Parlamentskorrespondenz Nr. 391 vom 03.06.2003

THEMA ARBEITSMARKTPOLITIK IM BUDGETAUSSCHUSS

----

Wien (PK) - Der Budgetausschuss setzte heute Morgen seine Beratungen über das Budgetbegleitgesetz fort. Gemeinsam mit Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Bartenstein besprachen die Abgeordneten unter der Leitung von Ausschussobmann Jakob Auer die vorgesehenen Änderungen im Bereich des Arbeitsmarktes, zu denen die Regierungsfraktionen den Opositionsparteien gestern einen Entwurf für einen Abänderungsantrag übermittelt haben.

Zuvor stand aber noch die Kritik der Oppositionsparteien an der Vorgangsweise der Regierungsparteien im Budgetausschuss zur Diskussion. Abgeordneter Werner Kogler (G) erinnerte daran, dass Fragen zum Thema Abfangjäger vor der letzten Sitzungsunterbrechung unbeantwortet geblieben seien. Vor allem habe die Bundesregierung nicht dargelegt, warum sie eine bestimmte Finanzierungsvariante gewählt habe, die dann die Typenentscheidung für den "Eurofighter" zur Folge hatte.

Abgeordneter Walter Tancsits (V) plädierte dem gegenüber dafür, bei der vom Ausschuss selbst gewählten Gliederung zu bleiben, um eine fruchtbringende Debatte zu ermöglichen.

Eben diese "fruchtbringende Debatte" ist laut Abgeordneter Heidrun Silhavy (S) nicht möglich, weil die Regierungsfraktionen lediglich informelle Abänderungsanträge vorlegen, die einander überdies widersprechen würden. Vor allem sei es nicht sinnvoll, den gestern übermittelten Abänderungsantrag zur Arbeitsmarktpolitik zu behandeln, ohne die Abänderungen im Pensionsrecht zu kennen.

Ausschussobmann Jakob Auer hielt fest, dass für die heutige Ausschusssitzung das Thema "Arbeitsmarkt" vorgesehen war. Fragen zu den Überwachungsflugzeugen seien tatsächlich offen geblieben, der Ausschussvorsitzende schlug daher vor, diese Fragen am Beginn der nächsten Ausschusssitzung, am Donnerstag um 10 Uhr, zu behandeln.

In das Thema Arbeitsmarktpolitik eingehend, kritisierte Abgeordnete Heidrun Silhavy (S) das Fehlen einer Geschäftsgrundlage für die Ausschussverhandlungen. Dann wandte sie sich gegen die Absicht, die vorzeitige Alterspension abzuschaffen. Die von der Regierung behauptete Ankurbelung der Wirtschaft habe nicht stattgefunden, daher seien ältere Arbeitnehmer von der Pensionsreform besonders betroffen.

Abgeordneter Karl Ölliner (G) schloss sich seiner Vorrednerin an und bezog sich auf den Entwurf der Regierungsfraktionen für einen Abänderungsantrag, der sich ausdrücklich auf pensionsrechtliche Abänderungen bezieht, "die uns aber nicht vorliegen. Wie sollen wir überprüfen, ob die Änderungen in der Arbeitsmarktpolitik mit den Änderungen im Pensionsrecht konform gehen?"

Abgeordneter Walter Tancsits (V) empfahl den Abgeordneten der Opposition, den letzten Stand der Verhandlungen zwischen Regierung und Sozialpartnern als Hintergrundinformation für die vorgeschlagenen Änderungen im Bereich Arbeitsmarkt zu nehmen. Seine konkreten Fragen an das Ressort betrafen die Altersteilzeit, die sich zu einem wesentlichen arbeitsmarktpolitischen Instrument entwickelt habe, bei dem aber auch Fehlentwicklungen zu beobachten seien. Eine weitere Frage galt der EU-Konformität unterschiedlicher Regelungen für Männer und Frauen.

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (F) bekannte sich nachdrücklich zu arbeitsmarktpolitischen Begleitmaßnahmen bei der Anhebung des Pensionsantrittsalters. Dazu gehören für Dolinschek Anpassungen bei der Altersteilzeit und beim Altersarbeitslosengeld.

Abgeordnete Prammer (S) klagte über die Streichung der vorzeitigen Alterspension wegen Arbeitslosigkeit, weil davon vor allem Frauen betroffen seien.

Abgeordneter Karl Öllinger (G) hielt es für unzumutbar, sich als Ausschuss Arbeitsunterlagen aus der Zeitung besorgen zu müssen. "Warum haben die Regierungsparteien, wenn die Änderungen ohnehin bekannt sind, so große Mühe, ihre Vorschläge zu Papier zu bringen", fragte Öllinger.

Konkret bemängelte der Sozialsprecher der Grünen die zeitliche Befristung des Altersübergangsgeldes bis 2006. Die vorgesehene Ermächtigung für eine Verlängerung sei für ihn nicht ausreichend. Scharfe Kritik übte der Abgeordnete daran, dass die Übergangsregelungen bei der vorzeitigen Alterspension nur für Männer, nicht aber für Frauen gelten. Zur Lösung beider Probleme legte Abgeordneter Öllinger Abänderungsanträge seiner Fraktion vor.

Schließlich wandte sich Öllinger der wachsenden Zahl auch gut qualifizierter Jugendlicher zu, die Probleme haben, Arbeitsplätze und Lehrstellen zu finden. Besonders bedauerlich sei es, dass Jugendliche, die umgeschult werden oder Zusatzqualifikationen erwerben, keinen Arbeitslosenversicherungsanspruch erhalten.

Abgeordneter Werner Fasslabend (V) machte darauf aufmerksam, dass die Zahl der 50 bis 59-Jährigen auf dem Arbeitsmarkt in den kommenden Jahren und Jahrzehnten stark zunehmen, die der 20 bis 29-Jährigen gleichzeitig aber abnehmen werde. Fasslabends konkrete Fragen galten der Einbindung der Sozialpartner in langfristige Maßnahmen zur Umgestaltung des Arbeitsmarktes und den speziellen Problemen des AMS Wien: lange Vermittlungsdauer und Schwierigkeiten bei der Lehrlingsbeschäftigung.

Abgeordnete Heinisch-Hosek (S) drängte auf die Vorlage des angekündigten Abänderungsantrages der Regierungsparteien. In den Mittelpunkt ihrer Ausführungen stellte sie die Kritik an der Behauptung, die Pensionsreform werde für die Jugendlichen gemacht. "Das ist ein Schwindel!" sagte die Abgeordnete und zitierte Expertenmeinungen, die darauf hinweisen, dass junge Menschen ohne Arbeitsplatz keine Chance haben, sich eine Zusatzpension in der dritten Säule anzusparen. Sie erneuerte ihre Forderung nach einem Rechtsanspruch auf Bildung und Ausbildung, wandte sich gegen die Abschaffung der Lehrlingsstiftungen und gegen die Streichung von Subventionen für die Jugendausbildung. 7.000 junge Menschen suchen Ausbildungsplätze, sagte Heinisch-Hosek und mahnte die Verantwortung der Bundesregierung für die jungen Menschen ein.

Ergänzend fügte Abgeordneter Öllinger (G) hinzu, dass man auch an jene Jugendlichen denken müsse, die monate- und jahrelang bei ihren Eltern leben, während sie Lehrstellen und Arbeitsplätze suchen. Immer häufiger seien auch AHS-Absolventen und Akademiker in dieser Situation anzutreffen. Besonders betroffen seien auch Kinder von Migranten. Wer heute Subventionen streiche, müsse wissen, dass er schon morgen mit hohen Resozialisationskosten rechnen müsse.

Abgeordneter Walch (F) warnte davor, die Situation schlechter zu reden, als sie sei, und befasste sich in seiner Wortmeldung mit den Regelungen für das Übergangsgeld sowie mit der Frage, ab welchem Lebensalter es gelten soll.

Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Bartenstein erinnerte an die vorliegende Regierungsvorlage und an jene Punkte, in denen die Regierung mit den Sozialpartnern Übereinstimmung erzielt habe, wobei er es bedauerte, dass die Verhandlungen über einen höheren Zuschlag beim Altersübergangsgeld wegen der "anderen Wege", die heute beschritten werden, nicht fortgesetzt wurden. Um Kritik an der vorgesehenen Altersübergangsgeldregelung zu entkräften, wies der Ressortleiter darauf hin, dass ein 25-prozentiger Zuschlag beim Altersübergangsgeld eine Nettoersatzrate von 70 % bedeute. Während die durchschnittliche vorzeitige Alterspension 10.000 € pro Jahr ergab, liege das durchschnittliche Altersübergangsgeld bei 13.000 € jährlich, wovon besonders Frauen profitieren, betonte der Minister.

Von der leider wieder steigenden Arbeitslosigkeit seien die 55 bis 59-Jährigen mit einer Zunahme von 1.600 im Jahresabstand und die über 60-Jährigen mit einem Plus von 530 tatsächlich überproportional betroffen, räumte der Minister ein. Er fügte aber hinzu, dass der Arbeitsmarkt auch eine andere, sehr erfreuliche Tendenz zeige: Die Zahl der 55 bis 59-jährigen Arbeitnehmer habe in den letzten zwölf Monaten um 13.200 und jene der über 60-jährigen um 2.700 zugenommen. Die Regierung komme auf ihrem Weg zur Erhöhung der Beschäftigungsquote älterer Menschen voran, hielt Bartenstein fest.

In seinen weiteren Ausführungen erläuterte der Minister das nunmehr sanftere als ursprünglich geplante Auslaufen der vorzeitigen Alterspension. Die Regelungen für die Altersteilzeit, die nun getroffen werden, sorgen dafür, dass dieses Modell auch in Zukunft attraktiv bleibe. Vorbehaltlich einer Entscheidung des EuGH seien die Unterschiede zwischen Männern und Frauen als EU-konform zu betrachten. Maßnahmen gegen Missstände bei der Altersteilzeit seien vorgesehen, sagte der Minister. Auch die Sozialpartner anerkennen Verlängerung und Weiterentwicklung der Altersteilzeitregelungen und die Senkung der Lohnnebenkosten für ältere Arbeitnehmer.

Wesentliche Verbesserungen konnten auch bei der "Hacklerregelung" inklusive einer zehnprozentigen Deckelung erreicht werden.

Die Verordnungsermächtigung für eine mögliche Verlängerung des Altersübergangsgeldes über das Jahr 2006 hinaus entspreche einer "Mischung aus Weitsicht und Vorsicht", formulierte der Wirtschaftsminister.

Die Behauptung der Grünen, die Regierung würde die Arbeitslosenstatistik "schönen" und Jugendliche nicht in die Statistik aufnehmen, wies der Minister entschieden zurück. Dass aus Qualifikationsmaßnahmen kein Arbeitslosengeldanspruch entstehe, sei beabsichtigt. "Wir wollen, dass die jungen Menschen nach der Qualifikation in den Arbeitsmarkt gehen". Probleme des AMS-Wien führte der Arbeitsminister zum Teil auch auf ein in allen Metropolen bekanntes "Hauptstadtphänomen" zurück.

Dem Vorwurf, die Pensionssicherungsreform diene nicht den jungen Menschen, trat der Wirtschaftsminister mit Hinweis auf Aussagen des Pensionsexperten Rürup entgegen. Rürup habe sich darüber beklagt, dass Bundeskanzler Klima im Jahr 1997 nur zwölf bis fünfzehn Prozent seiner Vorschläge umgesetzt habe. "Hätte Klima mehr gemacht, hätte Schüssel weniger Ärger". Rürup habe klar gesagt, dass diese Reform für die Jungen gemacht werde.

Die ÖBB-Lehrlingsstiftung wolle er sich deshalb genauer anschauen, weil er nicht einsehe, "dass die ÖBB ihre Lehrlinge nicht ebenso anstellen könne wie jeder Greißler auch".

Gegen eine Schlechterstellung von Migrantenkindern habe er durch eine AMS-Richtlinie Vorkehrung getroffen, unterstrich der Wirtschaftsminister.

Abgeordnete Melitta Trunk (S) brachte das zunehmende Auseinanderklaffen der Löhne und Gehälter von Männern und Frauen zur Sprache und gab zu bedenken, dass sich diese Ungleichheit in der Pension fortsetze. Sie wollte von Minister Bartenstein wissen, was er als Arbeitsminister dagegen unternehme. Außerdem forderte sie, alle steuerlichen Maßnahmen dahingehend zu überprüfen, welche Auswirkungen sie auf die Beschäftigungslage hätten.

Abgeordneter Karl Öllinger (G) zog die positive Darstellung der Arbeitsmarktsituation durch Wirtschaftsminister Bartenstein in Zweifel und meinte, Faktum sei, dass momentan sowohl die Arbeitslosenzahlen als auch die Beschäftigtenzahlen steigen würden. "Das ist nicht etwas, was mich beruhigen würde", bekräftigte er.

Wirtschaftsminister Martin Bartenstein hielt fest, es stimme einfach nicht, dass Frauen von der Pensionssicherungsreform stärker betroffen seien als Männer, wie dies die Opposition immer wieder behaupte. Ihm zufolge haben Experten errechnet, dass der durchschnittliche Verlust - nach den neuen Vorschlägen der Regierung - 2004 für Frauen nur 3 %, für Männer hingegen 5,7 % betragen würde. Dieser Trend setze sich auch in den Jahren 2005 und 2006 fort.

Die Angleichung der Löhne und Gehälter von Frauen an jene der Männer bezeichnete Bartenstein als gemeinsames Ziel. Die Einkommensunterschiede gebe es nicht erst seit Antritt der schwarz-blauen Koalition im Februar 2000, wies er entsprechende Vorwürfe seitens der SPÖ zurück. (Schluss)