Parlamentskorrespondenz Nr. 477 vom 09.06.2005

RAUCH-KALLAT IM NR: WÖCHENTLICH WERDEN 150.000 E-CARDS VERSCHICKT

Kritik der SPÖ an der E-Card-Gebühr

Wien (PK) - Das Sozialrechts-Änderungsgesetz 2005 stand an der Spitze der Tagesordnung der 113. Sitzung des Nationalrats. Nach rund 30 Wortmeldungen einer mehrstündigen Debatte wurde das Gesetz mit den Stimmen der Regierungsfraktionen in Dritter Lesung angenommen.

SPÖ-Sozialsprecherin Abgeordnete SILHAVY bewertete einige Punkte der Vorlage zwar positiv, begründete die Ablehnung der Vorlage in Dritter Lesung durch ihre Fraktion mit aus ihrer Sicht kritischen Punkten wie dem Transfer von 100 Mill. € aus der Unfallversicherung zu den Gebietskrankenkassen und mit der Finanzierungsmaßnahme zugunsten der privaten Krankenanstalten. Darüber hinaus kritisierte Silhavy, dass die Regierung keine wirksamen Maßnahmen gegen Schwarzarbeit zu Stande bringe.

Jede Bewahrung des Ist-Zustands bedeute Rückschritt, und um diesen zu verhindern habe die Regierung mit der Vorlage eine Fülle von Maßnahmen entwickelt, sagte Abgeordneter Mag. TANCSITS (V) und stellte einige dieser Maßnahmen vor. Mit der Einführung der E-Card habe die Regierung ein Versprechen gehalten: Die Karte sei nicht teurer als der Krankenschein, auch die Ausnahmetatbestände seien übernommen worden. Die Sanierung der Problemfälle zwischen Kindergeld und Wochengeld erfolge rückwirkend, der Versicherungsschutz werde auf Schnuppertage ausgedehnt, bei der Sozialversicherung der Bauern gebe es Verbesserungen und mit dem Transfer von 100 Mill. € von der Unfall- zur Krankenversicherung würde die Liquidität der Krankenkassen gesichert.

G-Sozialsprecher ÖLLINGER kündigte die Ablehnung der Vorlage durch seine Fraktion in Dritter Lesung an und begründete dies u.a. damit, dass die Vorlage keine nachhaltige Sanierung der Krankenkassen bewirke, sondern bloß zur Folge habe, dass man bis nach der Wahl über die Runden komme. Durch den Transfer von Mitteln der Unfallversicherung zur Krankenversicherung würde bei ersterer der Aufbau der Prävention gefährdet und bloß "ein Gleichklang im Schlechten, im Defizit" erreicht. Nicht einzusehen sei auch, dass den Privatkrankenhäusern zusätzliche Mittel zugeführt werden, meinte Öllinger.

Abgeordneter WALCH (F) bewertete hingegen die mit der Vorlage verbundenen Maßnahmen, bis hin zu einem Abkommen mit Bulgarien, positiv.

Gesundheitsministerin RAUCH-KALLAT beschrieb die einzelnen Maßnahmen und verwies im Hinblick auf die E-Card auf den erfolgreichen Probebetrieb. Derzeit würden jede Woche 150.000 Stück verschickt, Ende des Jahres werde der Krankenschein flächendeckend Geschichte sein. Im Anschluss daran werde mit dem "Ausbau" der Karte begonnen.

Zur "Reparatur" jener Fälle, in denen Mütter zwischen dem Bezug von Kindergeld und Wochengeld kurz beschäftigt seien und das Wochengeld massiv absinke, sagte die Ministerin, eine generelle Sanierung sei durch den damit verbundenen enormen Verwaltungsaufwand zu teuer, weshalb die Betroffenen die entsprechende Leistung beantragen müssten; es werde aber entsprechend breit informiert werden. In der bäuerlichen Sozialversicherung werde vor allem für die schwer Versehrten etwas getan, sagte Rauch-Kallat weiter, und die Kritik an der Erhöhung der Mittel für die Privatkrankenhäuser wies sie mit der Begründung zurück, dass diese Anstalten weniger als die öffentlichen Krankenhäuser bekämen, es sich um eine Anpassung der Pauschalzahlung handle und diese Anstalten gebraucht würden.

Zum Mitteltransfer von der Unfall- zur Krankenversicherung sagte die Gesundheitsministerin, diese 100 Mill. € würden die Prävention nicht gefährden; die AUVA verfüge über Rücklagen in Höhe von 400 Mill. €.

In den Augen von Abgeordnetem LACKNER (S) ist dieser Transfer hingegen ein "ungenierter Eingriff in fremde Kassen", der nur dazu diene, die Unfähigkeit der Regierung zu kaschieren, eine nachhaltige Sanierung der Krankenkassen zu erreichen. Die AUVA werde im kommenden Jahr dadurch erstmals ein Defizit aufweisen, sagte Lackner. Während die privaten Krankenanstalten mehr Mittel erhielten, würden bei den öffentlichen Kassen freiwillige Leistungen gestrichen, kritisierte der Mandatar.

V-Abgeordnete STEIBL strich hingegen die Leistungen der Regierung hervor. Bei der Sanierung der "Lücke" im Zusammenhang mit Kinder- bzw. Wochengeld forderte sie umfassende Information.

Eine amtswegige Sanierung und nicht eine Leistung auf Antrag forderte hingegen Abgeordnete MANDAK (G). Es handle sich nicht um eine Kleinigkeit, wenn Frauen 100 oder 150 € bekämen statt 700, und eine amtswegige Reparatur wäre mittels EDV-Einsatz möglich. Mandak brachte einen entsprechenden Entschließungsantrag ein. Verärgert zeigte sich die Abgeordnete über den erwähnten Transfer von 100 Mill. €, während auf der anderen Seite öffentliche Mittel den Privatanstalten zugeführt würden. Da gebe es mehr Geld, aber auf der anderen Seite gebe es kein Geld für die Behandlung von zystischer Fibrose, beklagte Mandak. "Wo setzen Sie Ihre Schwerpunkte", wandte sie sich an die Gesundheitsministerin.

Die so Angesprochene stellte klar, dass nicht die Bundesministerin für die Bewilligung bzw. Erstattung von Medikamenten zuständig sei, sondern die von der Selbstverwaltung eingesetzte Heilmittelevaluierungskommission. "Sollte eine Krankenversicherung irgend ein Medikament, das ein krankes Kind in Österreich zum Überleben braucht, nicht bewilligen, dann bin ich die Erste, die auf die Barrikaden geht und bei dieser Krankenversicherung dafür sorgt, dass das bewilligt wird", sagte die Ministerin.

Abgeordneter Mag. HAUPT (F) brach eine Lanze für die privaten Krankenanstalten, die 10 bis 20 % der Versorgung abdecken. Die Mittel, die ihnen jetzt im Zuge der Anpassung zuflössen, seien ein verschwindend geringer Betrag. An die Gesundheitsministerin appellierte Haupt, beim Hauptverband dafür zu sorgen, dass bewährte und billige Medikamente nicht durch neue, sündteure aus dem Markt gedrängt würden. Die Umschichtung von 100 Mill. € von der Unfall- zur Krankenversicherung stellte Haupt als "Umschichtung von den Arbeitgebern zu den Arbeitnehmern" dar; es wundere ihn daher, dass die SPÖ dem nicht zustimme.

Abgeordnete CSÖRGITS (S) begrüßte die Änderungen bei der Bemessungsgrundlage für das Wochengeld bei Bezug von Kindergeld und meinte, das Aufzeigen der Arbeiterkammern habe hier Wirkung gezeigt. Nach wie vor problematisch erschien der Rednerin aber die Regelung des Kinderbetreuungsgelds, wobei sie daran erinnerte, dass nur jeder zweiten Frau der Wiedereinstieg in den Arbeitsprozess gelingt. Sie forderte gesetzliche Änderungen und schlug insbesondere eine Möglichkeit für die Eltern vor, das Kindergeld zeitlich zu reduzieren, dafür aber einen höheren Betrag zu beziehen.

Abgeordneter Dr. MITTERLEHNER (V) gab zu bedenken, die Finanzierungsprobleme der Gebietskrankenkassen würden durch den heutigen Transfer von 100 Mill. € auch nicht gelöst werden, eine Sanierung der Kassen auf dauerhafter Basis sei unumgänglich. Er warnte aber davor, Lösungsansätze ausschließlich im Bereich der Medikamente zu suchen.

Abgeordneter Dr. PIRKLHUBER (G) rief die bäuerliche Sozialversicherung zu mehr Gesamtsolidarität auf und bemerkte, durch das Beitragsrecht würden nach wie vor die Großen bevorzugt und die Kleinen benachteiligt. Ungeachtet der in diesem Paket durchaus richtigen Signale wie zum Beispiel der Regelungen hinsichtlich des Schwerversehrtengeldes werde man an einer grundlegenden Reform nicht vorbeikommen, glaubte Pirklhuber.

Abgeordneter DONABAUER (V) bezeichnete den Transfer in den Ausgleichsfonds als korrekt, war sich aber ebenfalls darüber bewusst, dass es sich hier um keine Dauerlösung handle. Mit Nachdruck begrüßte er überdies die Verbesserungen bei der bäuerlichen Sozialversicherung und betonte, das Geld für die Maßnahmen komme ausschließlich aus dem eigenen Bereich und nicht aus dem Steuertopf.

Abgeordneter Dr. LEUTNER (S) beklagte die Finanzierungslücke der Krankenkassen und meinte, auch der heutige Transfer werde daran nichts ändern. Er forderte Rauch-Kallat auf, ihre Verantwortung wahrzunehmen und Finanzierungskonzepte zu präsentieren.

Abgeordneter Dr. FASSLABEND (V) erwiderte, die Finanzierungsprobleme seien nur durch Effizienzsteigerung, nicht aber durch zusätzliche Finanzzuschüsse zu lösen. Ohne strukturelle Veränderungen werde man sich "krumm und dumm zahlen", ohne Veränderungen für die Bevölkerung zu erhalten. Der SPÖ warf der Redner vor, auf die Herausforderungen an das Sozialsystem bloß mit sozialem Stillstand zu reagieren.

Abgeordnete HEINISCH-HOSEK (S) äußerte sich positiv zur Erweiterung der Bemessungsgrundlage für das Wochengeld, bedauerte aber, dass zahlreiche Initiativen der Opposition, wie zum Beispiel der SP-Antrag auf Wiedereinstiegsmaßnahmen und Qualifizierungsoffensive für arbeitslose Frauen immer wieder von den Regierungsparteien vertagt werden.

Abgeordnete MIKESCH (V) erwartete sich von der Ausweitung des Unfallversicherungsschutzes für Schüler bei der Berufsorientierung in den Ferien positive Impulse für die Schnupperlehre außerhalb der Schulzeit.

Abgeordneter RIEPL (S) wandte sich gegen das Serviceentgelt von 10 € jährlich für die E-Card und argumentierte, der Verwaltungsaufwand für die Einhebung sei unverhältnismäßig hoch, unter dem Strich würde kaum etwas für die Kassen übrig bleiben. Besser und billiger wäre die kostenlose Abgabe der Karte, war er überzeugt.

Bundesministerin RAUCH-KALLAT teilte mit, das Serviceentgelt bringe 37 Mill. € für die Krankenversicherungen.

Abgeordnete HÖLLERER (V) bezeichnete die E-Card als Erfolgskonzept mit hoher Akzeptanz in der Bevölkerung. An die Adresse Riepls gerichtet stellte sie fest, der SP-Redner rechne offenbar so, "wie man früher beim Konsum gerechnet hat".

Abgeordnete KÖNIGSBERGER-LUDWIG (S) konstatierte, das vorliegende Gesetz schreibe die Schieflage in der Finanzierung des Gesundheitswesens fort. Sie kritisierte insbesondere, die privaten Krankenanstalten würden zu Lasten der öffentlichen Spitäler überdotiert.

Abgeordneter KEUSCHNIGG (V) begrüßte die Maßnahmen der Bundesregierung im Gesundheitsbereich als im Sinne der Leistungsverbesserung, der Solidargemeinschaft und einer Spitzenversorgung der Bevölkerung gelegen. Handlungsbedarf sah er allerdings bei der Wiener Gebietskrankenkassa, der er vorwarf, sich überhaupt nicht zu bewegen.

Abgeordneter KECK (S) stieß sich an einer Bestimmung im Bereich der bäuerlichen Sozialversicherung, die Bauern einen Strafrabatt gewährt, während diese Möglichkeit, wie er betonte, im ASVG nicht bestehe.

Abgeordneter WÖGINGER (V) hob die Erweiterung der Bemessungsgrundlage für das Wochengeld um das bezogene Kinderbetreuungsgeld als positiv hervor und meinte, die konsequente Interessenvertretung durch den ÖAAB erlaube es nun, diese Gesetzeslücke zu schließen. Erfreut zeigte sich Wöginger auch über die sozialrechtliche Absicherung der Schnuppertage in den Ferien.

Abgeordnete Mag. LAPP (S) kritisierte, dass die Krankenkassen noch immer hohe Defizite zu verzeichnen hätten und die Bundesregierung zu wenig Geld für Arme und Arbeitslose ausgebe. Sie hielt es auch für ungerechtfertigt, Privatversicherungen gegenüber den gesetzlichen Versicherungen besser zu unterstützen, obwohl private Träger weniger Risiko haben.

Abgeordneter Ing. WINKLER (V) zeigte sich zufrieden über den erfolgreichen Probebetrieb der E-Card und die weitgehende Akzeptanz durch die Bevölkerung. Mit der Einführung der E-Card werde es zu administrativen Vereinfachungen im Gesundheitswesen kommen, sagte er. Winkler verteidigte auch die Gebühr für die E-Card, die jedoch geringer ist als jene für die Krankenscheine. Im Interesse der Finanzierung der Krankenkassen könne man auf Gebührenpflicht nicht verzichten.

Abgeordneter SCHOPF (S) warf der Regierung zunächst eine unzureichende Beschäftigungspolitik vor. Die E-Card werde von den SozialdemokratInnen begrüßt, so Schopf, da sie wesentliche Erleichterungen für Wirtschaft und ArbeitnehmerInnen bringe. Kein Verständnis brachte er jedoch für die Einhebung von Gebühren trotz gegenteiligen Versprechens auf. Außerdem werde im vorliegenden Sozialrechts-Änderungsgesetz auf ArbeitnehmerInnen mit atypischen und freien Dienstverhältnissen vergessen, kritisierte Schopf. 

Abgeordnete Mag. SCHEUCHER-PICHLER (V) unterstrich die Verbesserungen aufgrund des vorliegenden Gesetzes und wies insbesondere auf die Schnupperlehre für Jugendliche und die Erweiterung der Bemessungsgrundlage beim Wochengeld und Kinderbetreuungsgeld hin. Aus der Sicht der Wirtschaft sei die Einführung der E-Card besonders positiv, merkte sie an. Alles in allem stelle das Sozialrechts-Änderungsgesetz einen notwendigen und durchdachten Schritt dar.

Abgeordneter DOPPLER (V) begrüßte aus seiner Sicht ebenfalls die Maßnahmen im Bereich der Jugendbeschäftigung und hielt fest, dass Österreich die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in Europa aufweise. Durch die vorliegende Novelle werde die soziale Treffsicherheit erhöht, so Doppler abschließend.

Bei der Abstimmung wurde das Sozialrechts-Änderungsgesetz 2005 mit den Stimmen der ÖVP und des Freiheitlichen Parlamentsklubs in Dritter Lesung mehrheitlich angenommen. Die Vorlage war zuvor in Zweiter Lesung teilweise einstimmig, teilweise mehrheitlich verabschiedet worden.

Der Entschließungsantrag der Grünen hinsichtlich einer Informationspflicht wurde von den Abgeordneten der Regierungsparteien mehrheitlich abgelehnt. (Forts./B-VG)