Parlamentskorrespondenz Nr. 844 vom 19.11.2004

REGIERUNGSVORLAGEN

ABFALLWIRTSCHAFTSGESETZ-NOVELLE 2004

Die Bundesregierung hat dem Nationalrat einen Entwurf für eine Abfallwirtschaftsgesetz-Novelle 2004 (672 d.B.) vorgelegt, die der Umsetzung der EU-Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie, der Richtlinie über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (SUP-Richtlinie), der Richtlinie über Elektro- und Elektronik-Altgeräte (EAG-Richtlinie) sowie der Entscheidung zur Festlegung von Kriterien und Verfahren für die Annahme von Abfällen auf Abfalldeponien (Deponieentscheidung) dient.

Im Einzelnen wird die Beteiligung der Öffentlichkeit und die Prüfung sowie allenfalls Durchführung einer strategischen Umweltverträglichkeitsprüfung bei der Erstellung umweltbezogener Pläne und Programme (etwa von Abfallbewirtschaftungsplänen) und die Öffentlichkeitsbeteiligung, einschließlich NGOs an UVP-Vorhaben und IPPC-Verfahren sowie der Zugang der Parteien zu den Gerichten geregelt.

Hersteller und Importeure von Elektro- und Elektronik-Altgeräten werden verpflichtet, Sammelstellen einzurichten und sich an einem Sammel- und Verwertungssystem für historische Geräte zu beteiligen. Die Gemeinden müssen Abgabestellen für Elektro- und Elektronik-Altgeräte einrichten.

Außerdem werden rechtliche Rahmenbedingungen für die Einrichtung einer Koordinierungsstelle für die Sammlung und Behandlung bestimmter Abfälle geschaffen und die Verpflichtung des Abfallbesitzers verankert, Abfälle vor der Übergabe an den Deponieinhaber untersuchen zu lassen. Abfallsammler und –behandler werden zur Registrierung verpflichtet und Klarstellungen im Anlagenrecht und bei Behandlungsaufträgen getroffen.

Zu den Detailbestimmungen gehören kostenlose Rückgabemöglichkeit für Altgeräte aus privaten Haushalten und die Verpflichtung des Handels, bei Neukauf eines Elektro- oder Elektronikgerätes ein Altgerät derselben Art oder Funktion kostenlos zurückzunehmen ("1:1-Regelung"). Das Sammelziel von 4 kg pro Einwohner und Jahr soll bis Ende 2006 erreicht werden. Für die umweltgerechte Behandlung der gesammelten Altgeräte sind Hersteller und Importeure verantwortlich. Umweltgefährdende Bestandteile müssen einer speziellen Behandlung zugeführt werden. Für Altgeräte gelten Verwertungsquoten, die bis Ende 2006 zu erreichen sind.

Die Finanzierung des Transportes der Haushalts-Altgeräte von den Sammel- bzw. Abgabestellen sowie der Behandlung haben die Hersteller und Importeure zu tragen ("Produzentenverantwortung"). Für so genannte historische Altgeräte (von vor dem 14. August 2005) müssen sich Hersteller und Importeure an einem Sammel- und Verwertungssystem beteiligen. Für Altgeräte aus Gewerbe und Industrie sind grundsätzlich die Hersteller verantwortlich. Ergänzt werden diese Punkte um Bestimmungen zur Kennzeichnung von Elektro- und Elektronikgeräten.

Für Altgeräte aus dem Distanzhandel ("e-commerce") soll eine spezielle Finanzierungsregelung gelten. Dazu kommt ein Verbot bestimmter umweltgefährdender Substanzen (Schwermetalle) bei der Produktion sowie beim In-Verkehr-Setzen elektrischer und elektronischer Geräte.

Die Auswirkungen auf den Bundeshaushalt werden wie folgt beziffert: Einmalige Kosten: 6 495,6 €, jährliche Kosten: 442 743,2 €, diskontinuierliche Kosten: 141 407,84 €. Die Bundesländer haben mit einmaligen Kosten von 19 486,80 € und jährlichen Kosten von 82 511,52 € zu rechnen.

ÄNDERUNGEN IM RECHNUNGSLEGUNGSRECHT

Vorgaben des Europarechts, vor allem EU-Verordnungen betreffend internationale Rechnungslegungsstandards ("IAS-Verordnung") und die "Schwellenwertrichtlinie", machen es notwendig, das österreichische Rechnungslegungsrecht im Handelsgesetzbuch anzupassen und flankierend Änderungen in anderen Gesetzen wie dem Bankwesengesetz, dem Versicherungsaufsichtsgesetz oder dem Nationalbankgesetz vorzunehmen.

Zu den wichtigsten Neuerungen des von der Regierung unter dem Titel "Rechnungslegungsänderungsgesetz 2004" vorgelegten Entwurfs zählen die Verpflichtung kapitalmarktorientierter Gesellschaften, ihre Konzernabschlüsse für Geschäftsjahre ab dem 1.1.2005 nach den an anglo-amerikanischen Bilanzierungsgrundsätzen orientierten Regeln der International Accounting Standards (IAS) aufzustellen. Während der bisherige Abschluss nach dem Handelsgesetzbuch auf Gesellschafter und Gläubiger als Adressaten gerichtet ist, informieren IAS-Abschlüsse in erster Linie Investoren. Die Prinzipien der Vorsicht und des Gläubigerschutzes im Handelsgesetzbuch werden zugunsten einer besseren Information für Investoren zurückgedrängt. Für Mutterunternehmen, die bereits jetzt einen Konzernabschluss nach IAS aufgestellt haben, bringt der Entwurf keine Änderung.

Die Schwellenwerte, auf denen die Größenmerkmale der Kapitalgesellschaften beruhen, werden um rund 17 % erhöht. Zudem werden im Firmenbuchgesetz Anpassungen an das neue Außerstreitgesetz vorgenommen (677 d.B.).

LEICHTERER EINSTIEG FÜR JUGENDLICHE MIT HANDICAPS IN LANDWIRTSCHAFTSJOBS  

Jugendliche mit Benachteiligungen körperlicher oder sozialer Natur haben laut Berufsausbildungsgesetz die Möglichkeit, ihre Lehre in Form von Teilprüfungen, in Ausbildungsversuchen oder in besonderen selbständigen Ausbildungseinrichtungen zu absolvieren. Durch Änderungen im land- und forstwirtschaftlichen Berufsausbildungsgesetz will die Bundesregierung Vergleichbares auch im Agrarbereich möglich machen.

Experten rechnen damit, dass 400 junge Menschen dieses Ausbildungsangebot nützen werden. Von deren besserer Integration in die agrarische Berufswelt erwartet die Bundesregierung auch positive Auswirkungen für den Wirtschaftsstandort Österreich. Den Kosten für die Förderung der ausbildenden Betriebe und der Berufsschulen stehen überdies verbesserte Beschäftigungsschancen und die Nutzung des kreativen Potentials der jungen Menschen in der Landwirtschaft gegenüber (683 d.B.).

DER ENTWURF FÜR EIN ABGABENÄNDERUNGSGESETZ 2004

Ein Regierungsentwurf für ein Abgabenänderungsgesetz 2004 (686 d.B.) enthält Änderungsvorschläge in insgesamt 20 Steuergesetzen. Im Einkommensteuergesetz besteht unter anderem Anpassungsbedarf an die EuGH-Judikatur, an die so genannte Mutter/Tochter-Richtlinie der EU und an die nationale Rechtssprechung. Diebisherige Praxis bei steuerfreien (Essens-)Gutscheinen soll gesetzlich verankert werden. Bei Aus-, Fortbildungs- und Umschulungskosten wird die Abzugsfähigkeit durch den Wegfall schultypbezogener Einschränkungen erweitert. Neu geregelt wird die Gebäudebegünstigung bei Betriebsaufgaben: Die Steuerschädlichkeit bestimmter Verwendungen entfällt, im Veräußerungsfall ist nachzuversteuern.  Grenzgänger kommen in den Genuss der "Negativsteuer". Die Zuständigkeit für die Feststellung der Minderung der Erwerbsfähigkeit wird dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen übertragen. Die Besteuerung beschränkt Steuerpflichtiger wird neu konzipiert: In allen Fällen der Abzugsbesteuerung soll die Veranlagungsoption offen stehen, dabei aber nur mehr ein Existenzminimum von 2.000 € steuerfrei gestellt werden. Zuschläge für Sonntagsarbeit werden auch an Ersatzruhetagen steuerlich begünstigt. Das Führen von Lohnkonten wird per Verordnung standardisiert und soll im Inland künftig nicht mehr auf den Ort der Betriebsstätte beschränkt sein.

Im Kommunalsteuergesetz wird die Pflicht, den Gemeinden zur Kontrolle der Kommunalsteuerzahlungen die Daten der Dienstgeberbeitragszahlungen bereitzustellen, außer Streit gestellt.

Für ausschüttungsgleiche Erträge ausländischer Investmentfonds soll die Möglichkeit der Zahlung eines dem KESt-Abzug entsprechenden Betrages geschaffen werden. Die Kürzung der KESt-Erstattung um die (fiktive) Schenkungssteuer bei steuerfrei geschenkten Sparbüchern entfällt im Hinblick auf das Auslaufen der Schenkungssteuerbefreiung.

Im Körperschaftssteuergesetz wird das Erfordernis einer Zweigniederlassung bei doppelt ansässigen Körperschaften für Anerkennung der Eigenschaft als Gruppenträger verankert. Grenzüberschreitende Gruppen können bei der Nachversteuerung von Verlusten in Fällen der Liquidation oder Insolvenz die zunächst steuerneutralen Teilwertabschreibungen gegenverrechnen.

Im Umsatzsteuergesetz werden Regelungen für Strom  und Gas an die fortschreitende Liberalisierung der Energiemärkte angepasst. Schwerpunkt der diesbezüglichen EU-Änderungsrichtlinie ist die Neubestimmung des Leistungsortes für Energielieferungen. Maßgeblich ist, ob der Empfänger der Lieferung ein steuerpflichtiger Wiederverkäufer oder ein sonstiger Abnehmer ist. Wird Gas oder Elektrizität an einen steuerpflichtigen Wiederverkäufer geliefert, gilt das Empfängerortprinzip, bei anderen  Abnehmern wird die Besteuerung am Ort des Verbrauchs durchgeführt. Sollte der Abnehmer die Gas- oder Stromlieferung nicht nutzen bzw. verbrauchen, gilt das Empfängerortprinzip. Ausdrücklich klargestellt wird, dass bei Lieferungen von Gas über Leitungen oder von Elektrizität kein innergemeinschaftliches Verbringen vorliegt. Die Einfuhr von Strom und Gas über Leitungen ist von der Einfuhrumsatzsteuer befreit.

Im Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz wird klargestellt, dass steuerfreie Vermietung von Räumlichkeiten an Ärzte unter die Beihilfenkürzung fällt.

Im Investmentfondsgesetz wird Inhabern von Anteilen an ausländischen Investmentfonds die Möglichkeit eingeräumt, einen Nachweis der (ausschüttungsgleichen) Erträge zu erbringen.

In der Normverbrauchsabgabe wird ein zeitlich befristeter Anreiz für die Verwendung von Partikelfiltern bei neu zugelassenen Dieselkraftfahrzeugen geschaffen, im Mineralölsteuergesetz sind  Anreize für eine rasche Markteinführung von Biokraftstoffen vorgesehen.

Die ÖBB-Holding AG und ihre Tochter- und Enkelgesellschaften werden kommunalsteuerrechtlich als einheitliches Unternehmen behandelt werden. Die antiquierte Übermittlung der monatlichen Bemessungsgrundlagen in Papierform an jede einzelne Gemeinde wird vereinfacht und auf Übermittlung via FinanzOnline umgestellt, heißt es in den Erläuterungen.

Um Missbräuchen bei der Unterstützung von Jungunternehmern im Neugründungs-Förderungsgesetz vorzubeugen, soll innerhalb von zwei Jahren nach der Betriebsneugründung oder der (Teil-) Betriebsübertragung eine Person nicht Betriebsinhaber werden dürfen, die schon in der Vergangenheit Betriebsinhaber war.

Im Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz werden Gewinne aus unentgeltlichen Ausspielungen (z. B. Preisausschreiben) steuerfrei gestellt.

Bei den finanziellen Auswirkungen hält der Finanzminister nur die Mindereinnahmen bei der Normverbrauchsabgabe für bezifferbar, sie werden in den Jahren 2006 und 2007 jeweils 5 Mill. € ausmachen.

(Schluss)