Parlamentskorrespondenz Nr. 662 vom 05.10.2004

THEMA ENERGIEPOLITIK IM WIRTSCHAFTSAUSSCHUSS

Bartenstein sieht Windenergie überfördert

Wien (PK) - Der Wirtschaftsausschuss hat sich für seine heutige Sitzung ein großes Arbeitspensum vorgenommen. Thema Nummer 1 war der Energiebericht 2003 (III-85 d.B.), der letztlich mit der Mehrheit der Regierungsparteien zur Kenntnis genommen wurde. Nach ergebnislosen Einwänden der Opposition gegen die Enderledigung von Berichten im Ausschuss führten die Abgeordneten mit Wirtschaftsminister Bartenstein eine lebhafte Diskussion, in deren Mittelpunkt die geplante Novellierung des Ökostromgesetzes stand. Der Minister sagte ja zur Förderung erneuerbarer Energieträger, wies aber auf Überförderungen, insbesondere bei Windenergie hin. Er machte auf die hohen Kosten aufmerksam, die für den Konsumenten entstehen, wenn man den Klimaschutz nur über diese Schiene betreibe und erhielt dafür auch Zustimmung bei der SPÖ. Für die Grünen problematisierte Werner Kogler Bartensteins Kennzahlen als rein betriebswirtschaftlich, man müsse auch Umweltkosten berücksichtigen. Die SPÖ-Abgeordneten Kurt Eder und Hannes Bauer brachten das Thema Versorgungssicherheit bei Strom aufs Tapet. Minister Bartenstein reagierte, indem er die von internationalen Experten bescheinigte hohe Versorgungssicherheit in Österreich ansprach. Die gute Nachricht Bartensteins für die Autofahrer fiel im Rahmen der Diskussion über den Ölpreis: Er rechne nicht mit einem Ölpreisschock, Experten erwarteten einen Preisrückgang im kommenden Jahr auf rund 35 Dollar pro Fass, sagte der Minister.

AUS DEN DETAILS EINER UMFASSENDEN ENERGIEDEBATTE 

Abgeordneter Johann Moser (S) lobte den Bericht als umfassend und begrüßte ausdrücklich den Strategieteil als Basis einer erfolgreichen Energiepolitik. Kritisch sah Moser das teilweise veraltete Zahlenmaterial und fehlende Informationen zu den Auswirkungen der Energiemarktliberalisierung sowie zur Tätigkeit der Regulatoren. Offene sah Moser Fragen in den Bereichen Stromversorgungssicherheit, Auswirkungen weiterer Ölpreiserhöhungen auf die Volkswirtschaft, bei der Finanzierung erneuerbarer Energieträger sowie bei der wachsenden Abhängigkeit von Atomstromimporten.

Abgeordneter Werner Kogler (G) erbat Auskunft zur geplanten Ökostromgesetz-Novelle und sah angesichts der aktuellen Ölpreisentwicklung zunehmenden Handlungsbedarf bei der Substitution von Erdöl sowie bei der Steigerung der Energieeffizienz.

Abgeordneter Kurt Eder (S) problematisierte die hohen Kosten bei der Förderung alternativer Energieträger, die sich nicht einmal rechneten, wenn der Ölpreis wie derzeit bei 50 Dollar liege. Weiters wollte Abgeordneter Eder wissen, welche Haltung der Wirtschaftsminister in der Frage einer österreichischen Stromlösung einnehme.

Abgeordnete Baumgartner-Gabitzer (V) schloss sich dem Lob für den Energiebericht an und hielt fest, dass die Energieliberalisierung gut gelungen sei und mit den Regulatoren der richtige Weg eingeschlagen wurde. Zu deren Tätigkeit liege ein gesonderter Bericht vor. Auch Abgeordnete Baumgartner-Gabitzer zeigte sich interessiert an der weiteren Vorgangsweise bei der Ökostromförderung.

Abgeordnetem Hannes Bauer (S) fehlte eine Strategie für Versorgungssicherheit bei elektrischem Strom. Der Abgeordnete sprach die Befürchtung aus, dass ab 2020 verstärkt Atomstromanbieter in die dann zu erwartende Stromlücke stoßen werden. Ethanol auf Biomassebasis sei für ihn keine Alternative, weil Österreich ein Drittel seines Bodens zur Produktion einsetzen müsste, um eine Beimischung von wenigen Prozent zum Treibstoff zu erreichen. Es bedürfe einer öffentlichen Diskussion über die Zukunft der Energieversorgung, denn "jetzt sagen wir Import statt Zukunft", formulierte Abgeordneter Bauer. Man dürfe sich nicht mit dem Hinweis auf liberalisierte Märkte hinter Firmen verstecken. Versorgungssicherheit sei Sache der Politik.

Abgeordneter Maximilian Hofmann (F) hielt das Thema Erdölsubstitution für diskussionswürdig, wobei er der Bundesregierung konzedierte, viel auf diesem Gebiet zu tun. Eine Novellierung des Ökostromgesetzes hielt Hofmann für notwendig, weil Überförderungen den erneuerbaren Energieträgern nicht nützten. Die CO2-Problematik sei nur mit erneuerbaren Energieträgern nicht lösbar, sagte Hofmann, der schließlich für niedrigere Durchleitungstarife eintrat.

Abgeordneter Roderich Regler (V) machte darauf aufmerksam, dass die Durchleitungstarife notwendig seien, um die vorhandenen Lücken im 380‑KV-Leitungsnetz zu schließen. Für eine österreichische Stromlösung sprach sich Regler aus, weil er eine Bündelung für zweckmäßig hielt. Beim Ökostrom wandte er sich gegen das Entstehen eines eigenen Sektors mit staatlich garantierten Renditen. Der Bericht spreche effizienzsteigernde Maßnahmen im Verkehrsbereich sehr wohl an, sagte der Abgeordnete gegen die diesbezügliche Kritik der SPÖ und unterstrich die Notwendigkeit von Maßnahmen in der Raumordnung.

Abgeordnete Michaela Sburny (G) bekannte sich zu längerfristigen Strategien und fügte hinzu, dass sie auch umgesetzt werden müssen. Die Ankündigungen des Wirtschaftsministers zur Novellierung des Ökostromgesetzes stünden im klaren Widerspruch zum Strategieteil des Energieberichts, der vom Forcieren erneuerbarer Energieträger handle.

Eine Lanze für die erneuerbaren Energieträger brach auch Abgeordneter Franz Glaser (V), der sich dafür einsetzte, Acker‑ und Waldflächen verstärkt für die Energieproduktion zu nutzen.

Bundesminister Martin Bartenstein machte zunächst darauf aufmerksam, dass der bereits vorgelegte Bericht der Energie Control über die Energiemarktliberalisierung und die Tätigkeit der Regulatoren Auskunft gebe. Experten und die internationale Energieagentur bescheinigten Österreich ein hohes Maß an Sicherheit bei der Stromversorgung. Achillesfersen stellten allerdings die 380‑KV‑Leitungslücken in der Steiermark und in Salzburg dar. Eine UVP sei in der Steiermark aber bereits anhängig; froh zeigte sich der Minister auch über geplante Investitionen in neue Kraftwerke. Die Stromverbrauchszuwächse führte der Wirtschaftsminister darauf zurück, dass die Zeit leicht erreichbarer Effizienzgewinne zu Ende gehe.

Beim Thema "österreichische Stromlösung" stellte sich der Minister hinter das Ziel einer "Energie Austria", wobei er sich der Gratwanderung bewusst sei, die es bedeute, einerseits Wettbewerb sicherzustellen und andererseits eine Struktur zu schaffen, die in Europa wettbewerbsfähig sei.

Die Liberalisierungseffekte bei Energie seien gut dokumentierbar, sagte Bartenstein und bezifferte die Strompreissenkungen für die Industrie mit 20 %, für das Gewerbe mit 30 % und für die Haushalte mit 2 bis 3%.

Auf Grund der Prognosen von Wirtschaftsforschern rechne er nicht mit einem Ölpreisschock, sondern mit leichten Preissenkungen auf 36 bis 37 Dollar pro Barrel im kommenden Jahr.

Bei der Ökostromförderung sprach sich der Minister für eine konsistente Strategie aus und machte darauf aufmerksam, dass das für 2008 angepeilte Ziel eines 4‑Prozent‑Anteils sonstiger erneuerbarer Energieträger bereits im kommenden Jahr erreicht werden wird. Es sei seiner Meinung nach nicht zielführend, nur die mit Ende des Jahres auslaufende Einspeisverordnung zu erneuern, er wolle dem Parlament bald eine Novelle zum Ökostromgesetz vorlegen. Windkraft halte er für klar überfördert, sagte der Minister und bekannte sich dazu, den Schwerpunkt der künftigen Förderung erneuerbarer Energieträger auf Biomasse, Biogas und Fotovoltaik zu legen. Am Ende des Tages - der lang sein könnte - sollen erneuerbare Energieträger jedenfalls ohne Subventionen auf dem Markt konkurrenzfähig sein. Dauersubventionen seien abzulehnen. Beim Thema Windenergie würden auch in Deutschland kritische Stimmen laut, die auf die Kosten für zusätzliche Netzkapazitäten und Ausgleichsenergien hinweisen. "Ja zu erneuerbaren Energieträgern, aber nicht um jeden Preis", lautet das Motto des Wirtschaftsministers.

Der Förderungsanteil bei den erneuerbaren Energieträgern liege bei 70 % bis 80 % und bei der Fotovoltaik noch höher. Der Klimaschutz sei eine wichtige Perspektive, man müsse sich aber fragen, wieviel jede einzelne eingesparte Tonne CO2 koste, sagte der Wirtschaftsminister und teilte den Abgeordneten mit, dass eine Tonne eingesparten CO2s bei Fotovoltaik 900 €, bei Biomasse 200 €, bei Windkraft 100 €, beim Einsatz von Emissionszertifikaten 10 bis 13 € und bei Energieeffizienzinvestitionen in Südosteuropa bei unter 5 € bis 7 € liege.

Die Kennzahlen des Ministers zur CO2-Einsparung und deren Kosten durch den Einsatz erneuerbarer Energieträger stellte Abgeordneter Werner Kogler mit dem Hinweis auf nicht berücksichtigte volkswirtschaftliche und Umweltkosten in Zweifel und forderte dazu auf, in der umweltpolitischen Diskussion nicht hinter den bereits in den Achtzigerjahren erreichten Stand zurückzufallen.

GUTE ERFAHRUNGEN MIT DEM BUNDESVERGABEGESETZ 2002

Vom Ausschuss enderledigt, und zwar von der Mehrheit der V‑, F‑ und G‑Abgeordneten, wurde in weiterer Folge auch der Ressortbericht über die praktischen Erfahrungen mit dem Bundesvergabegesetz 2002 (III-99 d.B.), das eine Erweiterung des Rechtsschutzes für Bewerber und Bieter bei Aufträgen der öffentlichen Hand auf den bisherigen Unterschwellenbereich (bei Bauaufträgen etwa unter 5 Mill. €) brachte. Für Anfechtungen einer Vergabe unter dem Schwellenwert ist seitdem nicht mehr ein Zivilgericht, sondern das Bundesvergabeamt zuständig. Dies sei positiv, habe präventive Wirkungen entfaltet und zu größerer Sorgfalt bei der Planung und Durchführung öffentlicher Aufträge geführt; öffentliche Haushalte und Anbieter profitierten gleichermaßen, heißt es im Bericht, der den Abgeordneten vorlag. Verfahrensverzögerungen oder mutwilligen Inanspruchnahmen des Vergaberechtsschutzes seien bisher nicht beobachtet worden.

In einer kurzen Debatte beantwortete Bundesminister Martin Bartenstein Detailfragen von Abgeordneten. Generell stellte er fest, dass das Bundesvergabegesetz 2002 gut gelungen sei und sich bewährt habe. Man könne es aber noch besser machen, räumte er ein und wies auf die Bemühungen des "Arbeitskreises für ein wirtschaftsfreundliches Vergaberecht" hin, der auf Grund der praktischen Erfahrungen Vorschläge für weitere Verbesserungen vorbereite. Das Bundesvergabeamt mache sich bezahlt, hielt der Minister fest und wandte sich gegen die Verlängerung von Einspruchsfristen, weil dies Vergaben verzögern würde. Gebühren wiederum seien in ausreichender Höhe notwendig, weil zu niedrige Gebühren die Zahl der Verfahren erhöhen und damit die Erledigungsdauer verlängern würden, argumentierte der Wirtschaftsminister. (Forts.)