Parlamentskorrespondenz Nr. 68 vom 02.02.2005

DIE REGIERUNGSUMBILDUNG ALS THEMA IM BUNDESRAT

Bundeskanzler Schüssel zieht Bilanz der Regierungsarbeit

Wien (PK) - Erster Punkt der Tagesordnung war eine Erklärung von Bundeskanzler Dr. SCHÜSSEL zur Regierungsumbildung. Seit der letzten Sitzung des Bundesrats am 20. Dezember 2004 hat noch vor Jahresende Liese Prokop die Führung des Innenministeriums von Ernst Strasser übernommen, im Jänner folgte Ursula Haubner auf Herbert Haupt an der Spitze des Sozialministeriums, Sigisbert Dolinschek übernahm die Funktion eines Staatssekretärs im Sozialministerium.

Bundeskanzler Dr. SCHÜSSEL präsentierte das neue Regierungsteam vor dem Hintergrund einer aus seiner Sicht hervorragenden Bilanz der Regierungsarbeit. Liese Prokop bringe 35 Jahre an Erfahrungen in der Landespolitik in vielfältigen politischen Bereichen für die schwierigen Herausforderungen des Innenressorts mit. Ursula Haubner wiederum habe jahrelang als Sozialstaatssekretärin an Profil gewonnen. Gemeinsam mit dem allseits als Verhandler geschätzten Staatssekretär Sigisbert Dolinschek werde sie das Sozialministerium mit kundiger Hand leiten.

Schüssel dankte an dieser Stelle auch Herbert Haupt für dessen Engagement als Sozialminister. Er erinnerte daran, wie Haupt über Jahre hindurch Raubbau an seiner Gesundheit getrieben hatte, und zeigte Verständnis für den Rückzug auf die Funktion eines einfachen Abgeordneten.

Bundesrat KONECNY (S) interpretierte die Regierungsumbildung nicht als Optimierungsprozess, sondern als Folge des Umstandes, dass der Regierung "Mitglieder abhanden gekommen sind". Durch den personellen Wechsel werde der Erosionsprozess deutlich, befand Konecny. Der SPÖ-Fraktionsführer verlieh seiner Hoffnung Ausdruck, dass die Umbildung nun auch zu Korrekturen in der Politik führen werde. Er lud in diesem Sinn Liese Prokop zu weniger Säbelgerassel, dafür aber zu mehr subtiler Vorgangsweise in der Sicherheitspolitik ein. In Summe appellierte Konecny an die neuen Regierungsmitglieder, "den Scherbenhaufen nicht noch größer zu machen".

Bundesrat Mag. HIMMER (V) zeichnete ein positives Bild der Sicherheitspolitik und der Sozialpolitik der Bundesregierung und sah den Personalwechsel als Ausdruck von Kontinuität. Unter Herbert Haupt und Ernst Strasser sei gute Arbeit geleistet worden, Kurskorrekturen, wie sie die SPÖ verlangt, seien gar nicht notwendig. Es gelte vielmehr, den guten Kurs beizubehalten, betonte Himmer.

Bundesrat SCHENNACH (G) bemerkte, die Regierung werden an den falschen Stellen umgebildet. Es hätte sich, wie er sagte, eigentlich einen Wechsel im Finanzressort erwartet. Im übrigen ortete Schennach Sand im Getriebe der Koalition. Es gehe offenbar nur noch darum, irgendwie über die Runden der Legislaturperiode zu kommen. Die Disharmonien zwischen ÖVP und FPÖ in der Asylpolitik, bei der Wehrdienstverkürzung oder der Trinkgeldbesteuerung seien nicht mehr zu übersehen. Schennach wünschte den neuen Regierungsmitgliedern bei aller Kritik an der Arbeit der Bundesregierung einen guten Start, gehe es doch um Österreich.

Bundesrat Dr. BÖHM (F) schloss sich den Wünschen seines Vorredners an die neuen Regierungsmitglieder an. Liese Prokop attestierte er hohe Sachkompetenz. Ihre anfänglichen Kommentare zur FPÖ wolle er ihr, wie er sagte, "nicht nachtragen". Was den Wechsel im Sozialressort betrifft, dankte auch Böhm zunächst Herbert Haupt für dessen "bahnbrechende Reformen". Der Redner zeigte sich überzeugt, dass Ursula Haubner die freiheitlich geprägte Familien- und Sozialpolitik fortführen und gemeinsam mit Staatssekretär Sigisbert Dolinschek auch Missbrauch und Erschleichung von Sozialleistungen verstärkt bekämpfen werde.

Bundesministerin PROKOP sprach in ihrer ersten Rede vor der Länderkammer davon, dass sie sowohl in der Legislative wie auch in der Exekutive in verschiedenen Bereichen gearbeitet habe. Es sei ihr immer ein Anliegen gewesen, möglichst breit Gespräche zu suchen und manche Themen aus der Tagespolitik herauszunehmen, das gelte etwa für die Sozial- und Altenpolitik. Auch die Sicherheitspolitik stelle nicht nur ein Grundbedürfnis für die Menschen dar, sondern sei auch Voraussetzung dafür, dass die Menschen in Österreich ihr Leben gestalten können und dass man Lebensqualität auch leben könne. Auch eine Kontinuität in der Sicherheitspolitik sei notwendig, um ja keine Verunsicherung zu schaffen bzw. zu steigern, unterstrich Prokop.

Die neue Innenministerin erläuterte in der Folge ihren Aufgabenbereich, unterstrich die Umsetzung der anstehenden Reformen und hob vor allem die Prävention hervor. „Die Menschen müssen wissen, was sie selbst beitragen können“, betonte sie. Im Zusammenhang mit der Asylpolitik strich die Ressortleiterin heraus, man müsse Migration und Asyl auseinander halten; dieses Problem sei kein österreichisches, sondern ein europäisches, ja ein globales Problem. Auch sei das Gesetz weder brutal noch unmenschlich noch menschenverachtend. Seit Mai seien „enorm viele „Verbesserungsmaßnahmen im Vollzug, in der Durchführung, in der Beschleunigung der Verfahren, aber auch in der Qualität im Sinne der Menschenrechte“ gesetzt worden. Das Gesetz müsse weiter entwickelt werden, so dass jene, die Hilfe brauchen, diese Hilfe so schnell wie möglich erhalten; jenen, die die Asylmöglichkeit missbrauchen, müsse man klar machen, das geht nicht, das will Österreich nicht, so Prokop.

Die Ressortchefin äußerte sich auch zum Zivildienst, verwies auf die Wichtigkeit des Zivildienstes zur Erhaltung der sozialen Arbeit und betonte, man müsse den Zivildienern auch eine gerechte Behandlung zukommen lassen. Ihr Bestreben sei es, „den Zivildienst als Wehrersatzdienst im Gleichklang mit dem Wehrdienst zu verbessern“.

Bundesministerin HAUBNER bedankte sich vorerst bei Herbert Haupt; die zwei Jahre Arbeit mit Haupt seien für sie eine große Herausforderung und große Bereicherung gewesen. Sie werde konsequent eine Politik fortführen, die sich an den Bedürfnissen der Menschen orientiert, die dort investiert, wo es die Menschen brauchen, und die auch den Mut hat, Reformen zu setzen, zu denen VorgängerInnen von Haupt sich nicht entschließen konnten. In diesem Zusammenhang zählte sie an positiven Maßnahmen auf: die Sicherung der Pensionen, die bessere finanzielle Unterstützung für die Familien und die Maßnahmen für Menschen mit Behinderungen. Mit der Zusammenlegung der Pensionssysteme für alle unter 50-Jährigen wurde eine gute, faire und gerechte Möglichkeit geschaffen, dass es in Hinkunft nicht nur ein transparentes, sondern auch ein gerechtes System gibt. Jene Zielgruppen, die einen erleichterten Zugang zur Pension haben sollen aufgrund ihrer Arbeit, ihres Lebensumfeldes und aufgrund von Krankheit, werden nicht vergessen. Für jene Menschen, die schwerst körperlich arbeiten, die aber auch schwerste psychische Belastungen im Laufe ihrer beruflichen Tätigkeit haben, soll es eine eigene Regelung geben, damit sie auch die Möglichkeit haben, mit dem 60. Lebensjahr in Pension zu gehen. Diese Schwerarbeiterregelung  sei nicht nur Herbert Haupt ein wichtiges Anliegen gewesen, sondern auch für Staatssekretär Dolinschek und für sie habe sie oberste Priorität.

Politik für Generationen bedeute nicht nur, unmittelbar Politik für Familien zu machen, sondern es müsse auch Politik für die Menschen in der dritten Lebensphase, für die Generation 50plus, die aktiv und bereit ist, sich in dieser dritten Lebensphase neuen Herausforderungen zu stellen, gemacht werden. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit werde die Unterstützung des lebensbegleitenden Lernens sein. Menschen mit besonderer Pflege und Betreuung sollen auch in Zukunft einen gesicherten Lebensabend haben. Die Pflege zu Hause wird ausgebaut, konkrete Umsetzungen sind in Aussicht genommen.

Bundesrat WIESENEGG (S) meinte, die Regierung zeichne sich durch ständige Veränderungen aus. Die Bevölkerung habe sich daran gewöhnt. Schüssel verstehe es ganz besonders, diesen Umstand zu kaschieren, und zwar schweige er dazu. Für die Verantwortlichen in den Ländern und Gemeinden sei ein häufiger Regierungswechsel unangenehm, weil oft ein Verhandlungspartner abhanden komme. Handlungsbedarf ortete der Redner etwa im Zusammenhang mit der hohen Arbeitslosigkeit, gebe es derzeit doch 316.017 Jobsuchende, im Gesundheitsbereich, bei der Post, der Bahn sowie bei den Gendarmerieposten, den Gerichten und bei den Postämtern. Auch gegen die Inflationsrate von 3 % müssten Maßnahmen ergriffen werden. Hinzu komme, dass der Finanzausgleich kleinen Gemeinden kein Plus, sondern ein Minus gebracht habe, zudem sei die Steuerreform auf Kosten der Gemeinden durchgeführt worden, beklagte er.

Bundesrat BADER (V) entgegnete seinem Vorredner, gerade für kleine Gemeinden im ländlichen Raum gebe es aufgrund des Finanzausgleiches „ein deutliches Plus“. Der Bundesrat begrüßte die Bestellung von Liese Prokop zur Ministerin und führte dies vor allem auf ihre Qualifikation und reiche Erfahrung zurück; zudem zeichne sie Menschlichkeit, Durchsetzungsfähigkeit sowie Handschlagqualität und Verlässlichkeit aus. Österreich sei das sicherste Land, aber man müsse auch den Menschen das Gefühl vermitteln, dass das auch so ist, meinte der Bundesrat. Der Ehrgeiz der Regierung bestehe darin, dass das auch so bleibt. Im Asylbereich brauche man im Interesse der Betroffenen und im Interesse der ÖsterreicherInnen unbedingt eine Beschleunigung der Verfahren.

Bundesrätin KONRAD (G) zeigte sich erfreut darüber, dass nun zwei Frauen an der Spitze von Ministerien stünden, die früher von Männern geleitet wurden. Als Feministin halte sie es für wichtig, dass die Frauen die Hälfte der Macht für sich beanspruchen, sagte sie und sie wünsche beiden für ihre schwierigen Aufgaben alles Gute.

Einen kritischen Blick warf Konrad auf die Aussagen des Ehemannes von Ministerin Prokop. Diese seien für sie schockierend gewesen und man könne sie nicht unwidersprochen stehen lassen. Positiv bewertete die Bundesrätin die Dialogbereitschaft der neuen Innenministerin mit den NGO. Bundesministerin Haubner forderte sie auf, geeignete Schritte zur Schließung der Lohnschere zwischen Männern und Frauen zu setzen. Hier gebe es massiven Handlungsbedarf, denn die bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung seien nicht geeignet gewesen, die Vereinbarung von Beruf und Familie zu erleichtern.

Grundsätzlich kritisierte Konrad den abermaligen Wechsel von Regierungsmitgliedern und sah dies als Zeichen für Chaos. Die Einschätzung des Bundeskanzlers, der von Zeichen von Kontinuität gesprochen hatte, teilte sie nicht.

Bundesrat Mag. GUDENUS (F) artikulierte seine Sorgen um die Senioren und Seniorinnen, um die Pflegebedürftigen, um die Familie und um jene, die Österreich nach dem Krieg aufgebaut haben. Die Menschen brauchten auch ein subjektives Sicherheitsgefühl, so Gudenus, weshalb die Schutzzone um die Schule am Karlsplatz eine richtige Maßnahme darstelle. Dies sei jedoch seiner Meinung nach zu wenig. Vielmehr sollte Wien als Ganzes zur Schutzzone erklärt werden, denn nur innerhalb dieser sei ein sofortiges Abstrafen möglich. Im Hinblick auf die Jugendarbeitslosigkeit sollte ein Programm entwickelt werden, welches Sicherheit für alte Menschen und den Staat inkludiert.

Sorgen machte sich Bundesrat Gudenus auch wegen der geplanten Verkürzung des Wehrdienstes und des Zivildienstes. In Zeiten der Jugendarbeitslosigkeit, des steigenden Pflegebedarfs und des steigenden Drogenkonsums wäre es seiner Ansicht nach eher geboten, den Wehr- und Zivildienst zu verlängern. Man brauche das Bundesheer auch an der Grenze, denn gerade bei den Flüchtlingen sei es notwendig, die Spreu vom Weizen zu trennen, und hier gebe es laut Gudenus wenig Weizen. Für den FP-Bundesrat ist der Einfluss der NGO derzeit viel zu stark, und deren Ratschläge, die sie ja nicht finanzieren müssten, hält er für "überheblich" und "unerträglich".

Bundesrat REISENBERGER (S) bezeichnete die Aussagen seines Vorredners als wenig realitätsbezogen. Vor allem stimme er nicht mit ihm überein, wenn er versuche, die NGO als Feindbild des Staates darzustellen.

Der Erklärung von Bundesministerin Prokop konnte Reisenberger viel Positives abgewinnen, vor allem verband er damit die Hoffnung, die darin getätigten Aussagen mögen sich in der täglichen Arbeit widerspiegeln. Er verband dies gleichzeitig mit dem Hinweis darauf, dass in Wien 400 Planstellen für die Exekutive fehlten, und ersuchte die neue Ministerin, hier nachzubessern. Seitens der SPÖ zeigte er sich mit der Verkürzung des Zivildienstes einverstanden, es halte aber eine Gleichschaltung mit dem Wehrdienst auf sechs Monate für notwendig. Selbstverständlich, so Reisenberger, müsse man die caritativen Organisationen auf andere Weise unterstützen und dazu bedürfe es einer umfassenden Diskussion. Schließlich forderte er Bundesministerin Haubner auf, geeignete Schritte zu setzen, die geeignet sind, die tagtägliche Benachteiligung von Frauen abzubauen.

(Schluss Regierungsumbildung/Forts. BR)


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