Parlamentskorrespondenz Nr. 765 vom 22.10.2003

AKTUELLE STUNDE ZUM THEMA GENERATIONENREICHES ÖSTERREICH

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Wien (PK) - Der Nationalrat leitete seine 34. Sitzung mit einer Aktuellen Stunde ein, die dem Thema "Generationenreiches Österreich" gewidmet war. FP-Abgeordnete ROSENKRANZ begründete die Themenwahl ihrer Fraktion mit einer Analyse der österreichischen Bevölkerungsentwicklung, die für sie von zwei Konstanten geprägt wird. Einerseits lebten erstmals in der Geschichte vier Generationen zeitgleich zusammen, was erfreulicherweise dazu führe, dass die meisten Menschen ihre Großeltern und viele auch ihre Urgroßeltern kennen.

Die zweite Konstante bestehe in der immer geringeren Zahl junger Menschen, ein Problem, das die gegenwärtige Bundesregierung erstmals in das Bewusstsein gehoben hat. Während derzeit 1,7 Mill. Menschen über 60 Jahre in Österreich leben, werden es im Jahr 2030 2,9 Mill. Menschen sein und die Zahl der über 80-Jährigen wird sich von 290.000 auf 600.000 verdoppeln. Angesichts der massiven gesellschaftlichen Veränderungen, die diese Entwicklung mit sich bringt, seien politische Schlussfolgerungen gefordert, sagte die Abgeordnete und wies die Erwartung, die Probleme einer alternden Gesellschaft würden durch steigende Produktivität gelöst, als unrealistisch zurück: "Den Wirtschaftsstandort Seniorenheim wird es nicht geben". Vielmehr drohten eine höhere Arbeitslosigkeit und Steuerausfälle. Den Schlüssel zur Lösung des Problems sah Abgeordnete Rosenkranz im Ausgleich der Bevölkerungsstruktur, wobei sie unterstrich, dass die Drei- bis Vier-Kind-Familie wieder zur Norm werden soll, was Maßnahmen gegen die Armutsgefahr für Familien mit zwei Kindern erfordere. Die Barrieren, die den Familien entgegenstehen, müssen abgebaut werden, schloss Abgeordnete Rosenkranz.

Generationenminister Mag. HAUPT legte im Interesse einer freien Lebensgestaltung der Generationen ein nachdrückliches Bekenntnis zur Familienpolitik ab. Familien bedeuten Schutz, Sicherheit und sozialen Zusammenhalt. Daher habe die Bundesregierung das Kinderbetreuungsgeld eingeführt und mit der Pflegehospiz Rahmenbedingungen für die Betreuung älterer Menschen in ihrer letzten Lebensphase geschaffen. Minister Haupt sah Österreich als europäisches Familienmusterland, in dem die Vereinbarkeit von Familien und Beruf verbessert wurde, zudem wies er auf die Erhöhung des Kinderbetreuungsgeldes bei Mehrlingsgeburten hin. "Wir schaffen eine eigenständige Alterssicherung für Frauen und verankern die Kinderrechte in der Verfassung", setzte der Minister fort und erinnerte an seine Maßnahmen gegen Gewalt gegenüber Kindern und Frauen. Gewalt in den Medien ist für ihn keine Bagatelle, sondern Vorbereitung für Gewalt in der Gesellschaft, sagte Minister Haupt.

In seinen weiteren Ausführungen stellte der Minister klar, dass die Umsetzung der Biotechnologierichtlinie den Schutz behinderter Menschen vor Übergriffen in Forschung und Medizin voraussetze. Außerdem kündigte er ein Maßnahmenpaket für ältere und jüngere Arbeitnehmer an und trat für freiwillige Verbünde von Betrieben für die Lehrlingsausbildung nach dem Vorbild Vorarlbergs ein. Schließlich erwähnte der Minister die Steuerbefreiung aller Einkommen unter 14.500 € Jahreseinkommen ab dem 1.1.2004, erinnerte an die Abfertigung neu, die Zuerkennung der Pflegestufe 3 für Menschen, deren Angehörige die Pflegehospizkarenz in Anspruch nehmen und an die Mitversicherungsmöglichkeit für pflegende Angehörige. Bauarbeiter sollen im Pensionsrecht dieselbe Regelung wie "Hackler" erhalten, kündigte der Sozialminister an und wies Kritik der Opposition an der Pensionsreform der Regierung zurück - die Maßnahmen der Regierung sind besser als die Pensionserformvorschläge des ÖGB, zeigte sich Bundesminister Haupt überzeugt.

Abgeordnete Mag. SCHEUCHER-PICHLER (V) meinte, das größte Versäumnis der Sozialdemokraten während der letzten Jahrzehnte sei es gewesen, auf das Kippen der Bevölkerungspyramide nicht reagiert zu haben. Lob verdiene die Bundesregierung für ihre familienfreundlichen Maßnahmen, durch die der Generationenvertrag gesichert und teilweise neu geschrieben werde. Angesichts eines immer späteren Eintritts in das Berufslebens und einer immer kürzeren Aktivzeit bestehe Handlungsbedarf, auf den die blau-schwarze Regierung zeitgerecht reagiert und in einer schwierigen Phase Versäumtes nachgeholt habe. Experten lobten die Pensionsreform der Bundesregierung durch die die Kürzung bestehender Pensionen - wie derzeit in Deutschland - vermieden werden konnte.

Aus der Sicht ihres Bundeslandes Kärnten, das niedrige Durchschnittseinkommen verzeichne und dringend junge Menschen brauche, unterstrich die Rednerin die Entlastung von Frauen, kleinen und mittleren Unternehmen sowie der Tourismusbranche durch die erste Etappe der Steuerreform. Die Volkspartei tritt für eine in die Zukunft gerichtete Politik ein, in der der Mensch im Mittelpunkt steht, schloss Scheucher.

Abgeordnete Mag. KUNTZL (S) hielt Minister Haupt entgegen, dass Österreich bei den Kinderbetreuungseinrichtungen den Rang eines Schlusslichts einnehme. Wenn man sich frage, warum junge Menschen keine Kinder bekommen, dürfe man nicht vergessen, dass 90.000 Betreuungsplätze für Kinder fehlten. Das Recht auf Teilzeit wäre wichtig. Der Regierung sei dazu aber nur ein Bluff eingefallen. Ihre diesbezügliche Maßnahmen werden nur ein Viertel jener Eltern in Anspruch nehmen können, die es brauchen. Kuntzl forderte Verbesserungen beim Kinderbetreuungsgeld und machte darauf aufmerksam, dass viele Frauen deshalb kein zweites Kind bekommen, weil sie mit dem Verhalten des Vaters nach der Geburt des ersten nicht zufrieden sind.

Auch Abgeordnete ROSSMANN (F) bezeichnete die Familie als höchstes Gut, in denen die Kinder Geborgenheit und Nestwärme finden, Jugendliche Rückhalt bekommen und der älteren Generation Respekt und Dank gezollt werde. In diesem Zusammenhang erinnerte die Abgeordnete einmal mehr daran, dass die Generation der Eltern und Großeltern in den Jahren des Wiederaufbaus auf vieles verzichtet habe, "damit es die Kinder einmal besser haben". Lob spendete Rossmann Bundesminister Haupt, der sich für die Förderung und für den Schutz der Familien einsetze und sie machte auf den Kärntner Vorschlag zur Einführung eines Pflegeschecks für pflegende Angehörige aufmerksam, mit dem "ein Lainz künftig verhindert" werden soll.

Abgeordnete MANDAK (G) schloss sich der Kritik der Abgeordneten Kuntzl an den "salbungsvollen Ausführungen" von Bundesminister Haupt an und fügte hinzu, dass das Pflegegeld jahrelang nicht mehr angehoben worden sei. Auch Mandak klagte über das Fehlen von Kinderbetreuungseinrichtungen, wobei sie die diesbezügliche Kritik der Regierungsparteien an Wien zurückwies, da dort die Verhältnisse noch relativ gut seien. Mandaks Forderung lautete: "Schaffen Sie sofort Kinderbetreuungseinrichtungen in Österreich!"

Abgeordneter AMON (V) sah in der Realitätsverweigerung der Opposition das größte Problem und unterstrich die Dringlichkeit des Problems: Die Zahl der Kinder unter zehn Jahren werde im Jahr 2041 nur mehr halb so hoch sein werde wie im Jahr 1971. Gleichzeitig werde die Zahl der über 60-jährigen um 70 % auf 2,8 Mill. zunehmen. Wer angesichts dieser Prognosen sage, Maßnahmen seien nicht notwendig, betreibt laut Amon verantwortungslose Realitätsverweigerung. Um die im Unterschied zu Wien erfolgreiche Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik in Oberösterreich deutlich zu machen, wies Amon darauf hin, dass die Arbeitslosigkeit in Wien um 8 % gestiegen, in Oberösterreich aber um 8 % gesunken sei.

Abgeordnete HEINISCH-HOSEK (S) trat dieser Aussage entgegen, indem sie darauf aufmerksam machte, dass jeder vierte Arbeitsplatz in Wien angesiedelt sei und warf Bundesminister Haupt vor, nichts gegen die auf 240.000 Personen gestiegene Arbeitslosigkeit in Österreich zu unternehmen. Auch das angekündigte Konjunkturpaket stimmte sie skeptisch, denn das letzte Paket der Bundesregierung habe keine einzige zusätzliche Lehrstelle gebracht, wie Heinisch-Hosek klagte. Weiters kritisierte die Jugendsprecherin der SPÖ, dass kein einziger Jugendlicher im Österreich-Konvent vertreten sei und sah darin die Absicht der Bundesregierung "junge Menschen auszuklammern".

Abgeordneter LICHTENEGGER (F) verwies auf das Beispiel Kärntens, wo, wie er sagte, eine vorbildliche Jugendpolitik gemacht werde. Der Opposition warf er hingegen vor, alles nur schlecht darzustellen.

Abgeordnete WEINZINGER (G) kritisierte, fehlende Kinderbetreuungsplätze und Nachmittagsbetreuung würden sich negativ auf die Berufschancen der Frauen auswirken. Sie forderte einen Ausgleich nicht nur zwischen den Generationen, sondern auch zwischen Männern und Frauen innerhalb der Generationen. (Schluss)