Parlamentskorrespondenz Nr. 285 vom 22.04.2005

BERICHT DES WIRTSCHAFTSMINISTERIUMS ÜBER EU-VORHABEN IM JAHR 2005

Wien (PK) - Wirtschaftsminister Martin Bartenstein hat dem Nationalrat kürzlich seinen Bericht über das EU-Arbeitsprogramm 2005 (III-129 d.B.) vorgelegt. Das Dokument informiert über die EU-Vorhaben im Ressort Wirtschaft unter den Titeln Lissabon-Strategie, Außenhandel, Binnenmarkt, Industrie und Unternehmen, Innovation und Forschung, Energie, Beschäftigung, Arbeitnehmerschutz sowie Arbeitsrecht und skizziert die jeweilige österreichische Position dazu. Der Bericht soll im Wirtschaftsaussschuss am kommenden Freitag, dem 29.4.2005 (10 Uhr, Lokal VIII) ÖFFENTLICH diskutiert und enderledigt werden.

LISSABON-STRATEGIE

Wirtschaftsminister Bartenstein begrüßt den Bericht von Wim Kok zur Umsetzung der Lissabon-Strategie, der eine Fokussierung auf Wachstum und Beschäftigung sowie Maßnahmen in fünf Kernbereichen vorschlägt, nämlich Wissensgesellschaft, Binnenmarkt, unternehmerisches Klima, Arbeitsmärkte und Nachhaltigkeit im Umweltbereich. Österreich bekennt sich auch zu Koks Vorschlag, die Strategie durch gezielte Anreize verbindlicher zu machen. Bartenstein sieht in Koks Empfehlungen einen Themenschwerpunkt der österreichischen Präsidentschaft.

AUSSENHANDEL

In der multilateralen Handelspolitik steht die Vorbereitung der WTO-Ministerkonferenz in Hongkong (13.-18.12.2005) und das Bemühen um Fortschritte bei der "Doha-Development-Agenda“ im Vordergrund. Österreich stimmt Handelsliberalisierungen durch Senkung von Zöllen und der Reduktion nicht-tarifärer Handelshemmnisse, effizienten Handelsregeln und einer besseren Integration der Entwicklungsländer in das Welthandelssystem zu und betont das Prinzip nachhaltige Entwicklung.

Österreich unterstützt Anträge der Ukraine, Chinas, Kasachstans, Vietnams und der Mongolei auf Zuerkennung des Status als  Marktwirtschaften in Antidumpingverfahren, sobald die diesbezüglichen Kriterien erfüllt sind. Die Bedeutung der Zusammenarbeit mit der Ukraine und China wird hervorgehoben.

Dem Vorschlag der Kommission für eine Neuregelung des Zugangs von Entwicklungsländern und der am wenigsten entwickelten Länder (LDCs) zum Gemeinschaftsmarkt inklusive Bestimmungen zur Förderung der nachhaltigen Entwicklung ("APS+") stimmt Österreich im Wesentlichen zu.

Der Aktionsplan für Agrarrohstoffproduktionsketten und eine Partnerschaft EU-Afrika im Baumwollsektor ist für Österreich wichtig. Minister Bartenstein ist daher bereit, an der Task-Force für die Internationalen Rohstoffgremien mitzuarbeiten. Im Interesse wenig entwickelter Länder unterstützt Österreich überdies Maßnahmen zur Erhöhung der Kaffeepreise.

In den Verhandlungen für ein neues internationales Tropenholzübereinkommen lehnt Österreich finanzielle Mehrbelastungen der Konsumentenstaaten ab und vertritt gemeinsam mit anderen Mitgliedsstaaten die Auffassung, dass das neue Übereinkommen sowohl in die Gemeinschaftszuständigkeit als auch in die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten fällt.

Österreich unterstützt Handelsbeschränkungen für Gegenstände, die zur Vollstreckung der Todesstrafe oder für Folterzwecke dienen, will aber die noch offenen technischen Fragen beim diesbezüglichen Verordnungsvorschlag gelöst sehen. Einen Aktionsplan zur Verbesserung des EU-Ausfuhrkontrollsystems unterstützt Österreich uneingeschränkt. Dies diene der Sicherheit und der Bekämpfung des Terrorismus.

BINNENMARKT

Österreich stimmt der Zielsetzung der Dienstleistungsrichtlinie zu, Hindernisse im grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr zu beseitigen. Österreich akzeptiert auch das Herkunftslandprinzip, mahnt aber effiziente Kontrollen, lückenlose Rechtsverfolgung und Ausnahmen für sensible Bereiche der Daseinsvorsorge (Gesundheit, Soziales) ein. Zudem sei die Dienstleistungsrichtlinie mit der Berufsanerkennungsrichtlinie und der Entsenderichtlinie abzustimmen.

In diesem Zusammenhang betrachtet der Minister den Vorschlag für eine Richtlinie über die Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise als einen akzeptablen Kompromiss gegenüber weitergehenden Liberalisierungsvorschlägen der Kommission.

Unter dem Titel "Better Regulation" unterstützt Österreich das Ziel, das Regulierungsumfeld der europäischen Wirtschaft zu verbessern. Insbesondere sollen Regulierungen der Arbeitszeitflexibilisierung, die Reduzierung von Verwaltungskosten durch einheitliche Messmethoden, die Vereinfachung von EU-Regulierungen und eine bessere Abschätzung der Folgen europäischer Regulierungen die Wettbewerbsfähigkeit Europas verbessern.

Einer Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken stimmt Österreich grundsätzlich zu, kritisiert aber die Definition des Durchschnittsverbrauchers, Einschränkungen der Umsetzungsfreiheit.

INDUSTRIE UND UNTERNEHMEN

Österreich unterstützt die neue EU-Chemie-Strategie und auch die diesbezüglichen Entwürfe für eine Verordnung über persistente organische Schadstoffe sowie für einen Richtlinienentwurf über die Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe. An Verbesserungsvorschlägen nennt der Minister die Vereinfachung der Registrierung, die Abgrenzung des Geltungsbereichs, eine zentrale Rolle der Europäischen Chemikalienagentur bei der Evaluierung, eine bessere Information sowie Verbesserungen bei der Zulassung.

Österreich wird im Rahmen seiner Ratspräsidentschaft die 5. Umsetzungskonferenz am 13./14. Juni 2006 für eine "Europäische Charta für Kleinunternehmen" ausrichten. Österreich unterstützt auch den Aktionsplan für Umwelttechnologie, da die exportintensive Umwelttechnologieindustrie wichtige Wachstumsimpulse liefere.

INNOVATION UND FORSCHUNG

Im Hinblick auf den EU-Aktionsplan für Innovation zur Unterstützung des Lissabon-Prozesses stellt Wirtschaftsminister Bartenstein ein Innovationskonzept der Bundesregierung in Aussicht.

Ein EU-Rahmenprogramm für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation könnte unter österreichischer EU-Präsidentschaft beschlossen werden, ein erster Entwurf soll bis Mitte 2005 vorliegen. Die Kooperation von Wirtschaft und Wissenschaft ist der zentrale Gesichtspunkt des 7. Rahmenprogramms für Forschung und technologische Entwicklung (2006 bis 2010), das ebenfalls unter österreichischem Vorsitz abgeschlossen werden soll.

ENERGIE

Den Richtlinienvorschlag für Energieeffizienz und Energiedienstleistungen begrüßt Österreich grundsätzlich, will dabei aber die marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Allgemeinen und auf dem liberalisierten Energiemarkt im Besonderen beachtet sehen.

Ein Abkommen zur Errichtung der Energiegemeinschaft Süd-Ost-Europa wird von Österreich ausdrücklich begrüßt. Wien ist seit Dezember 2004 Sitz des Sekretariates des Abkommens, das darauf abzielt, den in Süd-Ost-Europa nach EU-Vorbild zu schaffenden Energiebinnenmarkt in den EU-Energiebinnenmarkt zu integrieren.

Die für die transeuropäischen Energienetze vorgesehenen Leitlinien mit Zielen, Prioritäten und Grundzügen finden die Zustimmung Österreichs, das an der diesbezüglichen Entscheidung mitgewirkt hat.

Ein Richtlinienentwurf zur Sicherheit der Elektrizitätsversorgung wird von Österreich akzeptiert. Die Richtlinie stellt einen Rahmen für Stromversorgungskonzepte auf einem wettbewerbsorientierten Elektrizitätsmarkt dar, wobei die EU auf eine möglichst hohe Verbindungskapazität zwischen den Mitgliedsstaaten setzt.

Ein Eco-Design-Richtlinien-Entwurf zielt auf den freien Verkehr energiebetriebener Produkte in der EU, die Verbesserung der Umweltverträglichkeit und mehr Sicherheit der Energieversorgung. Österreich begrüßt den Vorschlag im Sinne der Integration von Umweltaspekten in die Entwicklung von Produkten. Bei der Umsetzung der Richtlinie will Österreich die Auswirkungen auf KMU und sein hohes Schutzniveau für Umwelt und Konsumentensicherheit wahren.

Einem Verordnungsvorschlag für den Zugang zu Erdgasfernleitungen, der das Funktionieren des Erdgasbinnenmarktes sicherstellen soll, stimmt Österreich uneingeschränkt zu.

BESCHÄFTIGUNG

Österreich begrüßt die Vorlage des Gemeinsamen Beschäftigungsberichts 2004/2005 im Hinblick auf die Halbzeitüberprüfung der Lissabon-Strategie. Für Österreich ist noch offen, welches Format die nationalen Berichte zur Europäischen Beschäftigungsstrategie haben sollen. Den generellen Bewertungen der Kommission zu den Fortschritten bei der Erreichung der Beschäftigungsziele und der Umsetzung der diesbezüglichen Leitlinien könne zugestimmt werden.

Die EU will das Jahr 2006 zu einem Europäischen Jahr der Mobilität von Arbeitnehmern ausrufen. Die EU will die berufliche und die geographische Mobilität der Arbeitnehmer innerhalb und zwischen den Mitgliedsstaaten fördern, um im Sinne der Lissabon-Strategie die Produktivität und bestmögliche Allokation des Faktors Arbeit zu erreichen. Für Österreich stehe hingegen die Handhabung des Übergangsarrangements mit den neuen Mitgliedsstaaten und die Entsendung von Arbeitskräften im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit im Vordergrund, heißt es im Bericht des Arbeitsministers. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt gebiete die Weiterführung einer arbeitsplatz- und arbeitsmarktorientierten Zulassung von Arbeitskräften aus den neuen Mitgliedsstaaten. Dies deshalb, weil in Österreich die Zuwanderung aus den neuen Mitgliedsstaaten trotz Übergangsarrangements spürbar ansteigt.

Der Verordnungsentwurf für den Europäischen Sozialfonds wird von Österreich begrüßt, sofern er eine verstärkte Anbindung an die europäische Beschäftigungsstrategie vorsieht. Der Europäische Sozialfonds ist auch nach 2006 ein wichtiges Finanzierungsinstrument, mit dem die Europäische Union die gemeinsamen beschäftigungspolitischen Ziele umsetzt.

Zurückhaltend steht Österreich dem Plan zur Vereinheitlichung der Arbeitsmigrationspolitik unter dem Titel "Haager Programm zur Stärkung der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts in der Europäischen Union" gegenüber, da die Interessenlagen und die Organisation der Arbeitsmärkte in den einzelnen Mitgliedsstaaten noch zu unterschiedlich seien. - Hinsichtlich der geplanten EU-Erweiterung um Kroatien und die Türkei kündigt Österreich an, lange Übergangsfristen für die Freizügigkeit zu verlangen.

ARBEITNEHMERSCHUTZ

Österreich begrüßt eine Änderung der Richtlinie über Mindestvorschriften zum Schutz von Arbeitnehmern vor physikalischen Einwirkungen (optische Strahlung). Die vorgesehenen Grenzwerte entsprechen dem in Österreich geltenden Stand der Technik. Einen Änderungsvorschlag für die Richtlinie über Karzinogene wird Österreich in seiner Präsidentschaft weiter behandeln.

ARBEITSRECHT

Einem Richtlinienvorschlag zur Gleichbehandlung von Leiharbeitnehmern/-innen hinsichtlich Entgelt und Arbeitszeit gegenüber Angestellten stimmt Minister Bartenstein grundsätzlich zu. Er ist aber gegen lange Übergangsfristen und permanente Ausnahmen.

Österreich begrüßt die Zusammenlegung der Gemeinschaftsprogramme für Beschäftigung und soziale Solidarität, betont aber zugleich die Notwendigkeit größtmöglicher Transparenz.

Österreich begrüßt die Neufassung der Richtlinie zur Verwirklichung der Chancengleichheit und der Gleichbehandlung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz, mit der Rechtsvorschriften vereinfacht und der Zugang zum Recht erleichtert werden.

Hinsichtlich eines Richtlinienvorschlages zur Arbeitszeitgestaltung will Österreich das bestehende Arbeitszeitrecht unverändert beibehalten, eine flexible Lösung bei den Ausgleichsruhezeiten und die Möglichkeit von Opting-Outs.

Im Jahr 2005 erwartet der Wirtschaftsminister die Vorlage einer "Sozialpolitischen Agenda (2006 bis 2010)" mit dem Fünf-Jahres-Programm zur Erreichung der Ziele der Lissabon-Strategie in den Bereichen Beschäftigung und Soziales, eine Mitteilung über Umstrukturierungen und Wandel der Arbeit erwartet und eine Mitteilung zum Bereich Nichtdiskriminierung als Nachfolge zum Grünbuch 2004. (Schluss)