Parlamentskorrespondenz Nr. 464 vom 17.06.2004

AGRARDEBATTE IM HOHEN HAUS

Opposition kritisiert Sammelgesetznovelle

Wien (PK) - Vor Eingang in die Tagesordnung teilte Nationalratspräsident Andreas Khol mit, dass die Koalitionsparteien eine dringliche Anfrage an die Bildungsministerin zum Thema "Bedrohung der österreichischen Bildungslandschaft durch SPÖ-Schulreform-Vorschläge" eingebracht haben. Die Anfrage wird um 15 Uhr behandelt werden.

Im Anschluss daran wird eine kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag der SPÖ für ihren Entschließungsantrag 64/A(E) betreffend Rückerstattung der Mehrwertsteuer für Geräteanschaffungen der Feuerwehren stattfinden.

So wie in der Fragestunde mit Landwirtschaftsminister Pröll dominierten Themen aus der Landwirtschaft auch die anschließende Debatte des Nationalrats unter Vorsitz von Präsident Dr. KHOL. Unter einem diskutiert wurden das Agrarrechtsänderungsgesetz 2004, die Änderung des Bundesgesetzes über das Bundesamt für Wasserwirtschaft, die Novelle zum Pflanzenschutzmittelgesetz sowie die Anträge 375/A, 142/A und 150/A.

Abgeordneter GRADWOHL (S) übte eingangs heftige Kritik am Agrarrechtsänderungsgesetz: Rechnungshof und Verfassungsdienst hätten mehrfach die Praxis kritisiert, in Sammelgesetznovellen verschiedene Materien zu vereinen. Damit würde weder Rechtssicherheit geschaffen noch der Umgang mit Gesetzen für die Bürger erleichtert. "Weniger Sicherheit, mehr Verwirrung", fasste Gradwohl seine Kritik zusammen. Auch der oft geforderte "Schulterschluss" zwischen Produzenten und Konsumenten werde damit nicht gefördert. Seine Fraktion werde daher - mit Ausnahme des Weingesetzes - der Vorlage nicht zustimmen, kündigte Gradwohl an.

Die Positionierung auf dem Markt brauche, gerade im Fall Österreichs mit seiner klein strukturierten Landwirtschaft, "Marken, Marketing und Marketingmittel", sagte Abgeordneter Jakob AUER (V). Der Einsatz von Pestiziden sei in Österreich im Zusammenhang mit ÖPUL zurückgegangen. Die Konsumenten und der Handel hätten in Bezug auf den "Feinkostladen Europas" den Schlüssel in der Hand, statt Qualität setzten sie aber vielfach auf Schleuderaktionen, kritisierte Auer. Gegenüber 2002 schaue der Konsument gemäß einer Umfrage mehr auf den Preis als auf die Qualität, wohingegen für die Produzenten durch zusätzliche Auflagen die Kosten steigen würden. Es gelte die klein strukturierte Landwirtschaft - 60 % der österreichischen Bauern arbeiten im Nebenerwerb - zu erhalten, zumal der ländliche Raum von den bäuerlichen Betrieben abhängig sei.

G-Abgeordneter Dr. PIRKLHUBER warf Landwirtschaftsminister Pröll vor, "blind in die falsche Richtung" zu laufen und kritisierte, dass das Pflanzenschutzmittelgesetz nicht in eine Sammelnovelle gehöre. Scharf wandte sich der Mandatar gegen die Gleichstellung von Pestiziden aus Holland und aus Deutschland - Pestizide aus diesen Ländern würden "ungeschaut zugelassen", Direktimporte überhaupt nicht erfasst. Für die Bauern und die von ihnen erzeugten Lebensmittel drohten damit ernsthafte Schädigungen. Auch die Prüftätigkeit sieht der Abgeordnete als mangelhaft an.

Abgeordneter DI SCHEUCH (F) erinnerte zunächst an die von SP-geführten Regierungen eingebrachten Sammelnovellen, wandte sich dann aber auch kritisch an Minister Pröll, von dem er in der vorangegangenen Fragestunde auf seine Fragen keine Antworten bekommen habe. Agrarpolitik ist nach Scheuch eine "Bekenntnis- und Glaubensfrage", sie sei "Berufsvertretung" und nicht Parteipolitik. Er sei dankbar, dass an der Spitze der Tagesordnung eine Agrardebatte stehe, weil dies ihren Stellenwert unterstreiche. Mit der Einführung von Biodiesel und der Besserstellung der Nebenerwerbsbauern habe die Regierung viel für die Bauern getan, es gebe aber auch kritische Bereiche wie die Sozialversicherung und den Tierschutz.

Sie teile den Respekt gegenüber den Menschen in der Landwirtschaft und den landwirtschaftlichen Betrieben, führte Abgeordnete BINDER (S) aus; umso unverständlicher sei ihr eine Sammelnovelle, die zu Problemen in Anwendung und Vollziehung führe. Kritisch wandte sich die Rednerin auch gegen die Praxis, Berichte wie den Waldbericht im Ausschuss endzuerledigen. Mit der Ausgliederung des Bundesamtes für Wald würde diese Anstalt dem Kontrollrecht des Parlaments entzogen, meinte Binder.

Es brauche Vertrauen in die Produkte der Landwirte und es brauche Vertrauen in die Rechtssicherheit, betonte V-Abgeordneter PRINZ. Kein Verständnis habe er daher für die Versuche der Opposition, "Chaos zu entdecken". Die Landwirte kennten ihre Verantwortung für Konsumenten und Umwelt. An die Konsumenten als entscheidender Gruppe appellierte der Redner, guter heimischer Qualität den Vorzug vor billiger Importware zu geben. Der Konsument fordere Sicherheit, müsse aber auch bereit sein, dafür zu zahlen.

Abgeordnete REST-HINTERSEER (G) stellte zunächst ausführlich einen Fall in Kanada dar, in dem ein Bauer gegen einen Gentechnik-Konzern vor dem Höchstgericht verloren habe. Sie zog daraus den Schluss, dass das Problem der Koexistenz zwischen gentechnisch manipulierten Nahrungsmitteln und biologisch produzierten Lebensmitteln nicht lösbar sei.

Der Vorsitz führende Präsident Dr. KHOL teilte mit, dass die Sozialdemokraten die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend Kampfflugzeuge beantragt hätten. Die dazu verlangte Debatte wird nach Erledigung der Tagesordnung stattfinden.

Die österreichischen Landwirte produzierten teuer in einer Umgebung, die billiger produzieren könne, eröffnete Abgeordneter WITTAUER (F) seine Wortmeldung. Es gehe aber in der Landwirtschaft nicht allein um Kosten, sondern auch um die Sicherung von Arbeitsplätzen. In Österreich geschehe viel, was auch Vorbildwirkung auf Europa habe und was man durchaus - auch als Opposition - einmal loben könne.

Bundesminister DI PRÖLL sagte, die Bauern brauchten Wettbewerbsgleichheit, Sicherheit und Verlässlichkeit und klare Rahmenbedingungen. Die KonsumentInnen brauchten Vertrauen, Sicherheit und Qualität. Verunsicherung sei angesichts der Novelle weder angebracht noch schaffe sie Vertrauen und Sicherheit. Der Minister ging dann auf einzelne Punkte im Agrarrechtsänderungsgesetz ein: mit der Änderung des Pflanzenschutzgesetzes werde eine weitere Harmonisierung des Probenahmeverfahrens umgesetzt; mit der Novelle des Pflanzenschutzmittelgesetzes werde u.a. das Pflanzenschutzmittelverzeichnis und das entsprechende Register zusammen geführt; mit dem Saatgutgesetz würden die Bestimmungen über die Verkehrsbeschränkungen von Saatgutmischungen an das Auslaufen der Übergangsfrist angepasst, durch die vorgesehene Verordnungsermächtigung würde schnelles Reagieren in der Frage gentechnisch veränderten Saatguts ermöglicht; im Weingesetz würden u.a. die Rechtsfolgen bei Unterlassung einer Abgabemeldung bei der Ernte fest geschrieben; die Ausgliederung des Bundesamts für Land- und Forstwirtschaft bedeute die Erreichung der Vollrechtsfähigkeit, wobei keine der bisher erbrachten Leistungen unter den Tisch fallen werde. Mit der Vorlage würden Verlässlichkeit, klare Rahmenbedingungen und Zukunftsperspektiven für die bäuerlichen Betriebe und die Konsumenten erreicht, fasste Pröll abschließend zusammen.

Abgeordneter FAUL (S) zeigte sich von der Argumentation des Ministers nicht überzeugt und übte neuerlich Kritik an der Sammelnovelle sowie im besonderen an der Verordnungsermächtigung. Pröll setze damit die Politik Molterers fort, Stellungnahmen zu Gesetzentwürfen wanderten in den Reißwolf, Gefahren für Umwelt und Lebensmittel blieben bestehen. Die Opposition werde der Bauernfeindlichkeit geziehen, die Konsumenten würden attackiert, kritisierte Freund und betonte: "Qualität hat ihren Preis!"

Beim Pflanzenschutzgesetz gehe es um den Schutz der KonsumentInnen, betonte Abgeordneter FREUND (V). Kein Bauer verwende gern Pflanzenschutzmittel; ihr Einsatz sei aber notwendig. Für Mittel aus den Niederlanden und aus Deutschland gebe es ein eigenes Zulassungsverfahren. Erfreut zeigte sich der Redner darüber, dass Österreich den höchsten Anteil an biologischer Landwirtschaft in Europa habe - der Minister gehe den richtigen Weg.

S-Abgeordneter Mag. GASSNER äußerte sich kritisch zur seiner Meinung mangelhaften Prüf- und Kontrollpraxis in Bezug auf ÖPUL. Er habe auf seine diesbezüglichen Fragen keine Antwort bekommen, und auch die EU habe entsprechende Vorwürfe erhoben. Das Hochwasser habe Pestizidrückstände ausgeschwemmt, inzwischen lägen die Belastungen aber wieder im Grenzwertbereich. Fraglich sei auch, wie der Minister die Direktimporte in den Griff bekommen wolle, sagte Gaßner.

Abgeordneter NEUDECK (F) ging in seiner Wortmeldung auf die Novellierung des Weingesetzes ein und meinte, das Weingesetz habe die Wettbewerbsfähigkeit österreichischer Qualitätsweine gestärkt und sicher gestellt, dass österreichische Weine auf ausländischen Märkten punkten können. Während ausländische Weine in ihrer Werbung den Eindruck von Familienbetrieben erweckten, entspreche dieses Bild viel eher der österreichischen Realität, sagte Neudeck.

Abgeordneter DI KUMMERER (S) übte allgemein Kritik daran, dass 80 % der Förderungen an 20 % der Bauern und Bäuerinnen gingen, sich die Bauern-Sozialversicherung in einem desaströsen Zustand befinde und jedes Jahr die Bauern und Bäuerinnen weniger würden. Er zeigte auch kein Verständnis dafür, dass die Förderung des Agrardiesels von der Fläche abhänge und nicht vom Bedarf. Abschließend ersuchte er den Landwirtschaftsminister, im Sinne des DAC weiter zu arbeiten.

Abgeordneter Ing. WINKLER (V) bezog sich in seiner Wortmeldung auf das Forstgesetz, wo die Streichung der Wohlfahrtswirkungen Beunruhigung ausgelöst habe. Winkler unterstrich in diesem Zusammenhang, dass es sich dabei nur um eine harmlose und formale Korrektur des Textes handle. Prinzipiell meinte er, in der Praxis werde vieles von einem bestausgebildeten Personal vor Ort abhängen.

Abgeordneter REHEIS (S) sprach sich vehement gegen die Gleichstellungsverordnung aus, da man dadurch nicht zum Vertrauen der KonsumentInnen beitragen könne. Wenn man von Feinkostladen und bester Qualität spreche, sei es unverständlich, Kontrollen als Schikane zu empfinden, wie dies Abgeordneter Auer getan hätte. Kontrollen seien eine Sicherstellung sowohl für KonsumentInnen als auch für Bauern und Bäuerinnen. In Bezug auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sprach sich Reheis für zusätzliche Informationen und eine Warnpflicht aus.

Abgeordneter DI HÜTL (V) konzentrierte sich auf die Neuorganisation im Bereich der landwirtschaftlichen Bundesanstalten und Forschungszentren. Diese werde seiner Meinung nach eine effiziente Ressourcenbündelung mit sich bringen.

Abgeordnete SCHÖNPASS (S) vermisste die Übersichtlichkeit durch die Fülle der unterschiedlichen Materien beim vorliegenden Gesetzespaket und befürchtete, dass dadurch die Verständlichkeit verloren gehe. Sie meinte auch, dass das Pflanzenschutzmittelgesetz den KonsumentInneninteressen nicht Rechnung trage, und forderte daher, die Futtermittel als einen Teil der Lebensmittelkette anzuerkennen. In diesem Zusammenhang brachte sie auch einen S-Abänderungsantrag ein.

Abgeordnete SCHIEFERMAIR (V) verteidigte das vorliegende Gesetzespaket und unterstrich, im Sinne der ökologischen Marktwirtschaft gehöre "ökologisch", "ökonomisch" und "sozial" zusammen. Das Abwerten eines dieser Aspekte würde in der Bevölkerung Verunsicherung bewirken. Vielmehr müsse man Brücken bauen und die KonsumentInnen motivieren, österreichische Produkte zu kaufen.

Abgeordnete Mag. SIMA (S) beklagte das aus ihrer Sicht durch die Gleichstellungsverordnung hervorgerufene "heillose Durcheinander". Es sei ein schwerer Fehler gewesen, diese ohne Begleitmaßnahmen zu erlassen. Es gehe nun darum, die Defizite möglichst rasch auszugleichen und die Kontrolle zu verbessern, so Sima.

Für Abgeordnete WALTHER (S) geht die Saatgutgesetznovelle in Richtung von "Taschenspielertricks", da dadurch gentechnisch veränderte Organismen in Verkehr gebracht werden können. Auch Tirol und Vorarlberg hätten sich dazu sehr kritisch geäußert. Die SPÖ werde daher diesen Teilbereichen keine Zustimmung geben, sagte Walther.

Abgeordneter WIMMER (S) vermutete, dass man durch dieses Sammelgesetz etwas vertuschen wolle. Die Herausnahme der Wohlfahrtswirkungen im Forstgesetz konnte er nicht nachvollziehen. Man werde daher sehr genau prüfen, wie ernst die Beteuerungen des Landwirtschaftsministers zu nehmen seien. Bereits jetzt gebe es Probleme mit den Ruhezonen, bemerkte Wimmer. Für ihn ist die freie Begehbarkeit des Waldes ein Grundrecht, das in keiner Weise eingeschränkt werden dürfe.

Abgeordnete Dr. MOSER (G) sieht eine Diskrepanz zwischen den Versprechungen hinsichtlich der Sicherheit für KonsumentInnen und der Tatsache, dass die Lebensmittelsicherheit im Agrarrecht, das heißt im Produzentenbereich, geregelt ist. Dies sei eine unzulässige Vermischung von Interessen der ProduzentInnen und KonsumentInnen. Moser kritisierte auch die Unterdotierung der ausgegliederten Lebensmittelkontrolle und urgierte den Rechnungshofbericht zur Lebensmittelsicherheit, zumal der Rohbericht seit einem Jahr vorliege.

Moser brachte einen Entschließungsantrag der Grünen ein, in dem die Aufstockung der finanziellen Mittel für die ARGES im Interesse eines hohen Niveaus des Gesundheits- und VerbraucherInnenschutzes gefordert wird. Darüber hinaus soll jährlich dem Nationalrat ein Tätigkeitsbericht mit Schwerpunkt Lebensmittel- und Futtermittelkontrolle vorgelegt werden.

Bei der Abstimmung wurde das Agrarrechtsänderungsgesetz 2004, nach getrennter Abstimmung in zweiter Lesung, in dritter Lesung mit V-F-Mehrheit angenommen. Der Entschließungsantrag der Grünen betreffend Aufstockung der Finanzmittel für die ARGES wurde gegen die Stimmen der Opposition von den Regierungsparteien mehrheitlich abgelehnt.

Die Novelle zum Bundesgesetz über das Bundesamt für Wasserwirtschaft wurde einstimmig verabschiedet.

Die Berichte des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den S-Antrag zum Pflanzenschutzmittelgesetz, über einen weiteren G-Antrag zum Pflanzenschutzmittelgesetz, über den S-Antrag betreffend ein agrarisches Betriebsmittelrecht und Lebensmittelrecht sowie über den S-Antrag zum Futtermittelgesetz wurden mit den Stimmen der Regierungsparteien mehrheitlich angenommen, die Anträge sind damit abgelehnt, da es sich um negative Ausschussberichte handelt. (Forts.)