Parlamentskorrespondenz Nr. 183 vom 16.03.2004

BUDGETAUSSCHUSS ANALYSIERT HAUSHALTSPOLITIK DER REGIERUNG

S-G-Kritik an Investitionsrückgang, V-F stolz auf Stabilisierung

Wien (PK) - Die Vorlage des neuerlich aktualisierten Stabilitätsprogramms der Bundesregierung für die Jahre 2002 bis 2007 (III-68 d.B. ), das letztlich mit VP-FP-Mehrheit zur Kenntnis genommen wurde, bot den Mitgliedern des Budgetausschusses heute Vormittag Gelegenheit zu einer umfassenden Beurteilung der Haushaltspolitik der Bundesregierung. Die Sprecher der SPÖ, allen voran Christoph Matznetter, Hans Moser, Hannes Bauer und Kurt Eder sprachen von einer falschen Budget- und Finanzpolitik, die nicht an die Konjunkturentwicklung angepasst sei, weil sie im Abschwung zur Einschränkung von Investitionen führe, damit den Zuwachs der Arbeitslosigkeit beschleunige, in dem für 2005 zu erwartenden Aufschwung aber Steuergeschenke zu Lasten von Pensionisten verteile, Sozialleistungen kürze und Gemeindeinvestitionen beschneide. Finanzstaatssekretär Alfred Finz sowie die Abgeordneten Günter Stummvoll (V) und Detlev Neudeck (F) erinnerten die Opposition daran, dass Österreich seit 2000 vom budgetpolitischen Schlusslicht unter den EU-Ländern zur Spitzengruppe aufgeschlossen habe und zu einem immer attraktiveren Wirtschaftsstandort geworden sei. Beide Abgeordnete forderten dazu auf, die sehr gute Gesamtposition des Landes hinsichtlich Wachstum, Beschäftigung Investitionen und Staatsfinanzen zu beachten. Als Hauptpunkte der bevorstehenden Finanzausgleichsverhandlungen nannte Staatssekretär Finz die Themen Wohnbauförderung, Besteuerungsrechte der Länder und die Finanzierung der Landeslehrer. G-Sprecher Werner Kogler knüpfte an Moser an und relativierte die von Regierung und Koalitionsparteien behauptete "Europameister"-Position Österreichs, indem er auf die negative Tendenzen auf dem Arbeitsmarkt aufmerksam machte. Kogler vertiefte sich in Detailanalysen und rief dazu, nicht Niveaugrößen zu vergleichen, sondern Veränderungsquoten, etwa auf dem Arbeitsmarkt, denn dabei werden langfristige Entwicklungen erkennbar.

SPÖ: IST DER BUDGETKURS DER REGIERUNG KONJUNKTURPOLITISCH RICHTIG? 

     

Abgeordneter Christoph Matznetter (S) stellte einmal mehr die Frage, ob der budget- und finanzpolitische Kurs der Bundesregierung angesichts der Konjunkturentwicklung richtig sei. Der Budgetsprecher der SPÖ erinnerte daran, dass die Bundesregierung die öffentlichen Investitionen in den Jahren 2001 und 2002 drastisch senkte, was zu einem dramatischen Anstieg der Arbeitslosigkeit beigetragen habe. Aus Propagandagründen sei die Bundesregierung nicht bereit, eine andere, antizyklische Budgetpolitik zu machen, und daran werde sich offenbar auch in den kommenden Jahren nichts ändern. 2005 sei ein Wachstum von über 2,5 % zu erwarten, dennoch werde die Steuerreform, auf die die Regierung in den letzten Jahren "vergessen" habe, nun - zum falschen Zeitpunkt - nachgeholt. In diesem Zusammenhang sprach Matznetter seinen Zweifel an den im Programm genannten Daten aus, da die Auswirkungen der geplanten Gruppenbesteuerung in Wahrheit kaum einschätzbar seien.

Heftige Kritik übte der Abgeordnete an der Investitionspolitik der Bundesregierung. Es sei Österreich nicht zumutbar, bei den öffentlichen Investitionen, das Schlusslicht Europas zu sein. Das schade der Infrastruktur und dem Wirtschaftsstandort, das Argument "Ausgliederungen nach Maastricht" qualifizierte Matznetter als Ausrede.

Die Staatsverschuldung sei unter Finanzminister Grasser auf eine Quote von 67 % am BIP gestiegen, kritisierte der Redner und schlug grundsätzlich vor, bei der Erreichung des Ziels, die Rate unter 60 % des BIP zu senken, unterschiedlich vorzugehen: langsamer in Jahren, wo es aus Konjunkturgründen sinnvoll sei, und schneller, wenn die Möglichkeit dazu bestehe. Vermeiden sollte man Steuergeschenke - Stichwort Gruppenbesteuerung - wenn gleichzeitig Einschränkungen zu Lasten der Pensionisten und auf Kosten der Infrastruktur gemacht werden. Österreich ist ein ordentliches Land, das nicht ausgehungert werden soll. Diesem Stabilitätsprogramm könne die SPÖ nicht zustimmen.

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (S) machte auf den Missbrauch mit Scheinwohnsitzen in Deutschland aufmerksam, die dazu benützt werden, sich bei Kraftfahrzeugen die Normverbrauchsabgabe zu ersparen. Generell warnte die Rednerin davor, in einer Phase, in der immer weniger Menschen immer mehr produzieren, das Sozialniveau weiter abzusenken.

GÜNTER STUMMVOLL: ÖSTERREICH BEI ALLEN DATEN ÜBER EU-DURCHSCHNITT  

Abgeordneter Günter Stummvoll (V) trat dem Versuch der SPÖ, die Politik der Bundesregierung schlecht zu machen, entschieden entgegen. Stummvoll bedauerte, dass das Stabilitätsprogramm nur österreichische Daten enthält, und lud zu einem Vergleich mit anderen Ländern ein. Österreich weise eine nur halb so hohe Arbeitslosenrate wie vergleichbare europäische Länder auf, habe nur ein Drittel des Budgetdefizits und eine nur halb so hohe Inflationsrate. Bei allen volkswirtschaftlichen Kennzahlen liege Österreich besser als der EU-Durchschnitt. Die Position eines EU-Schlusslichts habe Österreich unmittelbar nach der Ära von Finanzminister Edlinger bei den Budgetdaten eingenommen, das habe sich nun eindrucksvoll geändert, betonte Stummvoll.

Die Behauptung, die Bundesregierung setze ausschließlich auf die Verringerung des Budgetdefizits, sei falsch. Die Ziele "Zukunftsinvestitionen" und "Entlastung der Bürger" seien der Regierung ebenso wichtig. Die Steuerreform stoße auf positive Reaktionen in der Industrie, die ihre Bereitschaft bekundete, wieder zu investieren und neue Arbeitsplätze zu schaffen. Die Ankündigung der Steuerreform hat einen Stimmungswandel in der Industrie ausgelöst. Matznetters Darstellung einer von selbst anspringenden Konjunktur sei falsch. Die Steuerreform komme zum exakt richtigen Zeitpunkt. Von Staatssekretär Alfred Finz erwirkte Abgeordneter Stummvoll die Zusage, in künftige Berichte auch internationale Vergleichszahlen aufzunehmen.

Abgeordneter Hans Moser (S) widersprach Stummvoll mit dem Hinweis darauf, dass die von ihm erwähnten Investitionen der VOEST schon lange vor der Ankündigung der Steuerreform beschlossen waren. Die Arbeitslosigkeit bewege sich in Österreich seit 2000 mit überdurchschnittlichen Zuwachsraten in Richtung europäischem Durchschnitt. Die immer höhere Sockelarbeitslosigkeit verursache hohe volkswirtschaftliche Kosten. Moser führte dies auf die Wachstumsschwäche der österreichischen Wirtschaft, und dies insbesondere auf den Investitionsstopp von Bundesländern und Gemeinden, aber auch von privaten Investoren zurück, nachdem die Wirtschaftsförderung für Private lahm gelegt wurde.

Der so genannte Stabilisierungskurs der Bundesregierung sei in Wahrheit ein Verschleuderungskurs auf der Grundlage von Einmaleffekten. Die Wirtschaftspolitik funktioniere "hinten und vorne nicht", sagte Moser und verwies auf die Erfahrungen mit der Böhler-Uddeholm-Privatisierung.

WERNER KOGLER: LANGFRISTIGE ENTWICKLUNGEN STÄRKER BEACHTEN

Abgeordneter Werner Kogler (G) knüpfte an Moser an und relativierte die behauptete "Europameister"-Position Österreichs, indem er auf die negativen Tendenzen auf dem Arbeitsmarkt aufmerksam machte und dazu aufrief, nicht Niveaugrößen zu vergleichen, sondern Veränderungsquoten. Die Behauptung einer volkswirtschaftlichen Auswirkung einer Steuerreform sah Kogler durch die Daten des Berichts selber in Frage gestellt, da die Wachstumsprognosen in der aktualisierten Version aus 2004 gegenüber dem ursprünglichen Bericht aus 2003 unverändert seien. Die Regierung müsse sich entscheiden, ob sie von der Steuerreform Wachstumsimpulse erwarte oder nicht.

Zum Thema Finanzausgleichsverhandlungen problematisierte Kogler die Absicht, den Konsolidierungsbeitrag der Gemeinden um 0,3 % anzuheben, weil dies eine dramatische Absenkung der Investitionen nach sich ziehen werde.

Abgeordnete Melitta Trunk (S) schloss sich in diesem Punkt ihrem Vorredner an und kritisierte den durch die Steuerreform zu erwartenden Einnahmenentfall der Kommunen und die ablehnende Haltung von Staatssekretär Finz zur Forderung nach einer Veränderung der Ertragsanteile. Die Privatisierungspolitik charakterisierte Trunk als "Verscherbeln von Staatsvermögen zu Dumpingpreisen".

Abgeordneter Christoph Matznetter (S) wiederholte seine Kritik an rückgängigen Bruttoanlageninvestitionen und am Sinken von Sozialleistungen und unterstützte die Städte und Gemeinden in ihrer Forderung um Investitionsmittel, denn in den Gemeinden werde Daseinsvorsorge gesichert und die Lebensqualität der Bürger erhalten. Mit einer Wachstumsrate auf dem Niveau des Durchschnitts der EU-25 könne sich Österreich nicht zufrieden geben, lautete das Credo Matznetters.

DETLEV NEUDECK: ÖSTERREICH ALS WIRTSCHAFTSSTANDORT IMMER ATTRAKTIVER

Abgeordneter Detlev Neudeck (F) hielt das derzeitige Krankjammern der SPÖ für ebenso falsch wie ihr früheres Gesundbeten. Neudeck trat für eine gesamthafte Betrachtung der volkswirtschaftlichen Entwicklung ein, wobei er vorschlug, die Relationen zwischen Wachstum und Arbeitslosigkeit und jene zwischen Defizit und Arbeitslosigkeit im internationalen Vergleich zu betrachten. Das Ergebnis zeige, dass Österreich nach einer negativen Entwicklung in den neunziger Jahren nunmehr im europäischen Vergleich aufhole und zu einem immer attraktiveren Wirtschaftsstandort werde. Bei der Bewertung der Infrastrukturinvestitionen dürfe man die veränderte Situation nach den Ausgliederungen nicht außer Acht lassen. Außerdem sollte die Opposition zur Kenntnis nehmen, dass in keinem Jahrzehnt soviel in die Infrastruktur investiert worden sei wie in dem Jahrzehnt bis 2010.

Abgeordnete Helga Machne (V) freute sich über die allgemein wieder entdeckte Liebe zu den Gemeinden sowie darüber, dass die Gemeinden im Jahr 2003 mehr investiert haben als in den Jahren zuvor. Zudem plädierte Machne dafür, regionale Differenzen wahrzunehmen. In Osttirol sinke die Arbeitslosigkeit, in Wien steige sie. Zu den positiven Auswirkungen der geplanten KöSt-Senkung brachte Abgeordnete Machne Beispiele aus nunmehr investitionsbereiten Industriebetrieben.

Abgeordneter Kurt Eder (S) warnte davor, nicht Vergleichbares in polemischer Absicht miteinander zu vergleichen. Der Arbeitsmarkt einer Großstadt wie Wien könne schon deshalb nicht mit ländlichen Regionen verglichen werden, weil hunderttausende Arbeitnehmer aus Niederösterreich und dem Burgenland einpendeln. Das Stabilitätsprogramm bringe nichts Neues, klagte Eder. Die Stabilisierung basiere auf Einmaleffekten, Staatsvermögen werde schnell und billig verkauft, fehlende Verkehrsinvestitionen im Osten rächten sich nun, wie man an den Problemen österreichischer Zulieferer zum Auto-Cluster in Bratislava sehe. Das neue ÖBB-Dienstrecht werde mehr kosten, statt Einsparungen bringen und die Wegekostenrichtlinie bringe die Gefahr mit sich, dass die Schulden der ASFINAG ins Budget zurückkippen. Von Public-Private-Partnership-Modellen werde zwar geredet, ein funktionierendes Modell sei ihm aber nicht bekannt, sagte Eder und ließ seine Skepsis gegenüber den behaupteten Beschäftigungseffekten der angekündigten KöSt-Senkung erkennen.

Abgeordneter Hannes Bauer (S) sah die Standortqualität in den letzten Jahren nicht verbessert, weder materiell - Bauers Klagen galten der mangelnden Verkehrsinfrastruktur in der Ostregion - noch geistig, wobei er die Einschränkung des praktischen Unterrichts in den HTL kritisierte. Die Arbeitslosigkeit wachse, auch wenn sie im EU-Vergleich noch gut sei, was Bauer auf die langjährigen Bemühungen zurückführte, die Sockelarbeitslosigkeit gering zu halten. Regionen mit einer einfachen Wirtschaftsstruktur verzeichneten aber eine deutlich zunehmende Abwanderung, stellte Bauer mit Bedauern fest und plädierte nachdrücklich dafür, die Dequalifizierung von Arbeitnehmern durch Schulungsmaßnahmen zu stoppen.

Die Kritik der SPÖ an der Privatisierungspolitik der Regierung wies Abgeordneter Johann Kurzbauer (V) mit dem Hinweis darauf zurück, dass die ÖIAG-Schulden seit 2000 um 4,4 Mrd. Euro reduziert wurden. Beim Finanzausgleich drängte Kurzbauer auf zusätzliche Gelder für die Gemeinden.

Auch Abgeordneter Gerhard Reheis (S) betonte die Funktion der Gemeinden als Investitionsmotoren und wandte sich entschieden dagegen, ihnen durch geringere Ertragsanteile bei zusätzlichen Aufgaben die Möglichkeit zu Investitionen zu nehmen.

Abgeordneter Matthias Ellmauer (V) wies auf funktionierende Public-Private-Partnership-Modelle in Oberösterreich hin und sah die Standortpolitik mit der KöSt-Senkung auf dem richtigen Weg.

STAATSSEKRETÄR FINZ STOLZ AUF LOB VOM ECOFIN

Staatssekretär Alfred Finz erinnerte die Abgeordneten einleitend an das Maastricht-Ziel, einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen, und machte auf jüngste positive Kommentare des ECOFIN zur österreichischen Budget- und Finanzpolitik aufmerksam. Die Qualität dieser Politik finde ihren Ausdruck darin, dass Österreich seine Verschuldungsquote bis 2007 auf unter 60 % des BIP absenken werde. Mit seinen Budget- und Finanzdaten zählt Österreich zur Spitzengruppe unter den EU-Staaten, stellte der Finanzstaatssekretär mit Stolz fest.

Auf die Wortmeldungen der Ausschussmitglieder eingehend wies Staatssekretär Finz darauf hin, dass die Investitionen in Österreich in den Jahren 2001 und 2002 gesteigert wurden und mit 2,4 % über dem EU-Durchschnitt von 2,2 % liegen. Von einer Schuldenpolitik der Bundesregierung könne keine Rede sein, sagte Alfred Finz und riet den Abgeordneten, die Defizitquoten seit 2001, die maximal 1,1 % des BIP ausmachten, mit den bis auf über 5 % steigenden Defizitquoten der neunziger Jahre zu vergleichen.

Die Steuerreform werde klar antizyklisch wirken, hielt Finz fest, sie komme volkswirtschaftlich zum richtigen Zeitpunkt und mit der Gruppenbesteuerung nehme Österreich einmal mehr die Position eines Vorreiters in der EU ein. Normverbrauchsabgabe-Hinterziehungen in Grenzregionen werden mit zollrechtlichen Strafverfahren verfolgt, sagte Finz.

Der Finanzausgleich werde vorbereitet, wobei Staatssekretär Finz bei den Verhandlungen als Hauptpunkte die Themen Wohnbauförderung, Besteuerungsrechte für die Länder und die Finanzierung der Landeslehrer erwartete.

Die Privatisierungspolitik der Bundesregierung bezeichnete der Finanzstaatssekretär als erfolgreich. Sie folge dem Grundsatz, dass sich der Staat aus der Führung von Betrieben heraushalten soll, weil sich gezeigt habe, dass er aus wahlpolitischen Gründen in aller Regel nicht wie ein Unternehmer handle. Den Erfolg der Bundesregierung könne man daran ablesen, dass die ÖIAG heute kein Zuschussbetrieb mehr sei.

Abgeordneter Ferdinand Maier (V) hielt der SPÖ abschließend vor, sie hätte in der Vergangenheit kein Problem damit gehabt, Schulden zu machen und Steuern zu erhöhen, und sie habe in Wien den Verlust vieler Arbeitsplätze zu verantworten. Klagen über Versäumnisse in der Verkehrsinfrastruktur wies Maier mit dem Hinweis auf die Verantwortung von SPÖ-Verkehrsministern zurück und untermauerte das Ziel der KöSt-Senkung, die Betriebsansiedlung in Österreich zu intensivieren.

Die zweite Fortschreibung des Stabilitätsprogramms für die Jahre 2003 bis 2007 wurde mit der Mehrheit der Regierungsfraktionen zur Kenntnis genommen. (Forts.)