Parlamentskorrespondenz Nr. 763 vom 27.10.2004

WIRTSCHAFTSMINISTER BARTENSTEIN VERTRITT SEIN BUDGET IM AUSSCHUSS

SP besorgt wegen Wirtschaftsdaten, Minister beruhigt: Wir liegen gut

Wien (PK) - Der Budgetausschuss hat heute Nachmittag das in der Beratungsgruppe IX zusammengefasste Budgetkapitel 63 "Wirtschaft und Arbeit" gemeinsam mit Bundesminister Martin Bartenstein debattiert. Das Grundbudget 2005 beträgt 5,389 438 Mrd. €. Der Personalaufwand liegt - unter der Annahme von 5.075 Planstellen (minus 285 gegenüber 2004) - bei 191,214 Mill. € oder 3,54 % des Grundbudgets, um 4,694 Mill. € niedriger als 2004.

Um 345,619 Mill. € höher veranschlagt wurde hingegen der Sachaufwand, der 5,207 224 Mrd. € ausmacht. - Die Einnahmen werden auf 4.722,200 geschätzt, das sind 142,18 Mill. € weniger als 2004.

Zu den vorgesehenen Personalreduktionen gab Spezialberichterstatter Reinhold Mitterlehner dem Ausschuss folgende Zahlen bekannt: Zentralleitung - 64, Bundesvergabeamt - 13, Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen - 17, Burghauptmannschaft - 32, Amt der Bundesimmobilien - 21, Arbeitsmarkt Service - 135 und Arbeitsinspektion - 2.

Die Erhöhung des Sachaufwands resultiert im Wesentlichen aus dem zu erwartenden höheren Bundesbeitrag zur Abgangsdeckung im Bereich Arbeitsmarkt. Die Einnahmen verringern sich durch eine sinkende Gewinnausschüttung der BIG. Im Bereich Arbeitsmarkt kommt es zu einer Einnahmenerhöhung in der zweckgebundenen Gebarung, erfuhren die Ausschussmitglieder von Spezialberichterstatter Reinhold Mitterlehner.

DIFFERIERENDE ANSICHTEN ZUR WIRTSCHAFTLICHEN LAGE ZWISCHEN OPPOSITION UND REGIERUNG

Die lebhafte Debatte, geleitet von Ausschussobmann-Stellvertreter  Matthias Ellmauer, eröffnete Abgeordneter Johann Moser (S) mit einer grundlegenden Kritik an der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung, wobei er auf "besorgniserregende Indikatoren der österreichischen Volkswirtschaft" hinwies. Moser nannte das gegenüber OECD und EU‑25 unterdurchschnittliche Wachstum von 1,9 %, die ungünstige Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, wo Vollzeitarbeitsplätze verloren gehen und sich der Stellenandrang seit 2000 von 1:5 auf 1:13 verschlechtert habe. Die Inflationsrate sei zuletzt von 1,3 % auf 1,9 % gestiegen und "das Kartenhaus Stromliberalisierung" zusammengebrochen.

Das Leistungsbilanzdefizit betrage trotz Exportboom wieder 1 % und beim Budgetdefizit sei die Bundesregierung an ihrem Ausgangspunkt angelangt. Österreich befinde sich mit dieser Regierung auf keinem guten Weg, resümierte Moser. Seine Spezialfragen galten dem Rückgang der Wirtschaftsförderung, den Auswirkungen der "experimentellen Steuerpolitik" unter dem Titel "Gruppenbesteuerung", den geringeren Ansätzen für die Exportoffensive sowie dem Personalmangel der Bundeswettbewerbsbehörde und den Ergebnissen der Industrieansiedlungspolitik.

Abgeordneter Maximilian Hofmann (F) erkundigte sich ebenfalls nach einer Bilanz der Betriebsansiedlungspolitik, wollte wissen, welche Rückschlüsse von Ansiedelungen auf die Arbeitsmarktsituation gezogen werden könnten und interessierte sich für die Hintergründe steigender Einnahmen unter dem Titel Förderzinsen.

Abgeordnete Michaela Sburny (G) beklagte den Rückgang der Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen, mahnte die Abgeltung unbezahlter Überstunden bei der Bundeswettbewerbsbehörde ein und fragte nach dem Gender Budgeting im Wirtschaftsressort.

Abgeordneter Reinhold Mitterlehner (V) trat den Ausführungen des Abgeordneten Moser mit dem Hinweis auf Investitionen entgegen, die über das vom Wachstum zu erwartende Ausmaß hinaus steigen und machte darauf aufmerksam, dass auch die Wachstumserwartungen Österreichs für 2005 überdurchschnittlich ausfallen. Mitterlehner zeigte Interesse an den Auswirkungen der Exportoffensive auf den Arbeitmarkt und bat den Ressortleiter um Auskunft über die Ergebnisse der integrativen Berufsausbildungsförderung.

Abgeordnete Heidrun Silhavy (S) warf der Regierung vor, im Jahr 2004 auf gegensteuernde Maßnahmen verzichtet zu haben und damit für das Ansteigen der Arbeitslosigkeit verantwortlich zu sein. Silhavy drängte auf existenzsichernde Maßnahmen in der Arbeitslosenversicherung, da Arbeitslosigkeit die Armutsgefahr Nummer eins darstelle. Weitere Frage richteten sich auf ein drohendes 15,3‑Mill.‑€‑Minus in der aktiven Arbeitsmarktpolitik sowie auf überbetriebliche Ausbildungsplätze für Lehrlinge und die Erfahrungen mit dem Lehrlingsbeauftragten.   

Abgeordneter Karl Öllinger (G) zeigte Interesse an der Zahl der Personen, die in aktivierende Arbeitsmarktmaßnahmen einbezogen seien, an Kreditaufnahmen des AMS und der Personalentwicklung des AMS.

Abgeordneter Walter Tancsits (V) richtete Fragen nach der Entwicklung des Arbeitsmarktbudgets und nach Maßnahmen zur Beschäftigung älterer Arbeitnehmer.

Abgeordneter Heinz Gradwohl (S) bezog sich auf den geplanten Verkauf der Entwicklungsgesellschaft Aichfeld/Murboden und wollte wissen, ob die dazugehörigen Wohnungen auch in Zukunft als gemeinnützig gelten werden. Zudem interessierten den Abgeordneten die zu erwartenden Auswirkungen auf die Wirtschaftsförderung und die Ansiedlungspolitik der Region. Schließlich fragte Gradwohl nach ersten Ergebnissen einer Evaluierung der neuen Bundesbeschaffungsgesellschaft, insbesondere auch auf regionale KMU.

Abgeordnete Ridi Steibl (V) wollte wissen, wie viele Frauen Wiedereinstiegshilfen erhielten und kam auf das neue Magna-Chrysler-Projekt in Graz zu sprechen.

BARTENSTEIN SIEHT ÖSTERREICH ÖKONOMISCH GUT IM RENNEN

Wirtschaftsminister Martin Bartenstein wies die Aussage des Abgeordneten Moser zurück, Österreich entwickle sich ökonomisch unterdurchschnittlich. Österreich liege tatsächlich sehr gut im Rennen, die Wachstumsprognose für 2004 sei mit 2 % im europäischen Durchschnitt und mit 2,4 % im Jahr 2005 weit vor Deutschland, den EU‑15 und auch vor den EU‑25. Österreich verzeichne im internationalen Vergleich trotz mäßigen Wachstums hervorragende Arbeitsmarktdaten. Bisherige Problemgruppen wie junge Menschen und Arbeitnehmer über 50 verzeichnen deutlich rückläufige Arbeitslosenraten. Die Lohnnebenkostensenkung und andere Maßnahmen greifen laut Bartenstein. Eine Abnahme der Arbeitslosigkeit insgesamt sei aber noch nicht absehbar, räumte der Ressortleiter ein.

Seiner Erwartung nach werde die Konjunktur weiter anziehen, wenn sich der Ölpreis einpendle und Deutschland, in dessen Volkswirtschaft Österreich mehr als jedes andere Land verflochten sei, nicht schon seinen konjunkturellen Höhepunkt erreicht habe. Dabei werde die Steuerreform sehr wohl Konjunkturimpulse bringen. Ob der private Konsum bereits im kommenden Jahr ein Wachstumsmotor sein könne, sei noch offen.  

Die Inflationsentwicklung ist auf den Rekordölpreis zurückzuführen, sagte Bartenstein, und sah bei der Energiemarktliberalisierung "kein Kartenhaus zusammenbrechen". Die Liberalisierungsrendite betrage 700 Mill. €, die Preisentwicklung sei für Haushalte wie Wirtschaft günstiger, als sie es ohne Liberalisierung wäre, teilte er mit.

Dann wandte sich der Wirtschaftsminister der "Erfolgsgeschichte Exporte" zu, die zuletzt um 11 % zunahmen, und informierte, dass er für 2004 ein Exportwachstum von knapp unter 10 % mit zigtausenden neuen Arbeitsplätzen erwarte.

Die aktive Arbeitsmarktpolitik, die im Jahr 2003 mit 767 Mill. € dotiert gewesen sei, verfüge im Jahre 2004 über 784 Mill. € und wird 2005 796 Mill. € umfassen. Die Einführung einer modernen Gruppenbesteuerung in Österreich sei beispielgebend in Europa, gemeinsam mit der KöSt‑Senkung sei, so Bartenstein, Österreich bei der Stärkung des Wirtschaftsstandortes auf einem guten Weg.

Befürchtungen hinsichtlich eines Rückgangs der Wirtschaftsförderung zerstreute der Ressortleiter, informierte über die Verteilung der Internationalisierungsoffensive auf mehrere Jahre und führte unter anderem aus, dass die unternehmensbezogene Arbeitsmarktförderung durch eine Rücklagenauflösung nicht sinken werde.

Die Planstellen Bundeswettbewerbsbehörde wurden von 19 auf 25 aufgestockt, sie könne bis Ende 2005 mit einer weiteren Zunahme rechnen. Im internationalen Vergleich sei diese Behörde personell durchschnittlich ausgestattet.

Unter den Erfolgen der Industrieansiedlungspolitik nannte der Wirtschaftsminister das jüngst vereinbarte Fertigungsprojekt von Magna‑Chrysler in Graz, durch das 650 Arbeitsplätze gesichert werden. Standortsicherung sei aber nie zu Ende, zeigte sich der Minister überzeugt und sprach die Hoffnung aus, dass die Sozialpartner zu Vereinbarungen bei der Arbeitszeitflexibilisierung kommen. "Wir müssen permanent an uns arbeiten, damit uns ein Opel‑Schicksal erspart bleibt. Die Austria Business Agency könne auch in Zukunft mit einer vergleichbaren Dotierung rechnen. 2003 habe die ABA 82 Ansiedlungen verzeichnet, 2004 sei mit einer weiteren Steigerung zu rechnen.

Der Förderzins steige im Zusammenhang mit höheren Öl‑ und Gaspreisen, teilte der Ressortleiter den Abgeordneten mit.

Beim AMS seien bis 2007 Einsparungen beim Verwaltungsaufwand von 2005 geplant, dies gelte auch für den Personalaufwand, sagte der Minister.

Besonders erfreulich wertete der Wirtschaftsminister die signifikante Zunahme der abgeschlossenen Lehrverträge, junge Menschen, die keine Lehrplätze finden, werden Ausbildungsplätze erhalten, sicherte der Wirtschaftsminister zu. Die Entwicklung bei den integrativen Berufsausbildungsverträgen – mehr als 1000 wurden bereits abgeschlossen – und bei den Lehrlingsbeauftragten gehe in die richtige Richtung.

Das Gender Budgeting sei nicht speziell ausgewiesen, sagte der Ressortleiter, machte aber auf die Frauenförderungspläne seines Ressorts und den überdurchschnittlichen Anteil der Frauen an den Mitteln der aktiven Arbeitsmarktpolitik aufmerksam.

Bei den existenzsichernden Maßnahmen in der Arbeitslosenversicherung reklamierte der Wirtschaftsminister die Einführung einer einheitlichen 55%‑igen Nettoersatzrate und die Einführung eines Sockelbetrags für kleine Einkommen für die derzeitige Bundesregierung. Die Anhebung der Nettoersatzrate auf 50 % würde mehrere 100 Mill. € kosten. "Ich will kein Harz IV", sagte der Minister pointiert.

Die Wohnungen der Entwicklungsgesellschaft Aichfeld/Murboden bleiben auch nach der Veräußerung der Gesellschaft gemeinnützig, sicherte der

Wirtschaftsminister zu.

In den Jahren 2002 und 2003 waren 17 800 Personen in die Wiedereinstiegshilfe des AMS einbezogen, 14 000 € wurden für Kinderbetreuungsbeihilfen ausbezahlt.

In einer weiteren Diskussionsrunde sprach Abgeordneter Christian Faul (F) die Dividendenzahlungen der Bundeswohnbaugesellschaften und die Sinnhaftigkeit des Verkaufs der Villacher Wohnbaugesellschaft an. V-Abgeordneter Johannes Schweisgut kam auf die Tourismusförderung zu sprechen. Das Interesse der Abgeordneten Renate Csörgits (S) galt der Schwerpunktschulungsaktion für arbeitslose Frauen, der Elternteilzeit und der Zahl der Lehrlinge, die neu im Ministerium aufgenommen wurden. Mit der Effizienz der Arbeitsmarktmittel, dem Ökostromgesetz und mit dem Pensionskorridor befasste sich F-Abgeordneter Maximilian Hofmann. Die Steuerreform und die VOEST in Oberösterreich waren Abgeordnetem August Wöginger (V) ein Anliegen. Abgeordneter Christoph Matznetter (S) forderte das Einbekennen einer falschen Finanzpolitik in den letzten zwei Jahren ein, die zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit geführt habe; zudem brauche man eine Steuerreform, die Massenkaufkraft schaffe. So sei alles nur Schönfärberei, meinte er. Mit dem AMS, seinem Personalmangel und der Notwendigkeit, die EDV-Anlage zu erneuern, befasste sich S-Abgeordnete Erika Scharer.

Bundesminister Martin Bartenstein gestand ein, dass der Sommertourismus nicht so verlaufen sei, wie man es sich gewünscht habe; zu dem schlechten Wetter kam die Situation, dass der Zustrom der deutschen Touristen nachgelassen habe. Trotz allem könne man angesichts einer Umsatzsteigerung von 3 % von einer „Erfolgsmeldung“ sprechen, so Bartenstein.

Das AMS habe seine Mittel schwerpunktmäßig für die Frauen eingesetzt. Die meisten Entscheidungen im AMS-Bereich erfolgen einhellig. Wenn das AMS zusätzlich 500 Mitarbeiter brauche, dann müsse dieser Wunsch von der Spitze des AMS an ihn herangetragen werden. Das AMS habe derzeit 4.200 Mitarbeiter, „dabei müsse es bleiben“. Das AMS arbeite sehr gut, auch der Rechnungshof stelle ihm ein gutes Zeugnis aus. EDV-mäßig sei das AMS nicht schlecht ausgestattet.

Die Elternteilzeit sei zu kurz in Kraft, um über Zahlen berichten zu können.

2004 wurden sieben Lehrlinge direkt im Ressort aufgenommen.

Das Ökostromgesetz, das dem Parlament vorgelegt wurde, habe „Hand und Fuß“, meinte der Minister. Er verwies darauf, dass man zur Beschlussfassung eine Zweidrittelmehrheit, also die SPÖ, brauche, und machte darauf aufmerksam, dass mit 1.1.2005 die Einspeistarife auslaufen. (Schluss)