Parlamentskorrespondenz Nr. 857 vom 13.11.2003

PLENUM BESCHLIESST NEUE KOSTENERSATZREGELUNG FÜR MIETRECHTSVERFAHREN

Verfahren vor Schlichtungsstelle weiterhin kostenlos

Wien (PK) - Nationalratspräsident Dr. Andreas KHOL teilte eingangs der Sitzung mit, dass um 15 Uhr der G-Antrag auf wirksame innerstaatliche Maßnahmen gegen die LKW-Lawine (289/A[E]) dringlich behandelt werden wird. Im Anschluss daran wird der Antrag der Regierungsparteien auf eine Fristsetzung für den Verkehrsausschuss zur Berichterstattung über die Regierungsvorlage für ein ÖBB-Strukturgesetz bis 2.12.2003 debattiert.

Am Ende der Sitzung werden weitere Fristsetzungsanträge zur Verhandlung kommen - jener der Regierungsparteien, dem Finanzausschuss zur Berichterstattung über die Regierungsvorlage für ein Wachstums- und Standortgesetz 2003 eine Frist bis 3.12.2003 zu setzen, und jener der Grünen, die dem Unterrichtsausschuss eine Frist bis 2.12.2003 setzen wollen, um über ihren Antrag auf Sofortmaßnahmen zur Verhinderung unerwünschter und unsinniger LehrerInnenwechsel während des Schuljahres durch Frühpensionierungen zu berichten.

Die ersten drei Tagesordnungspunkte betrafen das Außerstreitgesetz, das Außerstreit-Begleitgesetz und das Wohnrechtliche Außerstreitbegleitgesetz.

Abgeordnete BURES (S) leitete ihre Ausführungen mit der Ankündigung ein, dass die Sozialdemokraten dem Stammgesetz für das Außerstreitverfahren zustimmen werden, weil es den Anforderungen der Europäischen Menschenrechtskonvention entspreche. Sie sei auch froh über den Vier-Parteien-Entschließungsantrag, der darauf abziele, die Handhabung des neuen Kostenersatzes einer Evaluierung zu unterziehen.

Im Wohnrechts-Außerstreitgesetz soll der Kostenersatz ähnlich wie in Streitfällen geregelt und damit eine Kostenersatzpflicht eingeführt werden. Die Rednerin wertete dies als Behinderung Rechtssuchender und als eine Verteuerung für Mieter, die abzulehnen sei. Es liege die Vermutung nahe, dass der Justizminister versuche, den Mieterschutz auszuhöhlen. Vor einer solchen Aushöhlung des Mieterschutzes habe ausdrücklich auch der OGH gewarnt.

Die Neuregelung des Außerstreitverfahrens sei eine "Jahrhundertreform" und die "größte je im Justizbereich beschlossene" Reform, eröffnete die Obfrau des Justizausschusses Dr. FEKTER (V) ihre Rede, mit der Dieter Böhmdorfer als "Justizreformminister" sich in die Geschichtsbücher eintrage. Es sei dies eine moderne Verfahrensordnung für die meisten Fälle, bei denen Bürger bei Gericht zu tun hätten. Das Außerstreitgesetz sei ein Dienstleistungsgesetz für die BürgerInnen, durch das sie rasch, bürgerfreundlich und effizient zu ihrem Recht kämen. Im Detail ging Fekter auf die eigens verankerte Aufklärungspflicht für Richter in Scheidungsverfahren ein.

Der Prozess der Gesetzwerdung sei unter Justizminister Michalek bereits fast abgeschlossen gewesen, brachte Abgeordnete Dr. MOSER (G) eine andere Sicht des Gesetzwerdungsprozesses ein. Allerdings habe Böhmdorfer noch Änderungen angebracht, die als Rückschritt zu werten wären, weil sie die Qualität des österreichischen Rechtssystems aushöhlten und den Zugang zum Recht erschwerten. Moser bezog sich damit auf den wohnrechtlichen Teil, durch den die Bessergestellten, die Hausbesitzer und die Rechtsanwälte Vorteile hätten. Durch die Intervention des  Ministers sei die Situation für die Rechtsuchenden verschlechtert worden, beklagte Moser.

F-Abgeordnete Dr. PARTIK-PABLE wies diese Kritik scharf zurück und replizierte mit dem Vorwurf an die Opposition, die Zeitungen falsch zu informieren und Verunsicherungspolitik zu betreiben. Im mietrechtlichen Schlichtungsverfahren gebe es überhaupt keine Änderung, betonte Partik-Pable. Das neue Außerstreitverfahren werde mehr Gerechtigkeit und eine gerechte Aufteilung der Kosten bringen.

Abgeordnete Mag. BECHER (S) hielt dem entgegen, das Überprüfungsrecht der MieterInnen bei den Mietkosten sei wohl de iure, aber nicht mehr de facto gegeben. Freude an dem neuen Gesetz hätten nur die Vermieter, die Hausverwalter und die Rechtsanwälte.

Justizminister Dr. BÖHMDORFER sieht im neuen Außerstreitverfahren einen "großen" Wurf, der 1973 begonnen und in den letzten Jahren nur vollendet worden sei. Ausdrücklich dankte der Minister den damit über Jahre hinweg befassten Beamten seines Ressorts, aber auch den Richtern, die Ideen zur Reform des aus dem Jahr 1854 stammenden Gesetzes eingebracht hätten. In der ersten Instanz gebe es keine Vertretungspflicht, und man folge in der neuen Regelung dem Gerechtigkeitsprinzip: Wer obsiege, dem würden die Kosten im Ausmaß seines Obsiegens ersetzt. Vor der Schlichtungsstelle gebe es keine Änderung und im Falle von Betriebskostenüberprüfungen seien die Chancen leicht abzuschätzen, betonte Böhmdorfer.

Der "barrierefreie Zugang zum Recht" sei das vorrangige Anliegen, sagte Abgeordneter Mag. TANCSITS (V), daher sei der Zugang zu den Schlichtungsstellen kostenfrei und werde der Zugang zum Verfahren erleichtert, weil die Kosten des Obsiegenden ersetzt werden bzw. der Kostenersatz vom Richter nach Billigkeit zugesprochen werden könne. Besonders würdigte der Abgeordnete, dass nunmehr jahrelanger Verschleppung von Räumungen durch vorsätzliche Nichtzahler ein Riegel vorgeschoben werde.

Abgeordnete Mag. STOISITS (G) zitierte eingangs ihrer Rede zahlreiche kritische Pressestimmen zum mietrechtlichen Außerstreitverfahren. Das Außerstreitgesetz werde in die Geschichte eingehen, aber es sei "schon da gewesen", als Böhmdorfer noch nicht Minister war, und sie wolle einer "Legendenbildung" entgegen treten. Zufrieden zeigte Stoisits sich mit der vereinbarten Evaluierung beim Kostenersatz und mit der ausdrücklich fixierten Informationspflicht für Richter in Scheidungsverfahren.

Justizminister Dr. BÖHMDORFER replizierte auf die Kritik an der Kostenersatzregelung in miet- und wohnungsrechtlichen Angelegenheiten, derzeit sei ein Rechtssuchender nur dann kostenfrei, wenn er zahlendes Mitglied der Mietervereinigung ist. Nach dem neuen Gesetz aber erhalte jeder Mieter, der vom Gericht Recht bekommt, seine Kosten ersetzt. Er, Böhmdorfer, könne nicht erkennen, wo da die Ungerechtigkeit liege.

Abgeordneter Mag. MAINONI (F) kam auf aktuelle Medienberichte zu sprechen bezeichnete Appelle an die Richter, mehr Häftlinge freizulassen, als Unsinn und meinte, dies wäre eine falsche Reaktion auf den Anstieg der Kriminalität.

Abgeordnete STADLBAUER (S) verlangte Kostenfreiheit für volljährige Kinder im Unterhaltsverfahren und brachte einen Vier-Parteien-Entschließungsantrag auf Vorlage eines Berichtes über die Evaluierung der neuen Kostenersatzregelung ein.

Abgeordneter Mag. DONNERBAUER (V) begrüßte es, dass durch dieses neue Gesetz nun derjenige, der vor Gericht obsiegt, auch vollen Kostenersatz erhält.

Abgeordnete Mag. WURM (S) kritisierte hingegen die Kostenersatzregelung im Mietrechtsverfahren als Abschreckung für die Rechtssuchenden und argumentierte, das Gesetz erschwere damit den Rechtszugang.

Abgeordneter GLASER (V) erwiderte, das Gesetz sorge für mehr Klarheit und Gerechtigkeit und biete der Prozessflut Einhalt. Als positiv hob er die Neuregelungen in der Notariatsordnung und im Notwegerecht hervor.

Abgeordnete Mag. HAKL (V) ging scharf mit der SPÖ ins Gericht, der sie vorwarf, im Ausschuss ein "erbärmliches Schauspiel" geliefert zu haben. SP-Justizsprecher Jarolim habe das Gesetz nicht einmal durchgelesen, bevor es zur Abstimmung kam, vermutete sie. Zur Kritik an der Kostenersatzregelung im Mietrecht bemerkte Hakl, das Verfahren vor der Schlichtungsstelle sei nach wie vor kostenfrei.

Abgeordneter NEUDECK (F) meinte, der Zugang zum Recht über die Mietervereinigung sei angesichts der hohen Mitgliedsbeiträge nicht gratis. Er könne Rechtssuchenden daher nur empfehlen, nicht den Umweg über die Mietervereinigung zu wählen, sondern gleich zur kostenlosen Schlichtungsstelle zu gehen. 

Abgeordneter Dr. JAROLIM (S) verwies auf die Kritik des OGH an der Kostenersatzregelung im Mietrecht und warf der Regierung vor, sich vom sozialpolitischen Auftrag des Mietrechtsverfahrens zu verabschieden.

Bei der Abstimmung wurden das Außerstreitgesetz, das Außerstreit-Begleitgesetz und der Vier-Parteien-Entschließungsantrag einstimmig, das wohnrechtliche Außerstreit-Begleitgesetz hingegen mit V-F-Mehrheit angenommen. (Forts.)