Parlamentskorrespondenz Nr. 401 vom 05.06.2003

BUDGETAUSSCHUSS: PENSIONSREFORM, ARBEITSMARKT, GESUNDHEIT

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Wien (PK) – Drei große Kapitel wurden sodann im Budgetausschuss beraten: die Pensionsreform, der Gesundheitsbereich und die Arbeitsmarktsituation. Für die Anfragen der Abgeordneten standen die Bundesminister Herbert Haupt und Martin Bartenstein sowie die Staatssekretäre Reinhart Waneck und Ursula Haubner zur Verfügung.

In einer erster Runde sprach Abgeordnete Heidrun Silhavy (S) von der Absicht der Regierung – ein entsprechender Abänderungsantrag lag nur informell vor –, Informationspflichten von den Ministerien auf den Hauptverband abzuwälzen, was bedeute, dass die Versichertengemeinschaft zur Kasse gebeten werde. Im Zusammenhang mit der Anhebung des Ausgleichszulagenrichtsatzes für Ehepaare auf 1.000 € wollte Silhavy wissen, wie viele Personen davon betroffen und wie hoch die Mehrkosten seien. Weiters erkundigte sie sich nach der Verordnungsermächtigung im Zusammenhang mit dem Übergangsgeld.

Abgeordneter Karl Öllinger (G) wünschte Auskunft über die Mehreinnahmen durch die Anhebung der Höchstbemessungsgrundgrundlage, die Zeitsoldatenregelung und die Ankündigung, dass der Härtefonds, der aus Mitteln des Bundespflegegeldgesetzes finanziert wird, mit 10 Mill. € dotiert werde.

Abgeordneter Werner Fasslabend (V) wies darauf hin, dass wesentliche Veränderungen erfolgt sind; bis zur Beschlussfassung im Plenum des Nationalrates sind weitere Veränderungen in Aussicht genommen. Fasslabend sprach von der „soften Inangriffnahme“ der Abschaffung der Frühpensionen; dazu habe der ÖGB und ÖGB-Präsident Verzetnitsch seinen Anteil geleistet. Als Schwachstelle der Gesundheitspolitik sah der Redner die Tatsache an, dass es zu viel kurative und zu wenig präventive Maßnahmen gebe.

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (F) begrüßte die Verbesserungen für die Frauen, die Fristerstreckung bei der Frühpensionsregelung und die Verringerung von Verlusten durch die Deckelung mit 10 %.

Abgeordneter Johann Maier (S) kam auf die letzte Sendung „Der Volksanwalt“ zu sprechen und auf die Rechtsprechung des OGH im Zusammenhang mit der geminderten Arbeitsfähigkeit bei Eintritt ins Berufsleben. Zudem kritisierte er die im Abänderungsantrag enthaltenen Kompetenzveränderungen, die laut Maier sachlich und logisch nicht nachvollziehbar sind.

Abgeordnete Ridi Steibl (V) hinterfragte, wie viele Personen die Familienhospizkarenz in Anspruch genommen haben, begrüßte die beabsichtigte Anrechnung von 3 Jahren pro Kind bei der Durchrechnung und erkundigte sich danach, wie viele Jahre bei Zwillingen bzw. Drillingen angerechnet werden.

Abgeordneter Maximilian Walch (F) interessierte sich für die Änderungen für Schwerarbeiter und für die Altersteilzeit.

Bundesminister Herbert Haupt teilte in seiner Beantwortung mit, dass 35.000 bis 37.000 Haushalte 1.000 € an Ausgleichszulagen erhalten werden. Die Kosten hiefür bezifferte er mit 19 Mill. €.

Der Härtefonds werde mit 10 Mill. € dotiert. Man rechne, dass zwischen 700 und 900 Männer und 400 bis 700 Frauen hinzukommen, die ihre Belastungen ausgeglichen bekommen.

Auf das Beispiel Maiers eingehend meinte Haupt, dass in dem angesprochenen Fall eine Pensionierung möglich sein müsste. Am 12.6. werde es zwischen Experten des Ressorts und Experten der Volksanwaltschaft einen Erfahrungsaustausch bzw. den Versuch, zu einer fairen Lösung zu kommen, geben.

Vor zwei Monaten haben 56 Personen die Familienhospizkarenz in Anspruch genommen gehabt, meinte Haupt in Richtung Ridi Steibl.

3 Jahre pro Kind werden bei der Durchrechnung angerechnet; bei Drillingen 9 Jahre.

Bundesminister Martin Bartenstein wies darauf hin, dass man im Hinblick auf die Pensionsanpassung kleine Pensionisten in den Jahren 2004 und 2005 besser stellen möchte. Den Beitrag der besser gestellten Pensionisten zur Gesamtkonsolidierung begrüßte der Minister.

Auch Bartenstein machte darauf aufmerksam, dass Fritz Verzetnitsch und der ÖGB in den Verhandlungen über die Ausweitung der Frühpensionen „keine unerhebliche“ Rolle gespielt haben.

Staatssekretär Reinhart Waneck erläuterte geplante Maßnahmen im Bereich der Präventivmedizin. Vorerst wies er darauf hin, dass ein Viertel der gesamten Lebensgesundheit von erworbenen und chronischen Erkrankungen beeinträchtigt sei, und strich heraus, dass es ein Missverhältnis zwischen kurativer und präventiver Medizin gebe und dass man erreichen wolle, dass mehr Menschen die Vorsorgeuntersuchungen – derzeit sind es 750.00 Personen – in Anspruch nehmen. Auch werden Maßnahmen gegen die Volkskrankheiten, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, psychosomatische Erkrankungen, Erkrankungen des Bewegungsapparates u.a. ergriffen werden. Dazu gehören auch eine besserer Behandlung von Bluthochdruck, die Bekämpfung von Cholesterin, Zucker und Übergewicht, aber auch das Eindämmen des Rauchens, rauchen doch immerhin 2,3 Millionen Österreicher, und des Alkoholkonsums. Weiters wird es um die Absenkung der Krebssterblichkeit und Schlaganfallmorbidität gehen. Im Zusammenhang mit der Unfallvermeidung in der Freizeit wies Waneck darauf hin, dass nur ein Fünftel der Unfälle arbeitsplatzassoziierte Unfälle sind, vier Fünftel sind Freizeit- und Haushaltsunfälle. Hinsichtlich übertragbarer Erkrankungen gibt eine intensive Zusammenarbeit mit der EU in Richtung Datenbank für Tuberkulose, Malaria, aber auch HIV und Aids.

In einer weiteren Diskussionsrunde brachte Abgeordneter Franz Riepl (S) die neue Schwerarbeiterregelung und die mittelfristige Entwicklung des Bundeszuschusses im ASVG-Bereich zur Sprache.

Abgeordneter Erwin Rasinger (V) beleuchtete das Gesundheitssystem, meinte, „ethisch gesehen seien die Gesundheitsprobleme brisanter als die Pensionsprobleme“ und sprach von bevorstehenden gewaltigen Veränderungen im Gesundheitsbereich aufgrund der höheren Lebenserwartung, aufgrund des medizinischen Fortschritts, der jedem, unabhängig von seinem Einkommen, zur Verfügung gestellt werden soll, und angesichts der Verjustifizierung des Gesundheitswesens. Daher lauteten seine Fragen: Welche zusätzlichen Maßnahmen sind einnahmen- bzw. ausgabenseitig geplant, um das System zu stabilisieren?

Abgeordnete Christine Lapp (S) urgierte Abfederungsmaßnahmen für Arbeitnehmer, die ab 56 1/2 Jahren in Invaliditätspension gehen. Nach dem derzeitigen Stand würden die Kürzungen für diese Gruppe voll durchschlagen, kritisierte sie. Darüber hinaus verlangte Lapp auch Klarheit über die Dotierung des Unterstützungsfonds für pflegende Angehörige und des Härtefonds für Menschen mit besonders geringen Pensionen.

Schließlich forderte Lapp in einem Abänderungsantrag die Herausnahme der Pensionsreform aus dem Budgetbegleitgesetz. Die SPÖ will der Regierung damit die Möglichkeit geben, im Herbst eine gemeinsam mit den Sozialpartnern erarbeitete Lösung vorzulegen. Ziel dieser Pensionsreform sollte, wie es in der Initiative heißt, ein gemeinsames Pensionssystem für alle sein, in das schrittweise alle hineinwachsen, sodass in 30 Jahren alle Österreicher nach dem gleichen Recht in Pension gehen und niemand mehr in der Pensionshöhe bevorzugt wird.

Abgeordnete Gertrude Brinek (V) zeigte sich besorgt über die zunehmende Tendenz, über 50-Jährige am Arbeitsmarkt als zu alt einzustufen. Diesem Trend müsste entschieden entgegen getreten werden. Der Arbeitsplatz sollte keine Ort sein, "auf dem sich nur Junge und Fesche tummeln dürfen", sagte sie.

Die Härtefonds zur Abfederung der geringen Pensionen und die Verbesserungen für Frauen und Familien schnitt Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (F) an.

Abgeordnete Christine Marek (V) schlug vor, die Zuverdienstmöglichkeiten für Bezieherinnen von Kindergeld auf eine breitere Basis zu stellen, um eine stärkere Inanspruchnahme durch die Frauen und damit bessere Wiedereinstiegsmöglichkeiten zu gewährleisten.

Marek brachte weiters einen Abänderungsantrag der Koalitionsparteien zum Thema Politikerpensionen ein. Eckpunkte dieser Initiative sind die Anhebung des Antrittsalters geschlechtsneutral stufenweise bis 2017 auf 65 Jahre, die Einführung eines Solidarbeitrages von 15 % ab 1.7.2003, die Abschaffung der Doppelbezüge und die Halbierung der Dauer der Bezugsfortzahlung.

Staatssekretärin Ursula Haubner stellte klar, dass für Schwerarbeiter eine Sonderregelung vorgesehen ist, die es dieser Gruppe erlaubt, auch weiterhin in Frühpension zu gehen. Der Sozialminister werde bis spätestens 2006 in einer Verordnung unter Einbeziehung der Sozialpartner festlegen, welche Tätigkeiten als besonders belastend im Sinne dieses Gesetzes gelten sollen. Haubner erwartete sich dabei, dass dieser Zeithorizont unterschritten werde.

Der Härtefonds sei speziell für jene gedacht, die lange Versicherungszeiten, aber niedrige Pensionen haben. Haubner präzisierte, dass es sich dabei um einen neuen Fonds handle, es werde dafür also kein Fonds geplündert und auch kein bestehender Fonds aufgestockt. Für 2004 sind nach den Angaben der Staatssekretärin 10 Mill. € als Dotierung geplant.

An Verbesserungen im Familienbereich nannte Haubner neben der Anhebung der pensionsbegründenden Kindererziehungszeiten die Herausnahme von drei Jahren pro Kind aus dem Durchrechnungszeitraum sowie die Erhöhung des Ausgleichszulagenrichtsatzes.

Bundesminister Martin Bartenstein, der von Abgeordnetem Karl Öllinger (G) auf die Entwicklung der Bundesbeiträge zur gesetzlichen Pensionsversicherung angesprochen wurde, meinte, eine Stabilisierung sei oberstes Gebot, an Senkung oder Entwicklung gegen Null denke niemand. Nach den ursprünglichen Intentionen war geplant, das Wachstum um 1 Mrd. € bis 2006 einzubremsen, erinnerte der Minister. Nach dem vorliegenden Abänderungsantrag allerdings sollten die Einsparungen bei 600 Mill. € liegen, bemerkte er.

Zum Thema Pensionsreform und Arbeitsmarkt teilte Bartenstein mit, wegen der langen Fristen für das Auslaufen der Frühpension werde sich ein zusätzlicher Andrang auf dem Arbeitsmarkt von 5.000 bis 6.000 Personen ergeben. Der Minister rechnete damit, dass aufgrund der demographischen Veränderungen schon spätestens im Jahr 2010 die Berufschancen für ältere Arbeitnehmer ungleich besser werden.

Staatssekretär Reinhart Waneck gab zu bedenken, Ausgabensenkungen im Gesundheitsbereich seien eine Illusion, die man sich "abschminken" könne. Realistisch sei es vielmehr, bloß maßvolle Steigerungen anzustreben. Die Qualität bezeichnete Waneck dabei als Grundvoraussetzung für eine kostengünstige Medizin. Ziel müsse es sein, dass mehr Menschen beschwerdefrei älter werden. Großen Stellenwert maß er dabei auch der Forcierung von Prävention, der Verminderung der Volkskrankheiten sowie der Entwicklung eines Gesundheitsbewusstseins in der Bevölkerung bei. Der Grundsatz der Gesundheitspolitik muss nach den Worten Wanecks lauten: Vorsorge vor Behandlung, ambulant vor stationär, Rehabilitation vor Pflege.

Zur Finanzierung stellte er fest, Österreich werde es sich in Zukunft nicht leisten können, weiter für zehn verschiedene Gesundheitssysteme aufzukommen. Es werde im Zuge der Patientenmobilität nicht mehr möglich sein, in jedem Bundesland andere Voraussetzungen zu haben, warnte Waneck.

Abgeordneter Maximilian WALCH (F) befasste sich mit dem Abänderungsantrag betreffend die Politikerpensionen. Durch den Druck der FPÖ sei es gelungen, dass man einmal "von oben anfange", meinte er. Sodann ging Walch auf die Eckpunkte des Antrags ein und wies darauf hin, dass die doppelte Anrechnung von Zeiten nun der Vergangenheit angehöre. Weiters leisten die Politiker einen Solidarbeitrag; der ursprünglich 7%ige Pensionssicherungsbeitrag wird nämlich auf 8 % bzw. auf 15 % erhöht. Ebenso wie im ASVG wird auch das Pensionsantrittsalter auf 65 Jahre angehoben, führte er aus. Reduktionen gibt es auch bei der Bezugsfortzahlung und der Aktivbezug dürfe nicht mehr gleichzeitig mit dem Pensionsbezug ausbezahlt werden.

Abgeordneter Walter TANCSITS (V) sah den von Abgeordneten Ellmauer eingebrachten Abänderungsantrag als Ergebnis einer konsequenten parlamentarischen Behandlung. Der Entwurf sei von dem Gedanken getragen, dass die Pensionen der ersten Säule nachhaltig gesichert werden müssen und dass gleichzeitig das soziale Augenmaß gewahrt wird. Es könne keine Rede sein von überfallsartigen Maßnahmen, meinte er in Richtung der Opposition; so werde z.B. noch im ersten Quartal 2014 die letzte vorzeitige Alterspension anerkannt werden.

Bundesminister Martin BARTENSTEIN wies zunächst darauf hin, dass der nun offiziell eingebrachte Abänderungsantrag nur technische und redaktionelle Änderungen gegenüber dem Entwurf von gestern enthalte. Was die vom Abgeordneten Matznetter angesprochenen finanziellen Auswirkungen der Pensionssicherungsreform betrifft, so gehe man von einem Gesamtbetrag in der Höhe von 557 Mill. Euro aus. (Schluss)