Parlamentskorrespondenz Nr. 12 vom 14.01.2005

GORBACH UND SCHÜSSEL BEI DER AUFTAKTVERANSTALTUNG ZUM JUBILÄUMSJAHR

Aus den Reden des Vizekanzlers und des Bundeskanzlers

Wien (PK) - Wie ihre Vorredner bezogen sich auch Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und Vizekanzler Hubert Gorbach in ihren Reden bei der Auftaktveranstaltung zum Jubiläumsjahr auf die Flutkatastrophe in Südostasien.

VIZEKANZLER GORBACH: SOLIDARITÄT ALS FUNDAMENT DER REPUBLIK

Vizekanzler Gorbach eröffnete seine Rede mit Worten des Gedenkens an die Opfer der Flutkatastrophe und sah die westlichen Länder aufgerufen, rasch, unbürokratisch und nachhaltig zu helfen. Eine Katastrophe dieses Ausmaßes erfordere Gemeinschaft und Solidarität über die Parteigrenzen hinweg - eine Solidarität, die, wie er betonte, auch das Fundament der 2. Republik war und ist.

Die Jubiläen des Jahres 2005 waren für Gorbach vor allem auch Anlass, der Nachkriegsgeneration für ihre Leistungen beim Wiederaufbau Österreichs zu danken. Frauen, Männer, ehemalige Soldaten und Kriegsgefangene hatten, so der Vizekanzler, mit ihrer Vision und dem Mut zum Neubeginn die Voraussetzung dafür geschaffen, dass sich Österreich nach der Unterzeichnung des Staatsvertrages zu dem entwickeln konnte, was es heute ist: ein soziales, wirtschaftlich erfolgreiches stabiles und sicheres Land.

Die 10-jährige EU-Mitgliedschaft habe diese erfolgreiche Entwicklung noch zusätzlich gefördert. Nach den Worten Gorbachs gehe es für Österreich nun darum, weiterhin selbstbewusst zu agieren, wo elementare nationale Bedürfnisse und Anliegen angesprochen sind, und sich dort dem Gemeinwohl der EU unterzuordnen, wo gemeinsames Handeln sinnvoll ist. Gorbach brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, dass das Projekt Europa dazu beiträgt, sozialen Wohlstand und Frieden für die nachfolgenden Generationen zu sichern. Voraussetzung dafür sei aber, dass sich die Union auf ihre geographischen und gesellschaftspolitischen Grenzen besinnt und nicht über die Köpfe der Bevölkerung hinweg regiert. Das Werk könne nur gelingen, wenn der Weg der EU von den Menschen gerne mitgegangen wird, mahnte Gorbach.

BUNDESKANZLER SCHÜSSEL: DIE GROSSE RICHTUNG STIMMT

Bundeskanzler Wolfgang Schüssel dankte eingangs der österreichischen Bevölkerung für deren Solidarität gegenüber den Flutopfern. Es sei wohl nicht vermessen, wenn sich angesichts der Bilder der Verwüstung in Südostasien die Erinnerung an die Ruinen vor 60 Jahren in Österreich aufdrängt, meinte Schüssel. Österreich wurde damals geholfen, Österreich hilft in diesen Tagen, betonte er.

Rückblickend auf die österreichische Geschichte der 2. Republik erinnerte der Bundeskanzler an die Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner. Ihre Forderung "Die Waffen nieder !" sei die Staatsmaxime Österreichs, das seine Neutralität als Auftrag und als Friedensmission sieht. Durch den Einsatz seiner Menschen sei das Land heute zu wirtschaftlichen Spitzenleistungen aufgestiegen, wobei die Sozialpartnerschaft mit ihrer Kultur des Dialogs die Basis für den Aufschwung bildete.

Was die Vergangenheit betrifft sprach der Bundeskanzler von einer schleppenden Auseinandersetzung und meinte, die heutige Generation würde nicht leicht verstehen, warum vieles hinsichtlich der Verbrechen des Nationalsozialismus nicht klarer und deutlicher ausgesprochen wurden. Erst sehr spät sei es gelungen, einen Beitrag zur Linderung seelischen und materiellen Leids zu leisten.

Vieles sei versäumt worden, doch die große Richtung stimme letztlich - Wiederaufbau der Demokratie, Absage an Totalitarismus, Misstrauen gegenüber platten Parolen. Sicherheit, Wohlstand und Freiheit könnten aber nur auf Dauer bestehen, wenn sich Österreich in einem gemeinsamen, starken Europa bewährt, war für Schüssel klar. Auf diesem gefestigten Standpunkt eines Europa mit Österreich nicht am Rand, sondern in seiner Mitte werde sich, so Schüssel, vielleicht die Chance eröffnen, das vergangene Jahrhundert österreichischer Geschichte in seinem Gesamtzusammenhang neu zu verstehen und zu diskutieren und eine künftige Heimat neu zu entdecken und zu gestalten - die kleiner gewordene Welt, das größer werdende Europa und unser geliebtes Österreich.  (Fortsetzung)