Parlamentskorrespondenz Nr. 585 vom 27.07.2004

UMWELTSITUATION IN ÖSTERREICH - LICHT UND SCHATTEN

Bericht 2003 zeigt Gefahren für Artenvielfalt, Klima und Luft auf

Wien (PK) - Umweltminister Josef Pröll hat dem Nationalrat kürzlich den "Siebenten Umweltkontrollbericht" (III-91 d.B.) über den Zeitraum 2001 bis 2003 vorgelegt. "Der Bericht stellt", so der Minister im Vorwort, "der Umwelt in Österreich in weiten Teilen ein gutes Zeugnis aus". Pröll erwähnt die hohe Qualität der Gewässer und der Böden, weist auf die Abnahme wesentlicher Luftschadstoffe (Kohlenmonoxid, Schwefel, Blei) hin, macht auf Erfolge der Abfallwirtschaft aufmerksam und führt mit Stolz aus, dass die Umweltprogramme in der Landwirtschaft greifen und der heimische Biolandbau im europäischen Spitzenfeld liegt.

Pröll nennt aber auch die großen umweltpolitischen Herausforderungen beim Namen: Klimaschutz, Verkehrsemissionen, Stickoxid- und Staubbelastung, Bodenversiegelung, Artenvielfalt und Lärm. Die Entkoppelung des Wirtschaftswachstums vom Ressourcen- und Energieverbrauch sei noch lange nicht gelungen, von nachhaltiger Entwicklung könne noch keine Rede sein. Der Schwerpunkt der Umweltpolitik liegt für den Umweltminister in den kommenden Jahren bei Klimaforschung und Klimapolitik. Und Josef Pröll fügt unmissverständlich hinzu: Die österreichische Klimaschutzstrategie sei konsequent umzusetzen, um das Kyoto-Ziel zur Verringerung der CO2-Emissionen zu erreichen.

LANDWIRTSCHAFT

Ein wichtiger umweltpolitischer Faktor ist die Landwirtschaft, die auf mehr als 40 % der Oberfläche Österreichs betrieben wird. Die reformierte gemeinsame Agrarpolitik biete ab 2005 die Chance, die Vielfalt der Agrarlandschaft zu fördern und die Kulturlandschaft vor Versiegelung, Verbrachung und Verwaldung zu bewahren. Zugleich fürchten Experten aber ein Anhalten der Konzentrationstendenz bei den Betrieben. Hohem Dünge- und Pflanzenschutzmitteleinsatz wirken die Umweltprogramme ÖPUL (Österreichisches Programm für eine umweltgerechte Landwirtschaft) und ÖPFEL (Österreichisches Programm für die Entwicklung des ländlichen Raumes) entgegen. Der Biolandba u vergrößerte seine Fläche von 2000 bis 2002 um 9 % und liegt damit im europäischen Spitzenfeld. Die Berglandwirtschaft sichert sensible Ökosysteme. Da die Gentechnik auf wenig Akzeptanz stoße, wird die Gentechnikfreiheit einzelner Regionen Marktvorteile bringen.

WALD, FORSTWIRTSCHAFT, JAGD

Trotz Zunahme des Laubwaldanteils, fortgesetzter Naturverjüngung und naturnaher Waldbewirtschaftung sind mehr als 50 % der heimischen Waldbiotope in Gefahr. Luftschadstoffe belasten die Bäume und - den vermehrten Abschüssen zum Trotz - schädigt das Schalenwild weiterhin den Wald. Empfohlen werden nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt, nachhaltige Jagd und eine wildökologische Raumplanung.

WASSER UND WASSERWIRTSCHAFT

Gemeinden und Industrie sorgen durch Abwasserreinigung und -vermeidung für eine weitgehend zufrieden stellende Wasserqualität in Österreichs Flüssen und Seen. Handlungsbedarf besteht bei der Renaturierung hydrologisch beeinträchtiger Fließgewässer. Die Situation der Grundwassergebiete ist stabil, die Konzentration kritischer Substanzen wie Nitrat (Düngemittel) und Atrazin (Pflanzenschutzmittel) sinkt weiter. Aufwärtstrends werden aber bei Kalium, Natrium, Chlorid und Orthophosphat festgestellt, die Konzentrationen sind aber fast immer unterhalb des Grundwasserschwellen- bzw. Trinkwassergrenzwertes, resümiert der Umweltkontrollbericht.

ENERGIEWIRTSCHAFT

Der Leser erfährt, dass der Energieverbrauch in Österreich von 2000 auf 2002 um 5,6 % auf 1.279 PJ zunahm, wobei der Beitrag erneuerbarer Energieträger zuletzt 23,1 % ausmachte. Der Inlandsstromverbrauch wuchs von 59.897 GWh im Jahr 2001 auf 60.894 GWh im Jahr 2002. Bis 2008 müssen - über den Wasserkraftanteil hinaus - mindestens 4 % des Stroms "erneuerbar" erzeugt werden. Mit einem 0,86 %-Anteil des Ökostroms (Wind, Sonne, Biomasse, Geothermie) im Jahr 2002 wurde das erste Zwischenziel von 1 % verfehlt. Die Autoren des Umweltkontrollberichts machen darauf aufmerksam, dass das größte Potential für den Umweltschutz in der effizienten Nutzung von Energie und des energischen "Abfalls", vor allem der Abwärme, liegt.

RAUMPLANUNG

Nur 37 % der österreichischen Landesfläche sind für dauerhafte Siedlungen geeignet. Mit dem Boden ist daher besonders effizient und schonend umzugehen. Trotz stagnierender Bevölkerung stieg der Flächenverbrauch für Siedlungs- und Verkehrszwecke seit 1995 um 23 % und die durchschnittliche Wohnnutzfläche pro Person seit 1991 um 15 % auf 38 m2. Der Umweltkontrollbericht warnt vor den Folgen: Zersiedelung, Zerschneidung von Lebensräumen und Flächenverlusten.

VERKEHR

Seit 1980 hat der Personenverkehr um 80 % zugenommen, der Güterverkehr seine Transportleistung verdoppelt. Seit 2000 verwenden die Österreicher mehr Energie für Mobilität als für ihre Haushalte. Problematisch sind die zunehmenden Emissionen von Treibhausgasen, Stickoxiden und Partikeln. Hauptverursacher der Kohlendioxid- und Stickoxidemissionen ist der Verkehr; für den Partikelausstoß sind die vielen Dieselmotoren verantwortlich.

EINSATZ VON PFLANZENSCHUTZMITTELN UND BIOZIDEN

Um schädliche Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt zu vermeiden, wird der Pflanzenschutzmittel- und Biozidmarkt bereinigt. Mehr als die Hälfte der Pflanzenschutz-Wirkstoffe von vor 1991 sind heute nicht mehr zugelassen. Ab 2004 werden die in Holzschutz- und Nagetierbekämpfungsmitteln eingesetzten Wirkstoffe EU-weit bewertet - Zulassungen und Registrierungen sind ab 2006 zu erwarten.

EINSATZ VON GENTECHNISCH VERÄNDERTEN ORGANISMEN (GVO)

Die neue EU-Freisetzungsrichtlinie führt eine einheitliche Methodik für die Risikoabschätzung in die Gentechnik ein und schreibt die Kennzeichnung und Beobachtung zugelassener Produkte verpflichtend vor. Den Konsumenten wird damit die Wahlfreiheit eröffnet. Die Koexistenz unterschiedlicher Produktionsmethoden (biologisch, konventionell, mit GVO) ist die große Herausforderung für die EU-Mitgliedstaaten. 2004 werden in der EU keine neu zugelassenen gentechnisch veränderten Sorten angebaut. Das Ende des Moratoriums für die Marktzulassungen von GVO stehe aber unmittelbar bevor, heißt es im Umweltkontrollbericht 2003.

INDUSTRIE

Industrie und Kraftwerke verbrauchen 25 % der Energie, 66 % des Wassers sowie große Mengen mineralischer Rohstoffe - und sie verursachen Emissionen in Luft und Wasser. Vor allem bei der stofflichen und energetischen Nutzung von Abfällen ist es daher notwendig, den Stand der Technik zur Entlastung der Umwelt zu nutzen. Die Möglichkeiten vorhandener Umwelttechnologien sollten  insbesondere auch bei Staub und Stickoxiden ausgeschöpft werden, schlagen Umweltexperten vor.

ABFALLWIRTSCHAFT

Die jährliche Abfallmenge ist seit 1999 stabil und betrug 2003 48,6 Mill. t. Die gefährlichen Abfälle (0,92 Mill. t/2002) bestanden zu 30 % aus kontaminierten Böden und zu 20 % aus Rückständen der Abfallverbrennung. Haushaltsabfälle nahmen zu und lagen 2000 bei 3,2 Mill. t. 27 % davon wurden direkt deponiert. Seit 1.1.2004 (Ausnahmen bis 2009) ist eine thermische oder mechanisch-biologische Vorbehandlung heizwertreicher Abfällen vor der Deponierung vorgeschrieben.

ALTLASTEN

Von den 222 ermittelten Altlasten wurden 53 bereits saniert, 24 davon in den letzten 3 Jahren. Mit den zur Verfügung stehenden Mitteln kann die Altlastensanierung in den nächsten Jahrzehnten aber  nicht abgeschlossen werden. Bessere Gesetze, neue Sanierungstechniken und die Nachnutzung industrieller Brachflächen werden das Sanierungsprogramm beschleunigen, hoffen die Autoren des Berichts.

LÄRM

Im Jahr 1998 fühlten sich 28 % der Österreicher bei Tag und/oder Nacht durch Lärm gestört, wobei als Hauptverursacher der Verkehr genannt wird. Die Einhaltung der von der WHO empfohlenen Richtwerte für vorbeugenden Gesundheitsschutz ist für große Teile der Bevölkerung nicht gewährleistet. Die EU-Umgebungslärmrichtlinie aus dem Jahr 2002 enthält Lärmkarten, die für die Lärmbekämpfung auf europäischer und nationaler Ebene zur Verfügung stehen.

LUFT

Erheblichen Fortschritten bei manchen Schadstoffen stehen deutliche Grenzwertüberschreitungen bei Feinstaub (PM10) und Ozon gegenüber. Hauptverursacher sind Straßenverkehr, Hausbrand, Industrie und teilweise der Ferntransport. Vereinzelte Grenzwertüberschreitungen sind bei Stickstoffdioxid (Verkehr) und Schwefeldioxid (Industrie, Ferntransport) zu beobachten. Dieselben Verursacher stoßen die Ozonvorläufer-Substanzen VOC und NOx aus und sind auch für Überschreitungen der Ozonschwellenwerte verantwortlich. Die Immissionskonzentration von Schwermetallen liegt in fast allen Gebieten zum Teil deutlich unter den festgelegten Werten. Weitere punktuelle Reduktionsmaßnahmen sind im Nahbereich einzelner Industriebetriebe erforderlich.

BODEN

Der Zustand des Bodens ist generell gut, lokal sind Böden aber durch Schadstoffanreicherungen, zunehmenden Flächenverbrauch, Versiegelung und Erosion gefährdet. Auf EU-Ebene wird eine gemeinsame Bodenstrategie erarbeitet. Die Autoren des Berichts empfehlen eine verstärkte Bewusstseinsbildung für den Bodenschutz.

BIOLOGISCHE VIELFALT

Laut Umweltkontrollbericht 2003 sind 60 % der Farn- und Blütenpflanzen, 50 % der Wirbeltiere und 57 % der Waldbiotope gefährdet, eine Trendumkehr sei nicht erkennbar. Als Hauptursachen werden genannt: strukturelle Veränderungen und Zerstörung der Landschaften durch Flächenversiegelung und Landschaftszerschneidung, Stoffeinträge in die Umwelt, nicht nachhaltige Nutzung der biologischen Ressourcen, Auftreten gebietsfremder Arten und klimatische Veränderungen. Bundesweite Untersuchungen zum Ausmaß der Beeinträchtigungen sollen gestartet werden.

NATURSCHUTZ

Die EU hat im Dezember 2003 das Schutzgebietsnetzwerk "Natura 2000" für die alpine Region beschlossen. Österreich hat 95 Gebiete (14,7 % der Landesfläche) nach der Vogelschutz-Richtlinie sowie 160 Gebiete (10,6 % der Landesfläche) nach der Richtlinie für "Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse, für deren Erhaltung besondere Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen" vorgeschlagen. Trotzdem konnte der fortschreitende Verlust an Biodiversität nicht aufgehalten werden. Nicht nur Tier- und Pflanzenarten sind in steigendem Maß gefährdet, auch die Lage der Lebensräume selbst ist ungünstig. Der Schutz der Artenvielfalt müsse in andere Politikbereiche wie Land-, Forstwirtschaft oder Raumplanung integriert werden, schreiben die Autoren des Berichts.

NATIONALPARKS

Seit der Gründung des Nationalparks Gesäuse im Jahr 2002 erstreckt sich das österreichische Nationalparkgebiet nunmehr über eine Fläche von 2.505 km2. Erweiterungen in größerem Umfang sind derzeit nicht geplant. Zustand und Management der Parks sind im internationalen Vergleich vorbildlich. Verbesserungspotential existiert in der Zusammenarbeit der Parkverwaltungen bei der Forschungskoordination, bei der Überarbeitung der Managementpläne und deren konsequenter Umsetzung.

ALPINE REGIONEN

Steigende Nutzungsansprüche in sensiblen Naturräumen belasten die Umwelt. Waldinventur und Wildschadensbericht zeigen die mangelnde Verjüngungsfähigkeit des Bergwaldes durch Wildverbiss auf. Um die Schutzwirkung langfristig zu sichern, ist eine ausreichende Jagd nötig. Dazu kommt der Verlust landschaftlicher und biologischer Vielfalt durch fortschreitenden Rückgang der Agrarflächen infolge abnehmender wirtschaftlicher Attraktivität. Bahnausbau und Verkehrslenksysteme sollten den steigenden Verkehrsbelastungen entgegenwirken. Dem zunehmenden Flächenverbrauch und ausschließlich ökonomisch orientierten Tourismuskonzepten sind im engen alpinen Dauersiedlungsraum Grenzen zu setzen. - Diese Forderungen, 2002 in der Alpenkonvention verankert, müssen nun umgesetzt werden, ruft der Umweltkontrollbericht 2003 in Erinnerung.

TREIBHAUSGASEMISSIONEN UND KLIMAWANDEL

Der Großteil der Erwärmung der Erdatmosphäre in den letzten 50 Jahren ist Folge der Emission von Treibhausgasen. Extreme Wetterereignisse (Starkregen, Hitzewellen) werden häufiger. Die Reduktionsziele im Kyoto-Protokoll sind ein erster Schritt zur Stabilisierung der Treibhausgas-Konzentrationen. Österreich ist seinem Kyoto-Ziel (minus 13 % bis zum Jahr 2010 auf Basis der Werte von 1990) aber nicht näher gekommen, sondern verzeichnete seit 1990 einen Anstieg der Emissionen um über 10 %. Den größten Zuwachs beim steigenden Einsatz fossiler Brennstoffe verzeichnete der Verkehrssektor (plus 62 % seit 1990). Es bedarf daher dringend zusätzlicher Maßnahmen, um die jährlichen Emissionen zu reduzieren. Zugleich müssen Anpassungsstrategien an die Auswirkungen des Klimawandels, etwa an Hochwässer, voran getrieben werden.

HOCHWASSER 2002 

Die Hochwasserereignisse im August 2002 haben große Teile des Bundesgebietes in einem bisher unbekannten Ausmaß betroffen. In erster Linie waren Ober- und Niederösterreich in Mitleidenschaft gezogen, wo auch Gebiete überschwemmt waren, die bisher als hochwassersicher galten. Die Autoren des Umweltkontrollberichts empfehlen, die Ursachen zu analysieren und Schritte zur Vorsorge zu setzen. (Schluss)