Parlamentskorrespondenz Nr. 370 vom 11.05.2005

EINE BESCHÄFTIGUNGSOFFENSIVE DER REGIERUNG

Dringlicher Antrag der Volkspartei

Wien (PK) - Der Nationalrat unterbrach seine Beratungen über Wahrnehmungsberichte des Rechnungshofs am Nachmittag zur Diskussion eines von der Volkspartei eingebrachten Dringlichen Antrags betreffend Beschäftigungsoffensive der Regierung.

Abgeordneter NEUGEBAUER (V) zeigte sich in der Begründung des Antrags über die Ergebnisse des so genannten Reformdialogs für Wachstum und Beschäftigung am 1. Mai dieses Jahres erfreut. Österreich liege mit seinen Arbeitsmarktdaten zwar im internationalen Spitzenfeld und habe EU-weit die drittniedrigste Arbeitslosenrate und die geringste Jugendarbeitslosigkeit, meinte er, dennoch seien Maßnahmen notwendig, um die Arbeitslosenrate zu senken. Es müsse "zu einem gemeinsamen Aktionsradius kommen", appellierte er an Opposition und Gewerkschaft.

Neugebauer wies darauf hin, dass beim Reformdialog u.a. zusätzliches Personal für das Arbeitsmarktservice, eine Fortsetzung des Lehrgangssystems für Jugendliche, eine Verstärkung des Kampfes gegen organisierten Sozial- und Wirtschaftsbetrug und die Aufstockung der Mittel für die Breitbandoffensive vereinbart worden seien. Zudem habe die Regierung eine Forschungsanleihe in der Höhe von 1 Mrd. € und zusätzliche 300 Mill. € für Infrastrukturprojekte in Aussicht gestellt. Neugebauer zeigte sich überzeugt, dass mit den Ergebnissen des Reformdialogs bestehende Arbeitsplätze abgesichert und zusätzliche geschaffen werden können.

Bundeskanzler Dr. SCHÜSSEL bekräftigte, Vollbeschäftigung bleibe weiter das große Ziel der österreichischen Arbeitsmarktpolitik. Seiner Meinung nach ist eine "intelligente Wirtschaftspolitik" mit einem Mix verschiedener Maßnahmen notwendig, um die Arbeitslosenrate zu senken. Unter anderem verwies er auf die Steuerreform, die Senkung der Lohnnebenkosten, Liberalisierungen, Investitionen in die Infrastruktur, die Verwaltungsreform, den Abbau von Bürokratie und eine massive Erhöhung der Forschungsausgaben.

Konkret wurden beim Beschäftigungs-Reformgipfel Schüssel zufolge eine Aufstockung der Mittel für Infrastrukturprojekte um 300 Mill. €, eine "noch nie da gewesene" Forschungsoffensive, eine Verdoppelung der Mittel für die Breitbandoffensive, eine Qualifikationsoffensive, eine Lehrlingsoffensive, eine Offensive gegen illegale Beschäftigung und Schwarzarbeit sowie eine Fortführung der Exportoffensive vereinbart. So würden etwa 120 Mill. € für die Lehrlingsförderung bereitgestellt sowie die Strafen für illegale Beschäftigung erhöht und die Kontrollore verdoppelt. Zudem plant die Regierung, wie Schüssel erklärte, ein Verfahrensbeschleunigungsgesetz. Die Mittel für die Forschungsanleihe in der Höhe von 1 Mrd. € sollen nach Darstellung Schüssels nicht aus dem Budget kommen, sondern aus Privatisierungserlösen der ÖIAG.

Alle Maßnahmen zusammengerechnet könnten, so Schüssel, kurzfristig 15.000 zusätzliche Arbeitsplätze und mittelfristig sogar 25.000 Arbeitsplätze bringen.

In Anspielung auf den deutschen SPD-Parteichef Franz Müntefering meinte der Bundeskanzler, man werde Unternehmer und Investoren in Österreich nur dann bekommen, "wenn wir nicht den Fehler machen", diese als "Heuschrecken" zu bezeichnen, die zunächst alles kahl fressen und weiterziehen. Er sei dankbar für jeden Betrieb, der sich hier niederlasse, Arbeitsplätze schaffe und Steuern zahle, unterstrich er.

Abgeordneter GRILLITSCH (V) verwies auf die Erfolgsgeschichte Österreichs in der 2. Republik und betonte, es sei positiv, dass das Parlament nur wenige Tage nach dem von der Regierung initiierten Beschäftigungs- Reformgipfel am 1. Mai das dort vereinbarte 10-Punkte-Programm diskutieren könne.

Besonders hob Grillitsch die vorgesehene Unterstützung für Klein- und Mittelbetriebe und die Breitbandoffensive hervor. Gerade die Breitbandoffensive leiste, so der Abgeordnete, einen wichtigen Beitrag zur Stärkung des ländlichen Raums. Zustimmend äußerte er sich überdies zur Verlängerung der besonderen Ökostromförderung bis 2007.

Abgeordneter VERZETNITSCH (S) wies auf die kontinuierlich steigenden Arbeitslosenzahlen hin und gab zu bedenken, dass derzeit, rechne man die Schulungsteilnehmer hinzu, fast 300.000 Österreicher ohne Beschäftigung seien. Es habe viel zu lange gedauert, bis sich die Regierung dazu bereit erklärt habe, Maßnahmen ins Auge zu fassen, kritisierte er und äußerte die Hoffnung, dass die angekündigten Schritte nun auch tatsächlich umgesetzt würden. Schon in der Vergangenheit ist seiner Ansicht nach viel zu oft nur etwas angekündigt und nichts getan worden.

Verzetnitsch urgierte u.a. eine Erhöhung der Negativsteuer, um die Kaufkraft jener zu stärken, die von der letzten Steuerreform nicht profitiert hätten, und sprach sich dafür aus, Schwarzunternehmertum zu einem Straftatbestand zu machen.

Abgeordneter WALCH (F) warf den Sozialdemokraten vor, beim Reformdialog am 1. Mai kaum Vorschläge vorgelegt zu haben. Viel sei von der SPÖ nicht gekommen, meinte er, die aufgestellten Forderungen seien zum Großteil bereits alle erledigt.

Walch machte u.a. darauf aufmerksam, dass bis zum Jahr 2010 30 Mrd. € in Straße und Schiene investiert werden, die Steuerreform zu 50 % den Arbeitnehmern zugute gekommen sei, es eine siebenjährige Übergangsfrist für den freien Zugang zum Arbeitsmarkt aus den neuen EU-Ländern gebe und bereits höhere Strafen für Schwarzarbeit beschlossen worden seien. Die Arbeiterkammer und den ÖGB forderte er auf, Imagekampagnen für jene Berufe zu starten, in denen Facharbeitermangel herrsche.

Abgeordneter ÖLLINGER (G) wertete es als Zumutung dem Parlament gegenüber, einen Dringlichen Antrag mit Forderungen einzubringen, die "wortwörtlich" vom Ministerratsvortrag abgeschrieben worden seien. Über die Ergebnisse des Beschäftigungs-Reformgipfels zeigte er sich enttäuscht. Das Resultat des Gipfels sei beschämend dürftig, betonte er, es seien nur wenige Ideen, über die man diskutieren könne, vorgelegt worden.

Schon allein der Befund ist Öllinger zufolge "komplett falsch", es gebe keinen Zuwachs an Beschäftigung. Österreich sei überdies eines der wenigen EU-Länder mit steigender Arbeitslosigkeit, ebenso gebe es einen massiven Zuwachs der Arbeitslosigkeit jüngerer Menschen.

Abgeordnete MIKESCH (V) zog einen Vergleich mit dem rot-grünen Deutschland und rief die Opposition auf, Österreich nicht immer krank zu jammern. Positiv verbuchte Mikesch die Lehrlingsoffensive  zur Jugendausbildung und Aktionen wie die Gratis-Lernhilfe in Niederösterreich oder Anreize für Mädchen in technischen Berufen. Grundlage für die Beschäftigung sei aber, wie die Rednerin betonte, eine gesunde Wirtschaft. Während andere noch nicht einmal startklar seien, befinde sich Österreich mit seiner Wirtschafts- und Steuerpolitik schon längst auf dem richtigen Weg, stand für Mikesch fest.

Abgeordnete SILHAVY (S) zeigte sich alarmiert über die Lehrstellenlücke und kritisierte, die Lehrlingsprämie habe keinerlei positive Effekte für die Lehrlinge gebracht, sondern lediglich die Betriebe entlastet. Der Regierung warf sie vor, bewusst steigende Arbeitslosigkeit in Kauf zu nehmen und durch den Abbau des Sozialstaates das Wachstum zu hemmen.

Abgeordneter DI HOFMANN (F) begrüßte die Maßnahmen des Reformdialogs für Wachstum und Beschäftigung und hob insbesondere den Ausbau der Infrastruktur, die steuerliche Anerkennung der Auftragsforschung sowie die Breitbandoffensive hervor. Hofmann deponierte in diesem Zusammenhang den Wunsch, die steuerliche Begünstigung für private Breitbandanschlüsse im ländlichen Raum fortzuführen.

Abgeordnete WEINZINGER (G) sprach das Problem der versteckten Arbeitslosigkeit an und vermisste vor allem konkrete Maßnahmen für Frauen. Seit dem Amtsantritt der Regierung Schüssel sei die Arbeitslosigkeit der Frauen wesentlich gestiegen. Beim Arbeitsgipfel am 1. Mai habe der Kanzler kein einziges Wort für die Frauen übrig gehabt und von den Frauen erst am 8. Mai, am Muttertag, gesprochen, bemerkte Weinzinger unter Hinweis auf das Frauenbild der Bundesregierung.

Abgeordneter Mag. AMON (V) sah Österreich im Vergleich zu Deutschland wesentlich besser positioniert und erinnerte an die zahlreichen Maßnahmen der Bundesregierung zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung. Er rief die Opposition auf, sich nicht einem Minderwertigkeitkomplex hinzugeben, sondern vielmehr stolz auf das Erreichte zu sein.

Abgeordneter Dr. MATZNETTER (S) warf der Regierung vor, die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs herabgesetzt, nichts gegen die Arbeitslosigkeit unternommen und die Investitionen auf einen historischen Tiefststand reduziert zu haben. Die jetzt beschlossenen Maßnahmen würden zudem viel zu spät kommen, fürchtete er.

Abgeordnete ROSSMANN ((F) begrüßte die Maßnahmen des Reformdialogs und meinte, Österreich werde international immer wieder als Musterland gesehen. Neue Arbeitsplätze erwartete sich die Rednerin vor allem von den Investitionen in die Infrastruktur.

Abgeordnete Dr. MOSER (G) zweifelte an der Beschäftigungswirksamkeit von großen Infrastrukturprojekten und plädierte hingegen für Investitionen in den Wohnbau. Überhaupt wäre es nach Meinung Mosers wichtiger, die Klein- und Mittelbetriebe zu fördern anstatt "Beschäftigungspolitik für Großkonzerne" zu betreiben. Nach wie vor aktuell war für die Rednerin auch die Forderung nach einer Senkung der Lohnkosten.

Abgeordnete CSÖRGITS (S) konstatierte, seit dem Antritt dieser Bundesregierung sei es für Frauen immer schwieriger, einen Vollzeitarbeitsplatz zu bekommen, vor allem Widereinsteigerinnen wären von Arbeitslosigkeit besonders stark betroffen. Dafür nehme aber die geringfügige Beschäftigung und die Teilzeitarbeit bei Frauen drastisch zu.

In einem Entschließungsantrag forderte die Rednerin eine Offensive für mehr Arbeit und Wachstum, wobei die Palette der Maßnahmen von der Absenkung des Saisonierkontingentes im Tourismus über eine sofortige Erhöhung der Mittel für die aktive Arbeitsmarktförderung um mindestens 60 Mill. €, die Schaffung von Kinderbetreuungseinrichtungen bis hin zu Infrastrukturinvestitionen in den Bereichen Schiene, Straße und Kommunikation reichte.

Abgeordneter NEUDECK (F) qualifizierte den Antrag der SPÖ als "Arbeitsplatzvernichtungsprogramm", das lediglich neue Schulden, nicht aber neue Arbeitsplätze bringen würde.

Abgeordneter Mag. KOGLER (G) erteilte der "Symbolpolitik" der  Regierung mit ihren immer häufigeren "Gipfeln" eine Absage. "Auf ihrem Weg durch die Wüste Gobi verwechselt die Regierung offenbar jeden Sandhaufen mit einem Gipfel". Kogler mahnte Qualität ein und kritisierte die "Hausnummernökonomie" der Regierung. "Sie sollten darauf verzichten, das Vorziehen ausfinanzierter Projekte als Beschäftigungspolitik zu verkaufen".

Im Entschließungsantrag der SPÖ sah Kogler zwar nicht nur Licht, sondern auch Schatten, kündigte aber die Zustimmung der Grünen an. "Dieser ambitionierte Antrag stellt jedenfalls mehr dar als die paar Zettel, die die Regierung zum Thema Beschäftigungspolitik zustande gebracht hat", schloss Kogler.

Bei der Abstimmung wurde der Antrag der Regierungsparteien mit Mehrheit angenommen.

Der SP-Entschließungsantrag "Offensive für mehr Arbeit und Wachstum" blieb in der Minderheit und wurde abgelehnt. (Schluss DA/Forts. NR)


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