Parlamentskorrespondenz Nr. 312 vom 28.04.2005

BEWEGTE ZEITEN IN DER AUSSENPOLITIK

Außenpolitischer Bericht am 3. Mai im Ausschuss

Wien (PK) - "2003 war außenpolitisch ein sehr bewegtes Jahr und hat die internationalen Beziehungen in einer Weise beeinflusst, die noch lange zu spüren sein werden. Es hat gezeigt, was Außenpolitik und Diplomatie im besten Falle zu leisten vermögen, indem in Europa die Weichen für die größte Erweiterung in der Geschichte der Europäischen Union und für ihren Verfassungsvertrag gestellt wurden. Gleichzeitig wurde der Welt im Irak vor Augen geführt, wohin es führt, wenn die Möglichkeiten der Diplomatie, der friedlichen Streitbeilegung und der internationalen Vermittlung nicht entsprechend genützt werden. Beide Entwicklungen haben auch die österreichische Außenpolitik vor große Herausforderungen gestellt." Mit diesen Worten leitet die seinerzeitige Bundesministerin Benita Ferrero-Waldner den "Außenpolitischen Bericht 2003" (III-108 d.B.) ein, der am Dienstag, dem 3. Mai, auf der Tagesordnung des Außenpolitischen Ausschusses steht.

DAS GRÖSSERE EUROPA

"Als Erfolg jahrelanger diplomatischer Bemühungen und konsequenter Außenpolitik wird die am 1. Mai 2004 vollzogene Erweiterung der EU um zehn neue Mitglieder in die Geschichtsbücher eingehen. Erstmals in seiner Geschichte ist fast der ganze Kontinent in Frieden und Freiheit geeint, und die EU ist mit nunmehr 25 Mitgliedstaaten und 450 Millionen Einwohnern der größte und dynamischste Integrationsraum der Welt." Diese positive Bilanz zieht die Außenministerin hinsichtlich der 2004 erfolgten EU-Erweiterung. Österreich liege diesem Erdteil nunmehr tatsächlich in jeder Hinsicht inmitten, womit eine Priorität der österreichischen Außenpolitik verwirklicht werden konnte, heißt es weiter in dem Bericht. Österreich sei aber durch die Erweiterung der Union nicht nur geographisch ins Zentrum Europas gerückt, es habe dadurch auch ein Mehr an Sicherheit gewonnen, liege es doch nun im Zentrum einer Entität, die sich zunehmend gerade auch als gemeinsame Sicherheitszone formiere. In einem Zeitalter, das durch neue, oft schwer zu greifende Bedrohungen, wie den Terrorismus, geprägt sei, müsse dieser Sicherheitsaspekt im Vordergrund der Überlegungen stehen: "Denn wir leben in einer Zeit, in der der Erfolg der Außenpolitik daran gemessen wird, wie viel Sicherheit wir den Menschen bieten können".

Im Jahr 2003 wurde die Erweiterung der Europäischen Union, entscheidend vorbereitet. Als am 16. April 2003 der Beitrittsvertrag der zehn neuen Mitgliedstaaten in Athen, der Wiege der europäischen Demokratie, unterschrieben wurde, "war dies sicher für mich einer der bewegendsten Momente meiner Tätigkeit als österreichische Außenministerin", erklärt Ferrero-Waldner in dem Bericht. Für die österreichische Außenpolitik sei es wichtig gewesen, dass die EU-Erweiterung für die alten wie die neuen Mitglieder der Union zu einem Erfolg wird. Man habe in den Beitrittsverhandlungen großen Wert darauf gelegt, österreichische Interessen, etwa im Bereich der Übergangsregelungen bei Arbeitnehmer- und Dienstleistungsfreiheit, durchzusetzen, aber insgesamt zu einer Lösung im Sinne der Gründerväter der europäischen Integration zu kommen. Dass Österreich wirtschaftlich einer der größten Gewinner der Erweiterung aus dem Kreise der bisherigen Mitgliedstaaten der EU sein werde, sei, ebenso wie die bereits vorhandene enge wirtschaftliche Verschränkung unseres Landes mit unseren Nachbarn in Mitteleuropa, das Ergebnis jahrelanger konsequenter Arbeit der österreichischen Außenpolitik und der heimischen Wirtschaft. Dass im Zuge dieses Prozesses auch geistig und kulturell wieder zusammenwachse, was Jahrhunderte lang ein gemeinsames Schicksal geteilt hat, sei dabei besonders wichtig. "Die von mir schon vor einigen Jahren ins Leben gerufene „Regionale Partnerschaft“ hat sich hierbei bereits bestens bewährt", so die Ministerin.

Jetzt sei es eine unserer Aufgaben, Stabilität und Wohlstand, die Friedensdividende der Europäischen Union, rasch auch auf dem Balkan zu etablieren, um den gefährlichsten Krisenherd des Kontinents zu entschärfen. Südosteuropa müsse in das europäische Friedenswerk in unserem eigenen Interesse voll eingebunden werden, denn unsere Sicherheit beginne heute weit jenseits unserer Staatsgrenzen. In diesem Sinne habe Österreich auch den im Frühjahr 2003 gestellten Beitrittsantrag Kroatiens als ermutigendes Signal begrüßt und von Anfang an nachdrücklich unterstützt.

Das Jahr 2003 brachte für die Europäische Union jedoch noch einen weiteren wichtigen Schritt, den Abschluss der Vorbereitungen zu einem Verfassungsvertrag im Europäischen Konvent und den Beginn der Regierungskonferenz zu seiner Beschlussfassung. Die neue Verfassung werde die künftige Entwicklung der erweiterten Union erleichtern und die Funktionsfähigkeit der Organe verbessern, die europäische Gesetzgebung vereinfachen und mehr Transparenz gegenüber dem Bürger bringen. Der neue Verfassungsvertrag ist dann im Juni 2004 als erstes gemeinsames Projekt des neuen, erweiterten Europa beschlossen worden und stelle den institutionellen Schlussstein zur Überwindung der Teilung Europas dar.

Europa bekomme eine Verfassung, die auf die Gleichheit der Mitgliedstaaten ebenso Rücksicht nehme wie auf die Gleichheit der Bürgerinnen und Bürger, die getragen sei vom Willen, die Union handlungsfähiger und entscheidungsfreudiger zu machen.

DER KRIEG IM IRAK

Das Jahr 2003 stand jedoch darüber hinaus ganz besonders im Zeichen des dramatischen Geschehens im Irak. Diesem Land endlich die Chance auf Frieden, Freiheit und eine demokratische Entwicklung zu verschaffen, bleibe auch heute eine zentrale Aufgabe der Staatengemeinschaft. Im Sinne der Beschlüsse des Nationalen Sicherheitsrates vom 29. Jänner und 24. März 2003 habe Österreich sich dabei von Anfang an insbesondere für eine möglichst maßgebende Rolle der Vereinten Nationen sowie für eine gemeinsame Haltung der EU eingesetzt. Auf der Basis eines parteienübergreifenden Konsenses sei sichergestellt worden, dass Österreich die auf Grund der damaligen Situation erforderlichen neutralitätsrechtlichen Maßnahmen ergriff.

"Wie immer wir zu den konkreten Ereignissen des vergangenen Jahres stehen mögen, ist doch eines klar: Heute sind wir von der gefährlichen Instabilität im Irak alle miteinander betroffen. Wenn es dort nicht gelingt, für Frieden und dauerhafte Stabilität zu sorgen, kann dies für die Sicherheit des gesamten Nahen Ostens, ja auch für unsere Sicherheit in Europa einschneidende negative Konsequenzen haben. In diesem Sinne und konkret in Erfüllung der Beschlüsse des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen leistet Österreich seinen Beitrag zu den internationalen Bemühungen zur Stabilisierung des Irak: durch die Teilnahme an Programmen in Jordanien für die Ausbildung irakischer Polizisten ebenso wie durch das Angebot, in Österreich Ausbildungskapazitäten für irakische Offiziere und Diplomaten zur Verfügung zu stellen", bilanziert die frühere Ressortchefin.

Darüber hinaus gelte es, aus dem Umstand, dass die Europäische Union in der damaligen Situation zu keiner gemeinsamen Linie gefunden habe, grundlegende Konsequenzen für die Zukunft zu ziehen. Die Annahme einer gemeinsamen EU-Strategie für die Unterstützung des politischen Transformationsprozesses und des Wiederaufbaus im Irak beim letzten Europäischen Rat sei in diesem Zusammenhang ein erster wesentlicher Fortschritt. "Ich trete gerade im Lichte dieser Erfahrungen noch stärker als bisher für das Ziel einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik ein, in deren Rahmen die EU und ihre Mitglieder auch wirklich mit einer Stimme sprechen. Ich stehe daher auch zum längerfristigen Ziel eines ständigen Sitzes im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen für die Europäische Union als solche", erklärt Ferrero-Waldner, die sich in diesem Zusammenhang für eine multilaterale Zusammenarbeit im Rahmen der VN bekennt. In dieser Hinsicht werde die Rolle der EU als mit Abstand größtem Beitragszahler der VN immer wichtiger, betont die Ministerin.

Die Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen EU und UNO, wie sie im September 2003 in der Unterzeichnung der „Gemeinsamen Erklärung über die Zusammenarbeit zwischen den Vereinten Nationen und der Europäischen Union im Bereich des Krisenmanagements“ ihren Ausdruck gefunden hat, sei ein wichtiger Beitrag der EU zu Frieden und Stabilität in unserer Welt. In der Demokratischen Republik Kongo habe im Sommer 2003 mit der Operation „Artemis“ erstmals die EU selbst – mit österreichischer Beteiligung –, die Friedensbemühungen der UNO schnell und unbürokratisch unterstützt und damit weitere Massaker an der Zivilbevölkerung verhindern können.

Die Europäische Kommission habe im Sommer 2003 ein Papier vorgelegt, das den Weg zukünftiger noch engerer Zusammenarbeit weisen soll. Das Papier trage den bezeichnenden Titel: „The EU and the UN: The Choice of Multilateralism“. Es nenne damit genau den Weg, für den Österreich immer eingetreten sei: die EU müsse ihre gemeinsame Außenpolitik klar auf den Multilateralismus ausrichten und seine Instrumente nachhaltig unterstützen und stärken. Dem trage auch die im Dezember 2003 beschlossene Sicherheitsstrategie der EU klar Rechnung.

Das Jahr 2003 habe, resümiert der Bericht, mit seinen Höhen und Tiefen ein Plädoyer für verantwortungsbewusste und vorausblickende Außenpolitik gehalten. Auf die Europäische Union, die sich zunehmend die Mechanismen geschaffen hat, sich diesen Herausforderungen zu stellen, kommen dabei in den nächsten Jahren wichtige Aufgaben zu. Sie werde Entscheidendes dazu beitragen können, dass verantwortungsbewusste Diplomatie in einer Welt des Rechtes ihre Chancen zu positiver Gestaltung erhält und wahrnimmt.

DIE WEITEREN SCHWERPUNKTE

Im Konkreten gliedert sich der Bericht in 13 Abschnitte und acht Anhänge. Im einzelnen werden folgende Punkte dargelegt und erläutert: Österreich in der EU, Österreich in anderen europäischen Foren, die österreichische EZA, die Vereinten Nationen und die globale Zusammenarbeit, Rüstungskontrolle, Menschenrechte, die humanitäre Dimension in den internationalen Beziehungen, multilaterale Wirtschaftspolitik, globale Nachhaltigkeitspolitik, Auslandskulturpolitik, Medien und Information, die konsularische Dimension der Außenpolitik sowie der heimische auswärtige Dienst.

Umfangreiche Anhänge mit Länderinformationen von Afghanistan bis Zypern, dem diplomatischen und konsularischen Korps in Österreich, und den internationalen Organisationen mit Sitz in Österreich runden den rund 400 Seiten starken umfassenden und ausführlichen Bericht ab. (Schluss)