Parlamentskorrespondenz Nr. 139 vom 04.03.2004

DER IMMISSIONSBERICHT LUFT LIEGT VOR - WAS ATMEN WIR EIN?

Probleme bei verkehrsbedingten Feinstäuben, Stickoxiden und Ozon

Wien (PK) - Der Immissionsbericht-Luft, den Umweltminister Josef Pröll kürzlich dem Nationalrat vorgelegt hat, dokumentiert die Ergebnisse der Luftqualitätsmessungen, die seit 1998 mit Hilfe eines mittlerweile gut ausgebauten Messstellennetzes Luftqualität und Einhaltung der Grenzwerte in Österreich überwachen. Jede Überschreitung eines Immissionsgrenzwertes zieht - außer bei Einzelereignissen - innerhalb von 12 Monaten eine Statuserhebung durch den Landeshauptmann und die Beschreibung der wichtigsten Verursacher nach sich. Die Statuserhebungen für die Jahre 2000, 2001 und 2002 betrafen hauptsächlich die Schadstoffe Schwebestaub und Stickoxide. Als Hauptverursacher wurden jeweils Verkehr, Hausbrand und einzelne Industriebetriebe genannt. Für die Überschreitung des Jahresmittelwertes an Stickoxid in Vomp wurde beispielsweise ein Maßnahmenplan ausgearbeitet, der ein sektorales Fahrverbot enthält, das allerdings vom EuGH außer Kraft gesetzt wurde. Zudem wurde ein Nachtfahrverbot für LKW mit mehr als 7,5 t Gesamtgewicht von 22 Uhr bis 5 Uhr verhängt (III-71 d.B.) .

Der Schwerpunkt des Berichts liegt auf der Dokumentation und Analyse von Grenzwertüberschreitungen sowie auf Prognosen über die Entwicklung in den kommenden Jahren. Fasst man die Ergebnisse und Trends nach den einzelnen Schadstoffen zusammen, zeigt sich für die Luftqualität in Österreich folgendes Bild:

SCHWEBESTAUB UND SEHR FEINER SCHWEBESTAUB - VERKEHRSPROBLEME

Staub besteht aus festen und flüssigen Teilchen (Partikel), die sich nach Größe, Zusammensetzung und Herkunft unterscheiden. Da kleine Teilchen tief in die Lunge eindringen können, ist deren Größe wichtig. Von der Masse des Gesamtstaubes pro Kubikmeter Luft (TSP - Total Suspended Particles) werden daher die Feinstäube (PM10 - Partikelgröße kleiner als 10 Mikrometer) unterschieden.

Primärer Schwebestaub stammt aus Verbrennungsvorgängen (Dieselruß) oder von mechanischen Vorgängen (Straßenabrieb, Verlade- und Schüttvorgänge). Sekundärer Schwebestaub entsteht in der Atmosphäre aus Vorläufersubstanzen wie Stick- und Schwefeloxiden, Ammoniak und flüchtigen organischen Verbindungen.

Bei bestimmten Quellen haben die Staubemissionen seit 1990 von rund 73.000 t auf 80.000 t im Jahr 2001 zugenommen, wobei zuletzt 42 % der Emissionen aus der Industrie, 18 % vom Verkehr (Abrieb und Russpartikel), 15 % aus der Landwirtschaft, 23 % von Kleinverbrauchern (Hausbrand, Rasenmäher) und 2 % aus der Energieversorgung stammten. Leicht zugenommen, und zwar von rund 47.000 t auf nahezu 50.000 t pro Jahr, haben seit 1990 auch die PM10-Emissionen, dies vor allem wegen der starken Zunahme von Diesel-Pkw und durch die Steigerung des Straßen-Schwerverkehrs.

Auf der Immissionsseite hat die Schwebestaubbelastung in der Luft während der neunziger Jahren in Österreich tendenziell abgenommen, am deutlichsten an den einst hoch belasteten Messstellen in Kärnten (Klagenfurt-Völkermarktstrasse) und in Wien am Belgradplatz, in Floridsdorf, Liesing und in der Taborstraße. Belastungsschwerpunkte sind nach wie vor die größeren Städte, vor allem Graz und Linz. Darüber hinaus auch kleinere Städte in alpinen Becken und Tälern mit ungünstigen Ausbreitungsbedingungen.

Für Feinstaub (PM10) liegen erstmals für 2002 Daten aus ganz Österreich vor. Sie zeigen deutliche Grenzwertverletzungen in Graz und Linz, aber auch in allen anderen größeren Städten und in kleineren Städten südlich des Alpenhauptkamms sowie flächenhaft in Nordösterreich, wo Belastungen durch Ferntransport angenommen wird. An Autobahnen auf dem flachen Land liegt die PM10-Belastung unter dem Grenzwert.

Auch wenn mangelnde Kenntnisse über einzelne Emissionsquellen Prognosen schwierig machen, erwarten Experten eine deutliche Abnahme der Staub-Hintergrundbelastung, wenn die Emissionen von Stick- und Schwefeloxiden sowie von Ammoniak durch Umsetzung der EU-Richtlinie über nationale Emissionsobergrenzen bis 2010 abnehmen wird. Ein positives Beispiel stellt die Stahlhütte Leoben-Donawitz dar. Nach einer Sanierung Ende der neunziger Jahre hat die Zahl der Staub- Grenzwertwertüberschreitungen von 40 pro Jahr auf null abgenommen.

Neben der Staubkonzentration in der Luft wird auch der Staubniederschlag gemessen, der sich in einem bestimmten Zeitraum auf einer bestimmten Fläche ablagert. Grenzwertverletzungen traten im Bereich größerer Industrienlagen auf, unter anderem in Arnoldstein, Kapfenberg und Leoben. Die Blei- und Cadmium-Grenzwerte im Staubniederschlag wurden in Arnoldstein und Brixlegg überschritten.

SCHWEFELDIOXID - EINE ERFOLGSSTORY DER SCHADSTOFFREDUKTION

Sehr erfreuliche Nachrichten enthält der jüngste Immissionsschutzbericht beim Thema SO2. In den Jahren 2000 bis 2002 wurden keine Grenzwertüberschreitungen festgestellt, die Immissionsbelastung hat seit Mitte der neunziger Jahre deutlich abgenommen. Österreich hat seine SO2-Emissionen seit 1990 um 53 % reduziert und mit einem Gesamtausstoß von 37.000 t das für 2010 angepeilte EU-Emissionsziel bereits im Jahr 2001 unterschritten. Ein Erfolg, zu dem Kleinverbraucher (Hausbrand), Industrie und Energieversorger am stärksten beigetragen haben. Enorme SO2-Emissionsreduktionen haben auch die Nachbarländer Österreichs erzielt. Deutschland hat seinen SO2-Ausstoß von mehr als 5.000 Kilotonnen/Jahr vor 1990 auf zuletzt ca. 1.000 Kilotonnen/Jahr gesenkt. Auch Kroatien, Slowenien, die Slowakei, Tschechien, Ungarn und Italien haben ihren SO2-Ausstoss erheblich reduziert.

Für die kommenden Jahre rechnen die Experten mit einer weiteren deutlichen Abnahme der SO2-Belastungen. Sowohl die inländischen SO2-Emissionen, bei denen Rückgänge bei Hausbrand, Verkehr und Energieversorgung um bis zu 25 % erwartet werden, als auch die Belastungen durch Ferntransport gehen zurück, da die benachbarten EU-Beitrittsländer ihre SO2-Emissionen in Übereinstimmung mit gemeinschaftlichen Normen weiter reduzieren werden.

STICKSTOFFDIOXID - SCHWIERIGKEITEN DURCH ZUNAHME DES SCHWERVERKEHRS

Während die Messstellen Wien/Hietzinger Kai, Wien/Gaudenzdorf, Graz/Mitte und Graz/Süd seit 1997/1998 eine kontinuierliche Abnahme der NO2-Belastung anzeigen, stieg die Stickoxidbelastung in Salzburg/Rudolfsplatz, Salzburg/Lehen, Hallein/Hagerkreuzung, Wien/ Rinnböckstraße, Wien/Floridsdorf, Linz/ORF-Zentrum und Linz/Urfahr um 10 % bis 15 % an. Auch an der Inntalautobahn nahm die NO2-Konzentration zuletzt von Jahr zu Jahr zu.

In ihren Analysen weisen die Autoren des Berichts auf die zentrale Rolle des Verkehrssektors hin. Zwar konnten die Stickoxid-Emissionen seit 1985 um 14 % reduziert werden, seit den neunziger Jahren wurden aber kaum noch Fortschritte bei der Emissions-Senkung erzielt. Dies deshalb, weil dem Reduktionserfolg des PKW-Verkehrs (1990: 69.000 t, 2001: 42.000 t) eine Steigerung des Stickoxid-Ausstoßes beim Schwerverkehr gegenübersteht, und zwar um 85 % auf 49.000 t seit 1990. Leichte Nutzfahrzeuge steigerten ihre Emissionen gar um 129 % auf 5.000 t.

Die derzeitigen Grenzwertüberschreitungen an verkehrsnahen Messstellen werden aber bis 2010 zurückgehen, da es technische Maßnahmen trotz steigenden Verkehrsaufkommens erlauben werden, die Stickoxid-Emissionen gegenüber 1990 um 43 % und um 33 % gegenüber 2000 zu senken. Dazu kommen die emissionsmindernden Wirkungen verkehrslenkender und verkehrsbeschränkender Maßnahmen an den am meisten belasteten Standorten. An besonders belasteten Orten, etwa am Hietzinger Kai in Wien, wird allerdings eine Emissionsminderung von 50 % erforderlich sein, um Grenzwertüberschreitungen zu vermeiden, betonen die Experten. 

KOHLENSTOFFMONOXID - KEINE GRENZWERTÜBERSCHREITUNGEN

Die Menge des in Österreich emittierten Kohlenmonoxids sank von 1990 bis 2001 von über 1,2 Mill. t/Jahr um 31 % auf 860.000 t/Jahr. Den stärksten Rückgang meldete der Verkehr mit strengeren Abgasbestimmungen. Infolgedessen zeigten fast alle Messstellen in den letzten Jahren abnehmende CO-Belastungen. Die letzte Überschreitung des Achtstundenmittelwerts von 10 mg/m3 trat 1997 in Donawitz auf. Da die CO-Emissionen weiter zurückgehen, sind in Zukunft höchstens in Ausnahmesituationen Grenzwertüberschreitungen bei Kohlenstoffmonoxid zu erwarten.

BLEI UND CADMIUM - DIE IMMISSIONEN GEHEN ZURÜCK

Das Verbot von verbleitem Benzin und verbesserte Abluftreinigungen in der Industrie und bei der Müllverbrennung haben die Blei-Emissionen seit 1990 stark und zwar von mehr als 200 t/Jahr auf 14 t/Jahr reduziert. Allein im Verkehr sank der jährliche Bleiausstoß von 1990 auf 1995 von 200 t auf 0,01 t.

In der Nähe einzelner Industriebetriebe kommt es nach wie vor zu Überschreitungen der Blei- und Cadmiumgrenzwerte im Staubniederschlag. In den letzten Jahren wurden Emissionsreduktionen erzielt, mit weiteren Entlastungen rechnen die Autoren des Berichts durch die Umsetzung des diesbezüglichen Maßnahmenkatalogs 2003. In Feinstäuben (PM10) wurden keine Grenzwertüberschreitungen registriert.

BENZOL - DEUTLICH VERBESSERTE SITUATION

Die Benzol-Belastung der Luft verbesserte sich im Laufe der neunziger Jahre durch den Einsatz von Katalysatoren und Aktivkohlekanistern in Kraftfahrzeugen. Dazu kam die Senkung des Benzolgehalts in Benzin von 3 % auf 1 % im Jahr 2000. Die Messstation Salzburg/Rudolfsplatz verzeichnet seit 1995 einen deutlichen und kontinuierlichen Rückgang von 12 Mikrogramm/m3 auf Werte unter dem Grenzwert von 5 Mikrogramm/m3. Auch alle anderen Messstellen zeigten zuletzt Werte unter dem Limit. Mit Überschreitungen ist in Zukunft nicht zu rechnen. Der Rückgang der Zahlen von Fahrzeugen ohne Katalysator und Aktivkohlekanister wird weitere Emissions- und Immissionsreduktionen nach sich ziehen, heißt es im Immissionsschutzbericht.

PROBLEME MIT BODENNAHEM OZON

Das Ziel des Immissionsschutzgesetzes Luft, einen Wert von 110 Mikrogramm Ozon (O3) pro Kubikmeter Luft im Achtstundenmittel nicht zu überschreiten, wurde in den letzten drei Jahren öfter verfehlt als noch Mitte der neunziger Jahre. An den meisten Messstationen nahm die Zahl der Überschreitungen zu, wobei eine regionale Häufung im Nordosten Österreichs auffällt. Der Zielwert wurde zuletzt in den größeren Städten an bis zu 60 Tagen, im ländlichen Raum Nordösterreichs an bis zu 80 Tagen und im Mittelgebirge an bis zu 110 Tagen pro Jahr überschritten.

Ozon ist ein sekundärer Luftschadstoff, der unter Einwirkung von Sonnenlicht aus Vorläufersubstanzen entsteht, zu denen Stickoxide (NOX), flüchtige organische Verbindungen (VOC), Kohlenmonoxid (CO) und Methan (CH4) zählen. Für NOX und VOC wurden im Ozongesetz 1992 Reduktionsziele festgesetzt. Obwohl es gelang, die NOX-Emissionen bis 2001 um 14 % und den VOC-Ausstoß um 38 % zu verringern, wurden diese Ziele (1996 minus 40 %, 2001 minus 60 % und 2006 minus 70 % gegenüber 1985 bei NOX und gegenüber 1988 bei VOC verfehlt.

Positive Effekte auf die Luftqualität und auf die Einhaltung des Zielwerts für Ozon wird die Umsetzung des Emissionshöchstmengengesetzes Luft aus dem Jahr 2003 haben, heißt es im Bericht. Mit diesem Gesetz sollen die Emissionsgrenzen erreicht werden, die 2001 mit der EU-Richtlinie über nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe für Österreich festgelegt wurden. 2010 soll ein NOX-Gesamtausstoß von 103 Kilotonnen/Jahr (Emission 2001: 199 Kilotonnnen) und für VOC von 159 Kilotonnen/Jahr (232 Kilotonnen) nicht überschritten werden.

Prognosen über die Entwicklung der Ozonbelastung sind wegen der sehr komplexen Entstehung dieses Luftschadstoffes schwierig. Die Reduktion der Emission der Vorläufersubstanzen schlägt sich nicht proportional in der Ozonkonzentration nieder, Witterung und Ferntransport von Schadstoffen spielen bei Ozon eine besonders große Rolle. Generell rechnen die Experten in den nächsten zehn Jahren mit abnehmenden Spitzenwerten, aber zunehmender Langzeitbelastung.

(Schluss)