Parlamentskorrespondenz Nr. 502 vom 28.06.2004

THEMEN IM NATIONALRAT: EU-VERFASSUNG UND REGIERUNGSUMBILDUNG

Justizministerin Miklautsch und Staatssekretär Mainoni vorgestellt

Wien (PK) - Nationalratspräsident Dr. KHOL leitete die heutige 69. Sitzung des Nationalrates ein, indem er das Ausscheiden von Justizminister Dr. Dieter Böhmdorfer und von Staatssekretär Dr. Reinhard Waneck aus ihren Ämtern mitteilte und die Ernennung von Mag. Karin Miklautsch zur Justizministerin sowie des Abgeordneten Mag. Eduard Mainoni zum Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Technologie und Innovation bekannt gab.

Außerdem kündigte Präsident Dr. Khol eine von den Grünen verlangte Kurze Debatte zum Thema "Verkauf bundeseigener Wohnbaugesellschaften" an. Es handelt sich um die Besprechung einer diesbezüglichen schriftlichen Anfragebeantwortung des Finanzministers (1560/AB).

Bundeskanzler Dr. SCHÜSSEL leitete seine Erklärung mit dem Hinweis auf die historischen Entwicklungen der letzten Tage und Wochen ein: EU-Erweiterung, Wahlen zum Europäischen Parlament und Beschluss über die Europäische Verfassung. Genau vor 90 Jahren hat die Ermordung des österreichische Thronfolgers und seiner Gattin in Sarajewo Europa in Brand gesetzt und Instabilität in Mitteleuropa ausgelöst. Jetzt werden diese Probleme überwunden, sagte der Bundeskanzler und zitierte Karl Renner, der vor 100 Jahren im Reichstag auf den Unterschied aufmerksam machte, ob Streitigkeiten zwischen Grundbesitzern "mit Heugabeln" oder "auf der Basis eines Grundbuches" ausgetragen werden. "Das "Grundbuch für Europa liegt

nun vor", sagte Schüssel. Der Anspruch, jeder Volksschüler solle die Europäische Verfassung verstehen können, sei in manchen Punkten vielleicht nicht erreicht worden. Grundrechte, auch soziale, die beim EuGH einklagbar sind, Verbot der Todesstrafe, Gleichberechtigung von Mann und Frau, eine klare Ordnung der Institutionen, ein europäischer Außenminister - "die Telefonnummer in Europa, die Henry Kissinger vermisste" - all das sind einfache und leicht verständliche Neuerungen, zeigte sich der Bundeskanzler überzeugt.

Österreich habe wesentliche Anliegen in die neue Verfassung hineinverhandeln können. "Das Wasser und die kommunalen Dienste bleiben unter unserer Kontrolle", sagte Schüssel und führte weiters die Gleichberechtigung der Mitgliedsstaaten und den Umwelt- und Tierschutz an. Außerdem habe sich die Außenministerin bei der EURATOM-Revisionskonferenz durchgesetzt, lobte der Bundeskanzler. Er sprach auch von einem maßvollen Kompromiss in der Frage der einstimmigen Beschlüsse. Es werde möglich sein, rasche europäische Entscheidungen herbeizuführen und dabei zugleich auf die Nationalstaaten Rücksicht zu nehmen. Jede europäische Entscheidung wird künftig eine klare Entscheidung der Mitgliedsstaaten hinter sich haben müssen, so bleibe das Stimmgewicht Österreichs besser gewahrt als im Konventstext vorgesehen, auch das Subsidiaritätsprinzip sei besser kontrollierbar. Während derzeit große Staaten zwei, kleine Staaten aber nur einen Kommissar stellen, wird in Zukunft jedes Mitgliedsland einen Kommissar haben, womit jede Hierarchisierung der Kommission vermieden werden konnte. Diese Regelung gelte für zehn Jahre und könne dann einstimmig verlängert werden.

Der neue Kommissionspräsident Barroso sei ein "langjähriger Profi", der als portugiesischer Außenminister in Angola erfolgreich Friedensverhandlungen geführt habe und als Regierungschef das portugiesische Budgetdefizit wesentlich reduzieren konnte. "Dieser Mann verdient einen Vertrauensvorschuss und hat die volle Unterstützung Österreichs", sagte der österreichische Regierungschef, der sich auch über die Nominierung Javier Solanas zum Außenminister der Europäischen Union sehr positiv äußerte.

Seine Ausführungen zum Thema Regierungsumbildung leitete der Bundeskanzler mit dem Dank an Dr. Böhmdorfer und Dr. Waneck ein. Die aus der Regierung Ausgeschiedenen "haben ganze Arbeit für Österreich geleistet", sagte Schüssel und leitete mit diesen Worten eine Bilanz der Regierungsarbeit der letzten 16 Monate ein. "Es konnte sehr viel weiter gebracht werden. Jene, die jetzt von Stillstand reden, klagten noch vor wenigen Monaten über ein zu hohes Tempo der Reformarbeit", sagte Schüssel und erinnerte an die Beschlüsse über Steuerreform, Familienförderung, Sicherung von Standort und Arbeitsplätzen, Bundestierschutzgesetz, Strafprozessreform, Elternteilzeit und Reform der Forschungslandschaft. Schließlich nannte der Bundeskanzler ÖBB-Reform, Präsentation der Bundesheerreform und die Vorschläge des Teams 04 für die Sicherheitsexekutive - "Wer von Stillstand redet, verschließt die Augen vor der Realität".

Nach 25 Sitzungen mit den Sozialpartnern erwarte er, die Pensionsharmonisierung noch vor dem Sommer präsentieren zu können. "Die neuen Regierungsmitglieder kommen in ein voll arbeitsfähiges Team", sagte der Kanzler und nannte als aktuelle Schwerpunkte der Regierungsarbeit den neuen Finanzausgleich, die Gesundheitsreform und die Erstellung des Budgets für das Jahr 2005.

Vizekanzler GORBACH gab seiner Freude über die Präsentation zweier neuer Mitglieder der Bundesregierung Ausdruck und resümierte die Arbeit seiner Partei in der Bundesregierung seit dem Jahr 2000. Die FPÖ habe das Ziel verfolgt, "Politik mit Herz und Verstand und dem Menschen im Mittelpunkt" zu machen und dabei notwendige Reformen für die Sicherung der Zukunft Österreichs umzusetzen. So sei es dank der Reformkraft der Freiheitlichen gelungen, die Finanzierbarkeit des Pensionssystems zu sichern, die Abfertigung Neu für die arbeitende Bevölkerung zu beschließen, das Kindergeld einzuführen und Österreich zum familien- und jugendfreundlichsten Land Europas zu machen. Gorbach erwähnte auch die Behindertenmilliarde, die zweite Etappe der Steuerreform und die beiden Konjunkturpakete zur Entlastung der Bürger und zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts.

Staatssekretär Waneck habe spürbare Verbesserungen für die Patienten erreicht, die Arzneimittelkosten gesenkt, strukturelle Verbesserungen im Gesundheitssystem herbeigeführt und mit seinen internationalen Kontakten Arbeitsplätze in der Gesundheitsindustrie gesichert. Justizminister Böhmdorfer, "einer der erfolgreichsten Justizminister der Nachkriegszeit", habe hervorragende Arbeit geleistet - zu dessen Erfolgsbilanz gehören die Verschärfung des Sexualstrafrechts, die Einführung lebenslanger Strafen für Drogenbosse, die Modernisierung des Außerstreitverfahrens, die Verbesserung des Opferschutzes und das Gesetz gegen den Sozialbetrug.

Heute nimmt mit Mag. Karin Miklautsch erstmals eine Frau als Justizministerin auf der Regierungsbank Platz, sagte der Vizekanzler und stellte Staatssekretär Mainoni, den man im Nationalrat als engagierten Verkehrssprecher kenne, als Mann vor, der künftig dafür sorgen werde, dass die Forschungsreform beschleunigt umgesetzt werde.

Justizministerin Mag. MIKLAUTSCH präsentierte sich den Abgeordneten, indem sie ihre berufliche Laufbahn in der Kärntner Landesverwaltung schilderte und als oberstes Ziel die Öffnung der Justiz für Bürger und Bürgerinnen, eine verständliche Sprache und nachvollziehbare Entscheidungen nannte. Justizpolitik ist für die neue Justizministerin Gesellschaftspolitik; sie wolle die Reformen weiterführen, wobei sie als Schwerpunkte die Opferhilfe und den Grundsatz "Opferschutz vor Täterschutz" anführte. Die Verfahren im Zivilrecht wolle sie beschleunigen, sie sollen in der ersten Instanz nicht länger als ein Jahr dauern. Strenge Strafen kündigte die neue Justizministerin beim Tatbestand Sozialbetrug an und gab ihre Absicht bekannt, Gender Mainstreaming in ihre Ressortführung einfließen zu lassen.

Abgeordneter Dr. GUSENBAUER (S) zeigte sich mit dem Bundeskanzler einig in der Auffassung, dass die neue Europäische Verfassung große historische Bedeutung habe, erhalten die Bürger Europas doch erstmals eine gemeinsame Verfassung. Trotz mancher noch offener Fragen sei vieles an dieser Verfassung besser als die bisherigen Regelungen, daher begrüße die SPÖ den Beschluss über diesen Verfassungstext. Die nicht nur in Österreich sehr niedrige Beteiligung an den Wahlen zum Europäischen Parlament sah Abgeordneter Gusenbauer als ein großes Problem an und hielt es für notwendig, die EU verstärkt "nach Österreich zu holen". Sein erster  Vorschlag lautete, bei EU-Wahlen die Kandidaten der Parteien für den Kommissionspräsidenten an die Spitze der Wahllisten zu stellen, damit die Bürger Europas darüber entscheiden können, wer die Kommission leitet. Zudem schlug der SPÖ-Vorsitzende vor, europäische Themen nicht nur im Hauptausschuss, sondern häufiger auch im Plenum zu diskutieren, wobei er dafür eintrat, dass der neue österreichische Kommissar die Politik der Kommission im Nationalrat erklärt und mit den Abgeordneten diskutiert. Schließlich fragte Gusenbauer, was geschehen solle, wenn die neue EU-Verfassung in einem der Mitgliedsländer abgelehnt werde. Sein Vorschlag lautete, die EU-Verfassung aufgrund einer Mehrheit der Staaten und einer Mehrheit der Bürger zu beschließen, also eine Volksabstimmung, ein europäisches Verfassungsreferendum abzuhalten.

Dann wandte sich der Chef der großen Oppositionspartei mit der Frage an die Bundesregierung, warum in Österreich so wenig Aufbruchstimmung herrsche, obwohl sich alle Experten einig seien, dass Österreich gemeinsam mit Deutschland am meisten von der EU-Erweiterung profitiere. "Die Menschen, die täglich im Stau stehen oder eine Arbeit suchen, haben nicht den Eindruck, dass diese Erweiterung richtig vorbereitet wurde", analysierte Gusenbauer und warf der Regierung vor, den Aufschwung herbeireden zu wollen, statt ihn zu gestalten. "Unser Vorwurf lautet nicht, die Regierung tue nichts", er laute, die Regierung schaffe mit dem, was sie tut, Probleme, statt sie zu lösen. Als Beispiele nannte Gusenbauer die Universitätsreform und die Kürzung von Mitteln für die Schulen. Die Lehrerinnen und Lehrer haben Probleme bei der Erfüllung ihrer Aufgaben, klagte der Abgeordnete.

Auch sei die Arbeitslosigkeit nicht kleiner geworden, kritisierte Gusenbauer. Den Vorschlag von "Arbeitslosenminister" Bartenstein, die Menschen sollten länger arbeiten und weniger verdienen, wies der Redner als völlig falsch zurück. Die Botschaft dieses Vorschlags sei dieselbe wie die überfallsartig beschlossenen Pensionskürzungen: Demotivation für die österreichischen Arbeitnehmer.

Die Bundesregierung habe die Chance, die die Regierungsumbildung ihr geboten habe, nicht genützt. Sie hat keinen neuen Arbeitsminister, keine neue Bildungsministerin und keine neue Gesundheitsministerin vorgestellt. Hoffnungen auf zukunftsorientierte Reformen in den Bereichen Arbeitsmarkt, Bildung und Gesundheitswesen seien damit enttäuscht worden. "Diese Regierungsumbildung löst kein Problem der FPÖ, der Regierung und des Landes", schloss Abgeordneter Gusenbauer. Wie das Beispiel des einstimmig beschlossenen Tierschutzgesetz zeige - das meilenweit vom ursprünglichen Regierungsentwurf entfernt sei -, werde die Reformarbeit vom Parlament erledigt und nicht von der schwarz-blauen Regierung.

Abgeordneter Mag. MOLTERER (V) meinte, die Europäische Verfassung zeige, dass Europa handelt und Europa den Bürgerinnen dort Antworten gibt, wo die BürgerInnen der „Schuh drückt“. Diese Europäische Verfassung liege nun auf dem Tisch und bringe erstmals für fast 500 Mill. Menschen auf dem Kontinent „gleiche Spielregeln der Demokratie, der Freiheit und der Marktwirtschaft“. Deshalb sage die ÖVP ja zu dieser Europäischen Verfassung. Sie baue auf der guten Arbeit des Konvents auf und sei dank der hervorragenden Arbeit der Staats- und Regierungschefs in wesentlichen Punkten verbessert worden. Bundeskanzler Schüssel habe eine Schlüsselrolle gehabt, weil er als Sprachrohr für die kleinen und mittleren Staaten in der EU eingetreten ist und Österreich in der regionalen Partnerschaft für die Europäische Verfassung eintreten konnte.

Die Verbesserungen, die in der neuen Verfassung grundgelegt sind, betreffen etwa die Garantie der Gleichberechtigung aller Mitgliedstaaten und die Frage der Subsidiarität und Bürgernähe. Es werde zudem ein sozialeres Europa begründet, wird doch die soziale Marktwirtschaft in der EU-Verfassung verankert, das „Österreich-Modell der Sozialpartnerschaft“ auf Europa übertragen und eine Verankerung der Grundrechte vorgenommen. Auch die Zielsetzung der Vollbeschäftigung und der Sozialklausel ist enthalten. Ferner wird auf wichtige österreichische Anliegen Rücksicht genommen, so etwa in der Daseinsvorsorge, auf die Sicherung der Wasserreserven, auf den Tier- und Umweltschutz und auf die Neutralität.

Abschließend dankte er dem früheren Justizminister Böhmdorfer und Ex-Staatssekretär Waneck für ihre Arbeit. Der neuen Justizministerin und den Staatssekretär wünschte er alles Gute und viel Erfolg bei der Arbeit in dieser Bundesregierung, die klare Ziele verfolgt: Österreich im Wettbewerb stärken, soziales Gleichgewicht halten und Sicherheit geben.

Abgeordneter Dr. VAN DER BELLEN (G) listete auf, wie oft einem ausgeschiedenen Bundesminister bis jetzt gedankt bzw. wie oft die Bundesregierung „durchgestartet“ habe: begonnen von Minister Krüger über Minister Schmid, Ministerin Forstinger und Vizekanzlerin Riess-Passer bis hin zu Bundesminister Reichhold, Staatssekretär Waneck und Justizminister Böhmdorfer. Minister Grasser sei zwar auch zurückgetreten, ihm wurde auch für seine vorzügliche Arbeit gedankt, aber er habe es geschafft „durchzustarten“. Wenn nach all diesen Rücktritten immer 100 Tage „Schonfrist“ gegeben wird, dann stehe die Regierung unter einer „Dauerschonfrist“ und die Opposition könnte inzwischen auf Urlaub gehen, sagte Van der Bellen in Richtung der neuen Justizministerin.

Der ÖVP wirft er vor, „für sich Stabilität“ zu suggerieren, während der einzig instabile Partner in der Bundesregierung die Freiheitlichen sind. Diese wiederum versuche man mit Posten, wie zuletzt dem Posten des Rechnungshofpräsidenten, zu „beschwichtigen“. Wie regiert wird, war gestern Abend in „Offen gesagt“ von Böhmdorfer zu hören. Frust wurde bei Böhmdorfer ausgelöst etwa dadurch, dass die Ergebnisse der Regierungskonferenz der EU am Montag vorgelegt wurden, allerdings nur das Deckblatt dazu; am nächsten Tag habe man 10 Minuten vor der entscheidenden Sitzung ein Konvolut von 100 Seiten bekommen.

Laut Abgeordnetem SCHEIBNER (F) haben die SPÖ und die Grünen gehofft, dass es endlich die Bundesregierung „zerreißt“. Diese Regierung sei nicht nur arbeitsfähig, sondern setze Initiativen nicht nur mit schönen Sonntagsreden, sondern für die Bevölkerung Österreichs, betonte er. In wenigen Tagen wird der zweite Teil der größten Steuerreform dieses Landes in Kraft treten, wird ein Entlastungspaket für die Wirtschaft Geltung erreichen, sagte Scheibner, um „Österreich europafit zu machen“; das schaffe und garantiere Arbeitsplätze. Warum ist Gusenbauer dagegen, dass in wenigen Tagen die Pendlerpauschale um 15 % angehoben wird? Warum ist Van der Bellen dagegen, dass wir 250 Mill. € zusätzlich für den Steuerzahler bereit stellen, dass Familieninitiativen gesetzt werden, dass es einen Zuschlag beim Alleinverdienerabsetzbetrag gibt? Warum sind Sie dagegen, dass wir den kleineren und mittleren Einkommen die größte Entlastung geben? – Diese Fragen richtete der Abgeordnete in Richtung SPÖ und der Grünen. Heute werde Justizminister Böhmdorfer nachgeweint, meinte Scheibner und wies gleichzeitig darauf hin, das man sieben Misstrauensanträge gegen Böhmdorfer eingebracht habe. War das oppositionelle Praxis oder sei das ernst gemeint gewesen?

Abgeordneter Dr. EINEM (S) befasste sich vorerst mit der Europäischen Verfassung und erklärte, dass das, was die Staats- und Regierungschefs am 18. Juni beschlossen haben, etwas mehr als 100 Seiten Abänderung gegenüber dem Konventvorschlag beinhalte. Die Regierungen haben sich sehr weit von den Wünschen der Bevölkerung entfernt. Würde man es wirklich für das Hauptanliegen der BürgerInnen halten, die Stimmgewichtung so zu regeln, wie sie jetzt geregelt worden ist? Glauben Sie wirklich, dass die Verschiebung der Verkleinerung der Europäischen Kommission von 2009 auf 2014 das zentrale Anliegen der Menschen gewesen ist? Ist es eine Leistung, die wenigen und schwachen Bestimmungen zur Bekämpfung grenzüberschreitenden Steuerbetruges zu beseitigen? – Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, sagte Einem, betonte aber gleichzeitig, dass es genügend Gründe gebe, ja zur Verfassung zu sagen, komme es doch zu einer Stärkung der Europäischen Parlaments und zur rechtsverbindlichen Verankerung der Europäischen Grundrechtscharta.

Abgeordnete Dr. FEKTER (V) bezog vorerst zur Behauptung von Einem, Bartenstein hätte eine Arbeitszeitverlängerung gefordert, Stellung und wies darauf hin, dass der Wirtschafts- und Arbeitsminister von Arbeitszeitflexibilisierung gesprochen habe, was nicht zwangläufig Arbeitszeitverlängerung bedeute. Als Vorsitzende des Justizausschusses dankte sie dem ausgeschiedenen Minister Böhmdorfer. Die Justizpolitik in den Regierungen Schüssel I und II werde, zeigte sie sich überzeugt, in die Geschichte als „große Reformära“ eingehen. Nie vorher habe es eine derartige Fülle von Neugestaltungen in der Justiz mit konservativer bürgerlicher Handschrift gegeben. Die Zusammenarbeit mit Böhmdorfer war für die ÖVP sehr konstruktiv und effizient, er war ein großer Reformer mit einem Umsetzungswillen und mit Durchschlagskraft, so lautete das Urteil von Fekter über den Ex-Justizminister. Es gab in der Ära Böhmdorfer, so die Ausschussvorsitzende weiter, eine bahnbrechende Mietrechtsreform, ein neues Wohnungseigentumsgesetz, ein modernes Kartellrecht, eine große Reform im Außerstreitgesetz, damit die Unterhaltsregelungen rascher gelöst werden, eine neue Zivilprozessordnung für schnellere Verfahren und das Heimaufenthaltsgesetz, mit dem den Heimbewohnern Mindeststandards gesetzlich garantiert werden.

Abgeordnete Dr. LICHTENBERGER (G) erklärte, Dr. Moser habe in der letzten Zeit gezeigt, wie „objektiv“ er bestimmte Sachen angehe; deshalb sei es wichtig gewesen, ihn so schnell wie möglich „loszukriegen“; darüber werde man aber beim Tagesordnungspunkt „Wahl des Rechnungshofpräsidenten“ diskutieren. Dass nun als sein Nachfolger in der ÖBB der „glücklose Verkehrsminister“ Reichhold, der bei Magna „zwischengeparkt“ worden ist, im Gespräch ist, setze „dem Ganzen die Krone“ auf. Auch dürfte die Parteizentrale vom Sozialministerium ins Verkehrsministerium wandern, denn es hat in der letzten Zeit eine Aufstockung gegeben; somit gebe es jetzt das „größte jemals existierende Kabinett eines Ministers“ im Verkehrsministerium.

Bei der Bewertung der Regierungskonferenz durch den Kanzler bleiben ihrer Auffassung nach manche Fragen offen. Unbeantwortet sei etwa die Frage, wie der Kanzler zu den Versprechen der Außenministerin steht, dass Österreich sofort und ohne Rücksicht auf seine Neutralität an der Zusammenarbeit teilnehmen wird. Wie lässt sich der Verfassungsentwurf samt seiner stärkeren NATO-Bindung mit der Friedenspolitik, die „in Österreich einmal Tradition hatte und zu der ein großer Teil der Bevölkerung steht“, vereinbaren? - Das sei eine jener Fragen, die die Menschen interessiert - nicht die Anzahl, nicht die komplexen Bestellungsmodalitäten für die Kommissare.

Abgeordnete Dr. PARTIK-PABLE (F) warf der Opposition Unsachlichkeit vor und qualifizierte die Aussagen von SPÖ und Grünen als "lächerlich". Sie erinnerte an die langjährige Tätigkeit von Karin Miklautsch als Rechtsanwältin und in der Landesregierung und wies Behauptungen scharf zurück, wonach die neue Justizministerin völlig unerfahren sei. Schon gegen Dieter Böhmdorfer seien die ursprünglichen Anschuldigungen ins Leere gegangen, jetzt werde der scheidende Minister auch von der Opposition gelobt. So habe sich Böhmdorfer als Reformminister erwiesen, unterstrich die FP-Sprecherin und nannte insbesondere die Stärkung der Opferrechte, die Heimvertragsregelung, das Außer-Streit-Gesetz und die Maßnahmen gegen Drogenhändler. Die Rednerin zeigte sich überzeugt, dass auch Karin Miklautsch im Interesse der Staatsbürger eine gute Justizpolitik machen werde.

Abgeordneter Mag. DARABOS (S) sah die Regierung "am Ende". Der Austausch von Personen werde die Koalition nicht gesunden lassen, sagte er. Die FPÖ wäre seiner Meinung nach besser beraten, ihre Politik zu überdenken und sich aus der Umklammerung durch die ÖVP zu befreien. Fest stand für Darabos überdies, dass Jörg Haider nicht der Löser des Problems, sondern ein Teil des Problems selbst ist. Den Bundeskanzler wiederum bezeichnete der Redner als den Verursacher des Chaos, der sich nun nicht aus seiner Verantwortung davonstehlen könne.

Abgeordneter DR. SPINDELEGGER (V) kommentierte die Äußerungen seines Vorredners mit den Worten, Darabos habe bei seinem ersten Auftritt im Hohen Haus nichts anderes gemacht, als die Platitüden aus der Löwelstraße zu wiederholen. Dies sei zuwenig für das Parlament.

In seiner Wortmeldung widmete sich Spindelegger der europäischen Verfassung, wobei er meinte, die Einigung sei ein beeindruckender Meilenstein und Zeichen der Handlungsfähigkeit der Fünfundzwanzig. Europa verfüge nun über ein Fundament, auf dem man weiter bauen kann. In den Fragen der Daseinsvorsorge und der Wasserressourcen, aber auch bei der Beibehaltung des Kommissars sei es Österreich gelungen, sich mit seinen Anliegen durchzusetzen, betonte Spindelegger.

Abgeordnete Mag. STOISITS (G) stellte mit Nachdruck fest, sie weine Böhmdorfer keine Träne nach. Was die Nachfolge im Ressort betrifft, meinte die grüne Justizsprecherin, sie sei keine Spezialistin für Kärntner Wasserqualität und könne Karin Miklautsch daher nicht kommentieren. Es sei aber mehr als verwunderlich, dass jemand, der selbst zugibt, ahnungslos in wesentlichen Fragen des Justizressorts zu sein, in ein derartiges Schlüsselministerium gesetzt wird. Dieser Regierung könne der Rechtsstaat kein großes Anliegen sein, schloss Stoisits.

Abgeordneter Dr. BÖSCH (F) bemerkte, nach der EU-Verfassung und der Erweiterung gehe es nun darum, diese Schritte auch qualitativ zu bewältigen. Wenn das Experiment Europa gelingen soll, dann braucht es Zeit, gab Bösch zu bedenken und sprach sich mit Nachdruck gegen weitere Erweiterungsschritte aus. Seiner Meinung nach sollten nun auch Überlegungen angestellt werden, ob für die EU-Verfassung in Österreich eine Volksabstimmung notwendig sei.

Abgeordnete Mag. KUNTZL (S) hätte sich neben der personellen Umbildung auch eine Runderneuerung in der Bildungs-, der Arbeitsmarkt- und der Pensionspolitik gewünscht - eine Politik, wie sie sagte, "wo sich die Leute nicht mehr fürchten müssen, wenn sie das Wort Reform hören". Bei der neuen Justizministerin vermisste Kuntzl Aussagen über deren politische Vorstellungen, Staatssekretär Mainoni wiederum warf sie vor, sich bereits vom Ziel der Steigerung der Forschungsquote verabschiedet zu haben.

Abgeordneter Dr. Stummvoll (V) betonte, die hervorragende Performance der Regierung habe dazu geführt, dass Österreich heute ein wirtschaftliches Vorzeigemodell in Europa ist. Die zwei neuen Regierungsmitglieder kommen nach den Worten Stummvolls in ein erfolgreiches Team und haben ausgezeichnete Startvoraussetzungen.

Abgeordneter Dr. GRÜNEWALD (G) bezeichnete die Umbildung hingegen als Eingeständnis des politischen Versagens. Mit der Berufung von Karin Miklautsch habe sich die Regierung vom Grundsatz verabschiedet, dass Ministerien über eine kompetente und fachlich richtige Führung verfügen sollen. Grünewald vermutete, der Bundeskanzler habe dies alles in Kauf genommen, um seine Koalition zu erhalten. Braucht Schüssel Kompetenzen im Wasserrecht, weil ihm das Wasser bis zum Hals steht, fragte der Redner.

Abgeordneter DI SCHEUCH (F) überreichte Karin Miklautsch Blumen und zeigte sich überzeugt, dass die neue Ministerin ihren Weg gehen und dabei beweisen werde, dass die Opposition mit ihrer Kritik falsch liegt. Die Aussagen von SPÖ und Grünen wies Scheuch als Parteipolemik und "Menschenhatz" zurück. (Fortsetzung)