Parlamentskorrespondenz Nr. 680 vom 07.10.2004

FINANZAUSSCHUSS FÜR SCHÄRFERE MASSNAHMEN GEGEN DEN INSIDERHANDEL

Opposition kritisiert "Rechtsanwaltsgesetz" und zu geringe Strafen

Wien (PK) - Im Mittelpunkt der heutigen Sitzung des Finanzausschusses unter der Leitung seines Obmannstellvertreters Thomas Prinzhorn stand die Umsetzung von EU-Richtlinien gegen Insidergeschäfte und Marktmanipulation durch Änderungen im Börsegesetz und im Wertpapieraufsichtsgesetz. Der dazu vorliegende Regierungsentwurf (546 d.B.) erweitert den Tatbestand des "Missbrauchs von Insiderinformationen" auf den privaten Handel, fasst den Begriff der Insider-Information neu und räumt der Finanzmarktaufsicht vermehrte Befugnisse in Strafverfahren ein.

Die Abgeordneten Michael Ikrath (V) und Thomas Prinzhorn (F) legten in der Debatte einen letztlich angenommenen Abänderungsantrag vor, der die Definition des Tatbestands enger an den Text der Richtlinie anlehnt und die im Regierungsentwurf vorgesehene Höchststrafe von 10 auf 5 Jahre reduziert. SPÖ und Grüne waren mit den Regierungsparteien zwar einig im Bemühen um mehr Vertrauen in den Kapitalmarkt, kritisierten aber die Herabsetzung der Höchststrafe als unverständlich und lehnten die neuen Definitionen als zu kasuistisch ab. Dieses "Rechtsanwaltsgesetz" werde lange Verfahren nach sich ziehen, befürchtete die Opposition, während ÖVP, FPÖ und Staatssekretär Alfred Finz auf harmonisierte Bestimmungen auf dem EU-Binnenmarkt sowie darauf drängten, die Verhältnismäßigkeit zwischen den Strafen für Vermögensdelikte einerseits und für Delikte gegen Leib und Leben andererseits zu wahren. Die Umsetzung der EU-Richtlinie sei ein Meilenstein auf dem Weg zu mehr Vertrauen in den österreichischen Kapitalmarkt. - Der Beschluss erfolgte mit ÖVP-FPÖ-Mehrheit.

EINE KONTROVERSIELLE DEBATTE

Abgeordneter Dietmar Hoscher (S) sprach einleitend von einer Vorlage, die grundsätzlich in die richtige Richtung gehe, indem sie sich gegen den Insiderhandel wende. Kritisch äußerte sich der Abgeordnete aber zu einem von den Regierungsparteien vorgelegten Abänderungsantrag, der die vorgesehene Höchststrafe von zehn auf fünf Jahre reduziert und die Definition für das Delikt des Insiderhandels so kasuistisch fasst, dass daraus große Spielräume für einschreitende Rechtsanwälte entstehen. Hoscher klagte auch darüber, dass der Finanzmarktaufsicht trotz zusätzlicher Aufgaben keine zusätzlichen Mittel zur Verfügung gestellt werden sollen.

Dieser Kritik schloss sich Abgeordneter Christoph Matznetter (S) an, indem er davor warnte, die Definition des Begriffs Insiderinformation wörtlich aus der EU-Richtlinie zu übernehmen, sie werde dadurch zu eng definiert, was den Spielraum von Verfolgungsbehörden und Gerichten einschränke. "Legistik ist keine Abschreibübung", sagte Matznetter, der es ebenfalls für unverständlich hielt, den vorgesehenen Strafrahmen abzusenken.

Für strenge Vorschriften, aber gegen ein "Anwaltsgesetz", das lange Prozesse erwarten lasse, wandte sich auch Abgeordneter Hannes Bauer (S). Der Redner wies darauf hin, dass in der Branche praktisch jeder ein Insider sei, denn wer in 45 Aufsichtsräten sitze, habe Informationen, die er nützen könne. Bauer verlangte daher verschärfte Publikationsverpflichtungen für Aktiengesellschaften und die Einführung einer Prospekthaftung.

Abgeordneter Werner Kogler (G) kritisierte die Aufweichung des Strafrahmens und wollte wissen, wie es zu diesem Abänderungsantrag kam. Auch Kogler sah einen Widerspruch zwischen den Mehraufwendungen der Finanzmarktaufsicht und der Feststellung der Regierung, es entstünden keine zusätzlichen Kosten.

Abgeordneter Michael Ikrath (V) bekannte sich nachdrücklich zur Weiterentwicklung des Kapitalmarkts, der Vertrauen und den Schutz seiner Teilnehmer brauche. Das Gesetz diene diesem Ziel, sagte Ikrath und machte darauf aufmerksam, dass es die Höchststrafe für Insiderhandel von zwei auf fünf Jahre erhöhe (Schweiz: drei Jahre, Deutschland: fünf Jahre, Frankreich und Großbritannien: sieben Jahre). Anders als in europäischen Vergleichsländern gebe es in Österreich aber keine Möglichkeit, sich von einer Freiheitsstrafe freizukaufen. Er halte diesen Strafrahmen daher für verhältnismäßig.

Die Kasuistik bei dem an sich schwer fassbaren Tatbestand Insiderhandel diene einer möglichst hohen Rechtssicherheit der Normunterworfenen und der Verfolgungsbehörden.

Abgeordneter Hans Bucher (F) erinnerte daran, dass der Insiderhandel in Österreich lange Zeit als ein "Kavaliersdelikt" galt. Was nun beschlossen werden solle, zeige eine gute Balance zwischen dem, was schon bisher im Gesetz stand und dem, wie es künftig gehandhabt werden wird. Im Vergleich zu Höchststrafen bei Delikten gegen Leib und Leben halte er eine fünfjährige Strafe für angemessen. Der Ausschluss eines Freikaufs von Freiheitsstrafen verhindere spekulativen Insiderhandel.

Abgeordneter Kurt Eder (S) akzeptierte das Argument des Ausschlusses von Geldersatzstrafen, befürchtete aber, dass die vorgelegte Definition des Begriffs Insider-Information langen Juristenstreit nach sich ziehen und Beweisführungen vor Gericht schwierig machen werde. 

Abgeordneter Werner Fasslabend (V) lobte hingegen die Verfasser des Gesetzes und bezeichnete den Strafrahmen als verhältnismäßig.

Abgeordneter Walter Tancsits (V) erklärte Abgeordnetem Kogler, dass die Herabsetzung des Strafrahmens nicht auf eine Initiative von Lobbies, sondern auf Überlegungen von Abgeordneten zurückgehe, die Verhältnismäßigkeit zwischen Vermögensdelikten und Delikten gegen Leib und Leben zu beachten.

Staatssekretär Alfred Finz erläuterte die Finanzierung der Finanzmarktaufsicht mit dem Hinweis auf den bei 3,5 Mill. € gedeckelten Bundesbeitrag und auf die Finanzierung durch die Geprüften selbst. Die Finanzmarktaufsicht werde durch dieses Gesetz nicht teurer, versicherte Finz, räumte aber ein, dass derzeit noch niemand absehen könne, ob die Zahl der Gerichtsverfahren zunehmen werde.

Die EU-Missbrauchsrichtlinie müsse exakt umgesetzt werden, sagte Finz, der in dieser Umsetzung einen Meilenstein auf dem Weg zu einem höheren Vertrauen in den österreichischen Kapitalmarkt sah. Weitere Schritte werden durch eine künftige Prospektrichtlinie und durch die Weiterentwicklung des Aktienrechts folgen. Der Meinung des Finanzressorts nach sei ein Strafrahmen von fünf Jahren angemessen. Für Journalisten soll eine Ausnahme gelten, wenn der Insiderhandel in deren Standesnormen geregelt werde, erfuhr Abgeordnete Michaela Sburny auf ihre diesbezügliche Frage. 

JAHRESBERICHT DES ERP-FONDS 2003

Ebenfalls mit den Stimmen der Regierungsparteien nahm der Finanzausschuss den Jahresbericht des ERP-Fonds 2003 samt Jahresabschluss 2002 und Jahresprogramm 2004 (III-88 d.B.) zur Kenntnis. Die Kritik der Oppositionsparteien konzentrierte sich auf das "Chaos im Austria Wirtschafts Service" (G-Abgeordnete Michaela Sburny) und die Befürchtung, die Verwendung von ERP-Mittel zur Förderung von F&E könnte die Wirtschaftsförderung beeinträchtigen. Finanzstaatssekretär Alfred Finz betonte die Kontinuität in der Fördertätigkeit des ERP-Fonds mit den Schwerpunkten benachteiligte Regionen, KMU und Tourismus, erläuterte die Vorteile des One-Stop-Shops Austria Wirtschafts Service und teilte mit dass der vorerst  provisorische AWS-Geschäftsführer Horst Bednar seit 1.Oktober auf Dauer bestellt wurde.

AUS DER DEBATTE UM ERP-FONDS UND AUSTRIA WIRTSCHAFTS SERVICE       

In der Diskussion unterstrich Abgeordneter Johann Moser (S) die Bedeutung des ERP-Fonds als eines gerade in Zeiten geringen Wachstums wichtigen Förderungsinstruments. Moser klagte über Integrationsprobleme der ERP in das Austria Wirtschaftsservice und warnte davor, den ERP-Fonds durch Verwendung seiner Mittel für die Nationalstiftung zur Förderung von Forschung, Entwicklung und Technologie auszuhöhlen.

Abgeordnete Michaela Sburny (G) schloss sich Moser an und wollte wissen, welche Auswirkungen es auf die Förderungspraxis habe, wenn das Vermögen des ERP-Fonds abnehme. Detailfragen der Abgeordneten richteten sich auf den Sachaufwand, die Mietkosten und sonstige Rückstellungen sowie generell auf das "Chaos beim AWS".

Abgeordneter Hannes Bauer (S) erkundigte sich nach den Schwerpunkten in der Förderungstätigkeit des ERP, während Abgeordneter Jakob Auer (V) wissen wollte, ob sich die von Abgeordnetem Moser angesprochenen Wartezeiten bei Ansuchen um Wirtschaftsförderungen verlängert hätten. Zudem interessierte er sich für die Forschungs- und Technologieförderung der Nationalstiftung.

Abgeordneter Josef Bucher (F) konzentrierte sich auf Fragen der Tourismusförderung.

Abgeordneter Michael Ikrath (V) betonte den ERP-Förderungsschwerpunkt Tourismus zugunsten von Qualitätsverbesserungen in den von "Basel II" betroffenen Beherbergungs- und Verpflegungsbetrieben.

Staatssekretär Alfred Finz teilte mit, dass seit Anfang dieses Monats der bisher provisorische Geschäftsführer Horst Bednar die Leitung von Austria Wirtschaftsservice auf Dauer übernommen habe.

Zur Tätigkeit des ERP-Fonds führte der Finanzstaatssekretär aus, dass der Fonds im Rumpfwirtschaftsjahr 2002 (2. Halbjahr) insgesamt 81 Projekte durch niedrig verzinste Krediten mit einem Gesamtvolumen von 115 Millionen € unterstützt habe. In 52 Industrie- und Dienstleistungsprojekten wurden mehr als 300 neue Arbeitsplätze geschaffen, 50 % davon in benachteiligten Regionen. 81 % der ERP-Förderungsmittel kamen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zugute. Für Zwecke der Entwicklungszusammenarbeit stellte der Fonds 8 Mill. € bereit. Im Jahr 2003 förderte der ERP-Fonds 172 Projekte mit insgesamt 287 Mill. € und unterstützte damit Investitionen in der Höhe von 699 Mill. €. 84 % der Mittel erhielten KMU im Bereich Produktion und Dienstleistung, 1.500 neue Arbeitsplätze konnten dort geschaffen werden, 50 % davon in Problemregionen. - Diese Daten zeigten, dass der ERP-Fonds seine Förderungstätigkeit auch nach der Eingliederung in das AWS kontinuierlich fortsetzte.

Es sei keine Verlängerung bei der Wartezeit auf Förderung eingetreten, das Vermögen des Fonds sei gleich geblieben, sagte Staatssekretär Finz. Änderungen bei der Abrechnung von Mietkosten seien eine Folge der Verwaltungsreform, mit der die Leistungsabgeltung zwischen Bundesdienststellen auf Entgeltlichkeit umgestellt wurde. Der Vorteil der Eingliederung des ERP-Fonds in das AWS liege darin, dass den Förderungswerbern nun ein One-Stop-Shop zur Verfügung stehe. Die Schwerpunkte in der ERP-Förderung liegen in den Bereichen Regionalförderung, KMU- und Tourismusförderung.

DIE MONGOLEI WIRD EMPFÄNGERLAND DER EBRD

Da die Mongolei nicht zum Kreis jener Länder gehört, die bei der Einrichtung der Europäischen Bank für Wiederaufbau Entwicklung als Empfängerland vorgesehen waren, bedarf es einer Änderung des Gründungsvertrages, um der Mongolei EBRD-Kredite zukommen zu lassen, wie dies die Bank beabsichtigt (560 d.B.). Das diesbezügliche Abkommen erhielt die einhellige Zustimmung des Ausschusses.

Abgeordneter Johann Moser (S) eröffnete die Debatte mit der Frage nach den Motiven für die Einbeziehung der Mongolei und bat um eine Evaluierung der bisherigen Tätigkeit der EBRD.

Abgeordneter Michaela Sburny (G) signalisierte die Zustimmung ihrer Fraktion und bemängelte das geringe Interesse der Regierungsfraktionen für die gestrige Enquete über Investitionsschutzabkommen.

Abgeordneter Christoph Matznetter (S) unterstützte die Ausweitung des EBRD-Bereichs auch auf das Umfeld jener ehemaligen Staatshandelsländer, die bei der Transformation in die Marktwirtschaft gefördert werden.

Staatssekretär Alfred Finz informierte die Ausschussmitglieder darüber, dass die EBRD seit ihrer Gründung im Jahr 1991 24 Mrd. € an Förderungsmitteln zur Unterstützung der Demokratisierung und des Übergangs zur Marktwirtschaft im ehemaligen Ostblock eingesetzt und damit ein Investitionsvolumen von 60 bis 70 Mrd. € ausgelöst hat. (Schluss).