Parlamentskorrespondenz Nr. 867 vom 17.11.2003

NACH WIE VOR HOHER AUFKLÄRUNGSBEDARF ÜBER SEKTEN

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Wien (PK) - Der Aufklärungsbedarf über Sekten und sektenähnliche Gruppierungen ist nach wie vor hoch. Das zeigt der fünfte Bericht der Bundesstelle für Sektenfragen, der über die Tätigkeit dieser Institution im Jahr 2002 berichtet und kürzlich von Sozialminister Herbert Haupt und Staatssekretärin Ursula Haubner dem Nationalrat vorgelegt wurde (III-64 d.B.). Aufgabe der Bundesstelle für Sektenfragen ist die Dokumentation und Information über Gefährdungen, die von Sekten oder sektenähnlichen Aktivitäten ausgehen können.

Laut Bericht haben sich im Jahr 2002 1.734 Personen mit ihren Anliegen an die Bundesstelle für Sektenfragen gewandt. Dabei suchten nicht nur einschlägige Fachstellen und staatliche Stellen Information und Beratung, sondern in einem hohen Ausmaß auch Privatpersonen, LehrerInnen, SchülerInnen und StudentInnen sowie Medien.

In 631 Fällen erfolgte über die Vermittlung von Sachinformation hinaus eine intensive psychosoziale Beratung, wobei die meisten Menschen diese deshalb in Anspruch nahmen, weil sie in Sorge um einen Familienangehörigen bzw. eine Familienangehörige waren. Immerhin 101 Personen wandten sich in eigener Sache an die Bundesstelle. Nicht zuletzt aus geographischen Gründen kamen die weitaus meisten Beratungsfälle aus Wien und aus Niederösterreich, erstmals betrafen sie deutlich mehr Frauen (354) als Männer (277).

Für Betroffene erleichtert wird die Kontaktaufnahme mit der Bundesstelle für Sektenfragen dadurch, dass Verschwiegenheit zu den wichtigsten Kriterien der Informations- und Beratungstätigkeit zählt. Dem Wunsch anfragender Personen nach Anonymität wird stets entsprochen. Die Sektenstelle achtet bei ihrer Tätigkeit, wie sie im Bericht betont, aber besonders auch auf Datenschutz, Grundfreiheiten und Menschenrechte einschließlich der Glaubens-, Religions- und Gewissensfreiheit.

Die Anfragen an die Sektenstelle bezogen sich auf 254 verschiedene Gruppierungen, was nach Ansicht der AutorInnen des Berichts deutlich macht, dass sich die weltanschauliche Szene immer mehr in unterschiedlichste Gruppierungen und EinzelanbieterInnen aufspaltet und es ständig zu Neugründungen kommt. Einige der Anfragen an die Bundesstelle betrafen aber auch staatlich eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaften wie die Zeugen Jehovas.

Das bei weitem größte Interesse der Anfragesteller galt 2002 dem Satanismus, gefolgt von Scientology, den Zeugen Jehovas und der Holosophischen Gesellschaft. Dahinter rangieren Sahaja Yoga und der Bereich Esoterik - letzterer laut Bericht ein unüberschaubares Sammelbecken von Organisationen, kleinen Gruppierungen und EinzelanbieterInnen. Vor allem die so genannte Gebrauchsesoterik scheint in weiten Teilen der Bevölkerung bereits gut verankert zu sein, heißt es im Bericht.

Die Ursache für die zahlreichen Anfragen zum Satanismus sehen die AutorInnen des Berichts nicht zuletzt in der starken Medienpräsenz dieses Themas und seiner hohen Anziehungskraft in der öffentlichen Diskussion. Die Erfahrung zeigt ihnen zufolge allerdings, dass bei Vorfällen mit scheinbar eindeutig satanistischem Hintergrund dieser Verdacht selten einer tiefer gehenden Exploration standhalten kann. Häufig erwiesen sich satanistische Inszenierungen als Symptome ganz unterschiedlicher Probleme von Menschen in ihrer aktuellen Lebenssituation.

Über die Schwerpunkte Informations- und Beratungstätigkeit auf der einen Seite und Sammeln und Dokumentieren von Informationen auf der anderen Seite hinaus setzte die 1998 eingerichtete Bundesstelle für Sektenfragen noch eine Reihe weiterer Aktivitäten und etablierte etwa periodische Fachgespräche mit unterschiedlichen Zielgruppen, organisierte Studientage und andere Veranstaltungen und hielt Kontakte zu einschlägigen in- und ausländischen Stellen. So wurden die Fachgespräche "Suizid-Foren im Internet", die 2001 aus aktuellem Anlass von der Bundesstelle initiiert worden waren, fortgesetzt. Erweitert wurde auch die Fachbibliothek der Bundesstelle, der Bestand umfasst mittlerweile fast 3.000 Bände.

Das Büro der Bundesstelle für Sektenfragen ist werktags von Montag bis Freitag von 10 bis 17 Uhr unter der Telefonnummer 01/513 04 60 sowie unter der e-mail-Adresse bundesstelle@sektenfragen.at erreichbar. Um Dokumentation, Anfragen, Beratungen und Veranstaltungsorganisation kümmern sich insgesamt sechs einschlägig ausgebildete MitarbeiterInnen, drei davon in Vollzeit.(Schluss)