Parlamentskorrespondenz Nr. 172 vom 16.03.2005

WIRTSCHAFTSBUDGET: OPPOSITION FÜR MASSNAHMEN GEGEN ARBEITSLOSIGKEIT

Bartenstein an Vorstände: Jobabbau bei Rekordgewinnen unvertretbar

Wien (PK) – Das Budgetkapitel „Wirtschaft und Arbeit“, das Wirtschaftsminister heute im Budgetausschuss vertrat, umfasst 5,721.675 Mrd. €, wovon 190,408 Mill. € auf den Personalaufwand (minus 0,806 Mill. € gegenüber 2005) und 5,531.267 Mrd. e auf den Sachaufwand (plus 324,892 Mill. € gegenüber 2005) entfallen. Die Einnahmen werden mit 4,927.092 Mrd. € um 240,892 Mill. € höher geschätzt als 2005.

 

Die Zahl der Personalplanstellen sinkt um 67 auf 5.008, in der  Zentralleitung um 30, im Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen um 26, in der Burghauptmannschaft Österreich um 7, im Schönbrunner Tiergartenamt um 3 und in der Arbeitsinspektion um 1. Die Erhöhung des Sachaufwandes ist auf höhere Aufwendungen für den Arbeitsmarkt zurückzuführen.

Abgeordnete Heidrun Silhavy (S) leitete die Debatte mit Fragen nach der voraussichtlichen Entwicklung des Arbeitsmarktes im Jahr 2006 sowie nach den Ergebnissen des jüngsten Beschäftigungsgipfels und zusätzlichen Mitteln für das AMS ein. Weiter Fragen galten der aktiven Arbeitsmarktpolitik und der unternehmensbezogenen Arbeitsmarktförderung. Außerdem wollte die Abgeordnete wissen, welchen Gruppen die geplanten Umschichtungen im Budget des AMS zugute kommen sollen.

Abgeordneter Maximilian Hofmann (F) zeigte sich erfreut darüber, dass die Region Rheintal/Bodenseegebiet unter allen europäischen Wirtschaftsregionen an erster Stelle stehe, gefolgt von drei weiteren österreichischen Wirtschaftsregionen, unter anderem Oberösterreich. Detailfragen des Abgeordneten galten der Entwicklung der Ökostromproduktion und der europäischen Strommarktliberalisierung, wobei er darauf hinwies, dass einige europäische Staaten säumig seien, insbesondere bei der Entflechtung von Produktion und Vertrieb.

Abgeordneter Karl Öllinger (G) wies die Darstellung der Bundesregierung zurück, sie leiste 900 Mill. € für die aktive Arbeitsmarktpolitik. Tatsächlich steigen die passiven Leistungen infolge der zunehmenden Arbeitslosigkeit. Zur Zahl von 40.000 bis 50.000 zusätzlichen Arbeitslosen seien jene zu zählen, die sich in Schulung befinden oder auf andere Weise „versteckt“ wurden, sodass die Zahl der Arbeitslosen seit 2000 um 70.000 bis 80.000 zugenommen habe. Er vermisse Anstrengungen zur Lösung dieses Problems, sagte Öllinger und fragte nach zusätzlichen Mitteln für die aktive Arbeitsmarktpolitik. Einer Erhöhung der Arbeitszeit erteilte Öllinger eine Absage, sie würde die Arbeitslosigkeit erhöhen. Skeptisch zeigte sich der Sozialsprecher der Grünen gegenüber der Ausweitung von Jobcoaching-Maßnahmen.

Abgeordneter Reinhold Mitterlehner (V) leitete seine Ausführungen mit der Beobachtung eines wachsenden Drucks auf den Arbeitsmarkt ein, wobei er auf die Gewinnsteigerungen in großen Unternehmen hinwies, wo dennoch Arbeitskräfte abgebaut werden. Die Position Österreichs sei im internationalen Vergleich dennoch günstig, sagte Mitterlehner und erkundigte sich nach den Auswirkungen einer Arbeitszeitflexibilisierung, der Lohnnebenkostensenkung für ältere Arbeitnehmer sowie danach, ob die Maßnahmen zur Effizienzsteigerung beim AMS bereits wirkten. Mitterlehner plädierte dafür, die Maßnahmen zugunsten jüngerer Arbeitnehmer und die Tätigkeit der Lehrstellenacquisiteure fortzusetzen.

Abgeordneter Franz Riepl (S) zeigte sich besorgt über das Ansteigen der Jugendarbeitslosigkeit sowie über den Mangel an Lehrstellen. Riepl stellte fest, dass der Markt nicht funktioniere und daher die Politik gefragt sei.

Abgeordnete Michaela Sburny (G) interessierte sich für die Entwicklung der Frauenbeschäftigung, die zuletzt gestiegen sei, wobei aber zu beachten sei, dass in die Quote auch Teilzeitbeschäftigte eingerechnet werden. Sburny klagte darüber, dass das Kinderbetreuungsgeld zwar einen Beitrag zur Bekämpfung der Armut leiste, aber den Wiedereinstieg in die Arbeitswelt behindere. Schließlich mahnte die Abgeordnete ein, Genderaspekte bei der Erstellung des Wirtschaftsbudgets zu berücksichtigen.

Abgeordnete Ridi Steibl (V) erinnerte an das Lob der EU-Kommission für die österreichische Arbeitsmarktpolitik und zeigte Genugtuung darüber, dass Österreich bei der Zunahme der Frauenbeschäftigung im Sinne der Lissabon-Strategie gut liege und die Jugendarbeitslosigkeit zuletzt senken konnte.

Abgeordnete Renate Csörgits (S) brachte die steigende Arbeitslosigkeit der Frauen zur Sprache und thematisierte die besonderen Arbeitsmarktprobleme von Wiedereinsteigerinnen und Migrantinnen. Der Beschäftigungszuwachs, den die Regierung als ihren Erfolg darstelle, habe seine Ursache in der wachsenden über dem EU-Durchschnitt liegenden Teilzeitbeschäftigung von Frauen. 

Abgeordneter Ferdinand Maier (V) drängte darauf, auch das Wiener AMS in Richtung höhere Effizienz zu reformieren.

Abgeordneter Richard Leutner (S) erkundigte sich nach der unternehmensbezogenen Arbeitsmarktförderung durch das Austria Wirtschaftsservice und wollte wissen, wie die europäische Förderungskulisse in der Strukturfondsperiode ab 2007 aussehen werde.

Abgeordnete Herta Mikesch (V) zeigte sich überzeugt, dass die KöSt-Senkung zu einem Zustrom von Betrieben und damit zu mehr Arbeitsplätzen in Österreich führe und plädierte für Arbeitszeitflexibilisierungen zugunsten von KMU.

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (S) warf der ÖVP vor, die reale Lebenssituation von Frauen zu ignorieren. Das Kinderbetreuungsgeld sei nicht existenzsichernd und fördere die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht. Auch gegenüber dem Dienstleistungsscheck zeigte sich Heinisch-Hosek skeptisch. Schließlich sprach sie sich dafür aus, Arbeitsstiftungen für Frauen flächendeckend einzuführen.

Abgeordneter Dietmar Keck (S) wollte wissen, wie viele Vollzeitjobs zuletzt auf Teilzeit umgestellt wurden und erkundigte sich, wann der Vaterschutzmonat eingeführt wird.

Abgeordneter Walter Schopf (S) warnte davor, die Einkommen der Arbeitnehmer durch Maßnahmen unter dem Titel „Flexibilisierung“ zu reduzieren.

Abgeordneter Manfred Lackner (S) meinte in Übereinstimmung mit Medienberichten, dass das vorliegende Budget die Krise verschärfe und die Regierung zu wenig gegen die Arbeitslosigkeit unternehme.

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (S) ging auf die wachsende Zahl von armen und armutsgefährdeten Menschen ein und zeigte sich besorgt über die Erscheinung der „working poor“ auch in Österreich. Die ÖVP brauche einen neuen Slogan: „Sozial ist, was Arbeit schafft, von der man leben kann“, meinte die Rednerin.

Wirtschaftsminister Martin Bartenstein wies die, wie er sagte, Versuche der Sozialdemokraten, Österreichs wirtschaftliche Lage schlecht zu reden, mit dem Hinweis darauf zurück, dass Österreich das viertwohlhabendste Land der EU sei. Bei den Arbeitslosendaten liege es hinter Luxemburg und Irland an dritter Stelle. In Deutschland gelte Österreich nicht nur in konservativen Medien als ein wirtschaftspolitisches Vorbild.

Für das Jahr 2003 gehe er von einer Arbeitslosenquote von 6,9 %, einer Wachstumsrate von 2,6 % und einer Beschäftigung von 3,252 Mill. Personen in Österreich aus, teilte der Wirtschaftsminister mit.

Beim Thema Arbeitszeitflexibilisierung werde es Ende April weitere Gespräche geben. Die bisherigen Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern seien gut verlaufen, sagte der Minister und wies ausdrücklich darauf hin, dass auch ÖGB-Präsident Verzetnitsch für Flexibilisierungsmaßnahmen eintrete. Er, Bartenstein, plädierte für Flexibilisierungen, ohne die Lohnquote zu senken oder die Arbeitszeit zu verlängern. Enttäuscht zeigte sich der Ressortleiter, dass die Bundesländer – mit Ausnahme Niederösterreichs – den ihnen eingeräumten Spielraum bei der Flexibilisierung von Ladenöffnungszeiten kaum nützten.

Erstaunt zeigte sich der Minister allerdings darüber, dass sich der ÖGB zuletzt gegen die Dienstleistungsrichtlinie ausgesprochen habe, mit der europaweit 600.000 Jobs geschaffen werden sollen. Der Wirtschaftsminister machte darauf aufmerksam, dass Österreich ein Exporteur von Dienstleistungen sei und auf einem europäischen Dienstleistungsbinnenmarkt sehr gute Chancen habe. Das Herkunftslandprinzip werde aufrecht bleiben. Im Übrigen sehe er die Dienstleistungsrichtlinie als eine Art Zusammenfassung der EuGH-Judikatur der letzten Jahre. Österreichs Exportboom sei bei den Dienstleistungen doppelt so stark wie bei den Güterexporten. Die Chancen Österreichs seien deutlich größer als die Risken.

Ein neuer Anlauf für eine Ökostromregelung werde im Wirtschaftsausschuss im April unternommen. Sollte es auch dort nicht gelingen, zu einer Einigung zu kommen, werde er ersatzweise Einspeistarifverordnungen erlassen, sagte der Wirtschaftsminister.

Von Seiten der Energieversorgungsunternehmen erwarte er sich Vorschläge für eine Belebung des Wettbewerbs auf dem Strommarkt sowie eine Fortsetzung der Gespräche für eine österreichische Stromlösung. Eine österreichweite Netzgesellschaft werde es möglich machen, die Stromkosten zu senken. Die gesetzlichen Bestimmungen für die Entflechtung von Stromproduktion und Vertrieb müssen bis 1. Juli 2007 erfüllt sein.

Das AMS und die aktive Arbeitsmarktpolitik sah der Minister sehr gut aufgestellt. Die Arbeitsmarktpolitik alleine reiche aber für eine Trendwende am Arbeitsmarkt nicht aus, um die Arbeitslosigkeit zu senken, wenn das Wachstum nicht höher als 2 % sei. Lob spendete der Minister dem AMS Oberösterreich, dort herrsche Vollbeschäftigung und die Langzeitarbeitslosigkeit sei beseitigt. „Man sollte sich anschauen, wie die das machen“.

Bei der Jugendbeschäftigung sei in den nächsten Jahren keine Entspannung zu erwarten. Die Zahl der Lehrlinge sei zuletzt gestiegen, weil sich die Wirtschaft ihrer Verantwortung und auch ihrer Interessen bewusst sei. Er sei für eine Fortsetzung der Lehrstellenacquisiteure, sagte der Minister und teilte mit, dass Lehrgänge in der Menge eingerichtet werden, in der Bedarf daran bestehe. Als ein besonderes Problem bei der Beschäftigung junger Menschen sah Minister Bartenstein Jugendliche ohne Ausbildungsabschluss, wobei er darauf aufmerksam machte, dass das Nachholen von Abschlüssen sehr teuer sei. 

Dass die Konzerngewinne steigen, sei gut, sagte der Minister. „Es geht aber nicht an, auf der einen Seite Rekordergebnisse zu verkünden und der selben Pressekonferenz zu sagen, es muss weniger Personal geben – das ist politisch nicht möglich.“

Mit einer Frauenbeschäftigungsquote von 62,8 % liege Österreich deutlich über dem EU-Schnitt von 55,1 %, sagte der Wirtschaftsminister und wies darauf hin, dass 80 % der Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse von Frauen gewollt seien und dass die Frauen mit der Teilzeitarbeit zufrieden seien. Zum Genderaspekt des Budgets seines Ressorts sagte der Minister, dass 50 % jener Ausgaben, die geschlechtsspezifisch zugeordnet werden können, auf Frauen entfallen, obwohl der Anteil der Frauen an den Arbeitslosen nur 42 % ausmache - Frauen haben einen überproportionalen Anteil an den Leistungen seines Ressorts, schloss der Wirtschaftsminister. Wo es sinnvoll sei, könne er sich die Einrichtung von Arbeitsstiftungen für Frauen vorstellen, einen Bedarf an flächendeckenden Frauen-Arbeitsstiftungen sehe er aber nicht.

Dem Vorschlag für eine europäische Steuerharmonisierung könne er nichts abgewinnen, sagte der Wirtschaftsminister und plädierte für Steuerwettbewerb.

In einer zweiten Verhandlungsrunde konzentrierte sich Abgeordneter Johann Moser (S) auf eine generelle Kritik an der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung, die von Abgeordnetem Johann Ledolter (V) mit dem Hinweis auf internationale Vergleichsdaten verteidigt wurde.  Abgeordneter Maximilian Hofmann (F) fragte nach der Entwicklung der Strommärkte, Abgeordnete Michaela Sburny (G) nach der Förderung von Forschung und Entwicklung sowie von KMU, Abgeordneter Johannes Schweißgut (V) interessierte sich für die Tourismuspolitik, Abgeordneter Hannes Bauer (S) für die Regionalpolitik, Abgeordnete Heidemarie Rest-Hinterseer (G) für die Förderung der Ökostromerzeugung und Abgeordneter Georg Oberhaidinger (S) für die österreichische Stromlösung. Abgeordneter Peter Marizzi (S) drängte auf Investitionen in den Kraftwerksausbau und Abgeordnete Erika Scharer (S) zum Kampf gegen die Arbeitslosigkeit.

Bundesminister Martin Bartenstein hielt den Kritikern seiner Wirtschaftspolitik entgegen, dass Österreichs Wachstumsquote über dem Schnitt der EU und weit vor Deutschland liege und der gestiegenen Arbeitslosigkeit eine Rekordbeschäftigung gegenüber stehe. Mosers Klage über die gestiegene Inflation relativierte der Minister mit dem Hinweis auf die vorübergehende Zunahme der Energiepreise.

In seinen weiteren Ausführungen informierte der Ressortleiter über die gute Entwicklung des Austria Wirtschaftsservice, das seine Personalprobleme gelöst, das Betriebsklima verbessert und die Bearbeitungsdauer von Förderungsansuchen gesenkt habe. Als Eigentümervertreter in der Verbundgesellschaft trete er für Investitionen in Kraftwerksbauten ein, sagte der Wirtschaftsminister und bat die Abgeordneten um Unterstützung, wenn es darum gehe, konkrete Projekte durchzusetzen.

(Schluss Wirtschaft/Forts. Budgetausschuss)


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