Parlamentskorrespondenz Nr. 645 vom 22.09.2004

PENSIONSMODELL DER GRÜNEN GIBT ANLASS ZU NEUERLICHER PENSIONSDEBATTE

Dringlicher Antrag auf "existenzsichernde Grundsicherung" abgelehnt

Wien (PK) - Ein Dringlicher Antrag der Grünen betreffend "Grundsicherung statt Pensionskürzungen für Frauen und jüngere Menschen" bot die Basis für eine neuerliche umfassende Pensionsdebatte.

In der Begründung des Dringlichen Antrags skizzierte Abgeordneter ÖLLINGER (G) das Pensionsmodell seiner Fraktion sowie das grundsätzliche Ja der Grünen zur Harmonisierung der Pensionssysteme und zur Durchrechnung der Erwerbszeiten. Voraussetzung sei jedoch, dass der gleiche Beitrag die gleiche Leistung bedeuten müsse. Darüber hinaus sei die Einführung einer Grundsicherung für alle notwendig, um die Folgen der lebenszeitlichen Durchrechnung abzufedern. Die Formel 45-65-80 entspreche nämlich einem Lebensarbeitszeitmodell, das mit der Realität nichts mehr zu tun habe. Unabhängig von Erwerbsverläufen, von Geschlecht, Arbeitsdauer und Ausbildung bedürfe es einer Grundsicherung für alle, zu der zusätzlich die Versicherungspension komme.

Das Problem liege in erster Linie bei den 45 Jahren, sagte Öllinger, weil viele infolge längerer Ausbildung oder weil sie keine Anstellung finden, erst später in das Erwerbsleben einsteigen können; auf Grund von neuen Verträgen, wie beispielsweise für die UniversitätsassistentInnen, werde ein durchgehendes Erwerbsleben unmöglich gemacht. Schwerarbeiter wiederum könnten keinesfalls 45 Jahre lang arbeiten.

Der Sozialsprecher der Grünen hielt auch fest, dass die Grünen bereit seien, Modelle zu diskutieren, durch die Pensionsausgaben stabilisiert werden. Einer Kürzung hingegen könnten sie nicht zustimmen.

Um seine Kritik am vorliegenden Modell zu untermauern, zitierte Öllinger Beispiele aus Berechnungen des Sozialministeriums, die zeigen, dass die Reform 2003 Pensionskürzungen bis zu 10 % bringe, mit dem nun vorliegenden Modell die Kürzungen in den Jahren 2014-2016 sogar auf 20 % ansteigen und dann wieder auf 5 - 10 % fallen würden. Das könne man nicht als gerecht bezeichnen, stellte er fest. Das nun vorliegende Ergebnis verunsichere die Menschen. Er befürchtet aber, dass die Regierung dieses trotzdem nun innerhalb von ein bis zwei Monaten durchpeitsche möchte.

Staatssekretärin HAUBNER (F) widersprach dieser Argumentation heftig und meinte, die Formel 45-65-80 sei sowohl in der Arbeiterkammer als auch in der Gewerkschaft als auch innerhalb der SPÖ unbestritten und diene der Erhaltung des Lebensstandards. Der Vorwurf, das Modell sei zu kompliziert, greife deshalb nicht, weil Übergangsbestimmungen im Hinblick auf den Vertrauensschutz notwendig seien. Es sei auch nicht leicht, den Wust unterschiedlicher Systeme zu beseitigen. Dennoch sei es gelungen, den Entwurf sozial ausgewogen zu gestalten und, wo notwendig, Sonderbestimmungen festzulegen. So würden in Zukunft Versicherte mit langen Beitragszeiten und besonderen Belastungen weiterhin früher in Pension gehen können, und zwar mit wesentlich geringeren Abschlägen. Kindererziehung und Präsenzdienst würden anerkannt, sodass das System auf individuelle Lebensläufe einzugehen versuche.

Haubner betonte, dass die Frauen Gewinnerinnen der Reform seien, da pro Kind 48 Monate anerkannt würden. Ebenso angerechnet würde die Pflege behinderter Kinder und naher Verwandter und auch die Zeiten der Notstandshilfe würden berücksichtigt werden. Haubner wies auf das freiwillige Pensionssplitting hin und betonte, dass noch bis zum Jahr 2017 Frauen vor dem 60. Lebensjahr in Pension gehen können. Die Staatssekretärin rechtfertigte auch den Rückgriff auf die Mittel des Familienlastenausgleichsfonds.

Die von den  Grünen vorgeschlagene Grundsicherung lehnte Haubner ab, da die Regierung einen anderen Zugang habe, der aus ihrer Sicht leistungsorientiert, gerecht und sozial ausgewogen sei. Statt der bisher 15 Jahre soll man nun bereits nach sieben Jahren Erwerbstätigkeit Anspruch auf die Pension haben; Arbeitslosigkeit, Krankheit, Familienhospiz und Notstand würden als echte Beitragszeiten und nicht als Ersatzzeiten anerkannt. Eine zusätzliche Grundpension von € 650 aber würde eine budgetäre Mehrbelastung von 4,5 Mrd. € bedeuten. Abschließend betonte Haubner, dass die Harmonisierung den Frauen eine eigenständige Alterssicherung bringe und der Jugend eine langfristige Perspektive eröffne.

Abgeordnete Dr. GLAWISCHNIG (G) führte demgegenüber ins Treffen, dass die Formel 45-65-80 für Frauen und Jugendliche unrealistisch sei. Betrachte man die Entwicklung der Verläufe der Erwerbstätigkeit, so zeige sich, dass die Formel die Situation verschärfen würde. Darüber hinaus bringe die angestrebte Reform keine gerechte Verteilung, argumentierte Glawischnig und merkte an, dass derzeit 7 % der PensionistInnen 25 % der Pensionen beziehen, 21 % der PensionistInnen 7 % der Pensionen. Durch ein Sockelmodell wäre jedoch ein Ausgleich möglich, dieses sei aber nie ernsthaft durchgerechnet worden. Die Sockelpension sei nicht zusätzlich gemeint, erläuterte Glawischnig, sondern diene der Absicherung vor Armut. Dazu komme dann die versicherungsmathematische Pension und eventuelle eine Privatversicherung, die jedoch staatlich nicht gefördert werden sollte.

Glawischnig kritisierte darüber hinaus, dass es bis zum Jahr 2050 ein "Sammelsurium an Parallelrechnungen" geben werde, was zu Unübersichtlichkeit und Verunsicherung führe. Sie bezweifelte auch, dass es mit dieser Reform getan sei, da der Familienlastenausgleichsfonds bald ein enormes Defizit aufweisen würde.

Abgeordnete SCHEUCHER-PICHLER (V) warf wiederum der Opposition vor, mit der Angst der Menschen zu operieren und sie zu verunsichern. Die ÖVP hätte eben einen anderen Zugang als die Grünen. Man wolle weg vom Versorgungsprinzip hin zu einer gerechten Leistung. Die älteren Menschen sollten die erarbeiteten Lebensstandards durch die erste Säule erhalten können. Dem gegenüber strebten die Grünen quasi eine Enteignung an, was eine Gleichmacherei wäre und dem Versicherungsprinzip widerspreche. Das Pensionssystem könne nicht alle Ungerechtigkeiten der letzten Jahrzehnte ausgleichen, sagte Scheucher-Pichler, sie betonte jedoch, dass die Regierung 1 Mrd. € investiere, um die Ersatzzeiten besser zu bewerten. Experten hätten klar festgestellt, dass Frauen die Gewinnerinnen der Pensionsharmonisierung seien.

Abgeordnete SILHAVY (S) forderte von einer Reform, dass sie nicht den Menschen Mut zum Risiko abverlange, sondern mit mehr Sachverstand mehr Sicherheit und Gerechtigkeit mit sich bringe. Die Vorschläge der Grünen sähe sie allerdings auch kritisch, man werde aber dem Antrag dennoch zustimmen, damit es zu einer genauen Berechnung komme und eine öffentliche Debatte darüber möglich werde. Die Diskussion müsse versachlicht, die Ungerechtigkeiten des Regierungsmodells müssten endlich aufgehoben und nicht, wie hier geplant, auch noch verschärft werden. Generell monierte die Rednerin mehr Gerechtigkeit insbesondere für Frauen, aber auch für ASVG-Versicherte und trat für entsprechende Verbesserungen der bisher vorliegenden Entwürfe ein.

Abgeordneter DOLINSCHEK (F) bezeichnete das alte Pensionssystem als nicht mehr zeitgemäß. Es habe Ungerechtigkeiten fortgeschrieben und werde von der Bevölkerung nicht mehr akzeptiert. Daher müsse das System harmonisiert werden. Das Modell der Grünen sei nicht finanzierbar und zudem unfair. Die Regierung hingegen habe sich auch der Frauen angenommen und durch die Harmonisierungsreform würden die Frauen finanziell profitieren, zeigte sich Dolinschek überzeugt. Hier werde eine familienpolitische Großtat gesetzt, während die Gewerkschaft bislang geschlafen habe. Die Regierung wolle die Pensionen nachhaltig sichern, und dem dienten die in Rede stehenden Entwürfe.

Bundesministerin RAUCH-KALLAT zeigte sich ebenfalls zufrieden mit den vorliegenden Plänen, die in die richtige Richtung wiesen. Mit der Harmonisierung würde der richtige Weg konsequent weiterbeschritten und den geänderten Bedingungen Rechnung getragen. Frauen seien keine "armen Hascherl" und wollten Gleichberechtigung. Sie leisteten dieselbe Arbeit wie die Männer, was man auch anerkennen sollte. Wo der Erwerbsverlauf unterbrochen werde, etwa durch Kindererziehungszeiten, reagiere die Regierung durch entsprechende flankierende Maßnahmen, sodass man von einem fairen und gerechten Modell für alle sprechen könne, von dem vor allem Frauen aus einkommensschwächeren Schichten profitierten. Sodann wies die Ministerin auf weitere Verbesserungen, etwa auf den Gebieten des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe, hin.

Abgeordnete Mag. WEINZINGER (G) bezweifelte die Fairness und die Gerechtigkeit dieser Reform und meinte, sie werde nicht allein schon deshalb "fair und gerecht", bloß weil dies von Vertretern der Regierungsparteien wiederholt behauptet werde. Die Gleichbehandlung von Frauen könne sie in diesem Pensionsmodell jedenfalls nicht erkennen, meinte die Rednerin. Vielmehr seien viele Frauen gezwungen, in schlecht bezahlte und prekäre Arbeitsverhältnisse einzutreten, und genau diese Frauen kämen durch diese Reform zum "Handkuss". Sodann erklärte die Rednerin das grüne Pensionsmodell in seinen Einzelheiten.

Abgeordnete STEIBL (V) unterstützte die Argumentation der Bundesministerin und wies darauf hin, dass die SPÖ zwar das Modell der Grünen ablehne, dem diesbezüglichen Antrag aber zustimmen werde. Die Regierungsparteien hätten hingegen ein klares Modell, das fair und gerecht sei und die Pensionen nachhaltig sichern werde. Bei der ÖVP heiße es eben handeln statt zu versprechen, umsetzen statt blockieren. Davon würden vor allem die Frauen profitieren, zeigte sich die Rednerin überzeugt.

Abgeordnete BURES (S) verteidigte die Vorgangsweise der SPÖ in der Frage dieses Antrages. Man wolle die entsprechenden Zahlen dieses Modells durchrechnen und so eine sachliche Debatte zu diesem Thema initiieren. Während die SPÖ um eine echte zukunftsorientierte Lösung der Pensionsproblematik bemüht sei, präsentiere die Regierung eine "Mogelpackung" und bewirke so eine weitere Pensionskürzung wie schon im Vorjahr. Mit der aktuellen Reform der Regierung würde die Ungerechtigkeit einzementiert, vor allem Frauen seien abermals unter den Verlierern, gäbe es hier doch eine Ungleichbehandlung, und das hätten die Regierungsparteien zu verantworten. Es habe die Chance gegeben, ein faires Pensionsmodell zu entwickeln, doch die Regierung habe diese Chance nicht genutzt. Vielmehr treibe die Regierung viele Menschen in die Altersarmut, während die SPÖ sich weiterhin um eine gerechte Lösung bemühe.

Abgeordnete DI ACHLEITNER (F) warf der SPÖ vor, zu ihrer Regierungszeit positive Taten unterlassen zu haben und nun von ihren eigenen Fehlern ablenken zu wollen. Das grüne Modell sei unrealistisch und nicht zu finanzieren, allein das Regierungsmodell garantiere eine gerechte Lösung für die Zukunft.

Abgeordnete REST-HINTERSEER (G) beleuchtete das Problem aus der Sicht der Landwirtschaft, wo sie massive Probleme für Bergbäuerinnen ortete und auf die fehlende Harmonisierung zwischen Groß- und Kleinbauern, zwischen Vollerwerbs- und Nebenerwerbsbauern verwies. Anhand konkreter Beispiele zeigte die Rednerin entsprechenden Verbesserungsbedarf auf und trat für das Grundsicherungsmodell ihrer Fraktion ein.

Abgeordnete MAREK (V) erinnerte daran, dass die Einkommensschere zwischen Männern und Frauen schon in Zeiten einer SP-Regierungsdominanz auseinandergegangen sei. Die ÖVP-Frauen setzten sich für die Anliegen der Frauen ein, was auch im vorliegenden Regierungsmodell zu bestmöglichen Rahmenbedingungen geführt habe, wie die Rednerin auch an konkreten Beispielen erläuterte. Die Regierung denke eben an Morgen, während die Opposition im Gestern verharre. In diesem Sinne brachte die Rednerin einen entsprechenden V-F-Entschließungsantrag ein.

Abgeordneter SPINDELBERGER (S) drängte auf eine faire und gerechte Pensionsharmonisierung mit gleichen Pensionen für alle. Der Redner kritisierte, dass gleiche Beiträge auch in Zukunft nicht zu gleichen Pensionen führen werden und beklagte die unterschiedliche Behandlung von Beamten und ASVG-Pensionisten sowie von Frauen und Männern beim Pensionskorridor. Die Bundesregierung sollte der Realität ins Auge blicken und erkennen, dass die Frauen die Hauptverlierer der Pensionsreform sind. Bis 2007 profitieren 2000 Frauen von der Reform, aber mehr als eine Million Frauen haben massive Pensionsverluste zu erwarten.

Abgeordnete Dr. BLECKMANN (F) empfahl ihrem Vorredner zu beachten, dass die Pensionen der nächsten zehn, fünfzehn Jahre auf rechtlichen Grundlagen ruhen, für die die SPÖ die politische Hauptverantwortung trage. Erst jetzt gehe man an die Verbesserung der Pensionsanrechnung für Frauen, dieses wichtige Ziel habe die SPÖ vernachlässigt. Ihre Forderung nach Verbesserungen für Frauen hielt die Rednerin auch dem Verlangen der Grünen nach gleicher Pension für alle entgegen. Wir streben im Rahmen der Pensionssicherung für alle Österreicher eine Erhöhung niedriger Pensionen und eine eigenständige Pension für alle Frauen an - und dieses Ziel werden wir erreichen, sagte Bleckmann.

Abgeordnete CSÖRGITS (S) machte die ÖVP-Redner darauf aufmerksam, dass bei Kollektivvertragsverhandlungen immer zwei Partner am Verhandlungstisch sitzen und es nicht nur vom ÖGB abhänge, welche Frauenanliegen in der Wirtschaft umgesetzt werden können. Ein gravierendes Problem sei, dass Frauen nach der Babypause Schwierigkeiten haben, wieder in den Arbeitsprozess zu finden. Dadurch verschärften sich die Einkommensunterschiede. Den Kündigungsschutz bei der Einführung des Kinderbetreuungsgeldes zu verschlechtern, sei kein Beitrag zur Motivation der Väter gewesen, in Karenz zu gehen, warf Csörgits der Regierung vor.

Die SP-Gewerkschafter hätten bei den Verhandlungen für die Pensionsharmonisierung den Verhandlungstisch deshalb verlassen, weil ihre Forderung nach Rücknahme der Pensionsreform 2003 von der Regierung verweigert wurde. Zudem fehlten Maßnahmen, damit die Menschen länger gesund im Arbeitsprozess bleiben können sowie für die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, sagte Abgeordnete Csörgits.

Abgeordneter WALCH (F) warf den Sozialdemokraten vor, für die Vielzahl verschiedener Pensionssysteme und damit für die Ungerechtigkeit des bisherigen Systems verantwortlich zu sein. Die Kritik der Oppositionsparteien an der beabsichtigen Pensionsharmonisierung wies der Redner zurück. Die Vorschläge der Grünen enthielten Widersprüche hinsichtlich der Finanzierung, sagte Walch und wies darauf hin, dass die Grünen einerseits über drohende Defizite im Familienlastenausgleichsfonds klagen, andererseits aber ihre eigenen Forderungen mit FLAF-Mitteln finanzieren wollen. Stolz zeigte sich der Redner auf die Umsetzung seiner Forderung bei der Pensionsharmonisierung: 45 Jahre sind genug!

Abgeordneter RIEPL (S) wandte sich gegen die Verunglimpfung sozialdemokratischer Gewerkschafter durch Redner der ÖVP und machte darauf aufmerksam, dass Kollektivvertragsverhandlungen auch von Christgewerkschaftern geführt werden. Riepl zeigte sich aber bereit, bei Kollektivvertragsverhandlungen gemeinsam mit der ÖVP für Frauenanliegen einzutreten.

Abgeordnete MANDAK (G) erklärte Abgeordnetem Walch den Vorschlag der Grünen, Pensionsersatzzeiten jeweils aus dem zuständigen Fonds, im Fall von Kindererziehungszeiten also aus dem FLAF, zu bedecken.

Da die durchschnittliche Frauenpension unter der Ausgleichszulage liege, heiße das Problem Altersarmut der Frauen und die Lösung Überwindung dieser Armut. Daher gelte es, die Pensionsreform 2003 nach den Kriterien des Gender-Mainstreaming zu beurteilen. Mandak räumte Verbesserungen für die Frauen ein, diese reichten aber bei weitem nicht aus. Außerdem bringe die Pensionsharmonisierung keine Harmonisierung. Das grüne Grundsicherungsmodell würde Antworten auf viele Fragen geben, die eine geänderte Arbeitswelt und veränderte Erwerbsbiographien an ein Alterssicherungssystem stellen.

Abgeordneter Mag. MOLTERER (V) reklamierte für die Debattenbeiträge seiner Fraktion Substanz, während er bei den Rednern der Opposition lediglich Überschriften sah. Ihm gehe es um ein faires und gerechtes Pensionssystem. Dazu gehöre die lebenslange Durchrechnung und die Umsetzung der Formel 65:45:80. Diese auch von der SPÖ geforderten Grundsätze werden nun umgesetzt, die SPÖ habe aber nicht den Mut, zuzustimmen. Molterer bekannte sich zur Balance zwischen Alt und Jung, Beitragszahlern und Pensionisten sowie zur Gerechtigkeit zwischen den Berufsgruppen. "Wir haben den Mut zu einer sicheren und modernen Alterssicherung".

Bei der Abstimmung erzielte der Dringliche Antrag der Grünen betreffend Grundsicherung statt Pensionskürzungen für Frauen und jüngere Menschen keine Mehrheit und wurde abgelehnt.

Der V-F-Entschließungsantrag betreffend Gerechtigkeit bei der Pensionsharmonisierung wurde mehrheitlich angenommen.

KURZDEBATTE ZUM THEMA GENTECHNIK IN DER LANDWIRTSCHAFT

Abgeordneter Dr. PIRKLHUBER (G) mahnte vorweg die Verantwortung der Bundesregierung beim Thema Gentechnik ein, deren Gefahren heruntergespielt werden, obwohl die Wissenschaft immer wieder warne, jüngst etwa vor der weiten Verbreitung von Pollen gentechnisch veränderter Pflanzen und ihrer Einkreuzung in Wildpflanzen sowie vor Organveränderungen bei Haustieren durch gentechnisch veränderte Organismen (GVO) in Futtermitteln. 17 GVO-Sorten sind bereits in das EU-Register eingetragen. Da die Regierung beabsichtige, die Freisetzungsrichtlinie umzusetzen, sei mit Freisetzungen zu rechnen, ohne dass Schwellenwerte festgelegt und die offene Haftungsfrage geklärt sei, kritisierte Pirklhuber und sah die Lebensmittelsicherheit in Gefahr.

An die FPÖ appellierte der Redner, sich an ihre alte Forderung nach Gentechnikfreiheit in Österreich zu erinnern. Angesichts der Gefahr gentechnischer Verunreinigungen im Saatgut forderte der Redner strengere Kontrollen in Österreich. Überdies sei zu gewährleisten, dass alle Milchverarbeiter, die das wollen, gentechnikfreie Milch bekommen können. Das Gentechnik-Schutzpaket der Grünen zielt daher auf die Unterstützung gentechnikfreier Produktion durch die Länder, die Absicherung gentechnikfreier Saatgutproduktion in Österreich,  die Klärung der Haftungsfrage, ein Verbot von GVO in ökologisch sensiblen und in ökologisch wirtschaftenden Agrargebieten sowie ein Verbot experimenteller Freisetzungen. Vom Minister verlangte der Redner Vorschläge für die dafür notwendigen legistischen Rahmenbedingungen.

Bundesminister PRÖLL bekräftigte die einheitliche österreichische Position in der Gentechnikfrage und warnte davor, die Konsumenten zu verunsichern. Das Moratorium zur Verhinderung gentechnisch veränderter Organismen (GVO) in der EU hält seit 1998, erinnerte Pröll. Seit April dieses Jahres gelte eine neue rechtliche Situation in der EU. Nun könne jeder Konsument klar entscheiden, ob er gentechnisch veränderte Lebensmittel kaufen wolle oder nicht und es gebe strenge Schwellenwerte bei Verunreinigungen von Saatgut.

Österreich habe sich erfolgreich gegen Zutrittswünsche für GVO von Seiten der EU gewehrt und Österreich werde laut Pröll auch in Zukunft gentechnikfrei produzieren. Das Österreichische Programm für eine umweltgerechte Landwirtschaft (ÖPUL) hielt er aber für nicht geeignet, um die Gentechnik aus Österreich fernzuhalten, weil dies ein freiwilliges Programm sei. Dagegen sei die Eintragungspflicht von Bauern, die Gentechnik verwenden wollen ebenso streng geregelt wie die Haftung. In der Koordinierung gentechnikfreier Zonen setzt der Minister auf der Grundlage diesbezüglicher EU-Bestimmungen auf Freiwilligkeit. Minister Pröll will die Gentechnikcharta Punkt für Punkt umsetzen und zu einem politischen Erfolg machen.

Abgeordneter SIEBER (V) stellte fest, dass das Thema Gentechnik in der EU in einer Weise diskutiert werde, die die Österreichern nicht "schmeckt". Man dürfe den Kopf aber nicht in den Sand zu stecken. Haftungsregelung und die verpflichtende Eintragung in ein Gentechnikregister für Anwender sei die richtige Antwort auf die EU-Freisetzungsrichtlinie. Gentechnikfreiheit ist für Sieber wünschenswert, daher will er die Bauern auf diesem Weg unterstützen.  Die Landwirte brauchen das Recht, gentechnikfreies Saatgut zu erhalten, die Konsumenten wiederum brauchen klare Kennzeichnungen der Produkte in den Regalen der Supermärkte. Das ÖPUL als freiwilliges Programm sei aber nicht geeignet, Gentechnikfreiheit in Österreich zu garantieren, stimmte Sieber mit Minister Pröll überein.

Abgeordneter Mag. MAIER (S) betonte, auch die SPÖ sei für klare Regelungen im Bereich Gentechnik.  Er gab zu bedenken, dass 80 % bis 90 % der österreichischen Bevölkerung keine Lebensmittel wollten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten. Zwar werde der Bevölkerung suggeriert, dass alle gentechnisch veränderten Lebensmittel gekennzeichnet seien, klagte Maier, die Realität schaue aber anders aus. So ist ihm zufolge etwa bei Fleisch, Milch und Käse keine Kennzeichnung vorgeschrieben. Als problematisch sieht er auch die Situation bei Saatgut.

Abgeordneter Dipl.-Ing. SCHEUCH (F) wies Kritik an der Regierung zurück und hielt fest, die Entscheidung, neue gentechnisch veränderte Organismen zuzulassen, sei in Brüssel und nicht in Österreich gefallen. Er räumte allerdings ein, dass es aufgrund des Widerstandes von Teilen der ÖVP zu Verzögerungen bei den Haftungsregelungen gekommen sei, am Ende sei es aber, so Scheuch, gelungen, eine Haftungsumkehr umzusetzen. Der Abgeordnete äußerte die Hoffnung, dass Österreich gentechnikfrei bleiben wird.

Abgeordnete Dr. GLAWISCHNIG (G) fürchtet, dass in Folge des gefallenen Gentechnik-Moratoriums auf europäischer Ebene in den nächsten Jahren auch in Österreich gentechnisch veränderte Pflanzen wie Sojabohnen, Raps oder Mais freigesetzt werden könnten. Österreich könne dies nicht einfach verbieten und sagen, "wir bleiben gentechnikfrei", skizzierte sie, das sei EU-rechtlich nicht erlaubt. Man könne aber ein Bündel von Maßnahmen setzen, um den Anbau gentechnisch veränderter Organismen zu einem unkalkulierbaren Risiko zu machen. Was derzeit auf dem Tisch liege, ist für Glawischnig nicht ausreichend, sie fordert unter anderem eine Beweislastumkehr und volle Transparenz.

(Schluss Dringlicher Antrag/Forts. NR)