Parlamentskorrespondenz Nr. 108 vom 23.02.2005

ALLEINERZIEHENDE BESONDERS ARMUTSGEFÄHRDET

Sozialbericht gibt auch Auskunft über Reichtum in Österreich

Wien (PK) -  Mit der sozialen Lage 2003 – 2004 befasst sich der neueste Bericht der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz (III-122 d.B.). Der fast 300 Seiten umfassende Bericht enthält neben Ressortaktivitäten und Analysen erstmals auch die Ergebnisse einer Studie zum Thema Reichtum in Österreich.

SOZIALAUSGABEN

Österreich zählt zu den gut entwickelten Wohlfahrtsstaaten. Im Jahr 2002 wurden 29,1 % der wirtschaftlichen Wertschöpfung für soziale und gesundheitsbezogene Leistungen im öffentlichen Bereich ausgegeben. Dieser Prozentsatz liegt über dem EU-Durchschnitt der EU-15-Staaten. Die durchschnittlichen jährlichen Sozialausgaben für eine Person in Österreich betrugen 2002 zirka 8.000 €, auf ein Kind oder einen Jugendlichen entfiel ein Betrag von jährlich 3.900 €, auf eine Person im erwerbstätigen Alter von etwa 5.500 € und auf einen älteren Menschen zirka 24.300 €.

In Österreich überwiegen die sozialversicherungsrechtlichen Leistungen. Auf sie entfallen mehr als die Hälfte der Sozialausgaben. Ihr Anteil hat im letzten Jahrzehnt zugunsten der universellen Leistungen vor allem aufgrund der neuen Leistungen Pflegegeld, Kinderabsetzbetrag, Kinderbetreuungsgeld, abgenommen.

ARMUT UND ARMUTSGEFÄHRDUNG

Insgesamt fallen 1,044.000 Personen in Österreich unter die Armutsgefährdungsschwelle von 60 % des Medianeinkommens. Das sind 13,2 % der Gesamtbevölkerung. Ihr verfügbares Einkommen liegt im Durchschnitt um fast ein Fünftel unter der Armutsgefährdungsschwelle.

Erwerbsarbeit und Sozialleistungen haben eine wesentliche Sicherungsfunktion bei der Vermeidung von Armutsgefährdung. Bei Erwerbstätigen bleibt die Armutsgefährdung mit 8 % deutlich unter dem Wert für die Gesamtbevölkerung, während nicht im Erwerbsleben stehende Personengruppen mit überdurchschnittlicher Armutsgefährdung konfrontiert sind. In Haushalten mit maximaler Erwerbsintensität – alle Personen zwischen 20 und 64 Jahren sind durchgehend erwerbstätig – ist das Armutsrisiko um mehr als die Hälfte geringer als im Durchschnitt. Allerdings lebt in diesem vollerwerbstätigen Haushalten dennoch beinahe ein Viertel aller Armutsgefährdeten (235.000)

Arbeitslosigkeit verstärkt das Armutsgefährdungsrisiko eines Haushaltes deutlich, wobei mit zunehmender Dauer das Risiko zunimmt: Haushalte mit langzeitarbeitslosen Mitgliedern (ab 12 Monate Arbeitslosigkeit) haben mit 36 % ein fast dreimal so hohes Risiko, in die Armut zu geraten.

Erwerbstätigkeit allein senkt nicht das Armutsrisiko. Es kommt darauf an, welche Erwerbsmöglichkeiten einer bestimmten Bevölkerungsgruppe auf dem Arbeitsmarkt überhaupt offen stehen. Hier besteht ein enger Zusammenhang zwischen Qualifikation, Herkunft und Einkommenschancen. Bereits die Ausübung einer Hilfsarbeit senkt das Armutsrisiko (12 %) unter den Durchschnitt der Gesamtbevölkerung, bei einer Tätigkeit als FacharbeiterIn liegt das Risiko bei 7 %. Personen in höherer Tätigkeit tragen mit 3 % nur mehr etwa ein Viertel des durchschnittlichen Armutsrisikos.

Personen mit maximal Pflichtschulabschluss (das ist in Österreich knapp ein Drittel der Bevölkerung ab 15 Jahren) haben eine deutlich unterdurchschnittliche Erwerbsbeteiligung und eine eineinhalbfache Armutsgefährdung im Vergleich zur gesamten Erwerbsbevölkerung. Jede Form der weiterführenden Bildung reduziert die Armutsgefährdung.

Über ein Viertel der MigrantInnen in Österreich - gleichgültig ob mit nichtösterreichischer oder mit österreichischer Staatsbürgerschaft – lebt in Armutsgefährdung, und das trotz gleich hoher Erwerbstätigkeit wie Personen österreichischer und EU-Herkunft.

Überdurchschnittlich armutsgefährdet sind Alleinerziehende, und das trotz ihrer hohen Erwerbsbeteiligung (77 %); beinahe jede dritte Person (89.000) in einem alleinerziehenden Haushalt ist armutsgefährdet.

Die Armutsgefährdung für Haushalte, deren Haupteinkommensquelle Pensionen sind, ist mit 17 % höher als für Haushalte ohne Pensionen. Das mittlere Einkommen dieser Gruppe liegt aber relativ nahe an der Armutsgefährdungsschwelle.

Staatliche Transferleistungen sind für die Privathaushalte von großer Bedeutung. Durchschnittlich 36 % des Einkommens eines österreichischen Privathaushaltes stammen aus Direktleistungen der öffentlichen Hand. Mehr als die Hälfte dieser Leistungen sind Pensionen. In armutsgefährdeten Haushalten machen Leistungen der öffentlichen Hand 60 % des Gesamteinkommens aus, in nicht armutsgefährdeten Haushalten sind es im Durchschnitt 33 %.

Im EU-Vergleich ist die Armutsgefährdung in Österreich relativ niedrig. Die Armutsgefährdungsquote lag in Österreich im Jahr 2001 bei 12 % und damit um 3 Prozentpunkte unter dem Durchschnitt aller EU-15-Länder.

Bei 6 % der Bevölkerung zeichnet sich aufgrund niedrigen Einkommens und mangelnder Teilhabe in anderen Lebensbereichen eine verfestigte Armutslage ab.

GESCHLECHTSSPEZIFISCHE EINKOMMENSUNTERSCHIEDE

Im Durchschnitt lagen die Medianeinkommen der Frauen im Jahr 2002 bei 67,2 % der Männermedianeinkommen. 1980 waren die Fraueneinkommen im Schnitt auf 64,9 % der Einkommen der männlichen Kollegen gekommen. Die Arbeiterinnen verdienten 2002 im Durchschnitt 61,5 % vom Entgelt der männlichen Kollegen, im Angestelltenbereich betrugen die Frauengehälter 59,5 % der Männergehälter.

Die geringsten Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern (10 bis 20 %) bestehen in der Mineralölindustrie, der öffentlichen Verwaltung und den Sozialversicherungen, den internationalen Organisationen, dem beherbergungs- und Gaststätten- sowie Nachrichtenwesen und dem Verkehr.

Am stärksten bleiben die Fraueneinkommen hinter den Männereinkommen (35 bis 40 %) in der Energie- und Wasserversorgung, in der Nahrungsmittelindustrie, im Handel, in der Kredit- und Versicherungswirtschaft sowie in der Textil- und Bekleidungsindustrie zurück.

PENSIONSVERSICHERUNG

Die Gesamtausgaben der gesetzlichen Pensionsversicherung betrugen 2003 24,744 Mrd. € (+3,3 %). Die Aufwandssteigerung war auf folgende Effekte zurückzuführen: gestiegene Zahl der ausbezahlten Pensionsleistungen (+0,4 %), unterschiedliche Höhe und Zusammensetzung von neu anfallenden und wegfallenden Leistungen und auf die Pensionsanpassung 2003.

64 % der Neuzugänge bei den Alterspensionen waren vorzeitige Alterspensionen. Da auch die Neuzugänge bei der Invaliditätspension fast ausschließlich vor Erreichen des gesetzlichen Regelpensionsalters erfolgten, bedeutet das, dass rund drei Viertel aller Neuzugänge bei den Direktpensionen vor Erreichen des gesetzlichen Antrittsalters (60/65) in Pension gingen. Bei den Männern machte dieser Anteil 87 %, bei den Frauen 64 % aus.

Das durchschnittliche Pensionsantrittsalter bei den Direktpensionen betrug 2003 58,2 Jahre und hat sich gegenüber dem Jahr zuvor nicht verändert. Frauen gingen um mehr als eineinhalb Jahre früher in Pension als Männer, nämlich mit 57,3 Jahren gegenüber 59 Jahren bei den Männern.

Im Jahr 2003 gingen 22.260 Personen wegen eines beeinträchtigten Gesundheitszustandes in Pension; das bedeutet gegenüber dem Jahr 2002 ein Absinken um beinahe 9 %. Besonders hohe Invalidisierungsquoten wiesen die Männer (43 %) auf, vor allem die Arbeiter (54 %) und die Bauern (73 %).

Das durchschnittliche Pensionsabgangsalter der Frauen stieg von 1970 bis 2003 von 75,7 Jahren auf 80 Jahre, jenes der Männer von 73,3 Jahren auf 75,5 Jahre.

Die durchschnittliche Neuzugangsalterspension (ohne Zulagen und Zuschüsse) eines männlichen Arbeiters betrug 2003 826 €, was eine Steigerung von 13,5 % gegenüber 2002 bedeutet. Bei einem männlichen Angestellten betrug die durchschnittliche Neuzugangsalterspension 1.771 € (+1 %), die einer Arbeiterin hingegen 544 € (+14,5 %), die einer Angestellten 1.003 € (+5%). Die durchschnittliche Witwenpension des Neuzugangs betrug 599 (+4,3 %), jene der Witwer 237 € (+1,8 %).

Am 1. Juli 2003 erhielten 231.418 Frauen und 38.379 Männer, das sind 13,4 % aller BezieherInnen einer Pension aus der gesetzlichen Pensionsversicherung oder einer Beamtenpension, eine weitere Pensionsleistung aus der gesetzlichen Pensionsversicherung oder einer Beamtenpension.

Im Dezember 2003 wurden 222.960 Pensionen mit einer durchschnittlichen Höhe von 170 € an PensionistInnen mit Wohnsitz im Ausland überwiesen.

Im Dezember 2003 bezogen 228.380 Personen eine Ausgleichszulage. Dies entspricht 11,3 % der PensionsbezieherInnen. Mehr als 70 % der AusgleichszulagenbezieherInnen sind Frauen.

So wie 2002 erzielte die Unfallversicherung auch 2003 ein positives Ergebnis. Einnahmen von 1,17 Mrd. € standen Ausgaben von 1,08 Mrd. € gegenüber.

Einen Gebarungsabgang von 139 Mill. € verzeichnete die Krankenversicherung im Jahr 2003; Gesamteinnahmen von 10,9 Mrd. € standen Gesamtaufwendungen von 11,1 Mrd. € gegenüber.

PFLEGEVORSORGE

Im März 2004 erhielten insgesamt 290.462 Personen Pflegegeld nach dem Bundespflegegeldgesetz. 2003 betrug der Aufwand des Bundes für solche Leistungen 1,471 Mrd. €. Mit Wirkung vom 1.1.2005 sind die Pflegegeldbeträge um 2 % erhöht worden.

Im Auftrag des BMSG wurde der qualitative und quantitative Ausbau der sozialen Dienste evaluiert. Mit 31.12.2002 gab es in Österreich rund 67.600 Heimplätze. Die Anzahl der Heimplätze in Österreich hat sich seit dem Zeitraum 1995 bis 1997 um 4 % erhöht. In Alten- und Pflegeheimen waren zum Stichtag 21.254 Personen tätig.

Seit 1.1.2204 gibt es die Möglichkeit, dass Pflegepersonen einen Kostenzuschuss für die Ersatzpflege etwa bei Krankheit und Urlaub aus dem Unterstützungsfonds für Menschen mit Behinderungen erhalten können. Voraussetzung ist, dass der nahe Angehörige bereits seit mehr als einem Jahr die Pflegearbeit erbringt und der pflegebedürftigen Person zumindest ein Pflegegeld der Stufe 4 gebührt.

BEHINDERTENPOLITIK

Zum 31.12.2003 gehörten 89.875 Personen dem Kreis der begünstigten Behinderten an; das sind um rund 6.000 mehr als 2001. 2002 gab es 83.829 Pflichtstellen; davon waren 52.876 mit begünstigten Behinderten besetzt. Somit wurde die Beschäftigungspflicht zu 63 % erfüllt.

In den derzeit 8 integrativen Betrieben in ganz Österreich standen zum 1.1.2004 1.773 Personen, davon 1.411 Behinderte, in Beschäftigung bzw. in Erprobung oder Lehre.

Die Beratung für Pflegende wurde 2003 in 5.245 Fällen in Anspruch genommen. 2003 betreuten die mobilen Beratungsdienste 2.498 Kinder und Jugendliche bzw. deren Familien. Die Teams führten 12.045 Beratungsgespräche, davon 1.395 im Rahmen von Hausbesuchen, durch.

SOZIALHILFE

2002 betrug die Zahl der Allein-, Haupt- und Mitunterstützten in der offenen Sozialhilfe (Personen in Privathaushalten) 89.989 Personen. Die Zahl der SozialhilfebezieherInnen in Altenwohn- und Pflegeheimen betrug 49.488 Personen (ohne die Daten aus dem Burgenland). Im Rahmen der durch Richtsätze festgelegten Geldleistungen der offenen Sozialhilfe für Allein-, Haupt- und Mitunterstütze sowie für Mietbeihilfen wurden laut den Rechnungsabschlüssen der Länder 2002 rund 120 Mill. € ausgegeben. Die Aufwendungen für Sachleistungen im Bereich der Sozialen Dienste lagen bei 325 Mill. €; darüber hinaus haben die Länder Zuzahlungen für Unterbringungskosten in Alten- und Pflegeheimen in der Höhe von 905 Mill. € geleistet.

FAMILIEN- UND GENERATIONENPOLITIK

Mit Inkrafttreten des Kinderbetreuungsgeld-Gesetzes am 1.1.2002 löste das Kinderbetreuungsgeld das Karenzgeld ab: Das KBG beträgt 14,53 € täglich und gebührt bis maximal zum Ende des 36. Lebensmonats des Kindes. Nimmt nur ein Elternteil KBG in Anspruch, dann endet der Bezug spätestens mit dem Ende des 30. Lebensmonats. Bei Mehrlingsgeburten erhöht sich für Zeiten ab dem 1.1.2004 das KBG für jedes weitere Mehrlingskind um 7,27 € täglich.

Derzeit werden flächendeckend 373 (2003: 371, 2002: 365) Familienberatungsstellenstandorte von 176 Trägerorganisationen durch Zuschüsse zu den Personalkosten im jährlichen Gesamtumfang von 10,9 Mill. € gefördert. Die Familienberatungsstellen werden von Ländern und Gemeinden, von kirchlichen Einrichtungen und von privaten Institutionen betrieben.

2003 wurden mit 225.500 KlientInnen rund 466.000 Beratungen in 291.000 Einzelgesprächen, 38.000 Paargesprächen, 17.000 Familien- und 7.500 Gruppensettings durchgeführt. Die Familienberatungsstellen wurden zu 70 % von Frauen in Anspruch genommen.

FREIWILLIGENPOLITIK

Mit dem im Oktober 2003 im BMSG konstituierten „Österreichischen Rat für Freiwilligenarbeit“ hat eine neue Ära der Freiwilligenpolitik begonnen, heißt es im Sozialbericht. Der Freiwilligenrat wird das Ressort in Fragen der Freiwilligenpolitik beraten und andererseits als Interessenvertretung und Vernetzungsplattform der Freiwilligenarbeit und der Freiwilligenorganisationen fungieren.

REICHTUM IN ÖSTERREICH

Was das Geldvermögen betrifft, konnte AUTREICH, das in einer von den vier Parlamentsparteien verlangten Studie verwendete Monitoringmodell, auf die von der OeNB ermittelten Gesamtwerte zurückgreifen. Demnach ergab sich ein „adjustierter“ Wert von 269 Mrd. € (2002) an privatem Geldvermögen. Der Vermögenswert der eigengenutzten Immobilien lag bei 428 Mrd. €. Der Gesamtwert privater Unternehmensbeteiligungen machte mehr als 247 Mrd. € aus.

AUTREICH hat auch ergeben, dass das oberste 1 % der zirka 6 Mill. Personen über 19 Jahre (die „Reichen“) Geldvermögenswerte von jeweils mehr als 209.000 € besitzen; im Schnitt besitzt die Gruppe der „Top-1 %“ ein Geldvermögen von 470.300 €.

10 % der Bevölkerung über 19 Jahre (die „Wohlhabenden“) besitzen Geldvermögenswerte von jeweils mehr als 86.000 €; im Schnitt besitzt die Gruppe der „Top-10 %“ ein Geldvermögen von 158.200 €.

Laut AUTREICH-Modell hat das oberste 1 % einen Anteil von 10 % am Geldvermögen, von 15 % an den Immobilien und von 91 % an den unternehmensbezogenen Vermögen. Auf die obersten 10 % entfallen 35 % der Geldvermögen, 71 % der Immobilien und 100 % der unternehmensbezogenen Vermögen.

Das Gesamtvermögen des obersten Prozent machte 2002 zirka 318 Mrd. € aus und ist höher als das Gesamtvermögen der unteren 90 % (299 Mrd. €). Die durchschnittlichen Pro-Kopf-Vermögen des obersten Prozent (5,383.000 €) waren fast 100mal höher als die der unteren 90 % der Bevölkerung (56.000 €). Das durchschnittliche Pro-Kopf-Vermögen der Gesamtbevölkerung (ohne Kinder und Jugendliche) betrug gemäß dem AUTREICH-Modell 159.000 €. (Schluss)