Parlamentskorrespondenz Nr. 129 vom 26.02.2004

NATIONALRAT: FRAGESTUNDE MIT GRASSER UND RAUCH-KALLAT

Die Themen: Steuer- und Gesundheitsreform

Wien (PK) - Die Steuerreform und ihre Auswirkungen auf sozial Schwache sowie auf die Einnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden sowie die geplante Gesundheitsreform mit ihren Zielsetzungen Kosteneinsparung und Sicherung medizinischer Qualitätsstandards waren die Hauptthemen der Fragestunde mit Finanzminister Karlheinz Grasser und Gesundheits- sowie Frauenministerin Maria Rauch-Kallat am Beginn des heutigen Nationalratsplenums.

BUNDESMINISTER FÜR FINANZEN KARLHEINZ GRASSSER

Abgeordneter Mag. HOSCHER (S): Warum werden die rund 2,2 Millionen Menschen, die aufgrund ihres niedrigen Einkommens keine Steuer zahlen mussten, bei Ihren Steuersenkungsplänen leer ausgehen, obwohl gerade diese Gruppe von den Belastungen der letzten Jahre relativ am meisten betroffen war?

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Finanzminister Mag. GRASSER stellte prinzipiell fest, dass Steuerentlastungen nur bei Personen vorgenommen werden können, die Steuern zahlen. Da es aber ein Anliegen der Bundesregierung sei, kleine Einkommen zu entlasten, wurden in der ersten Etappe der Steuerreform 200.000 Menschen steuerfrei gestellt, in der zweiten Etappe werden dies weitere 150.000 sein. Insgesamt zahlen die Steuerzahler im Durchschnitt 500 € pro Jahr weniger an Steuern. Die Negativsteuer wird für Familien mit drei Kindern angehoben und die in der Frage angesprochene Personengruppe damit wesentlich entlastet. Außerdem seien seit dem Jahr 2000 Transferleistungen für Behinderte und die Ausgleichszulage für Ehepaare angehoben sowie das Kinderbetreuungsgeld eingeführt worden. Die Entlastung kleinerer Einkommen in den Jahren 2004 und 2005 sei der Bundesregierung gut gelungen, resümierte der Finanzminister.

Mit dem Fragesteller stimmte der Ressortleiter darin überein, dass die Gesellschaftssteuern und die Kreditvertragsgebühr für Tourismusbetriebe abgeschafft werden sollte, da man sich bei der Steuerreform 2005 für andere Schwerpunkte entschieden habe - werde dies Thema der nächsten Steuerreform sein.

Abgeordnetem GAHR (V) teilte Minister Grasser mit, dass das Kinderbetreuungsgeld zusätzlich 130.000 Menschen zugute komme und insgesamt 1,126 Mrd. € für Kinderbetreuung ausbezahlt werden.

Auf eine Zusatzfrage des Abgeordneten DOLINSCHEK (F) führte Minister Grasser aus, dass das Sparpaket 1996/97 die sozial Schwachen unter anderem mit der Einführung der Erdgas- und Strombesteuerung, der Reduzierung steuerbegünstigter Sonderausgaben und Krankenversicherungsbeitragserhöhungen getroffen habe. Zugleich habe dieses Sparpaket wachstumsdämpfend gewirkt und die Arbeitslosenquote erhöht.

Abgeordnetem Mag. KOGLER (G), der über die Belastung sozial Schwacher seit dem Jahr 2000 klagte, antwortete der Finanzminister mit einer Auflistung von Verbesserung bei den Transferleistungen seit dem Jahr 2000.

Abgeordneter AUER (V): Welche Auswirkungen hat die Steuerreform auf die Budgets der einzelnen Gebietskörperschaften (Bund, Länder und Gemeinden)?

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Finanzminister Mag. GRASSER bezifferte die für das Jahr 2005 zu erwartenden Mindereinnahmen in Summe mit 2,585 Mrd. €. Die Länder werden um 384 Mill. € und die Gemeinden um 327 Mill. € weniger einnehmen. Der Bund trage also den größten Teil der Finanzierung der Steuerreform, wie es im Finanzausgleich vereinbart worden sei.

Trotz Steuerreform werden die Ertragsanteile der Gemeinden im Jahr 2005 6,373 Mrd. € und im Jahr 2006 6,509 Mrd. € ausmachen. Die Länder können im Jahr 2005 mit Ertragsanteilen von 7,251 Mrd. € und im Jahr 2006 mit 7,399 Mrd. € rechnen. Es kommt nicht zu einem Einbruch der Einnahmen, sondern nur zu einer Abschwächung des Anstiegs, sagte der Finanzminister (Zusatzfrage des Abgeordneten BUCHER, F).

Abgeordneter SBURNY (G) erklärte der Minister, dass ein Investitionseinbruch bei den Gemeinden nicht zu befürchten sei. Unter Einbeziehung der ausgegliederten Einrichtungen liege die öffentliche Investitionsquote in Österreich weit über dem Durchschnitt der EU.

Abgeordneter Mag. GASSNER (S) klagte darüber, dass ein Drittel der österreichischen Gemeinden ihre Haushalte nicht mehr ausgleichen können. Der Finanzminister machte in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, dass er noch nicht wisse, ob es zur Rückzahlung der Getränkesteuer kommen werde und, wenn ja, in welchem Ausmaß. Die Senkung der Abgabenquote von 44,4 % im Jahr 1999 auf 42,3 % im Jahr 2005 sei erklärtes Ziel der Bundesregierung. Man könne sich eine große Steuerreform nur leisten, wenn man bei den Ausgaben der Gebietskörperschaften Einsparungen vornehme.

BUNDESMINISTERIN FÜR GESUNDHEIT UND FRAUEN

Abgeordnete Mag. PRAMMER (S): Warum lassen Sie als Frauenministerin zu, dass durch die vorliegende Regierungsvorlage zum Gleichbehandlungsgesetz, wodurch in Hinkunft die Gleichbehandlungsanwaltschaft ohne ausreichende personelle Aufstockung auch für Antidiskriminierung und Antirassismus zuständig sein wird, logischerweise die Durchsetzung von Fraueninteressen erheblich gefährdet werden wird?

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Bundesministerin RAUCH-KALLAT betonte, dass sie es nicht zulassen werde, die Durchsetzung von Fraueninteressen zu schwächen. Es sei zusätzliches Personal vorgesehen, um sicher zu stellen, dass die Gleichstellung von Frauen nicht schlechter gestellt werde. Sollte es sich als notwendig herausstellen, mehr Personal einzustellen, werde sie sich dafür einsetzen.

In ihren Antworten auf Zusatzfragen wies die Ressortleiterin darauf hin, dass Frauen oft doppelter Diskriminierung ausgesetzt seien und es daher notwendig sei, alle Möglichkeiten zu nutzen, um ihre Situation zu verbessern (Zusatzfrage der Abgeordneten GRANDER, V).

Die Regionalisierung der Gleichbehandlungsanwaltschaften habe sich sehr bewährt, sagte die Frauenministerin Abgeordneter ROSSMANN (F). Die Steigerung der betreuten Fälle von 15 auf 382 im Bundesland Kärnten zeige, dass die Regionalisierung zu einem Abbau der Schwellenangst beigetragen habe.

Abgeordneter WEINZINGER (G) berichtete die Ressortleiterin, dass der Diskriminierungsschutz der Frauen über die Arbeitsplätze hinausgehe und Belästigungen, insbesondere auch sexuelle Belästigungen, einschließe.

Abgeordnete STEIBL (V): Welche Maßnahmen ergreifen Sie im Hinblick auf die Tatsache, dass im Jahr 2002 die chefarztpflichtigen Verordnungen über 60 % der gesamten Kostensteigerungen im Arzneimittel-Bereich ausgemacht haben?

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Die GESUNDHEITSMINISTERIN informierte über das große Arzneimittelpaket des Jahres 2003, mit dem sichergestellt werde, dass künftig eine Kontrolle der Verschreibung teurer Medikamente stattfinde und gleichzeitig die Chefarztpflicht für die Versicherten entfalle. Die Kontrolle sei zwischen Vertragsärzten und Krankenkassen vorgesehen. Ein wichtiger Teil des Arzneimittelpakets sei der Einsatz von Generika, wobei es sich um Medikamente handle, die nicht weniger wirksam, aber wesentlich billiger seien als Originalpräparate. Nicht immer sei das teurere Medikament auch das bessere, sagte die Ministerin und kündigte dazu eine Informationsoffensive an.

Abgeordneter ROSENKRANZ (F) sicherte die Ministerin zu, dass das Arzneimittelpaket auch dazu beitragen werde, dass neue innovative Medikamente rascher verschrieben werden können und dass der medizinische Fortschritt den Patienten so rasch wie möglich zugute komme. Mit Abgeordnetem Dr. GRÜNEWALD (G) stimmte die Ministerin darin überein, dass Kosten-Nutzen-Erhebungen für den Medikamenteneinsatz durchgeführt werden sollen.

Abgeordneten SPINDELBERGER (SP) informierte die Gesundheitsministerin, dass es mit dem Arzneimittelpaket gelungen sei, die auf 8 % prognostizierten Steigerungen beim Arzneimittelbedarf um die Hälfte zu reduzieren.

Abgeordneter Dr. GRÜNEWALD (G): Welche Pläne haben Sie, die einnahmenseitige Situation der Krankenkassen unter Schonung des Faktors Arbeit zu verbessern?

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Bundesministerin RAUCH-KALLAT berichtete von einnahmenseitigen Maßnahmen sowie von Strukturverbesserungen und der Harmonisierung der Beiträge zwischen Arbeitern und Angestellten sowie vom allgemeinen Unfallversicherungsbeitrag und den Maßnahmen bei den Pensionisten. In Summe werde dies den Krankenkassen ab 2005 400 Mill. € mehr Einnahmen bringen. Darüber hinaus seien keine zusätzlichen einnahmenseitigen Maßnahmen geplant, sehr wohl aber Effizienzsteigerungen und Maßnahmen auf der Ausgabenseite. Nach dem Vorbild der Krankenversicherungen der Eisenbahner und des Bergbaus, werde sie Fusionen auch in anderen Bereichen weiter verfolgen beziehungsweise für standardisierte Verfahren und Normkostenmodelle eintreten.

Den Vorwurf unsozialer Maßnahmen im Gesundheitswesen, den Abgeordnete Scharer (S) erhob, wies die Gesundheitsministerin zurück und bekannte sich nachdrücklich zu einer Politik der Qualitätssicherung und Qualitätsverbesserung für die Versicherten.

Das ausgezeichnete Gesundheitssystem Österreichs zu sichern und den Zugang zu erstklassiger medizinischer Versorgung für alle Menschen offen zu halten, ist für die Ministerin das vorrangige Ziel ihrer Gesundheitspolitik. Noch vorhandene Lücken zu schließen und gleichzeitig teure Überversorgungen und Doppelgleisigkeiten zu überwinden sowie Effizienzverbesserungen herbeizuführen, sind für Rauch -Kallat der konkrete Weg, dieses Ziel zu erreichen. Im letzten Herbst wurde die umfassende Gesundheitsreform eingeleitet, um einer ständig älter werdenden Bevölkerung eine optimale Gesundheitsversorgung zu gewährleisten. Dafür seien Effizienzsteigerungen notwendig, aber auch die Hebung des Gesundheitsbewusstseins (Zusatzfrage des Abgeordneten HAUBNER, V).

Einsparungen plant die Gesundheitsministerin beim Verwaltungsaufwand, der im Jahr 2003 um 6,4 % reduziert werden konnte. Allein durch Erfolge der Vorsorge konnten im Bereich der Zahnbehandlung 1,1 % an Kosten gespart werden. Der Gebarungsabgang fiel um 134 Mill. € geringer als prognostiziert aus, erfuhr Abgeordneter DOLINSCHEK (F).

Abgeordneter BUCHER (F): Können Sie eine Benachteiligung Kärntens aufgrund der ungünstigen Versicherungsstruktur bei den geplanten Länder-Gesundheitsagenturen ausschließen?

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Eine derartige Benachteiligung schloss die GESUNDHEITSMINISTERIN dezidiert aus und  erläuterte die Wirkungsweise des Ausgleichsfonds des Hautverbandes der Sozialversicherungsträger: Bundesländer mit einem höheren Anteil an älteren Menschen oder Bundesländer mit einem hohen Pendleranteil, die relativ höhere Gesundheitskosten zu tragen haben, erhalten Ausgleichszahlungen aus dem Fonds - daran werde auch in Zukunft festgehalten.

Abgeordnetem Dr. PUSWALD (S), der über die unfaire Erhöhung des Krankenversicherungsbeitrages der Pensionisten klagte, hielt die Gesundheitsministerin ihre Erfahrung entgegen, dass die Pensionisten Verständnis für diese Beitragserhöhung haben, weil es ihnen wichtig sei, den hohen Standard der Gesundheitsversorgung in Österreich aufrechtzuerhalten. Sie sei für dieses Verständnis sehr dankbar, hielt die Gesundheitsministerin fest.

Die Großgeräteversorgung des Bundeslandes Kärnten konnte in den letzten Jahren wesentlich verbessert werden, berichtete die Ressortleiterin Abgeordnetem DI AUER (V). Noch bestehende Lücken bei Koronardiagnosegeräten werden demnächst geschlossen.

Abgeordnete SILHAVY (S): Wie hoch ist der erwartete Gesamtabgang in der Krankenversicherung von 2003 bis 2005?

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Die GESUNDHEITSMINISTERIN bezifferte den Abgang des Jahres 2003 mit 183.519.160 €, das sind um 53 Mill. € weniger als prognostiziert. 2004 werde der Abgang 134,5 Mill. € ausmachen, im Jahr 2005 550,3 Mill. €. Der Abgang des Jahres 2005, den die Fragestellerin in einer Zusatzfrage als "eine Katastrophe" bezeichnete, veranlasste die Ressortleiterin dazu, an die katastrophale Bilanz zu erinnern, die die gegenwärtige Bundesregierung von den SP-Gesundheitsministern übernommen habe. Sie konzentriere sich bei der bevorstehenden umfassende Gesundheitsreform auf 5 Schwerpunkte: Förderung des Gesundheitswesens, Qualitätssicherung, Innovationen und neue Errungenschaften sowie auf Struktur und Finanzen. Vor allem wolle sie Effizienzsteigerungen beim Mitteleinsatz erreichen und Doppelgleisigkeiten vermeiden. Ausgaben sollen durchforstet und alle Mittel so sparsam wie möglich eingesetzt werden, sagte Ministerin Rauch-Kallat.

Die größten Probleme ortete die Ministerin bei der getrennten Finanzierung des Spitals- und des niedergelassenen Bereichs. Sie setze auf die Mitsprache der Bundesländer bei der Vertragsgestaltung von Ärzten und auf die Mitsprache der Krankenkassen bei den Spitälern. Rauch-Kallat zeigte sich überzeugt, dass es gelingen werde, große Kosteneinsparungen zu erzielen und gleichzeitig die Qualitätssicherung zu erreichen. Darüber hinaus wolle sie Schwerpunkte im Bereich Psychotherapie auf Krankenschein und bei der Einrichtung eines Kinderrehabilitationszentrums setzen (Zusatzfrage des Abgeordneten LICHTENEGGER, F). (Schluss Fragestunde/Forts. NR)