Parlamentskorrespondenz Nr. 125 vom 02.03.2005

PUNKTEFÜHRERSCHEIN SOLL MEHR SICHERHEIT IM VERKEHR BRINGEN

Nationalrat beschließt "Vormerksystem"

Wien (PK) - Mit den Stimmen der Regierungsparteien hat der Nationalrat die Einführung eines Vormerksystems für die Inhaber von Lenkerberechtigungen - gemeinhin als "Punkteführerschein" bezeichnet - beschlossen. Die Oppositionsfraktionen stimmten dem Entwurf nicht zu, weil er ihnen zu wenig weit gehend sei und eingebrachte Vorschläge unberücksichtigt geblieben seien.

Abgeordneter EDER (S) stellte als erster Redner richtig, dass das Vormerksystem nicht gemeinsam ausgearbeitet worden sei. Alle Vorschläge, die von der SPÖ unterbreitet wurden, seien schließlich nicht in das Gesetz eingeflossen. Nicht zustimmen könne seine Fraktion der von den Regierungsparteien beschlossenen Variante eines Punkteführerscheins, da der Entwurf "voller Widersprüche" sei. Außerdem sei das System sehr aufwendig, sehr teuer, völlig unübersichtlich und in vielen Punkten ungerecht gestaltet. So werden zum Beispiel bei schwerwiegenden Führerscheinentzugsdelikten wie starke Alkoholisierung oder zu schnelles Fahren keine Vormerkungen vorgenommen bzw. sogar schon vorher bestehende Vormerkungen gelöscht. Unfair sei es auch, dass ausländische Autofahrer, die durch Österreich rasen, überhaupt nicht belangt werden.

Abgeordneter MIEDL (V) dankte zunächst den Vertretern der Oppositionsparteien für deren konstruktive Mitarbeit. Er nehme aber zur Kenntnis, dass sie letztlich dem Entwurf nicht zustimmen wollen. Grundsätzlich gehe es um das Problem, dass jährlich 900 Menschen auf der Straße sterben. Dies entspreche der Größe eines mittleren Dorfes in Österreich, gab Miedl zu bedenken. Bei der Ursachenforschung sei herausgekommen, dass es im Regelfall die 16- bis 25-jährigen jungen Männer sind, die als Opfer oder Täter in Verkehrsunfälle verwickelt sind. Man wollte nun ein Vormerksystem ausarbeiten, wo nicht - so wie in Deutschland - "Kraut und Rüben" hineinkommen, sondern eines, das pädagogisch sinnvoll ist. Im Unterschied zu früher, wo es nur die Strafe gab, wurde nun z.B. das Instrument der Ermahnung geschaffen. Außerdem verzichtet der Staat beim ersten Vergehen auf Strafgelder und investiert in verhaltensändernde Maßnahmen der Verkehrsteilnehmer.

Abgeordnete Dr. MOSER (G) bezweifelte, dass mit dem vorgeschlagenen Vormerksystem das Problem an der Wurzel gepackt wird. Es sei ein viel zu schwaches Instrument, um dem "Todeswahnsinn auf der Straße zu begegnen", urteilte die G-Verkehrssprecherin. Bedauerlich sei zudem, dass wichtige Punkte (z.B. der "unsichtbare Schutzweg"), die im ursprünglichen Entwurf enthalten waren, wieder herausgenommen wurden. Moser hätte sich ein rigoroses Punkte- sowie ein scharfes Vormerksystem gewünscht, dessen Katalog auch die Fahrerflucht, die Alkoholdelikte sowie den Verstoß gegen Geschwindigkeitsübertretungen enthielte. Und dies alles vor dem Hintergrund, dass Österreich bereits jetzt Schlusslicht in der EU ist, was die Verkehrssicherheit anbelangt.

Es war das Ziel der Bundesregierung, für mehr Sicherheit auf Österreichs Straßen zu sorgen und gleichzeitig ein System zu etablieren, das von den Verkehrsteilnehmern auch akzeptiert wird, erklärte Vizekanzler GORBACH. Was die Kritik der Abgeordneten Moser angeht, so stellte der Bundesminister klar, dass die Überschreitung der höchstzulässigen Geschwindigkeit zwar kein Vormerkdelikt, aber ein Entzugdelikt sei. Das Vormerksystem sollte zudem keine reine Verschärfung der bisherigen Regelungen bringen, sondern eine Bewusstseinsänderung vor allem bei einer ganz bestimmten Gruppe von Verkehrsteilnehmern bewirken. Aus diesem Grund wurden zahlreiche Kampagnen und Verkehrssicherheitsaktionen durchgeführt, zu denen auch private Unternehmer eingeladen wurden. Diese Aktivitäten reichen von der Werbung für alkoholfreies Bier bis zu freiwilligen Fahrsicherheitstrainings. Es wurde noch nie so viel für die Verkehrssicherheit getan wie in den letzten Jahren, betonte Gorbach. Die Regierung habe sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, die Zahl der Verkehrstoten bis zum Jahr 2010 zu halbieren und die Anzahl der Verkehrsunfälle mit Personenschaden um 20 % zu reduzieren. Das Vormerksystem soll Risikolenker und Mehrfachtäter erfassen und auf diese Personen "sanktioniert und bewusstseinsbildend einwirken", resümierte Gorbach. Er sei überzeugt davon, dass nach langen Beratungen und Verhandlungen schließlich ein sehr guter und ausgewogener Kompromiss gefunden wurde.

Abgeordneter WITTAUER (F) hob die Vorzüge des Vormerksystems hervor, das einen wichtigen Schritt in Richtung mehr Verkehrssicherheit darstelle. Von zentraler Bedeutung sei dabei die Bewusstseinsbildung, weshalb ein entsprechender Maßnahmenkatalog vom Kuratorium für Verkehrssicherheit ausgearbeitet wird. Er sei überzeugt davon, dass damit das engagierte Ziel - 50 % weniger Verkehrstote bis 2010 - realisiert werden könne.

Es sei durchaus positiv zu bewerten, dass das unter Verkehrsminister Einem propagierte Ziel, 50 % Verkehrstote weniger bis zum Jahr 2010, von der Regierung weiterverfolgt werde, meinte einleitend Abgeordneter PARNIGONI (S). Was die Verhandlungen angeht, so sei er von der Gesprächskultur enttäuscht. Er wehre sich dagegen, dass nun der Bevölkerung suggeriert werden soll, eigentlich seien alle im Parlament vertretenen Parteien an dieser Lösung beteiligt gewesen. Herausgekommen sei nämlich ein schwacher Kompromiss mit einem falschen Ansatz, urteilte Parnigoni. Die Einführung eines Punkteführerscheins sei nur dann sinnvoll, wenn wirkungsvolle Maßnahmen gegen die Hochrisikolenker getroffen würden.

Abgeordneter GLASER (V) ging in seiner Wortmeldung vor allem auf das neue Vormerksystem ein, das zu mehr Verkehrssicherheit und damit zu einem Rückgang bei den Verkehrstoten beitragen werde. Es sollen vor allem Risikolenker abgeschreckt werden, gefährliche Situationen heraufzubeschwören. Im Vergleich zum Punkteführerschein in Deutschland sei das österreichische Modell einfacher, billiger, effizienter und in sich schlüssig, unterstrich er.

Abgeordnete REST-HINTERSEER (G) machte den Minister auf eine Statistik des Kuratoriums für Verkehrssicherheit aufmerksam, wonach Österreich in Sachen Verkehrssicherheit einen der letzten Plätze im EU-Vergleich einnehme. Der Mix aus hohen Tempolimits, hohen Alkohollimits und niedrigen Strafen führe zu dieser "Verkehrsunsicherheit" auf Österreichs Straßen. Kritisch beurteilte die G-Rednerin auch, dass einige Delikte mit nachweislich hohem Risiko, z.B. die Verwendung des Mobiltelefons am Steuer oder überhöhte Geschwindigkeiten, noch nicht zu einer Vormerkung führen. Ein falsches Signal sei es auch, wenn die Rechte der Verkehrsteilnehmer auf den Schutzwegen geschwächt werden. Rest-Hinterseer brachte noch einen Entschließungsantrag betreffend der sachgerechten Erweiterung des Vormerksystems ein.

In einer tatsächlichen Berichtigung stellte Abgeordnete Dr. MOSER (G) richtig, dass das neue Vormerksystem keineswegs Vergehen im Zusammenhang mit Geschwindigkeitsüberschreitungen und Alkohol am Steuer umfasse, wie dies vom Abgeordneten Glaser behauptet wurde.

Abgeordnete DI HOFMANN (F) wies nochmals darauf hin, dass bei gewissen Geschwindigkeitsüberschreitungen der Führerschein entzogen werden kann. Er glaube, dass man mit dem neuen Vormerksystem den Forderungen nach mehr Verkehrssicherheit gerecht werde und dass die Ziele erreicht werden können. Es bedurfte zwar langer und intensiver Verhandlungen, aber diese Novelle werde sicher ein Erfolg.

Abgeordnete BINDER (S) erhob Bedenken gegen den Punkteführerschein und argumentierte, gerade schwere Delikte wie Alkohol am Steuer oder Raserei würden nicht Gegenstand des Systems sein. Zur Verbesserung der Verkehrssicherheit werde dieser Punkteführerschein nicht beitragen können, lautete des skeptische Befund Binders.

Abgeordneter KAINZ (V) widersprach seiner Vorrednerin und betonte, Alkohol am Steuer und Schnellfahren seien sehr wohl im System enthalten. Er begrüßte den Punkteführerschein als sinnvolle Maßnahme und verwies auf positive Beispiele aus anderen EU-Ländern. Für Kainz ginge es nicht nur darum, Risikolenker aus dem Verkehr zu ziehen, sondern vielmehr auch darum, durch Schulungen einen Umdenkprozess einzuleiten.

Abgeordneter MARIZZI (S) schlug vor, das System auf die drei Hauptthemen Alkohol, Rasen und Gurtenpflicht zu konzentrieren. Den Punkteführerschein nach dem vorliegenden Modell hielt er für zu kompliziert, auch fehlte Marizzi die entsprechende Verkehrsüberwachung.

Abgeordnete Mag. HAKL (V) verteidigte die Form des Vormerksystems damit, dass Strafnormen nur dann von der Bevölkerung akzeptiert würden, wenn die Strafen auch einleuchtend seien. Deshalb habe man auch die unmittelbare Gefährdung von Personen in das System aufgenommen. Außerdem gebe es ein Prinzip des nicht doppelt Bestrafens, meinte Hakl in Richtung Opposition.

Abgeordnete Dr. HLAVAC (S) betonte, Österreich gehöre im Hinblick auf die Verkehrssicherheit zu den unsichersten Ländern. Es gebe eine Gruppe von HochrisikolenkerInnen, auf die man sich konzentrieren müsse, sagte sie. Besonders gefährlich sei das Schnellfahren und das Fahren unter Alkoholeinfluss sowie die Rücksichtslosigkeit mancher VerkehrsteilnehmerInnen. Würde man sich darauf beschränken und eine einfache und überschaubare Lösung schaffen, könnte man ein Drittel der Unfälle verhindern, zeigte sie sich überzeugt. Abschließend forderte Hlavac strengere Kontrollen.

Abgeordneter DI Mag. REGLER (V) unterstrich, dass das geplante Gesetz keinerlei Erleichterungen für Verkehrssünder bringe. Regler konzentrierte sich dann auf den Mopedführerschein. Um Ungerechtigkeiten zu vermeiden, soll der Mopedführerschein mit Zustimmung der Eltern ab 15 Jahren möglich sein, erläuterte Regler. Zusätzlich zur theoretischen werde es nun aber auch eine praktische Ausbildung geben. Regler räumte jedoch ein, dass ein zusätzlicher Jahrgang an VerkehrsteilnehmerInnen auch ein Gefahrenpotenzial in sich berge.

Abgeordnete BAYR (S) brachte einen Abänderungsantrag ein, der darauf abzielt, die Sicherheit für einspurige Fahrzeuge durch Einführung eines seitlichen Sicherheitsabstandes zu erhöhen. Es müsse auch das Überholen von einspurigen Fahrzeugen bei der Ausbildung geübt werden, appellierte sie. 

Abgeordneter HAUBNER (V) bezeichnete das vorliegende Gesetz als einen Schritt in die richtige Richtung. Mit dem Vormerksystem schaffe man einen neuen Katalog für mehr Sicherheit. Vor allem begrüßte er die Berücksichtigung der Sicherheit von Kindern.

Abgeordneter PRÄHAUSER (S) kritisierte die PR-Einschaltungen des Vizekanzlers in den heutigen Tageszeitungen zu dem vorliegenden Gesetz und sprach sich strikt gegen die Erhöhung des Tempolimits auf 160 km/h aus. Er trat auch dafür ein, Geschwindigkeitsüberschreitungen und Alkoholisierung über 0,8 Promille in das Vormerksystem aufzunehmen.

Staatssekretär Mag. KUKACKA verteidigte die vorgeschlagene Lösung als einen verkehrspolitischen Meilenstein und mutmaßte, die Opposition habe das Gesetz nicht richtig gelesen. Liege nämlich eine Vormerkung auf, so habe diese eine Straferhöhung zur Folge, hielt der Staatssekretär fest. Auch das Kuratorium für Verkehrssicherheit und der VCÖ hätten sich positiv zu dem vorgeschlagenen Modell geäußert, sagte Kukacka. Beide Institutionen hätten gemeint, dies sei das richtige System zur Bekämpfung von HochrisikolenkerInnen und es sei funktionell angelegt. Der Vorschlag der SPÖ mit drei Delikten sei nur sehr halbherzig, da diese drei Delikte schon jetzt zum Führerscheinentzug führen, kritisierte Kukacka die SPÖ-Vorstellungen. Der Vorteil der zukünftigen Lösung liege auch in der sozialen Ausgewogenheit, denn es genüge nicht mehr, eine Verwaltungsstrafe zu zahlen, sondern jeder müsse Nachschulungen mitmachen.

Abgeordneter DOPPLER (V) konnte die Argumentation der Opposition nicht nachvollziehen. Das Vormerksystem stelle eine vorbeugende Maßnahme und ein Etappenziel dar, dem man durchaus zustimmen könne. Dieses sollte in einem bestimmten Zeitrahmen evaluiert werden. Das System werde präventiv wirken, zeigte sich Doppler überzeugt, und er begrüßte auch die neuen Bestimmungen hinsichtlich des Mopedführerscheins.

Abgeordnete STADLER (V) verteidigte das Vormerksystem, da es eine erzieherische Wirkung habe. Unverbesserlichen VerkehrssünderInnen müsse man ins Bewusstsein rufen, dass sie nur für sich selbst, sondern auch für die anderen Verantwortung tragen.

Abgeordneter WÖGINGER (V) nahm zum Abänderungsantrag der SPÖ Stellung und meinte, dass dieser seitliche Sicherheitsabstand zu einspurigen Fahrzeugen in der Straßenverkehrsordnung durch die generelle Verkehrssicherheitsnorm ohnehin erfasst sei. Das Mopedfahren ab 15 ist seiner Meinung nach eine große Unterstützung, vor allem für die Lehrlinge in ländlichen Gebieten. Anstelle der Bestätigungen werde es in Hinkunft eine praktische Ausbildung geben, und das werde positive Auswirkungen haben, so die Überzeugung Wögingers.

Abgeordneter EDER (S) meldete sich neuerlich zu Wort, um dem Staatssekretär zu widersprechen. Kukacka habe aus dem SPÖ-Modell nur unvollständig zitiert, stellte er fest. Er unterstrich abermals, dass es sich bei den drei Delikten um eine zusätzliche Vormerkung bei gleich bleibenden Strafen handle und zitierte ebenfalls aus dem SPÖ-Vorschlag.

Bei der Abstimmung wurde die 7. Führerscheingesetz-Novelle mit den Stimmen der Regierungsparteien ÖVP und FPÖ mehrheitlich angenommen. Der Abänderungsantrag der SPÖ blieb in der Minderheit und wurde somit abgelehnt. Ebenso blieb der Entschließungsantrag der Grünen in der Minderheit. (Schluss Punkteführerschein/Forts. NR)