Parlamentskorrespondenz Nr. 696 vom 13.10.2004

HEFTIG UMSTRITTENE ÄNDERUNG DES GENTECHNIKGESETZES

Misstrauensantrag der Grünen gegen Landwirtschaftsminister Pröll

Wien (PK) - Eine heftige Debatte entspann sich im Zusammenhang mit der Änderung des Gentechnikgesetzes und des Lebensmittelgesetzes. Die EU-Kommission hatte gegen Österreich - und andere Mitgliedsländer - ein Vertragsverletzungsverfahren wegen Nichtumsetzung der Freisetzungsrichtlinie der EU eingeleitet. Um einer Verurteilung zu entgehen, ist die Regierung um rasche Umsetzung der Richtlinie bemüht. Die Grünen brachten einen Misstrauensantrag gegen den zuständigen Landwirtschaftsminister Josef Pröll ein; der Antrag blieb in der Minderheit der Oppositionsfraktionen.

Abgeordneter Dr. CAP (S) erklärte, die SPÖ werde den von den Grünen angekündigten Misstrauensantrag gegen Umweltminister Pröll unterstützen. Ihm zufolge könnten in zahlreichen Bereichen Kritikpunkte am Minister vorgebracht werden. So setze dieser der geplanten Liberalisierung des Wassermarktes im Zuge der WTO-Verhandlungen zu wenig Widerstand entgegen und sei beim Versuch, die österreichische Anti-Atom-Politik fortzuführen, im Fall des AKW Temelin gescheitert. Auch von der Umsetzung und Erfüllung des Kyoto-Protokolls sei Österreich, so Cap, weiter entfernt denn je, ein österreichweiter Klimaschutzplan fehle. Schließlich öffnet seiner Ansicht nach das neue Gentechnikgesetz Tür und Tor für den Anbau gentechnisch veränderter Produkte in Österreich. Pröll sei zwar ein engagierter Agrarminister, resümierte Cap, für den Umweltschutz setze er sich aber nicht ein.

Abgeordneter SCHULTES (V) zeigte sich hingegen "persönlich ein wenig enttäuscht", weil die Grünen Landwirtschaftsminister Pröll mit einem Misstrauensantrag "anpatzen" wollten. Pröll habe sich das nicht verdient, bekräftigte er.

Was das Gentechnikgesetz betrifft, erinnerte Schultes daran, dass die EU auf freien Warenverkehr bestehe. Jeder solle kaufen können, was er wolle. Gleichzeitig wolle Österreich aber nicht, dass hierzulande gentechnisch veränderte Lebensmittel produziert würden. Österreich könne den freien Handel nicht verbieten, skizzierte Schultes, man sorge aber für klare Haftungsregelungen, sollte jemand doch gentechnisch veränderte Produkte in Österreich anbauen wollen. Der Abgeordnete zeigte sich überdies davon überzeugt, dass man noch lange ein gentechnikfreies Österreich genießen könne, wenn Bauern, Handel und Konsumenten an einem Strang ziehen.

Abgeordnete Dr. GLAWISCHNIG (G) kündigte die Einbringung eines Misstrauensantrags gegen Umweltminister Pröll an und begründete dies mit den ihrer Meinung nach unzureichenden Bestimmungen des Gentechnikgesetzes, dem erfolglosen Kampf des Minister gegen Temelin und Rückschlägen bei der Ökostromförderung. Ein Misstrauensantrag habe nichts mit "anpatzen" zu tun, unterstrich sie, vielmehr gehe es um die Frage des Vertrauens oder des Nichtvertrauens.

Pröll habe sich im Gegensatz zu seinem Vorgänger Wilhelm Molterer immer klar gegen den Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft ausgesprochen, skizzierte Glawischnig, letztendlich habe er sich beim vorliegenden Gesetz aber "auf die andere Seite gestellt" und die Haftungsregelungen verwässert. Der Minister lasse damit die kleinen Biobauern, die mit den großen Saatgutkonzernen in Konflikt zu geraten drohen, im Stich. Ab dem nächsten Jahr könnten in Österreich genveränderte Produkte wie Mais, Kartoffeln und Zuckerrüben freigesetzt werden. Sie wolle keine regionalen gentechnikfreien Zonen, sagte Glawischnig, weil dies im Umkehrschluss bedeute, dass alle anderen Zonen Gentechnik-Zonen seien.

Kritik übte Glawischnig aber auch an der Vorgangsweise Prölls im Zusammenhang mit der Änderung des Ökostromgesetzes und an seiner Haltung zur Inbetriebnahme des Akw Temelin. Sie hält die geplante Änderung des Ökostromgesetzes für den schwersten Rückschlag seit Bestehen der Ökostromförderung und fürchtet einen "Todesstoß" für die gesamte Branche, insbesondere aber für Windenergie.

Abgeordneter DI SCHEUCH (F) machte geltend, alle politischen Fraktionen seien sich darin einig, dass in Österreich gentechnisch veränderte Produkte nicht in Verkehr gebracht werden sollten. Aufgrund eines "Diktats der EU" gebe es aber Handlungsbedarf, Österreich müsse durch entsprechende Gesetzesbestimmungen Schadensminimierung betreiben. Das vorliegende Ergebnis erachtet Scheuch, wie er sagte, für "herzeigbar", die FPÖ habe monatelang mit der ÖVP über die Änderung des Gentechnikgesetzes verhandelt. Scheuch wies u.a. auf einheitliche Zulassungskriterien, eine zehnjährige Befristung von Zulassungen, klare Strafbestimmungen, klare Haftungsregelungen und Beweislasterleichterungen hin.

Den Misstrauensantrag gegen Umweltminister Pröll bezeichnete Scheuch als "verwegen". Auch er sei mit Pröll nicht immer einer Meinung, erklärte er, wenn man aber ein Misstrauens-Ranking vornehmen würde, wäre Pröll sicher im letzten Drittel der Minister. 

Bundesministerin RAUCH-KALLAT setzte sich mit der Gentechnik-Novelle auseinander, die ob der Entwicklungen in der EU notwendig geworden sei. Sie werde das Gentechnikgesetz entscheidend verschärfen und den Schutz der Bevölkerung und der Umwelt ebenso wesentlich verbessern, wie sie sich positiv auf Konsumentenschutz und Landwirtschaft auswirken werde, zeigte sich Rauch-Kallat überzeugt, die diese Ansicht anhand konkreter Beispiele illustrierte und erläuterte.

Besonders verwies die Ministerin auf die Haftungsregelungen, mit denen sie sich sehr zufrieden zeigte. Ob des hohen Bewusstseins der heimischen Landwirte und der Bevölkerung zeigte sie sich überzeugt, dass derlei Produkte in Österreich nicht angebaut werden würden und Österreich daher auch weiterhin ein gentechnikfreies Land bleiben werde.

Abgeordneter KRAINER (S) äußerte sich hingegen skeptisch, ob das zuletzt genannte Ziel mit dieser Vorlage erreicht werden könne. Er habe nicht den Eindruck, dass diese Bundesregierung dieses Ziel überhaupt erreichen wolle, denn hier werde eine Hintertür offen gelassen, sodass die Gefahr bestehe, dass sehr wohl derartige Produkte angebaut werden könnten.

Dies zeige sich auch, so Krainer, an der Debatte um die Förderrichtlinien in der Landwirtschaft, wo hinter die Schutzrichtlinien der EU zurückgegangen werde. Deshalb stelle seine Fraktion einen Rückverweisungsantrag an den Ausschuss, so Krainer.

Abgeordneter GRILLITSCH (V) sprach sich gegen eine Verunsicherung der Bevölkerung aus, man solle sich vielmehr mit Nachhaltigkeitsstrategien im Nahrungsmittelbereich befassen. Man brauche Schutz und Sicherheit für Konsumenten wie für die Produzenten, und dieses Gesetz sei die Grundlage dafür.

Bis dato habe noch kein heimischer Bauer derlei Saatgut verwendet, und die Bundesregierung werde dafür sorgen, dass dies auch so bleibe. Im übrigen habe der Bundesminister hier vorbildliche Schritte gesetzt, so der Redner.

Abgeordneter DI PIRKLHUBER (G) nannte den vorliegenden Entwurf ungenügend und unzureichend. Er falle sogar noch hinter frühere Entwürfe zurück. Dies gelte besonders für die Haftungsregelungen, die keineswegs zweckdienlich seien. Man habe es hier eindeutig mit einem Rückschlag zu tun, dem seine Fraktion keineswegs die Zustimmung geben könne. Man sei völlig hinter den Möglichkeiten geblieben, welche die Bundesregierung hätte, und das sei bedauerlich.

Vor allem sei das Gentechnikregister eine klare Verschlechterung gegenüber dem ursprünglich geplanten Agrarregister, auch die mangelhafte Regelung hinsichtlich der Parteienstellung sei zu kritisieren. Er stelle daher einen Rückverweisungsantrag an den Ausschuss, um hier ein besseres Resultat zu ermöglichen. Kritik übte der Redner am zuständigen Bundesminister, der seine Aufgaben in dieser Angelegenheit nicht gelöst habe, weshalb seine Fraktion ihm das Misstrauen aussprechen müsse.

Dieser Misstrauensantrag gebe ihm die Möglichkeit, meinte Bundesminister DI PRÖLL, Bilanz zu ziehen über eineinhalb Jahre erfolgreiche Umweltpolitik. Dabei habe er sich folgende Schwerpunkte gesetzt, führte der Minister weiter aus: die Klärung der Gentechniktechnikfrage in Österreich und Europa, die konsequente Verfolgung des Klimaschutzzieles, das Thema Ökostrom sowie die Aktion für eine saubere Luft. Was die Gentechnik angeht, so müssten sachliche Antworten auf eine globale Herausforderung gefunden werden. Seit Jahren bilde Österreich die Speerspitze bezüglich "der Verhinderung der Zulassung von gentechnisch veränderten Produkten". So habe auch das österreichische Saatgutgesetz, das einen Verunreinigungsgrenzwert von 0,1 % vorsieht, eine Vorbildwirkung für ganz Europa gehabt. Sein persönliches Ziel sei es, gemeinsam mit der Gesundheitsministerin dafür zu sorgen, die Gentechnik beim Auspflanzen möglichst fernzuhalten. Sodann ging Pröll näher auf das Gentechnikgesetz ein, das u.a. klare Haftungsregelungen und ein Register beinhaltet. Außerdem hätten einzelne Bundesländer bereits entsprechende Gesetze vorgelegt, informierte er. Weiters wies er auf die Erfolge seines Ressorts in den Bereichen Klimaschutz, Umweltförderung Inland, Ökostrom, Aktion saubere Luft, Umweltverträglichkeitsprüfung sowie Anti-Atompolitik hin.

In einer tatsächlichen Berichtigung stellte Abgeordneter DI PIRKLHUBER (G) fest, dass die EU-Abgeordneten der Grünen sehr wohl eine Vielzahl von Initiativen gesetzt haben, um gentechnikfreies Saatgut in Europa zu ermöglichen. Außerdem sei es nicht richtig, dass der Schutz der biologischen und der gentechnikfreien Landwirtschaft in den Zielbestimmungen des Gesetzes enthalten ist.

Man müsse leider zur Kenntnis nehmen, dass die EU in der Frage der Gentechnik eine grundsätzlich positive Haltung eingenommen hat, konstatierte Abgeordnete ROSENKRANZ (F). Es müsse nun die europäische Freisetzungsrichtlinie durch ein nationales Gesetz umgesetzt werden, damit noch Schlimmeres verhindert werde könne. Dabei war es immer ein Anliegen der Freiheitlichen, maximale Sicherheitsvorkehrungen einzubauen, betonte die Rednerin. Mit diesem Gesetz, das einen Kompromiss darstelle, werde nun das politisch Mögliche getan.

Wenn heute ein Gesetz beschlossen wird, dessen Ziel die Förderung der Gentechnik ist, dann werde man das Vertrauen der Konsumenten sicher nicht gewinnen, argumentierte Abgeordnete Dr. MOSER (G). Kritik übte die G-Mandatarin auch daran, dass die Haftungsbestimmungen nicht streng genug ausgefallen sind. Sie hätte sich auch gewünscht, dass Landwirte nur dann ÖPUL-Förderungen erhalten, wenn sie Gentechnikfreiheit garantieren können. Moser bezweifelte auch, dass die Ökostrompolitik so erfolgreich war, zumal ein massiver Rückgang des Vergütungsvolumens zu verzeichnen sei. Misstrauen gegenüber dem Minister sei ihrer Meinung nach auch in der Frage Temelin angebracht, führte Moser weiter aus. Wie könne er behaupten, dass das Melker Abkommen nicht gebrochen ist, wenn der kommerzielle Betrieb des AKW Temelin bereits in vollem Umfang angelaufen sei?, fragte die Abgeordnete.

Der Minister habe sich jahrelang intensiv darum bemüht, die Gentechnik von der Landwirtschaft fernzuhalten, hielt Abgeordneter DI HÜTL (V) seiner Vorrednerin entgegen. Auf europäischer Ebene wurde es allerdings erlaubt, gentechnisch veränderte Pflanzen anzubauen, und die entsprechenden Richtlinien müssten auch umgesetzt werden. Das nun vorliegende Gentechnikgesetz gewährleiste aber klare und durchsetzbare Haftungsregelungen und sehe einheitliche Kriterien für die Risikobewertung, Zulassung und Kennzeichnung vor. Weiters beinhalte das Gesetz eine Befristung der Zulassungen, ein verpflichtendes Monitoring, verschärfte Sicherheitsvorschriften sowie eine Beteiligung der Öffentlichkeit.

Die Freiheitlichen hätten sich immer für ein gentechnikfreies Österreich eingesetzt, unterstrich Abgeordneter WITTAUER (F). Das wichtigste Ziel bei der Umsetzung der EU-Richtlinie war es daher, dafür zu sorgen, dass es fast unmöglich ist, gentechnisch verunreinigtes Saatgut in Österreich zu verwenden. Was den konkreten Inhalt angeht, so wies Wittauer darauf hin, dass einheitliche Kriterien für die Risikobewertung festgelegt und mehr Transparenz geschaffen wurde.

Abgeordnete Mag. SCHEUCHER-PICHLER (V) bedauerte, dass die Grünen den Weg einer konstruktiven Zusammenarbeit verlassen. Ihrer Meinung nach handle es sich um ein sachliches und ausgewogenes Gesetz, das Sicherheit für die Konsumenten und die Produzenten bringe. Allein die Einrichtung eines Gentechnikregisters sei ein sehr wichtiger Aspekt der Novelle, da potentielle Schadensverursacher eruiert werden können. Sehr positiv seien auch die Kennzeichnungsvorschriften sowie die klaren und durchsetzbaren Haftungsbestimmungen, hob Scheucher-Pichler hervor.

Abgeordneter DOPPLER (V) erinnerte nochmals daran, dass bereits ein Vertragsverletzungsverfahren wegen der Nicht-Umsetzung der EU-Freisetzungsrichtlinie eingeleitet wurde. Deshalb habe die Bundesregierung heute eine Novelle zum Gentechnikgesetz vorgelegt, das u.a. einheitliche Kriterien zur Risikobewertung der Freisetzung und des Inverkehrbringens von GVO enthält.

Abgeordneter Mag. MAIER (S) übte massive Kritik am Gesetz. Als Beispiel nannte er die mangelhaften Kennzeichnungsbestimmungen, was dazu führe, dass die Verbraucher nicht ausreichend informiert werden. Ähnliche Probleme gebe es aber auch in der Landwirtschaft, meinte Maier. Aus diesem Grund brachte er einen Entschließungsantrag betreffend Verhinderung des Inverkehrbringens eines genetisch veränderten glyphosattoleranten Ölrapsproduktes ein.

Bundesminister DI PRÖLL teilte seinem Vorredner mit, dass dieses Thema morgen im EU-Umweltministerrat nicht auf der Tagesordnung stehe und auf Dezember verschoben wurde.

Abgeordnete Dr. GLAWISCHNIG (G) kritisierte, dass Minister Pröll keine Antwort bezüglich der Gentechnikfreiheit im ÖPUL-Programm gegeben hat. Außerdem sei es nicht fair, das "Aus für die Windkraft" den Bürgerinnen in die Schuhe zu schieben; dies sei auf den Druck des Wirtschaftsministers, der Industriellenvereinigung und der E-Control zurückzuführen. Deshalb brachte sie schließlich den Misstrauensantrag gegenüber Bundesminister Pröll ein.

Bei der Abstimmung wurden zunächst die Anträge der SPÖ sowie der Grünen, den Gegenstand an den Gesundheitsausschuss zurückzuverweisen, abgelehnt. Der Gesetzentwurf wurde sodann mehrheitlich angenommen. Der G-Entschließungsantrag betreffend Sicherstellung der Existenz in der gentechnikfreien Landwirtschaft sowie der vom Abgeordneten Maier eingebrachte Entschließungsantrag fanden keine Mehrheit. Abgelehnt wurde sodann auch der G-Misstrauensantrag gegen den Landwirtschaftsminister. (Fortsetzung)