Parlamentskorrespondenz Nr. 435 vom 09.06.2004

WISSENSCHAFTSAUSSCHUSS ZUR NEUSTRUKTURIERUNG DER FORSCHUNGSFÖRDERUNG

Opposition kritisiert Gewicht der Wirtschaft

Wien (PK) - Die Diskussion im Ausschuss für Wissenschaft und Forschung zur Neustrukturierung der Forschungsförderung (Forschungsförderungs-Strukturreformgesetz) wurde in einem konstruktiven Klima geführt, wobei alle Beteiligten ihre Bemühungen bekundeten, bis zum Plenum eine Einigung in den strittigen Punkten zu erreichen. Wie die Vorsitzende des Ausschusses Magda Bleckmann (F) bekräftigte, sei es in vielen Punkten bereits zu einer Annäherung gekommen.

SPÖ BEFÜRCHTET ZU STARKEN EINFLUSS DER POLITIK UND WIRTSCHAFT

Seitens der SPÖ fasste Abgeordneter Josef Broukal die Kritikpunkte zusammen und unterstrich, dass mit dem vorliegenden Gesetz ein wichtiger Reformschritt vorliege und die SozialdemokratInnen daher zu intensiven Gesprächen im Interesse eines Konsenses bereit seien. Wie alle anderen Abgeordneten des Ausschusses auch, sah er die Möglichkeit einer Einigung durchaus gegeben.

Kritik übte er daran, dass die Forschungskompetenzen nun bei vier Ministerien lägen, anstatt ein Mitglied mit der alleinigen Verantwortung für Forschung und Entwicklung auszustatten. Wenig Verständnis brachte Broukal der Zusammensetzung des Aufsichtsrates entgegen, in dem fünf Mitglieder direkt aus der Wirtschaft entsandt werden, gesetzliche Interessensvertreter jedoch keinen Sitz hätten. Institutionalisierten ArbeitnehmerInnen-Vertretern sollte seiner Meinung nach auch ein Mitwirkungsrecht bei der Bestellung der GeschäftsführerInnen zugestanden werden. Allgemein empfindet Broukal ein nicht gerechtfertigtes Übergewicht der Wirtschaft. Er wandte sich auch dagegen, dass bei Nichteinigung über das siebente Aufsichtsratmitglied die Bundesregierung direkt mit der Bestellung betraut ist. Hier sollte man die Entscheidung einer externen Instanz überlassen. Broukal forderte weiters, die Entwicklung der gesamten Forschungs- und Technologiepolitik im Nationalrat zu diskutieren und deren Ziele und Prinzipien im Nationalrat zu beschließen. Seiner Meinung nach sollten auch die Bundesländer gehört werden.

Unterstützt beziehungsweise ergänzt wurde Broukal in seiner Argumentation von seinen KlubkollegInnen im Ausschuss. So führte beispielsweise Abgeordneter Erwin Niederwieser (S) mit Bedauern aus, dass Bundesministerin Gehrer nun auf den vierten Platz der für Forschung zuständigen MinisterInnen abgestiegen sei, während Bundesminister Gorbach zum echten Forschungsminister avanciert sei, Bundesminister Bartenstein ähnliche Kompetenzen bekäme und Bundesminister Grasser mit zahlreichen Kompetenzen neu hinzugekommen sei.

Die Idee des Hauses der Forschung hat für Niederwieser viel für sich, Abgeordneter Hans Moser (S) stellte jedoch die Frage, ob angesichts der ausreichenden freien Kapazität an Büroräumlichkeiten unbedingt ein neues Haus gebaut werden müsse. Moser meinte auch, dass die neue Organisation mit 16 oft sich widersprechenden Zielsetzungen überfrachtet sei und thematisierte ebenfalls die Zersplitterung im Bereich Forschung sowie die seiner Meinung nach zu großen Möglichkeiten politischer Einmischung. Als negatives Beispiel erwähnte er in diesem Zusammenhang die Austria Wirtschaftsservice GmbH.

GRÜNE: FORSCHUNGSSTRATEGIE DURCH DAS PARLAMENT LEGITIMIEREN

Abgeordneter Kurt Grünewald (G) stimmte mit der Beurteilung, dass es sich beim vorliegenden um ein wichtiges Gesetz handle, überein, einen Meilenstein sieht er darin jedoch nicht. Vielmehr, so Grünewald, versuche man das Pferd am Schwanz aufzuzäumen, denn es fehle eine breit angelegte Diskussion über die Forschungsstrategie, die Voraussetzung für die Vergabe der Gelder sei. Diese Forschungsstrategie müsse durch das Parlament legitimiert werden. Dies wurde auch von Abgeordnetem Werner Kogler (G) bekräftigt.

Kogler verlieh auch seiner Befürchtung Ausdruck, dass die neue Forschungsförderungsgesellschaft mit einer Wirtschaftsförderungsgesellschaft verwechselt wird und vermisste die nötige Transparenz und Evaluierung. Sowohl ihm als auch Grünewald ist die Neuorganisation zu "wirtschaftslastig" und sie hielten kritisch fest, dass die Bundesregierung ein zu weitgehendes Durchgriffsrecht auf die Forschungsförderung haben werde. Grünewald vertrat die Auffassung, bei Nichteinigung den siebenten Aufsichtsrat international bestellen zu lassen.

Besonderen Wert legt Grünewald auf einen Frauenanteil von 50 % in der Geschäftsführung.

Abgeordneter Grünewald forderte auch, im Gesetz den autonomen und den übertragenen Wirkungsbereich zu definieren, wobei in letzteren die Regierung die Möglichkeit hätte, Schwerpunkte zu verankern. Auf alle Fälle müsse der FWF weiterhin autonom seinen Präsidenten wählen können. Er und Abgeordneter Kogler zeigten sich vom vorliegenden Kompromissvorschlag nicht begeistert, da der FWF einen anderen Zugang brauche.

FPÖ: REFORM BRINGT EFFIZIENTERE STRUKTUREN

Die Vorsitzende des Ausschusses Magda Bleckmann (F) hielt der Kritik der Opposition entgegen, dass man bei großen Änderungen nie alle werde zufrieden stellen können. Die Reform sehe eine schlankere Organisation und eine Vereinfachung vor, womit eine Verbesserung der Forschungstätigkeit bewirkt werde. Auf den FWF habe man große Rücksicht genommen und von den ursprünglichen Intentionen außerordentlich viele Abstriche gemacht.

ÖVP: TROTZ BEMÜHEN UM EINIGUNG DARF GESAMTARCHITEKTUR NICHT IN FRAGE GESTELLT WERDEN

Auch Abgeordnete Gertrude Brinek (V) bezeichnete das vorliegende Gesetz als einen großen Schritt, der die Forschungsförderung mit vielen hundert Millionen Euro auf eine neue Basis stelle. Man sei ernsthaft bemüht, die Zustimmung der Opposition zu erreichen, dennoch gebe es Punkte, die die Gesamtarchitektur beträfen und daher nicht in Frage gestellt werden könnten. Dazu gehöre die Mitkompetenz verschiedener Ministerien und die Zusammensetzung des Aufsichtsrates.

GEHRER: KONZENTRATION ALLER FORSCHUNGSAGENDEN IN EINEM MINISTERIUM IST NICHT MÖGLICH

Bundesministerin Elisabeth Gehrer gab in Hinblick auf die Kompetenzfrage zu bedenken, die oft geforderte Konzentration aller Forschungsagenden auf ein einziges Ministerium sei in der Praxis nicht möglich. Entscheidend wären vielmehr eine gute Koordination und eine gute Zusammenarbeit. Klar war für die Ministerin jedenfalls, dass die Grundlagenforschung bei den Universitäten zu verbleiben habe. Was den Rat für Forschung und Technologieentwicklung betrifft, unterstrich Gehrer, dieses Gremium gebe die Schwerpunkte für die österreichische Strategie vor. Es obliege aber den einzelnen Fachleuten, Nischen zu suchen.

GORBACH: MIT NEUM GESETZ BLEIBT MAN INTERNATIONAL WETTBEWERBSFÄHIG

Im Hinblick auf die geäußerte Skepsis in Bezug auf eine ausreichende Finanzierung unterstrich Bundesminister Hubert Gorbach, dass durch die Nationalstiftung 125 Mill. € im Jahr der Forschung zusätzlich zur Verfügung stehe und damit die Kontinuität gewahrt werde. Mit dem Haus der Forschung handle es sich um die größte Reform der Forschungslandschaft seit drei Jahrzehnten. Das Gesetz ermögliche eine zentrale Forschungsförderungsinstitution für die wirtschaftsnahe Forschung und dazu stünden im Jahr 2004 knapp 300 Mill. € zur Verfügung. Bis 2006 wolle man diese Summe auf 350 Mill. € erhöhen und damit die F&E-Quote auf 2,5 % anheben, um im Jahr 2010 eine Quote von 3 % am BIP zu erreichen. Statt den derzeit 15 Gremien werde es in Zukunft nur mehr vier Gremien geben und eine einzige Anlaufstelle. Die Gesellschaft werde eine Jahresplanung erstellen, was für die Planungssicherheit notwendig sei. Mit dem Gesetz werde es auch gelingen, international wettbewerbsfähig zu bleiben und damit einen wesentlichen Beitrag zum Wirtschaftsstandort Österreich zu leisten.

Wesentliches Ziel sei es auch gewesen, den FWF in die gesamtstaatliche Forschungs- und Technologiestrategie einzubinden. Eine Gesamtstrategie bedeute immer eine Einschränkung der Autonomie, es sei aber seiner Ansicht nach eine Balance gefunden worden. Als besonders wichtig unterstrich Gorbach die Weisungsfreiheit und Unabhängigkeit des Rats für Forschungs- und Technologieentwicklung. Zur Frage der Frauenförderung meinte er, dass es darum gehe, die Besten zu bestellen und daher könnte es durchaus auch zwei Geschäftsführerinnen geben. Das Gleichbehandlungsgesetz werde selbstverständlich angewendet, eine gesetzlich festgelegte Regelung, wonach es eine Parität zwischen Frauen und Männern geben müsse, lehnte Gorbach ab.

WIE UND IN WELCHEM AUSMASS SOLLEN DIE ARBEITNEHMER IM AUFSICHTSRAT VERTRETEN SEIN?

Zu einer ausführlichen Diskussion kam es über die Frage der Vertretung von ArbeitnehmerInnen im Aufsichtsrat. Hans Moser (S) sowie Andrea Kuntzl und Kai Jan Krainer (beide S) monierten wie schon vorher Josef Broukal (S) abermals vehement eine obligatorische Vertretung der ArbeitnehmerInnen durch die gesetzlichen Interessensvertretungen. Eine Beschickung durch die Betriebsräte sei etwas anderes, argumentierten sie, denn damit wäre die Vertretung der ArbeitnehmerInnen der Gesamtbevölkerung nicht gewährleistet. Ähnlich argumentierten die Abgeordneten der Grünen Kurt Grünewald und Werner Kogler. Alle kritisierten in diesem Zusammenhang das Übergewicht der Wirtschaftvertreter.

Dagegen meinte etwa Abgeordnete Gertrude Brinek (V), dass man keinesfalls zur sozialpartnerschaftlichen Konfiguration alten Typs zurückkehren wolle. Die ArbeitnehmerInnenseite sei ohnehin vertreten. Im Wesentlichen gehe es aber um die anwendungsorientierte Forschung und dem müsse auch im Aufsichtsrat Rechnung getragen werden. Corinna Felzmann (V) befürchtete, dass eine sozialpartnerschaftliche Zusammensetzung alten Typs die notwendige Dynamik verhindern würde. Ähnlich argumentierten Karin Hakl (V) und Andrea Wolfmayr (V), die sich gegen einen schwerfälligen Apparat aussprach. Magda Bleckmann (F) sagte, eine globalisierte Welt bedürfe neuer Schritte und Strukturen, und nicht einer Sozialpartnerschaft alter Prägung.

Bundesminister Hubert Gorbach hielt schließlich aus seiner Sicht fest, dass das Wohl und Wehe der österreichischen Forschungslandschaft nicht von der Zusammensetzung des Aufsichtsrats abhänge. Bei einer wirtschaftsnahen Forschung müsse die Wirtschaft im Aufsichtsrat auch entsprechend repräsentiert sein. Gorbach unterstrich nochmals, dass die Arbeitnehmerschaft sehr wohl vertreten sei, da die Belegschaft Aufsichtsräte entsende. (Schluss)