Parlamentskorrespondenz Nr. 682 vom 24.09.2003

GRÜNE FORDERN VON MINISTERIN GEHRER EINE BILDUNGSOFFENSIVE

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Wien (PK) - "Bildungsoffensive statt pauschaler Diffamierung der Jungen" lautet das Thema eines von den Grünen eingebrachten Dringlichen Antrags, der am Nachmittag im Nationalrat debattiert wurde.

Abgeordnete Dr. GLAWISCHNIG (G) begründete den Antrag mit der Situation an den österreichischen Schulen und Universitäten. Kein Herbst habe so triste begonnen wie dieser, sagte Glawischnig. Die Bundesministerin jedoch bleibe von all dem unbeeindruckt, setzte die Rednerin ihre Kritik fort, und nehme weder die notwendigen bildungspolitischen Innovationen in Angriff noch setze sie die erforderlichen Investitionsschritte. Bundesministerin Gehrer bleibe offenbar deshalb untätig, weil sie glaube, die Zukunft des Landes nur durch mehr Kinder sichern zu können, und das alles nenne sie noch "Wertedebatte", so Glawischnig kritisch.

Die Äußerungen der Ministerin dazu bezeichnete sie als eine "beispiellose Themenverfehlung" sowie als "oberflächlich und unfair der Jugend gegenüber". Gehrer führe die Wertediskussion auf ein Familienbild zurück, das nicht mehr ins 21. Jahrhundert gehöre, und negiere, dass es bei der Familienplanung auch eine private Seite sowie Selbstbestimmung gebe. Glawischnig wies darauf hin, dass gerade in Bezug auf den Kinderwunsch das Wunschdenken und die Realisierung weit auseinander klaffen. Die Aufgabe der Politik sei es daher nicht zu moralisieren, sondern Rahmenbedingungen zu schaffen. An diesen fehle es nämlich, wenn man an die mangelnden Betreuungsplätze denke und sich vor Augen führe, dass Teilzeitarbeit oft Armut zur Folge habe. Väter gingen noch immer nicht in Karenz, es gebe keine ernsthafte Debatte über die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen, und das geplante Recht auf Teilzeitarbeit sei kein echtes Recht für alle, sondern in Form einer Zwei-Klassen-Gesellschaft konzipiert. Die Diskussionsbeiträge der Ministerin zeugten von einer emotionalen Ferne zur Lebenssituation junger Frauen, meinte Glawischnig und versuchte, ihre Auffassung durch Beispiele vor allem hinsichtlich einer nicht ausreichenden Alterssicherung von Frauen zu untermauern.

Glawischnig trat vehement für ganztägige Schulformen ein, die nichts mit Nachmittagsbetreuung zu tun hätten. Hier gehe es um pädagogisch innovative Schulformen, merkte sie an. Die Rednerin thematisierte auch die unterschiedlichen Bildungsabschlüsse der Kinder verschiedener sozialer Schichten und warf der Ministerin vor, den Notstand an den Universitäten zu ignorieren. Diese hätten ein Notpaket von 100 Mill. € notwendig. Auch die Forschungsförderung liege im Argen, man brauche daher ganz klare Prioritäten bei der Forschungsförderung.

Schließlich prangerte sie auch die derzeitige Gehaltskurve bei den LehrerInnen an, wo die Differenz zwischen Einstiegsgehältern und den Gehältern der älteren LehrerInnen bis zu 242 % gehe. Das einzige, was honoriert werde, sei das Älterwerden, klagte Glawischnig, und das sei ungerecht und volkswirtschaftlich nicht sinnvoll.

Bundesministerin Gehrer wies die von Abgeordneter Glawischnig vorgebrachte Kritik entschieden zurück und wertete den Dringlichen Antrag als ein "erschütterndes Beispiel" dafür, "wie grundsätzliche Diskussionen missverstanden, umgedreht und falsch gedeutet werden". Die Diskussion über die Zukunft des Landes sei notwendig und es sei eine entscheidende Frage, wie viele junge, gut ausgebildete Menschen in den Arbeitsprozess einsteigen können, und wie viele in die Pensionskassen einzahlen können, damit das Umlagesystem auch weiterhin funktioniert.

Gehrer unterstrich, dass das österreichische Bildungssystem ein gutes sei, und sie verstehe nicht die Sehnsucht, dieses in allen Bereichen schlecht darzustellen. Alle im Antrag angeführten Punkte seien bereits erfüllt oder in Arbeit, sagte die Ministerin.

Die Kinderbetreuung sei ein wichtiges politisches Anliegen und deshalb habe die Bundesregierung mit ihren familienpolitischen Maßnahmen auch Maßstäbe gesetzt. Es gebe auch eine breite Palette von Betreuungseinrichtungen und die Betreuung im Schulbereich wolle sie nicht ideologisch betrachten. Bereits jetzt könnten Ganztagsschulen angeboten werden, wo Eltern und LehrerInnen dies mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschließen. Gehrer betonte jedoch, dass sie die freie Entscheidung und keinesfalls Zwangsvorschriften wolle. In diesem Sinne werde man zehntausend Betreuungsplätze an den Schulen schaffen und dafür würden die Budgets 2005 und 2006 die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellen.

Die Behauptung, dass Kinder aus schwächeren sozialen Schichten signifikant weniger hohe Schulabschlüsse vorweisen würden als jene aus höheren Bildungsschichten, wies sie als falsch zurück und machte darauf aufmerksam, dass 15 % aller Dienstposten für die Förderung schwächerer Kinder zur Verfügung stünden. Dieser Chancengleichheit diene auch die Zukunftskommission, welche Leistungsstandards erarbeiten werde. Schließlich zitierte sie eine OECD-Studie, wonach kein Land für Schulen, SchülerInnen und StudentInnen so viel Geld ausgebe wie Österreich.

Die Ressortchefin betonte, dass noch nie so viel Geld für Forschung ausgegeben wurde wie im heurigen Jahr, und deshalb sollte man mit den Universitäten sachlich umgehen und ihre Leistungen in den Vordergrund stellen. Für die Implementierung der Universitätsreform gebe es eine zusätzliche Abgeltung, sagte Gehrer abschließend.

Abgeordneter BROSZ (G) wertete die Aussagen Gehrers "schlicht und einfach" als "Diffamierung", die nicht der realen Lebenssituation entsprächen. Er widersprach ihr auch bei der Beurteilung der Ganztagsschule, die nicht einfach Nachmittagsbetreuung sei. Wahlfreiheit in diesem Zusammenhang heiße, dass man pädagogisch sinnvolle Modelle einfach nicht umsetzen könne, merkte er kritisch an. In diesem Zusammenhang brachte er einen Entschließungsantrag ein, in dem die Ministerin aufgefordert wird, bis 2006 zehntausend Nachmittagsbetreuungsplätze zu schaffen.

Der grüne Bildungssprecher kritisierte die Bildungsministerin, sie ignoriere soziale Probleme an den österreichischen Schulen, und zitierte die PISA-Studie, wonach Kinder aus höheren Bildungsschichten selbst wieder höhere Bildungsabschlüsse vorwiesen als Kinder anderer Schichten. Im Gegensatz zu Österreich gelinge es in den skandinavischen Ländern, durch spezielle Bildungsmaßnahmen diese Unterschiede auszugleichen. Auch die Wahlfreiheit werfe wiederum Fragen des sozialen Status auf, warf Brosz ein.

Abgeordneter AMON (V) verwahrte sich gegen die Vorwürfe Glawischnigs und charakterisierte die Ministerin als eine erfahrene Frau, Mutter und Großmutter, die es bewiesen habe, dass Vereinbarung von Familie und Beruf möglich ist.

Die Debatte um den Generationenvertrag sei gerechtfertigt, sagte Amon, und habe zwei Seiten: einerseits die berechtigte Sorge der jungen Menschen im Hinblick auf ihre Altersabsicherung, andererseits die berechtigte Sorge jener, die unmittelbar vor der Pension stehen oder in Pension sind. Das Kind sei eine Frage der Wertigkeit und keine Frage des Verzichts, so Amon.

Zum vorliegenden Antrag merkte Amon an, dass die sozio-ökonomischen Unterschiede bei den SchülerInnen in Österreich nicht signifikanter seien, als in anderen Ländern. Dennoch nehme man dieses Thema sehr ernst, weshalb auch die Zukunftskommission Leistungsstandards als Entscheidungskriterium definieren werde. Zum zweiten Punkt des Antrages bemerkte Amon, dass Österreich den ersten Platz unter allen Bildungssystemen belege und die PISA-Studie klar aussage, dass die Organisationsform für die Leistungen des Systems unerheblich sei. Hinsichtlich der Ganztagsschulen teilte er die Meinung der Ministerin. Schließlich kündigte er an, dass man in Bezug auf die Lehrergehälter eine Umverteilung der Lebenseinkommenskurve anstreben werde. Daraus sehe man, dass die Punkte des Antrages entweder in Arbeit oder erledigt seien, und der Antrag selbst daher keinerlei Notwendigkeit oder Dringlichkeit aufweise.

Abgeordnete Mag. KUNTZL (S) meinte, dass man im Zuge der so genannten Wertedebatte vor allem mit jenen reden müsse, die sich letztendlich entschieden haben, keine Kinder zu bekommen. Denn dabei stellten sich zwei Fragen: wie schauen die Rahmenbedingungen aus, und wie sieht die Welt aus, in die man ein Kind hineinsetzt? Kuntzl wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Bundesregierung aus ihrer Sicht die sozialen Netze zurücknehme und ein Kind für junge Frauen einen massiven Einkommensverlust im Laufe des Lebens bedeutet. Die Rednerin bedauerte, dass die Regierung nicht bereit sei, zusätzliche Kinderbetreuungseinrichtungen zu schaffen, und die Ministerin im Hinblick auf die Ganztagsschulen heute wieder weit hinter den "wertvollen Vorstoß der steirischen ÖVP" zurückgefallen sei. Laut Kuntzl müsse man Wahlmöglichkeiten schaffen, und zwar unterschiedliche Angebote, wozu auch Ganztagsschulen gehören.

Für Kuntzl können sich junge Menschen heute nicht mehr zwischen Chancen entscheiden, sondern zwischen Übeln. Sie forderte daher, in der Budgetpolitik Prioritäten zu setzen, um eine Chancengesellschaft zu schaffen. Zentrale Aufgabe der Zukunftskommission sollte es sein, die sozialen Unterschiede abzubauen, denn das österreichische Schulsystem verstärke die soziale Selektion.

Abgeordnete ROSSMANN (F) kritisierte, die Bildungsdiskussion werde zu sehr ideologisch geführt. Vielmehr müsse man auf den gesellschaftlichen Wandel reagieren und dabei tabufrei diskutieren. Für sie sei aber klar, dass es im Schulsystem noch immer das "alteingefahrene Proporzsystem" gibt, das abgeschafft werden müsse.

Zur Wertedebatte bemerkte Rossmann, dass Nestwärme und Geborgenheit das Fundament für eine gedeihliche Weiterentwicklung und die Entwicklung zu einem selbstbewussten Menschen darstellen. Die FPÖ spreche sich gegen Ganztagsschulen aus, möchte aber eine Ganztagsbetreuung je nach regionalen Bedürfnissen einrichten. Dabei sollten auch Kooperationen unter den Schulen und mit Betrieben angestrebt werden. Das Problem sei insbesondere die Mittagsbetreuung, weil die Haftungsfragen nicht geklärt seien.

Bei den Lehrergehältern sprach sich die freiheitliche Bildungssprecherin ebenfalls für höhere Einstiegsgehälter aus, sie möchte aber stärker den Leistungsgedanken verankern und Anreize schaffen. Aufhorchen ließ sie mit der Forderung, dass die LehrerInnen länger in der Schule bleiben sollten. Als weitere Tabuthemen, die auch im Österreichkonvent diskutiert werden sollten, nannte Rossman die Entpragmatisierung der LehrerInnen, die Abschaffung der schulfesten Stellen sowie die Abschaffung der Erfordernisses der Zwei-Drittel-Mehrheit bei Schulgesetzen. Auch müsse man sich ihrer Ansicht nach die Frage stellen, ob man die proporzmäßig zusammengesetzten Kollegien, die Bezirksschulräte und die Landesschulräte überhaupt brauche und ob man nicht eher ein Bildungsmanagement mit bundeseinheitlicher Optimierung anstreben sollte. Jedenfalls wolle sie eine Schule ohne Parteipolitik.

Abgeordneter Dr. GRÜNEWALD (G) legte dem Haus einen von den Grünen und der SPÖ unterstützten Entschließungsantrag vor, der darauf gerichtet war, den Universitäten die in Aussicht gestellten 15 Mill. € zur Abdeckung der Kosten für die Implementierung des neuen UOG unverzüglich zur Verfügung zu stellen.

In seiner Kritik an der Bildungspolitik der Bundesregierung warf der Abgeordnete Ministerin Gehrer vor, Autosuggestion statt Realitätserkenntnis und Selbstanalyse zu betreiben. Sie sollte den Wert der Wahrheit anerkennen und zugeben, dass der Finanzminister das Parlament, die Bevölkerung und die Öffentlichkeit getäuscht habe, als er eine Verdoppelung der Budgetmittel für die Universitäten ankündigte, die in Wahrheit ein Nullsummenspiel war, weil die genannten 543 Mill. € von den Universitäten nun für jene Personalkosten aufgewendet werden müssen, die bisher beim Bundeskanzleramt budgetiert waren.

Schließlich erinnerte Grünewald an die Rektorswahl in Innsbruck, bei der sich das Bundesministerium angesichts von Seilschaften und Widrigkeiten auf die Rolle eines Zusehers zurückgezogen habe, dann aber dort Einfluss genommen habe, wo es darum gegangen wäre, Gremien unabhängig entscheiden zu lassen. "Lassen Sie nicht so lange wählen, bis Ihnen der Kandidat mundet!", lautete die Aufforderung des Abgeordneten an die Ministerin.

Abgeordnete Dr. BRINEK (V) räumte ein, dass auch sie mehr Geld für Universitäten, Schulen, Museen und Spitäler wolle. Sie wünsche sich aber auch die Fortsetzung der Budgetkonsolidierung und keineswegs jenen Weg der Verschuldung zu Lasten künftiger Generationen, mit dem Deutschland überdies ein europäisches Strafverfahren riskiere.

Das Budget 2003 sei eng, den Universitäten im Hinblick auf kommende Budgets aber zumutbar, sagte Abgeordnete Brinek und zitierte die Rektoren, die die Lehre als gesichert bezeichneten. "Reden wir die Universitäten nicht in die Armseligkeit!", appellierte die Rednerin an die Opposition und wies die Auffassung zurück, die Motivation an den Hochschulen hänge von luxuriöser Ausstattung ab. Statt pseudokritischer Analysen von Texten des Ministeriums sei eine ernsthafte Diskussion angebracht, sagte Brinek und würdigte ausdrücklich das Programm zur Aufstockung der Forschungsmittel: "Das kann sich sehen lassen!"

Abgeordneter BROUKAL (S) berichtete von einem Besuch der Universität Innsbruck, wo ihm Projekt-Assistenten vor wenigen Wochen mitteilten, sie wüssten nicht, ob sie am 1. Oktober noch einen Arbeitsplatz haben oder schon arbeitslos sein werden. - Was ist daran zumutbar?, fragte Broukal seine Vorrednerin. Was ist daran zumutbar, wenn Bibliotheken keine Bücher anschaffen und Institute nicht mehr geputzt werden können, fragte der Redner weiter und sprach von einer "Politik am Rande der Verantwortungslosigkeit". Abgeordnete Brinek machte Broukal darauf aufmerksam, dass an ihrem eigenen Institut (Erziehungswissenschaften, Wien) um ein Sechstel mehr Prüfungen mit der Hälfte des bisher dort tätigen Personals abgenommen werden müssen. - Auf der anderen Seite scheine die Regierung genügend Geld zu haben, etwa 400 Mill. € für die Halbierung des Steuersatzes nicht entnommener Gewinne für Unternehmen, kritisierte der Abgeordnete. Abschließend legte Broukal einen Entschließungsantrag vor, der u.a. darauf abzielte, den Universitäten 100 Mill. € für das Jahr 2003 zur Verfügung zu stellen und konkrete Initiativen zur Förderung junger Wissenschafter vorsah.

Abgeordnete Dr. BLECKMANN (F) betonte die Vorbildfunktion der Universitäten, die auch für den wirtschaftlich Umgang mit Geld gelte. Sie halte es daher für richtig, wenn die Universitäten auch lernten, wie Reinigungspersonal sparsam eingesetzt werde. Der Fonds zur Förderung der Wissenschaftlichen Forschung sei dankbar für die zusätzlichen 8,5 Mill. € gegenüber dem Vorjahr, erinnerte Bleckmann und forderte die SPÖ in diesem Zusammenhang auf,  sich besser zu informieren, bevor sie kritisiere.

In der Generationenfrage warf Bleckmann der SPÖ vor, sie habe mit ihrer Präferenz für die staatliche Betreuung von Kindern und alten Menschen die Familien auseinander reißen wollen. 80 % der jungen Menschen sehen aber die Familie als einen ihrer höchsten Werte an und wollen selbst zwei Kinder haben. Für die FPÖ sei daher klar, dass sie ihren Weg der Familienförderung fortsetzen werde. Dazu gehöre die Wahlfreiheit bei den Schulformen, wobei sich Bleckmann in der Diskussion um die Ganztagsschule verwundert zeigte, dass die SPÖ dagegen sei, die Anwesenheit der Lehrer in den Schulen am Nachmittag sicherzustellen.

In einer tatsächlichen Berichtigung stellte Abgeordneter BROUKAL (S) fest, dass die SPÖ mehr Ganztagsschulen anbieten möchte, dass dies aber nicht das einzige Angebot darstellen soll.

Abgeordnete MANDAK (G) ging eingangs ihrer Rede auf die viel zitierten kritischen Ausführungen der Bildungsministerin zum Freizeitverhalten der jungen Menschen ein und hielt fest, dass 69 % der Jugendlichen die Familie als ihren zentralen Lebensbereich angeben und nur 4 % der jungen Menschen sagen, nie Kinder haben zu wollen. Man habe es in der Vergangenheit verabsäumt, jenes Mindestmaß an Sicherheit zu schaffen und Antworten auf die neuen Lebens- und Wohnformen zu finden, die ein Ja zur Familie ermöglichen. Statt Sicherheit biete die Regierung Instabilität, wobei Mandak das Beispiel der Pensionsreform nannte, die für die Frauen gravierende Verschlechterungen gebracht habe.

Abschließend forderte die Abgeordnete die Bundesregierung auf dafür zu sorgen, dass alle Menschen, die in Österreich arbeiten wollen, auch arbeiten können und jene 7.000 Kinder von MigrantInnen, die derzeit illegal in Österreich leben, die Möglichkeit bekommen, eine Ausbildung zu absolvieren.

Abgeordnete FUHRMANN (V) unterstrich die Notwendigkeit einer Wertedebatte, da man sich darüber klar werden müsse, was jede Generation mitbringen müsse, um ein friedliches und schönes Leben zu ermöglichen. Dazu gehörten Antworten auf die Frage, was die Solidarität im Generationenvertrag bedeute, was Solidarität innerhalb der Familien bedeute, zumal die Großeltern als Babysitter und Häuslbauer immer mehr ausfallen. Fuhrmann forderte auch die Abschaffung des Senioritätsprinzips im Gehaltsschema und die Berücksichtigung der Interessen der jungen Menschen bei der Harmonisierung der Pensionssysteme.

Abgeordnete HEINISCH-HOSEK (S) erinnerte ihre Vorrednerin daran, dass sie der Pensionsreform zugestimmt habe und stellte ihr die Frage, wie ein Lehrling mit 350 € monatlich in eine private Pensionsvorsorge einsteigen solle. Die Rednerin zeigte sich unzufrieden mit den Reaktionen der Bundesregierung auf die PISA-Studie, die Österreich eher ein mittelmäßiges Zeugnis ausstelle und kritisierte die Stundenkürzungen, die von den SchülerInnen abgelehnt werden. Neuerdings liege eine weitere Studie vor, die zeige, dass männliche Jugendliche, die weder in einer schulischen Ausbildung stehen noch einen Arbeitsplatz haben, in Österreich schlecht behandelt würden. Dabei machte Heinisch-Hosek darauf aufmerksam, dass 6.000 junge Menschen in diesem Herbst nicht den Platz in einer berufsbildenden mittleren oder höheren Schule bekommen haben, den sie angestrebt haben. Berücksichtige man zudem die Ausbildungsbedingungen an den Universitäten, die Heinisch-Hosek als "unter jeder Kritik" bezeichnete, werde klar, dass die Wertedebatte nur der Ablenkung diene. Denn eines sei klar: Größten Wert messen die jungen Menschen ihrer Ausbildung bei.

Bundesministerin GEHRER erinnerte Abgeordneten Broukal an dessen eigene Aussagen, er halte es für möglich, an den Universitäten 10 % der Kosten einzusparen. Demgegenüber sorge die Bundesregierung dafür, dass die Unis die Kosten für Lehre, Forschung und ihren Betrieb abdecken können, wobei die Ressortleiterin einräumte, dass große Investitionen auf das Jahr 2004 verschoben werden müssen, denn dann werden den Universitäten 200 Mill. € mehr zur Verfügung stehen. Eine Rückkehr zum Gießkannenprinzip schloss die Ministerin aber aus und sah die Universitäten aufgefordert, für Bedingungen zu sorgen, die es ihnen ermöglichen, mehr Forschungsgelder zu erhalten.

In Rektorswahlen mische sie sich nicht ein, hielt Gehrer fest. Wenn man ihr Ministerium aber um rechtliche Auskünfte bitte, werden diese Auskünfte erteilt.

"Wer den Kopf hängen lässt, der sieht nicht viel!", sagte die Ministerin allen jenen, die die Lebenssituation der jungen Menschen in Österreich negativ darstellten. Die jungen Menschen leben in einem schönen Land mit erstklassiger Umweltqualität, der zweitniedrigsten Arbeitslosigkeit und der niedrigsten Jugendarbeitslosigkeit in Europa. Wer Finnland als Vorbild darstelle, sollte dazusagen, dass dort die Jugendarbeitslosigkeit bei 21 % liegt, schloss die Bildungsministerin.

Abgeordnete ROSENKRANZ (F) hielt fest, selbstverständlich sei die Entscheidung für Kinder privat, die gesellschaftlichen und politischen Folgen solcher Entscheidungen seien aber enorm. Das Thema dürfe daher von der Politik nicht vernachlässigt werden. Wenn man an der Aufrechterhaltung des Sozialstaates interessiert sei, hätte man schon seit Jahren die demografische Entwicklung mit Argusaugen verfolgen müssen, bekräftigte sie. Als einen Grund für das Sinken der Geburtenrate nennt Rosenkranz den Wertewandel. Eine verstärkte Zuwanderung sieht sie nicht als taugliche Lösung des Problems.

Abgeordnete TURKOVIC-WENDL (V) zeigte sich darüber erfreut, dass es in Österreich im Zuge der Wertediskussion zu keinem "Krieg der Generationen" gekommen sei, sondern Junge und Alte vielmehr die Bereitschaft zur Zusammenarbeit bekundet hätten. In Deutschland sei der Konflikt viel stärker ausgefallen, meinte sie. Für Turkovic-Wendl ist es ebenso wichtig, dass sich Senioren um die Belange der Jungen kümmern wie umgekehrt. Aufmerksam machte sie auch darauf, dass viele Senioren wertvolle und unbezahlte Arbeit in der Betreuung von Kindern leisteten.

Abgeordnete SCHASCHING (S) führte aus, nicht die Bildung in Österreich sei schlecht, vielmehr sei das mangelnde Durchsetzungsvermögen der Unterrichtsministerin gegenüber dem Finanzminister gerade in jüngster Vergangenheit zu kritisieren. Dies sei das, was die SPÖ aufzeigen wolle. Ihrer Ansicht nach wurde das Schulsystem durch die zahlreichen Einsparungen massiv getroffen. Ein Plädoyer hielt Schasching für die Ganztagsschule.

Abgeordneter Dr. RADA (S) bewertete das Angebot von Schulen mit ganztägiger Betreuung als äußerst dürftig. Er gab außerdem zu bedenken, dass die Aufnahme - und Konzentrationsfähigkeit von Schülern von 15 bis 18 Uhr höher sei als über die Mittagszeit.

Abgeordnete Dr. BRINEK (V) brachte einen gemeinsamen Entschließungsantrag aller vier Parteien ein, in dem die Abgeordneten die Ankündigung von Bildungsministerin Gehrer begrüßen, den Universitäten 15 Mill. € zur Verfügung zu stellen, um die Kosten für die Umsetzung des Universitätsgesetzes 2002 zu bedecken. Die Ministerin wird ersucht, das Geld so rasch wie möglich auszuzahlen.

Gleichzeitig wurde ein Antrag der SPÖ und der Grünen mit dem gleichen Inhalt zurückgezogen.

Abgeordnete Mag. WEINZINGER (G) nahm zur Wertedebatte Stellung und erklärte, Bildungsministerin Gehrer könne doch nicht tatsächlich gemeint haben, dass ausschließlich Kinder einem Menschen Lebenssinn vermitteln können. Mit einer solchen Ansicht würde man viele Menschen vor den Kopf stoßen, warnte sie.

Bei der Abstimmung wurden der Dringliche Entschließungsantrag der Grünen betreffend Bildungsoffensive statt pauschaler Diffamierung der Jungen sowie der Entschließungsantrag der Grünen betreffend 10.000 zusätzliche Nachmittagsbetreuungsplätze an österreichischen Schulen mehrheitlich abgelehnt. Gleiches gilt für den SP-G-Entschließungsantrag betreffend 100 Mill. € als Sofortmaßnahme für die Universitäten.

Einstimmig angenommen wurden hingegen der VP-FP-Entschließungsantrag betreffend Bedarfserhebung hinsichtlich einer Nachmittagsbetreuung in Schulen und der Vier-Parteien-Antrag betreffend Bedeckung der Implementierungskosten des Universitätsgesetzes 2002.

KURZE DEBATTE ZUM "PFLEGEHEIMSKANDAL" IN WIEN (722/AB - 802/J)

Abgeordneter Dr. RASINGER (V) wies auf prinzipielle Probleme der Pflege alter Menschen hin und gab zu bedenken, dass die Pflege vor allem von Frauen geleistet werde und für diese oftmals eine enorme Belastung darstelle. Aus Vorfällen wie im Pflegeheim Lainz muss ihm zufolge gelernt werden. Man dürfe Kontrolle nicht gering schätzen und müsse Beschwerden Beachtung schenken, forderte er. Keine Lösung ist für Rasinger jedoch, noch mehr Dokumentation zu verlangen, das koste Zeit, die für die Betreuung der Patienten verloren gehe.

Rasinger ist sich, wie er sagte, bewusst, dass auch in Zukunft Pflegeheime notwendig sein werden, auch wenn viele Betroffene zu Hause gepflegt würden. Seiner Meinung nach sollte man aber alles daran setzen, damit alte Menschen so lange wie möglich gesund bleiben, um jene Periode, in der sie pflegebedürftig sind, kurz zu halten.

Gesundheitsministerin RAUCH-KALLAT hält es für erforderlich, die tatsächlichen Umstände in Bezug auf die Missstände im Pflegeheim Lainz und in anderen Pflegeheimen aufzuklären. Rauch-Kallat machte aber gleichzeitig geltend, dass Tausende Menschen hochqualitativ in Pflegeheimen untergebracht seien. Dafür dankte sie ausdrücklich allen Pflegerinnen und Pflegern, die diese Aufgabe auf sich nehmen.

In Zukunft müsse man generell darauf achten, den Beruf attraktiv zu machen, um für Personen, die jahrelang in diesem Bereich tätig sind, Entlastungsmöglichkeiten zu schaffen, sagte Rauch-Kallat. Durch eine entsprechende Berücksichtigung in der Liste für Schlüsselarbeitskräfte sollte es ihr zufolge außerdem leichter möglich sein, diplomiertes Pflegepersonal bei Bedarf aus dem Ausland nach Österreich zu holen.

Abgeordnete MAREK (V) warf der Wiener Gesundheitsstadträtin Pittermann mangelnde Lösungs- und Führungskompetenz vor. Für sie ist Pittermann eine "inkompetente Stadträtin", der nichts anderes einfalle, als sich an ihren Beamten "abzuputzen". Marek forderte höhere Mittel zur Beseitigung des Personalmangels im Pflegebereich. Außerdem regte sie ein Rotationssystem an, damit das Pflegepersonal in weniger belastende Bereiche als die Geriatrie wechseln könne. Auch gilt es für sie, die Ausbildung des Pflegepersonals zu verbessern.

Abgeordnete Mag. LAPP (S) beklagte, dass Krankheit, Behinderung und Pflegebedürftigkeit Tabuthemen in der öffentlichen Diskussion seien. Ihrer Ansicht nach geht es vor allem darum, pflegende Angestellte zu stärken und zu entlasten und ihnen gelegentlich auch Urlaub von der Pflege zu ermöglichen. Für ebenso wichtig erachtet sie die Ausarbeitung eines Heimvertragsgesetzes. Der ÖVP warf Lapp Scheinheiligkeit vor.

Abgeordnete Dr. PARTIK-PABLE (F) kritisierte ihre Vorrednerin, die ihrer Meinung nach so getan habe, als ob es überhaupt keinen Skandal gebe. Sie selbst ortet enorme Missstände im Pflegesystem in Wien. Die verantwortlichen Politiker dort seien offenbar zu wenig für dieses Thema sensibilisiert, meinte sie, und machten sich zu wenig Gedanken, wie alten Menschen eine menschenwürdiges Leben ermöglicht werden könnte. Viele Beschwerden und Anfragen seien, so Partik-Pable, einfach nicht beachtet worden.

Abgeordneter Dr. GRÜNEWALD (G) meinte, Defizite im Gesundheits- und Pflegebereich seien nichts Typisches für Wien. Er kritisierte insbesondere die Kompetenzzersplitterung auf diesem Gebiet und die oft mangelhafte Personalzuteilung. Wenn uns alte Menschen etwas wert sind, dann muss sich das auch im Budget abzeichnen, folgerte er. (Schluss Dringliche/Forts. NR)


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