Parlamentskorrespondenz Nr. 676 vom 19.09.2005

Die Tätigkeit des Bundesvergabeamtes im Jahr 2004

Bartenstein beurteilt Ausdehnung des Vergaberechtsschutzes positiv

Wien (PK) - Der Dritte Tätigkeitsbericht des

Bundesvergabeamtes und der Bundes-Vergabekontrollkommission über das Jahr 2004 (III-166 d.B.), der dem Nationalrat seit kurzem vorliegt, gibt in einer detaillierten Verfahrensstatistik Auskunft über die quantitative Entwicklung der Nachprüfungsanträge und die Art ihrer Erledigung durch das Bundesvergabeamt sowie über Entscheidungen der Höchstgerichte auf nationaler und europäischer Ebene. Breiten Raum nimmt die Darstellung neuer EU-Richtlinien, innerstaatlicher Neuerungen und legistischer Projekte im Bereich Vergaberecht ein.    

Die Auswirkungen der Ausdehnung des Rechtsschutzes auf den Bereich unterhalb der Schwellenwerte ist Gegenstand eines Berichts des Wirtschaftsministers. Bartenstein registriert nur eine leichte Zunahme der Nachprüfungsverfahren und beurteilt die Ausdehnung des Vergaberechtsschutzes positiv. Sie habe präventive Wirkungen und vergrößere die Sorgfalt bei der Planung und Durchführung öffentlicher Aufträge. Verfahrensverzögerungen oder mutwillige Inanspruchnahmen des Rechtsschutzes habe er nicht beobachtet.

Der Verfahrensstatistik ist zu entnehmen, dass 2004 beim Bundesvergabeamt 134 Nachprüfungsanträge eingebracht wurden, 83 im Oberschwellen- und 51 im Unterschwellenbereich. 26 Anträge wurden zurück-, 18 Anträge abgewiesen, 24 Anträgen wurde stattgegeben. 43 Anträge wurden zurückgezogen, in 7 Fällen wurde das Verfahren abgetreten, in 16 Fällen ist die Entscheidung noch offen.

2004 wurden beim Bundesvergabeamt 118 Anträge auf einstweilige Verfügungen gestellt, 71 davon im Oberschwellen- und 47 Anträge im Unterschwellenbereich. 80 Anträgen wurde stattgegeben, 3 Anträge wurden ab- und 14 Anträge zurückgewiesen. 5 Anträge wurden abgetreten und 16 Anträge zurückgezogen.

2004 wurden beim Bundesvergabeamt 14 Feststellungsanträge eingebracht, 8 im Oberschwellen-, 6 im Unterschwellenbereich. In 3 Fällen wurde dem Antrag stattgegeben, 1 Antrag wurde ab-, 2 wurden zurückgewiesen; 5 Anträge wurden zurückgezogen, 1 Antrag wurde abgetreten. 2 Verfahren sind noch offen.

Insgesamt wurden im Berichtsjahr 58 mündliche Verhandlungen abgehalten - 29 in Nachprüfungsverfahren, drei in Feststellungsverfahren.

HÖCHSTGERICHTLICHE ENTSCHEIDUNGEN

Im Berichtszeitraum wurde der Verfassungsgerichtshof zu 7 Bescheiden angerufen. 1 Beschwerde hat der VfgH an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten, 1 Beschwerde zurückgezogen, 5 Beschwerden sind noch anhängig.

Von den bis 2003 beim VfgH anhängig gemachten Beschwerden hat das Höchstgericht in 24 Fällen entschieden. 1 Bescheid des BVA "neu" wurde aufgehoben, in 2 Fällen das Verfahren eingestellt, in 6 Beschwerdefällen die Behandlung abgelehnt, wovon 3 an den VwGH abgetreten wurden. 5 Bescheide des BVA "alt" wurden teilweise aufgehoben, 8 Beschwerden abgewiesen und in 3 Fällen das Verfahren eingestellt.

An den Verwaltungsgerichtshof wurden 2004 20 Beschwerden gerichtet. 13 Beschwerden richteten sich gegen Bescheide des Bundesvergabeamtes aus dem Jahre 2004, 7 gegen gegen Bescheide aus dem Jahre 2003.

Im Berichtszeitraum hat der VwGH - soweit es sich um Beschwerden gegen Bescheide aus dem Jahr 2004 handelte - in drei Verfahren die Beschwerde abgewiesen, in einem Verfahren den Bescheid teilweise aufgehoben, in je einem Verfahren hat er die Behandlung abgelehnt, der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde nicht stattgegeben und auch keine einstweilige Anordnung getroffen.

Der Verfassungsgerichtshof hat 2004 zwei Bescheide aus dem Jahr 2003 teilweise aufgehoben, drei Beschwerden wurden zurückgewiesen, ein Verfahren wurde eingestellt, in einem Fall der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde nicht stattgegeben. Ein weiteres Verfahren über eine Beschwerde gegen einen Bescheid aus 2002 wurde vom Verwaltungsgerichtshof eingestellt.

2004 hat das Bundesvergabeamt den EuGH im Fall der Nachprüfung des Widerrufs einer Ausschreibung um eine Vorabentscheidung ersucht. Die Frage lautet, ob die EU-Länder verpflichtet waren, die Möglichkeit der Nichtigerklärung auch für den Widerruf vorzusehen, als sie die Richtlinie zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge umsetzten.

2004 wurden zwei Senate des Bundesvergabeamtes in je einem Verfahren um 4 Mitglieder verstärkt, weil es um Entscheidungen über grundsätzliche Rechtsfragen ging.

Von der Möglichkeit, eine Mutwillensstrafe gegen Personen verhängen, die die Behörde missbräuchlich in Anspruch nehmen oder Verfahren durch unrichtige Angaben verschleppen, hat die Behörde in einem Fall Gebrauch gemacht und eine 5000 €-Strafe verhängt - die Entscheidung blieb unbekämpft.

THEMA PAUSCHALGEBÜHR

Im Berichtszeitraum wurden von den Antragstellern Pauschalgebühren von 575.059 € und von den Teilnahmeantragstellern 46.200 €, insgesamt somit 621.259 € entrichtet. Die Höhe der Pauschalgebühr richtet sich nach dem vom Auftraggeber durchgeführten Verfahren.

Zum Thema Pauschalgebühr hat der VwGH erkannt, dass die Gebührenschuld bereits durch Einbringen eines Feststellungsantrages an das Bundesvergabeamt entsteht. Dies gilt auch für in der Folge vom Bundesvergabeamt zurückgewiesene Feststellungsanträge.

NEUE EU-VERGABE-RICHTLINIEN

Im März 2004 beschloss die EU zwei neue Vergabe-Richtlinien: Alle Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge sind künftig in einer "Klassischen Vergabe-Richtlinie" zusammengefasst - ein wesentlicher Beitrag zur Rechtsvereinheitlichung, wie das Bundesvergabeamt anmerkt. Außerdem wurde eine neue Sektoren-Richtlinie geschaffen. Die nationale Umsetzung ist bis Ende Jänner 2006 vorgesehen.

Im Februar 2005 hat die Bundesregierung die Schwellenwerte per Verordnung an die höheren gemeinschaftlichen Schwellenwerte angepasst und dabei das flexiblere Regime des Unterschwellenbereichs im gemeinschaftsrechtlich zulässigen Ausmaß genutzt.

Im April 2004 publizierte die Kommission ein Grünbuch zu öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP) und gemeinschaftliche Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen" und setzte damit ein Konsultationsverfahren zu den vergaberechtlichen Aspekten solcher Projekte in Gang. Das Grünbuch konzentriert sich auf Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen und ergänzt Maßnahmen zur Ausschaltung von Hemmfaktoren für ÖPP. Die Europäische Kommission nimmt keinen Einfluss auf die Entscheidung der Mitgliedstaaten, öffentliche Dienstleistungen selbst zu erbringen oder sie Dritten zu übertragen.

Im Berichtsjahr erschien ein weiteres EU-Grünbuch mit dem Titel "Beschaffung von Verteidigungsgütern". Die Europäische Kommission will einen transparenteren, offeneren Markt für Verteidigungsgüter entwickeln. Die Abschottung der nationalen Verteidigungsmärkte stehe laut Kommission der Öffnung nationaler Beschaffungsmärkte und damit der Entwicklung echten Wettbewerbs entgegen.

INNERSTAATLICHE NEUERUNGEN

Die Verordnung der Bundesregierung betreffend Erstellung und Übermittlung elektronischer Angebote in Vergabeverfahren (E-Procurement-Verordnung) wurde im April 2004 kundgemacht.

Da das Vergaberecht bei Auftraggebern und Bietern als unübersichtliche und schwierige Materie mit hohen Transaktionskosten gilt, plant die Bundesregierung eine Neufassung des Vergabegesetzes. Ein Evaluierungsverfahren zum Bundes-Vergabe-Gesetz 2002 wurde eingeleitet und zugleich die Arbeitsgruppe "Wirtschaftsfreundliches Vergaberecht" eingesetzt, die Vorschläge für ein neues KMU-freundliches Vergaberecht ausarbeitet.

POSITIVE AUSWIRKUNGEN DER ERWEITERUNG DES RECHTSSCHUTZES

Bundesminister Bartenstein registriert in einem Bericht über die Ausdehnung des Rechtsschutzes auf den Bereich unterhalb der Schwellenwerte nur eine leichte Zunahme der Nachprüfungsverfahren. Die Ausdehnung des Vergaberechtsschutzes wird vom Minister positiv beurteilt. Sie habe präventive Wirkungen entfaltet und vergrößere die Sorgfalt bei der Planung und Durchführung öffentlicher Aufträge. Verfahrensverzögerungen oder mutwillige Inanspruchnahmen des Rechtsschutzes wurden nicht beobachtet.

DAS BUNDESVERGABEAMT INFORMIERT

Die Zahl der monatlichen Zugriffe auf die Homepage des BVA (www.bva.gv.at) hat seit 2003 von durchschnittlich 1180 auf 2162 weiter zugenommen, wobei der Anteil internationaler Anfragen von 12,8 % auf 63,1 % stieg. Das Informationsangebot der Homepage wurde unter anderem um höchstgerichtliche Entscheidungen in vergaberechtlichen Angelegenheiten erweitert. (Schluss)