Parlamentskorrespondenz Nr. 463 vom 17.06.2004

NATIONALRAT: FRAGESTUNDE ZU AGRAR- UND UMWELTTHEMEN

Wien (PK) - Nationalratspräsident Andreas Khol leitete den zweiten Sitzungstag des Nationalrates in dieser Woche traditionsgemäß mit einer Fragestunde ein. Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, DI Pröll stand den Abgeordneten zu den Schwerpunktthemen Biolandbau, gentechnikfreie Lebensmittelproduktion, europäische Atompolitik und Entwicklung des ländlichen Raumes Rede und Antwort.

Abgeordneter GRADWOHL (S): Welche Änderungen am österreichischen Umsetzungsmodell der europäischen Agrarreform werden Sie vornehmen, um den enttäuschten und verärgerten Biobauern eine Benachteiligung im Vergleich zum österreichischen Durchschnittsbetrieb zu ersparen?

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Der LANDWIRTSCHAFTSMINISTER erinnerte daran, dass bei der GAP-Reform kein Unterschied zwischen Biobetrieben und konventionellen Betrieben gemacht werde und so eine Benachteiligung der Biobauern vermieden werde. Kritik des Anfragestellers wegen geringerer Prämien für Biobauern in der Zukunft wies der Ressortleiter daher zurück. Das Betriebsprämienmodell sehe keine Umverteilung zugunsten konventioneller Betriebe vor. Außerdem gehe er mit dem Vorschlag für eine eigene Biobauernförderung in der neuen GAP-Periode in die Verhandlung, sagte der Landwirtschaftsminister. Über die Zahlungen aus der europäischen Agrarmarktordnung hinaus profitiere Österreich vom Ausbau des Programms für die ländliche Entwicklung mit seinen integrativen Projekten in den Bereichen Soziales, Tourismus und Bildung, erfuhr Abgeordneter ESSL (V). Auch das neue Bundestierschutzgesetz werde keine Benachteiligungen für Biobauern mit sich bringen, da sich Biobauern in ihrer Produktion nicht nur über artgerechte Tierhaltung, sondern auch über speziellen Futteranbau, Düngung und Verzicht auf Pestizide abgrenzen (Zusatzfrage des Abgeordneten DI SCHEUCH, F).

Publikationen über die Auswirkungen des Betriebsprämienmodells seien von seinem Ressort nicht zurückgehalten worden, sagte Minister Pröll auf eine diesbezügliche Zusatzfrage des Abgeordneten DI PIRKLHUBER (G).

Abgeordneter AUER (V): Wie wird die Wettbewerbsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe im Zusammenhang mit der EU-Erweiterung gestärkt?

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Bundesminister DI PRÖLL will, wie er sagte, dass die österreichischen Bäuerinnen und Bauern "auf gleicher Augenhöhe mit ihren europäischen Konkurrenten produzieren können". Pröll machte auf die jüngste Verbilligung von Agrardiesel im Rahmen der Steuerreform aufmerksam und stellte zusätzliche Investitionsförderungen für Bauern in Aussicht, die ihre Betriebe vergrößern wollen. Eine wichtige Aufgabe sah Minister Pröll auch in der Eroberung neuer Märkte im größer gewordenen Europa. Dazu gehöre insbesondere auch eine Marketingoffensive in den neuen EU-Mitgliedsländern, zeigte sich der Minister mit Abgeordnetem WITTAUER (F) einig. Abgeordneter REST-HINTERSEER (G) gab der Ressortleiter darin Recht, dass es nach dem Scheitern der WTO-Verhandlungen über eine Friedensklausel in Cancun sehr wichtig sei, ein neues Welthandelssystem zu erreichen.

Zum Vorschlag des Abgeordneten WIMMER (S), klein strukturierte Betriebe durch Berücksichtigung des höheren Arbeitseinsatzes zu unterstützen, sagte der Landwirtschaftsminister, eine spezielle Förderung des Arbeitseinsatzes sei in der EU nicht vorgesehen.

Abgeordneter Dr. PIRKLHUBER (G): Welche konkreten Maßnahmen zur Umsetzung der EU-Agrarreform werden Sie in den Bereichen Biolandbau, Investitionen in tiergerechte Haltungssysteme und gentechnikfreie Produktion setzen?

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Der LANDWIRTSCHAFTSMINISTER kündigte an, den Weg der Investitionsförderungen, etwa für tierfreundliche Ställe, weiterzugehen. In der gentechnikfreien Agrarproduktion sei Österreich europäischer Spitzenreiter. Fragen über gentechnikfreies Saatgut werden in der Diskussion über das neue österreichische Programm für eine umweltgerechte Landwirtschaft zu behandeln sein. Seit April bestehe in der EU für gentechnisch veränderte Lebensmittel Kennzeichnungspflicht, informierte der Minister weiter, der Konsument habe nun die Wahl und die Möglichkeit, die Produktströme zu beeinflussen (dazu auch eine Zusatzfrage des F-Abgeordneten WITTAUER).

Abgeordneter WALTHER (S) teilte der Minister auf eine Zusatzfrage mit, dass die GAP-Reform nicht in das Prämiengefüge zwischen Biolandbau und konventioneller Landwirtschaft eingreife und daher keine Benachteiligung der Biobauern entstehe. Er sehe die Förderung der Biobauern als einen zentralen Teil der ländlichen Entwicklung an. Außerdem sei es ihm wichtig, das Marketing für Bioprodukte zu verbessern und dies auch zu einem europäischen Thema zu machen.

Schwerpunkte der Investitionsförderung Neu werden der Stallbau, die artgerechte Tierhaltung und Produktionsalternativen sein, erfuhr Abgeordneter KEUSCHNIGG (V).

Abgeordneter WITTAUER (F): Welche konkreten Maßnahmen werden Sie bis Jahresende setzen, um die Produktion von heimischem Bio-Diesel zu erhöhen?

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Bundesminister DI PRÖLL zeigte sich überzeugt, dass Biotreibstoffe, wie erneuerbare Energieträger insgesamt, in der Zukunft an Bedeutung gewinnen werden. Er beabsichtige zusätzliche Förderungen zur Verfügung zu stellen. Bei der Umsetzung der Biotreibstoffrichtlinie beabsichtige er, Österreich in eine Vorreiterposition zu bringen, indem er das EU-Ziel, den Biodiesel-Anteil bis 2010 auf 5,75 % zu erhöhen, in Österreich bereits im Jahr 2008 erreichen möchte. Über Biodiesel hinaus denke er auch an die Beimischung von Äthanol zum Treibstoff, merkte der Minister an. Eine Verordnung zur Biotreibstoffrichtlinie sei in Ausarbeitung, Gespräche über steuerliche Maßnahmen seien im Laufen, erfuhr Abgeordneter DI PIRKLHUBER (G).

Um eine schlagartige Ausweitung von Rapsanbauflächen mit negativen Auswirkungen auf die Fruchtfolge - eine Sorge der Abgeordneten BAYR (S) - auszuschließen, werde man bei der Ausweitung des Biodieseleinsatzes stufenweise vorgehen und auch eine Bio-Äthanolbeimischung ins Auge fassen (Zusatzfrage des Abgeordneten ZWEYTICK, V).

Abgeordnete Mag. SIMA (S): Was haben Sie konkret für Maßnahmen angesichts der drohenden Neuzulassungen von Genprodukten auf EU-Ebene gesetzt, um die österreichische Bevölkerung vor Gen-Nahrungsmitteln zu schützen?

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Bundesminister DI PRÖLL betonte, dass er in allen Gremien seine Ablehnung gegenüber Aussaat und Produktionen auf Basis der Gentechnik zum Ausdruck bringe, hielt aber gleichzeitig fest, dass die Entscheidung nach der Einführung einer Kennzeichnungspflicht in der EU beim Konsumenten liege (dazu auch eine Zusatzfrage der Abgeordneten ROSENKRANZ, F). Über die Ausgestaltung gentechnikfreier Zonen werde er eine intensive Diskussion mit der Gesundheitsministerin führen, sagte der Landwirtschaftsminister, bekannte sich diesbezüglich aber auch zu einer Diskussion auf europäischer Ebene und hielt fest, dass Österreich bei Saatgut (Zusatzfrage der Abgeordneten HÖLLERER, V) mit der Nullschwelle Vorreiter sei. In die diesbezügliche Diskussion auf EU-Ebene bringe Österreich Erfahrungen und Know-how ein.

Aussagen der Abgeordneten Dr. MOSER (G) über finanzielle Probleme der ARGE Kontrolle wies Minister Pröll zurück, gab der Abgeordneten aber darin Recht, dass die Frage der Haftung beim Einsatz der Gentechnik in der Diskussion über die Freisetzungsrichtlinie zu klären sein werde.

Abgeordnete SCHIEFERMAIR (V): Wie wendet Österreich die Modulation im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik an?

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Der LANDWIRTSCHAFTSMINISTER erläuterte, dass Betriebe, die mehr als 5.000 € aus der Marktordnung erhalten, modulieren müssen. Die dabei gewonnenen Mittel fließen in Investitionsförderungen zugunsten der ländlichen Entwicklung (dazu auch eine Zusatzfrage des Abgeordneten DI PIRKLHUBER, G).

Er rechne nicht damit, dass die Modulationsgrenze vor 2013 angehoben wird, es sei aber nie ganz auszuschließen, dass agrarpolitische Bedingungen in der EU verändert werden, sagte DI Pröll.

Gegenüber der Klage des Abgeordneten FAUL (S), der Faktor Arbeit werde in der EU-Agrarmarktordnung nicht berücksichtigt, konnte Bundesminister Pröll nur bestätigen, dass dies so sei. Die ländliche Entwicklung hänge aber nicht nur von der Agrarförderung ab, daher werden Arbeitsplätze im ländlichen Raum außerhalb der Agrarpolitik gesichert.

Abgeordnete Dr. GLAWISCHNIG (G): Welche konkreten anti-atompolitischen Maßnahmen werden Sie in den kommenden Wochen setzen, um gemäß dem parlamentarischen Auftrag vom 29. Jänner 2004 über die Schließung Temelins zu verhandeln und den europäischen Atomausstieg voranzutreiben?

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Der UMWELTMINISTER betonte die Auffassung der Bundesregierung, dass die Atomenergie keine nachhaltige Energieform und ihre Nutzung daher abzulehnen sei. Die Regierung sei in Europa unterwegs, um in dieser Haltung Verbündete zu finden. Auch gegenüber Tschechien werde diese Position vertreten, man dürfe aber nicht vergessen, dass für ein Gespräch über einen Atomausstieg zwei Seiten notwendig seien.

In der Diskussion um die Revision des EURATOM-Vertrags gehe es Österreich um die Finanzierung der Reaktorsicherheit. Während eine Veränderung der Ziele des EURATOM-Vertrages Einstimmigkeit voraussetze, kann die Aufstockung der Sicherheitsfinanzierung mehrheitlich beschlossen werden. "Wir wollen eine Revision des EURATOM-Vertrags", hielt Minister Pröll fest.

Eine einheitliche Regelung der Reaktorsicherheit und gemeinschaftliche Sicherheitsstandards verlange Österreich auch im Energiekapitel des Verfassungsvertrages, sagte Pröll auf eine diesbezügliche Zusatzfrage des Abgeordneten OBERHAIDINGER (S). Dieses Ziel werde aber nicht von allen EU-Ländern geteilt. Das Thema Terroranschläge gegen Kernkraftwerke aus der Luft werde Ende dieses Monats auf Expertenebene beraten, erfuhr Abgeordneter ELLMAUER (V). Seine negative Haltung gegenüber AKW-Ausbau- und Neubauplänen bringe Österreich überall in der EU, auch gegenüber Bayern, zum Ausdruck, fügte der Minister hinzu.

Abgeordneter DI SCHEUCH (F): Inwieweit planen Sie bei der nächsten Zuteilung der Milchquoten aus der nationalen Reserve fairer und ausgewogener vorzugehen?

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Der LANDWIRTSCHAFTSMINISTER unterstrich mit Nachdruck, dass bei der Verteilung der Milchquote streng objektive Kriterien angewandt und auf historisch gewachsene Strukturen und natürliche Gegebenheiten Rücksicht genommen wurde. Daher sei eine Kompensation für Milchbauern, die nicht bedacht wurden, nicht vorgesehen, sagte der Minister den Abgeordneten REST-HINTERSEER (G) und SCHÖNPASS (S), die die Klage von 2.000 Milchbauern zur Sprache brachten. Österreich habe bei der GAP-Reform alles unternommen, um für die Milchbauern eine bestmögliche Lösung zu erreichen, versicherte der Minister auch Abgeordnetem GLASER (V).

Abgeordneter Mag. GASSNER (S): Welche Summen flossen seit 2000 aus dem Programm zur Entwicklung des ländlichen Raumes in außeragrarische Wirtschaftsbereiche und damit zum Vorteil von Projekten und Arbeitsplätzen, die nicht in der Landwirtschaft angesiedelt sind?

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Im Programm für die ländliche Entwicklung gehe es nicht nur um Agrarsubventionen. Mit einem Förderungsvolumen von 58 Mill. € konnten im Zeitraum 2000 bis 2003 Investitionen im Umfang von 280 Mill. € und zusätzliche Effekte ausgelöst werden. Finanzprobleme der Gemeinden werden bei den Verhandlungen für den neuen Finanzausgleich zu diskutieren sein, sagte der Minister dem Anfragesteller, wobei er anmerkte, dass ihm die Gemeinden sehr am Herzen liegen.

Abgeordnetem PRASSL (V) illustrierte der Ressortleiter die Spitzenposition Österreichs bei der Förderung der ländlichen Entwicklung, indem er darauf hinwies, dass Österreich mit einem Flächenanteil von 2 % 10 % der EU-Mittel erhalte. Den Abgeordneten DI ACHLEITNER (F) und REST-HINTERSEER (G), die auf Frauenförderung im ländlichen Raum drängten, teilte der Minister mit, dass Frauen durch spezielle Bildungsprogramme gefördert werden und der Situation der Bäuerinnen im Grünen Bericht breiter Raum gewidmet werde.

Abgeordnete FELZMANN (V): Was sind die Kernpunkte der neuen europäischen Chemiepolitik – besonders im Hinblick auf Auswirkungen in Österreich?

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Umweltminister DI PRÖLL informierte über neue Wege, die bei der Registrierung von Chemikalien beschritten werden sollen, und bezeichnete dies als eine prioritäre Aufgabe der Umweltpolitik. Darüber hinaus wird Österreich den Substitutionsgedanken in die europäische Chemiediskussion einbringen, kündigte der Minister an. Er sehe noch kein liberaleres System bei der Zulassung von Chemikalien. Er selbst vertrete ökologische Interessen und stehe daher auf der restriktiveren Seite, sagte der Minister auf eine diesbezügliche Zusatzfrage der Abgeordneten Dr. GLAWISCHNIG (G).

Abgeordnete PFEFFER (S) erkundigte sich nach den Auswirkungen des Österreichischen Programms für eine Umweltgerechte Landwirtschaft (ÖPUL) auf den Pestizideinsatz und wurde vom Landwirtschaftsminister darüber informiert, dass 90 % der Bauern an diesem Programm teilnehmen, ihre Produktion extensivieren und den Pflanzenschutzmittelverbrauch reduzieren. (Schluss)