicherheit biete. Bauer nannte die Kriegsgeneration als Beispiel, in der viele Menschen eine Pension erhielten, obwohl sie erst sehr spät in das ASVG eintreten konnten. Bauer zitierte Karl Blecha, der die zweite und dritte Säule kürzlich als "Stangerl" bezeichnete, und machte darauf aufmerksam, dass es darum gehe, innerhalb des Umlageverfahrens für Gerechtigkeit zu sorgen. Man solle ergänzende Instrumente schaffen, die Frage sei, ob man diese fördern solle oder: "Warum soll man bei der zweiten und dritten Säule vom Prinzip der Freiwilligkeit abgehen". Er glaube nicht, dass die Förderung nur kurzfristig sein werde, sagte Bauer und warnte vor verteilungspolitischen Ungerechtigkeiten. Freiheit und Sicherheit sollen alle haben können, nicht nur jene, die hohe Einkommen haben.

Abgeordneter Christoph Matznetter (S) machte darauf aufmerksam, dass die geplante Pensionsreform bei jenen Pensionen, die im Durchschnitt 653 Euro ausmachen, 110 Mill. Euro sparen wolle, um Prämien für Menschen zu finanzieren, die sich eine private Pensionsvorsorge leisten können. Wenn die Kasse so knapp sei, könne auch kein Geld für die Förderung privater Pensionsvorsorge vorhanden sein.

Den Abänderungsantrag nehme die SPÖ an, weil sie keine Fundamentalopposition betreibe, sondern einer Maßnahme zustimme, die den Schutz für normale Lebensversicherungen erhöhe. Die Frage der Gerechtigkeit stelle sich angesichts der staatlichen Förderung der privaten Pensionsvorsorge auch für die Menschen, die auf andere Weise, etwa durch die Errichtung eines Eigenheims, Altersvorsorge betreiben.

SPÖ UND GRÜNE: FRAUEN UND SOZIAL SCHWACHE KÖNNEN SICH PRIVATE VORSORGE NICHT LEISTEN

Abgeordnete Michaela Sburny (G) äußerte Zweifel daran, dass die staatliche Förderung der privaten Pensionsvorsorge der sozialen Umverteilung diene. Wer, wie viele Frauen, gerade einmal 14.500 Euro Jahreseinkommen habe, könne sich die private Pensionsvorsorge nicht leisten und könne daher auch keine Prämie bekommen. Dies sei sozial nicht gerecht, zeigte sich Abgeordnete Sburny überzeugt. Dies umso mehr als gerade diese Frauen von der geplanten Pensionsreform besonders betroffen seien.

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (S) berichtete aus ihrer beruflichen Erfahrung beim AMS von arbeitslosen Menschen, die auch einmal zu den "Leistungsträgern" zählten, nun aber in wachsender Zahl fixen Ausgaben gegenüberstehen, die ihren Arbeitslosenbezug übersteigen. Die Situation dieser Menschen werde bei den Pensionsreformvorschlägen der Volkspartei viel zu wenig berücksichtigt.

Abgeordneter Peter Marizzi (S) schlug in die selbe Kerbe und machte auf den Unterschied aufmerksam, der zwischen Menschen bestehe, die über "vier Säulen" verfügen, und solchen, die, wie viele Frauen, mit 653 Euro monatlich auskommen müssen.

ÖVP: STAATLICHE FÖRDERUNG PRIVATER PENSIONEN DIENT WIE BEIM BAUSPAREN DEM SOZIALEN AUSGLEICH 

Abgeordneter Günter Stummvoll (V) zeigte sich froh über die Grundsatzdebatte im Finanzausschuss und bekundete Respekt gegenüber den in der Diskussion geäußerten Argumenten. Er räumte ein, dass Menschen mit einem Jahreseinkommen von 14.500 Euro von der Förderung der Eigenvorsorge keinen Gebrauch machen können. Man sollte aber auch andere Beispiele ernst nehmen, sagte der Abgeordnete und wies darauf hin, dass das progressive Steuersystem dafür sorge, dass von der Steuerleistung eines einzigen Gutverdienenden mehrere kleine Pensionen finanziert werden können. Daher sei es legitim, dass Gutverdienende "einen Bruchteil dessen, was sie im Rahmen der progressiven Einkommensteuer erbringen", als Förderung für die eigene Altersvorsorge in Anspruch nehmen können.

Abgeordneter Walter Tancsits (V) zog eine Parallele zwischen dem Modell Bausparen und der privaten Altersvorsorge. Bei beiden Modellen enthalte die staatliche Prämien ein Moment des sozialen Ausgleichs, weil jeder die Chance auf die gleiche Prämie habe, die aber aus dem Topf eines progressiven Steuersystems bezahlt werde.

Abgeordneter Werner Fasslabend (V) erinnerte an die Mahnungen der EU, dass die österreichische Altersvorsorge zu sehr auf dem staatlichen Umlageverfahren beruhe. Man solle die demographische Entwicklung nicht übersehen, die der Auslöser dafür sei, private Vorsorgesysteme einzuführen. An der ersten Säule solle nicht gerüttelt, aber ergänzende Systeme errichtet werden, sagte der Abgeordnete und sprach sich gegenüber seinem Fraktionskollegen Stummvoll dafür aus, an der Förderung der zweiten und dritten Säule längerfristig festzuhalten.

Abgeordneter Hannes Bauer (S) erinnerte an das Beispiel der "Volksaktie", die sich nicht als Erfolgsmodell erwiesen habe. Außerdem riet er zur Gelassenheit gegenüber der EU-Kritik an der österreichischen Orientierung am Umlageverfahren. Die Pflichtversicherung in der Sozialversicherung habe sich in allen internationalen Vergleichen als ein überlegenes System erwiesen.

Abgeordneter Kurt Gaßner (S) schloss sich der Meinung des Abgeordneten Fasslabend an, dass es darum gehe, den Lebensstandard der älteren Menschen progressiv zu erhöhen. Die Frage laute aber, wie man den Lebensstandard jenes großen Teils der Bevölkerung sichere, der nicht in der Lage sei, ein privates Pensionsvorsorgemodell zu finanzieren.

Für die beantragte Verlängerung der Frist zur Vorlage der Jahresabschlüsse von Versicherungsunternehmen auf 8 Monate sah Abgeordneter Christoph Matznetter (S) keinen Anlass. Diese Maßnahme sei vorauseilender Gehorsam gegenüber vier US-Kanzleien, die diese Fristerstreckung wünschten.

STAATSSEKRETÄR FINZ: PRIVATE PENSIONSVORSORGE - KEIN MODELL FÜR DIE REICHEN  

Staatssekretär Alfred Finz unterstrich, dass die zweite und die dritte Säule als Ergänzung der ersten, staatlichen Säule gedacht seien. Dass Reformbedarf im Bereich des staatlichen Pensionssystems bestehe, ließen auch die jüngst vorgelegten Vorschläge der SPÖ erkennen. Den Vorwurf der Oppositionsabgeordneten, Geld aus der ersten Säule würde verwendet, um die zweite und die dritte Säule zu finanzieren, wies der Staatssekretär entschieden zurück. Die Pensionsreform sei notwendig, weil der staatliche Zuschuss in einem Ausmaß wachse, "das nicht einmal in Zeiten einer Hochkonjunktur finanzierbar wäre". Zur Frage der Verteilungsgerechtigkeit meinte der Staatssekretär, die prämiengestützte Pensionsvorsorge sei eine Sparform für den kleinen Mann, nicht für die Reichen, da die Förderung wie beim Bausparen nach oben hin gedeckelt sei.

Der Jahresbericht, den die Finanzaufsicht zur Pensionsvorsorge vorlegen werde, werde kein interner Bericht des Finanzressorts sein, es sei nicht an eine "Geheimwissenschaft des Finanzministeriums" gedacht, sondern an eine transparente Gestaltung dieses Instruments, versicherte Alfred Finz.

Die Verlängerung der Vorlagefrist für die Jahresabschlüsse von Versicherungsunternehmen werde nur in begründeten Einzelfällen auf 8 Monate verlängert.

Die Abschaffung der "Versicherungsfluchtsteuer" entspreche Empfehlungen von WTO und OECD.

DER KAMPF GEGEN DIE FINANZIERUNG DES TERRORS WIRD VERSTÄRKT

Ebenfalls einstimmig sprach sich der Finanzausschuss für eine Änderung des Bankwesengesetzes aus, die dem verstärkten Kampf gegen den Missbrauch des Bank- und Finanzwesens für kriminelle Zwecke und zur Terrorismusfinanzierung dient. Die Änderungen entsprechen der EU-Geldwäsche-Richtlinie sowie Sonderempfehlungen der Financial Action Task Force on Money Laundering (FATF) vom Oktober 2001. Konkret werden die mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2002 neu geschaffenen Straftatbestände im Hinblick auf den Terrorismus berücksichtigt und das Wechselstubengeschäft wieder als konzessionspflichtiges Bankgeschäft normiert.(32 d.B.) Ein V-F-Abänderungsantrag enthielt redaktionelle Korrekturen.

Detailfragen der Abgeordneten Christoph Matznetter und Marianne Hagenhofer (beide S) beantwortete Staatssekretär Alfred Finz, indem er darauf hinwies, dass in der Frage einer einheitlichen Regelung für Überweisungen eine neue EU-Regelung zu erwarten sei. Ausnahmen werden nicht auf Sparvereine ausgedehnt. Das Schulsparen, das Abgeordneter Peter Michael Ikrath (V) gegenüber Abgeordneter Michaela Sburny (G) als wichtiges Instrument für die Erziehung der Jugend zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Geld verteidigte, soll, so der Staatssekretär, fortgeführt werden. (Schluss)