Parlamentskorrespondenz Nr. 1 vom 04.01.2005

REGIERUNGSVORLAGEN UND GESETZESANTRAG DER ÖVP-BUNDESRATSFRAKTION

GRENZGÄNGERABKOMMEN MIT TSCHECHIEN

Positive Erfahrungen mit dem bestehenden Grenzgängerabkommen mit Ungarn führt die Regierung für den Abschluss eines ähnlichen Abkommens mit Tschechien ins Treffen. Der Staatsvertrag soll unter Bedachtnahme auf die jeweilige Situation am Arbeitsmarkt einer beschränkten - jährlich durch Notenwechsel festzusetzenden - Anzahl von Grenzgängern die Möglichkeit bieten, innerhalb taxativ aufgezählter Grenzzonen eine Beschäftigung aufzunehmen. Die Bundesregierung erwartet, dass im Rahmen der Vollziehung dieses Abkommens auch wertvolle Erfahrungen für die künftig wirksam werdende Freizügigkeit tschechischer Arbeitskräfte gewonnen werden. (688 d.B.)

WEITERES ABKOMMEN MIT TSCHECHIEN ERMÖGLICHT PRAKTIKANTENAUSTAUSCH

Die Regierung hat dem Nationalrat darüber hinaus ein Abkommen zwischen Österreich und der Tschechischen Republik über den Austausch von Arbeitnehmern zur Erweiterung der beruflichen und sprachlichen Kenntnisse zur Genehmigung vorgelegt. Durch dieses Abkommen soll der Austausch junger Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Rahmen von Jahreshöchstkontingenten erleichtert werden. Arbeitskräften zwischen 18 und 35 Jahren mit abgeschlossener Berufsausbildung wird die Möglichkeit geboten, aufgrund eines befristeten Arbeitsverhältnisses im jeweils anderen Nachbarstaat ihre beruflichen und sprachlichen Kenntnisse zu erweitern. Vorbild für das vorliegende Abkommen sind ein Gastarbeitnehmerabkommen mit der Schweiz und ein 1998 abgeschlossenes Praktikantenabkommen mit Ungarn. (689 d.B.)

DOPPELBESTEUERUNGSABKOMMEN MIT SAN MARINO

Ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung mit San Marino orientiert sich inhaltlich an Grundsätzen, die von der OECD erarbeitet wurden und mittlerweile internationale Anerkennung gefunden haben (706 d.B.).

NEUES ALTERSVORSORGEPRODUKT: "BETRIEBLICHE KOLLEKTIVVERSICHERUNG"

Zur Umsetzung einer EU-Richtlinie über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung legte die Bundesregierung einen Novellenentwurf zum Pensionskassengesetz und zum Betriebspensionsgesetzes samt Rechtsanpassungen in anderen Gesetzen, insbesondere im Versicherungsaufsichtsgesetz und in Steuergesetzen, vor. Zugleich werden die gesetzlichen Voraussetzungen für die Einführung des neuen Altersvorsorgeprodukts "betriebliche Kollektivversicherung" geschaffen.

Der Entwurf vereinheitlicht das Aufsichtsrecht für kapitalgedeckte, rechtlich selbständige Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung. Im Einzelnen erhalten die Anwartschafts- und Leistungsberechtigten Informationsrechte über Geschäftsbedingungen und finanzielle Lage der Altersversorgungseinrichtung und die Einrichtungen der Pensionsvorsorge Vorschriften für die Veranlagung von Vermögenswerten (prudent person rule). Die wechselseitige Anerkennung von Einrichtungen in Verbindung mit spezifischen Aufsichtsregelungen ermöglicht auch grenzüberschreitende Geschäftstätigkeit, wobei die Vorschriften des Mitgliedstaates zur Anwendung gelangen, in dem die Einrichtung niedergelassen ist (Prinzip der Kontrolle des  Herkunftsstaates). Die Entscheidung für Umlageverfahren oder Kapitaldeckungsverfahren oder eine kombinierte Lösung und für die Förderung bestimmter Formen des Pensionssparens obliegt allein den Mitgliedstaaten.

Attraktivität und Funktionsfähigkeit von Pensionskassen sollen gestärkt werden, indem man auf den im Pensionskassengesetz vorgesehenen Mindestertrag verzichten können soll, um Verwaltungskosten zu sparen. Das Eigenmittelerfordernis wird auf das notwendige und von der Richtlinie vorgegebene Ausmaß beschränkt. Zusätzliche Eigenmittel sollen auf die Mindestertragsrücklage angerechnet werden können. Die Veranlagungsvorschriften basieren nunmehr auf dem "prudent-person-Konzept", es werden qualitative Rahmenbedingungen und nur mehr wenige quantitative Grenzen vorgegeben. Den Pensionskassen wird der Aufbau eines umfassenden Risikomanagements vorgeschrieben. Sinken durch Erfüllung der Mindestertragsgarantie die Eigenmittel einer Pensionskasse unter das erforderliche Mindestausmaß, sollen analog zum Versicherungsaufsichtsgesetz ein Solvabilitätsplan und ein Sanierungsplan für die Wiederherstellung gesunder Finanzen sorgen. 

Unter dem Titel "betriebliche Kollektivversicherung" sollen Versicherungsunternehmen das betriebliche Altersversorgungsgeschäft nach den Regeln des Versicherungsaufsichtsgesetzes betreiben können. Dabei bleiben die Formen "Pensionskasse" und "Gruppenrentenversicherung" gesellschaftsrechtlich strikt getrennt. Die betriebliche Kollektivversicherung darf nur als klassische Gruppenrentenversicherung angeboten werden. Steuerlich werden Pensionskassen und betriebliche Kollektivversicherungen gleichgestellt (707 d.B.).

INVESTITIONSSCHUTZABKOMMEN MIT ÄTHIOPIEN

Ein Investitionsschutzabkommen mit Äthiopien dient der Förderung und dem Schutz von Investitionen. Es regelt auf der Grundlage der Gegenseitigkeit die Entschädigungspflicht bei Enteignungen, Überweisungen und die Formen der Streitbeilegung. Das Abkommen beruht auf dem Prinzip der Meistbegünstigung und Inländergleichbehandlung, ausgenommen der Vorteile, die sich aus Integrationsmaßnahmen ergeben. Das Vertragsinstrument ermöglicht jeder Vertragspartei, die Rechte ihres Investors im Investitionsland sicherzustellen und zu vertreten. Die Vertragsparteien gestehen sich Meistbegünstigung und Inländergleichbehandlung zu (778 d.B.).

MEDIENGESETZ WIRD NOVELLIERT

Die Regierung schlägt eine Änderung des Mediengesetzes vor. Konkret geht es darum, die Bestimmungen des Gesetzes so zu adaptieren, dass sie in der Praxis problemlos auch auf das Internet bzw. andere elektronische Medien angewendet werden können. So wird etwa klargestellt, dass auch auf einer Website Gegendarstellungen veröffentlicht werden müssen, wenn die Website über die Darstellung des persönlichen Lebensbereichs des Website-Inhabers hinausgeht und deren Informationsgehalt geeignet ist, die öffentliche Meinungsbildung zu beeinflussen. Die Gegendarstellung muss zumindest über einen Zeitraum von einem Monat hinweg bzw. so lange abrufbar gehalten werden, so lange die Tatsachenmitteilung abrufbar ist. Kommt der Website-Inhaber der Gegendarstellungspflicht nicht nach, droht eine tägliche Geldbuße von bis zu 1.000 €. Auch die "Beschlagnahme" einer Website und deren "Einziehung" aufgrund eines Strafurteils wegen eines Medieninhaltsdelikts wird möglich, und zwar in Form einer Löschung der betroffenen Stellen.

Auf jeder Website müssen außerdem gewisse Mindestangaben über den "Urheber" zur Verfügung gestellt werden und leicht auffindbar sein. Bei "kleinen" Websites, etwa solchen, die ausschließlich der Selbstdarstellung einer Person oder eines Vereins oder der Präsentation einer Firma dienen, reicht es dabei aus, Name bzw. Firma und Wohnort des Medieninhabers anzugeben. Websites, deren Informationsgehalt geeignet ist, die öffentliche Meinungsbildung zu beeinflussen, müssen hingegen sämtliche Offenlegungsverpflichtungen nach dem Mediengesetz - z.B. genaue Angaben über Eigentums- und Einflussverhältnisse sowie die grundsätzliche Ausrichtung - erfüllen. So wird den Erläuterungen der Regierungsvorlage zufolge beispielsweise ein Gärtnereibetrieb, der auf einer Website ausschließlich seine Leistungen und Produkte darstellt, nur Firmenname, Wohnort und Unternehmensgegenstand angeben müssen; werden auf dieser Website allerdings auch umweltpolitische Themen erörtert, trifft ihn die gesamte Offenlegungspflicht.

Darüber hinaus sieht die Regierungsvorlage eine Anhebung der im Mediengesetz verankerten Entschädigungssummen vor. So müssen Medieninhaber im Fall von übler Nachrede oder Beschimpfung künftig mit der Zahlung eines Entschädigungsbetrags an den Betroffenen von bis zu 20.000 € (bisher 14.535 €) und bei Verleumdung von bis zu 50.000 € (bisher 36.337 €) rechnen. Analoges gilt für andere Entschädigungsbeträge, beispielsweise bei Verletzung des Identitätsschutzes oder der Unschuldsvermutung.

Neu ist gemäß Gesetzentwurf, dass Medien künftig nicht mehr beschlagnahmt, eingezogen bzw. zu einer Urteilsveröffentlichung verpflichtet werden können, wenn sie die Äußerung eines Dritten gerechtfertigt und wahrheitsgetreu wiedergegeben haben. Fragen des Kostenersatzes für ungerechtfertigte Beschlagnahmen und Pflichtveröffentlichungen sollen in Hinkunft grundsätzlich zwischen den Verfahrensparteien geregelt werden. (784 d.B.)

ÖVP-BUNDESRÄTE WOLLEN EINFÜHRUNG DER BRIEFWAHL BEI LANDTAGSWAHLEN

Die ÖVP-Bundesratsfraktion beantragt eine Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes. Zum einen sollen die Landtage die Ermächtigung erhalten, die Briefwahl bei Landtags- und Gemeinderatswahlen einzuführen, zum anderen wollen die ÖVP-BundesrätInnen im Ausland lebenden Bürgerinnen und Bürgern die Teilnahme an diesen Wahlen ermöglichen. Ihrer Meinung nach ist es für die Bürgerinnen und Bürger schwer verständlich, dass zwar bei Nationalrats-, Bundespräsidenten- und EU-Wahlen eine briefliche Stimmabgabe bei Aufenthalten außerhalb des Wahlgebietes möglich ist, bei Landtags- und Gemeinderatswahlen jedoch nicht. Zudem führen sie einen erheblichen Teil der sinkenden Wahlbeteiligung darauf zurück, dass Wählerinnen und Wähler, die sich am Wahltag außerhalb des Wahlgebiets befinden, ihre Stimme nicht abgeben können. (769 d.B.) (Schluss)