Parlamentskorrespondenz Nr. 682 vom 20.09.2005

Justizausschuss einstimmig für Modernisierung des Handelsrechts

Ausbau des Opferschutzes von allen vier Parteien begrüßt

Wien (PK) - Nach dem Beschluss über das neue Unternehmensstrafrecht befassten sich die Mitglieder des Justizausschusses zunächst mit dem Handelsrecht-Änderungsgesetz. Diese Regierungsvorlage zielt auf eine grundlegende Modernisierung des Handelsgesetzbuches ab und versteht sich als zentraler Beitrag zur Vereinfachung und Deregulierung des Unternehmensrechts. Weiters stand noch ein von den Koalitionsparteien eingebrachter Gesetzesentwurf auf der Tagesordnung, der Verbesserungen im Bereich des Opferschutzes bringt. So soll etwa das Institut der Prozessbegleitung noch vor dem Inkrafttreten der Strafprozessreform auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden. Beide Materien wurden einstimmig angenommen. Ausführlich diskutiert wurde noch über einen Antrag der Abgeordneten Stoisits auf Erlassung eines Bundesgesetzes, mit dem die Opfer der anti-homosexuellen Sonderstrafgesetze amnestiert, rehabilitiert und entschädigt wurden. Dieser Antrag fand jedoch keine Mehrheit.

Grundlegende Modernisierung des Handelsrechts einstimmig beschlossen

Während das bisherige Handelsgesetzbuch vom Begriff des Kaufmannes ausging, soll nunmehr der Unternehmer Angelpunkt und Grundtatbestand der Kodifikation werden, wobei das neue Unternehmensgesetzbuch auf die einzelnen beruflichen Besonderheiten Bedacht nimmt. Weitere wesentliche Aspekte der Reform sind die Liberalisierung des Firmenrechts, die Einräumung von Gestaltungsoptionen für Einzelunternehmer, die Anpassung des Personengesellschaftsrechts unter Bereinigung grundlegender Anwendungsfragen, die Anpassung des Rechnungslegungsrechts unter Festlegung klarer Schwellenwerte sowie die Überarbeitung und Vereinfachung der den unternehmerischen Geschäftsverkehr regelnden schuld- und sachenrechtlichen Sonderbestimmungen. Allgemeine bürgerlich-rechtliche Bestimmungen sollen dabei teilweise ins ABGB verlagert werden. (1058 d.B. ). ÖVP und FPÖ brachten noch einen Abänderungsantrag ein, in dem unter anderem im Falle von Unternehmensveräußerungen die Widerspruchsrechte von Dritten im Zusammenhang mit dem Übergang von Vertragsverhältnissen klar festgelegt werden. Um die Interessen von Dritten deutlicher in den Vordergrund zu stellen, soll der Widerspruch auch ohne - streitanfälligen - Nachweis eines wichtigen Grundes möglich sein, heißt es im Antrag.

Abgeordneter Johann Maier (S) begrüßte die Vorlage und zeigte sich erfreut über die Änderungen gegenüber dem ursprünglichen Entwurf. Positiv beurteilte er vor allem die im Abänderungsantrag enthaltene Regelung, wonach bei Vertragsrücktritten ein über die Konventionalstrafe hinausgehender Schadenersatz nur nach einem vorherigen Aushandeln möglich ist. Auch die Grünen unterstützen die Novelle, erklärte Abgeordnete Gabriela Moser. Allerdings hätte sie sich gewünscht, dass der Entwurf aus konsumentenschutzrechtlicher Sicht großzügiger gestaltet worden wäre.

Es sei sehr erfreulich, dass es nun nach vielen Jahren gemeinsam mit den Oppositionsparteien gelungen sei, das Handelsrecht auf moderne Beine zu stellen, zeigte sich Abgeordneter Markus Fauland (F) erfreut. Auch die Abgeordnete Karin Hakl (V) lobte den Entwurf und brachte zusätzlich noch eine Ausschussfeststellung betreffend die Qualifikation von Vereinen als Unternehmen sowie einen mit der Materie im inhaltlichen Zusammenhang stehenden Antrag auf Änderung des Bankwesengesetzes, des Vereinsgesetzes und des Börsengesetzes ein.

Justizministerin Karin Gastinger informierte die Abgeordnete Moser darüber, dass die zunehmende Verschuldung von Konsumenten sehr ernst genommen werde. Anfang Oktober werde auch eine Konferenz zu diesem Thema abgehalten. Wann allerdings mit einer gesetzlichen Regelung zu rechnen ist, wage sie derzeit noch nicht zu sagen.

Bei der Abstimmung wurden sowohl die Regierungsvorlage in der Fassung des Abänderungsantrages, die Ausschussfeststellung sowie der Paragraph-27-Antrag einstimmig angenommen.

Ausbau des Opferschutzes von allen vier Parteien ausdrücklich begrüßt

Die Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes, mit dem die Strafprozessordnung, das Staatsanwaltschaftsgesetz und das Tilgungsgesetz geändert werden, folgt einer entsprechenden Entschließung des Nationalrates und setzt die dringendsten Verbesserungen im Bereich des Ausbaus des Opferschutzes nun noch vor Inkrafttreten der Strafprozessreform um.

So soll das bereits derzeit vom Bundesministerium für Justiz geförderte Institut der Prozessbegleitung bereits vor dem 1. Jänner 2008 eine gesetzliche Grundlage erhalten und darauf gestützt eine flächendeckende Versorgung mit Einrichtungen der Prozessbegleitung gewährleistet werden. Darüber hinaus sollen weitere durch das Strafprozessreformgesetz geschaffene Verbesserungen der Opferrechte in die noch bis Ende 2007 geltende StPO eingebaut werden, ohne dabei allzu große Eingriffe in deren Systematik und die zu Grunde liegende Balance der Rechte der Verfahrensbeteiligten vorzunehmen. Die wesentlichen Verbesserungen werden daher in die Strafprozessordnung integriert, der geltende Gesetzestext soll aber so weit wie möglich beibehalten werden. Insbesondere sollen Informations- und Verständigungspflichten der Strafverfolgungsbehörden gegenüber Personen ausgeweitet werden, die durch eine strafbare Handlung in ihren Rechten verletzt wurden. Gerichte und Staatsanwaltschaften werden verpflichtet, diese Personen stets mit Achtung und Würde zu behandeln.

Abgeordnete Bettina Stadlbauer hielt den Ausbau des Opferschutzes für äußerst wichtig. Ihrer Ansicht nach sollte man die Vorlage jedoch noch um vier Punkte ergänzen. Sie bezog sich in ihrer Rede auf einen S-G-Abänderungsantrag, in dem unter anderem die Gewährung von Verfahrenshilfe für Privatbeteiligte gefordert wird. Weiters sollte es möglich sein, dass die Gerichte im Falle von Gutachten wegen Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung auch immer die Feststellung der Schmerzperioden beauftragen können. Außerdem trat sie für eine Ausweitung der so genannten schonenden Einvernahme ein. Diese Maßnahme sollte zumindest auf all jene Opfer ausgedehnt werden, die durch eine Vorsatztat Gewalt oder gefährlicher Drohung ausgesetzt worden sind. Es sei nicht einzusehen, dass etwa eine Pensionistin, der die Handtasche geraubt wurde und die dadurch in große Angst versetzt wurde, in unmittelbarer Gegenwart des Räubers aussagen muss. Diese Gesetzesänderung sei auch ein wichtiges Anliegen der Interventionsstellen und Frauenhäuser, argumentierte Stadlbauer. In dem Abänderungsantrag wird weiters darauf hingewiesen, dass es gerade bei Delikten im Rahmen der häuslichen Gewalt sehr oft zu Festnahmen nach Paragraph 177 Abs. 1 StPO und zu einer Enthaftung innerhalb von 48 Stunden ohne Einschaltung des Gerichts kommt. In diesen Fällen sollen die Sicherheitsbehörden verpflichtet werden, die Opfer über die Freilassung der Beschuldigten zu informieren.

Abgeordneter Heribert Donnerbauer (V) erklärte ebenso wie die Abgeordnete Helene Partik-Pablé (F), dass er die Forderungen hinsichtlich der Feststellung der Schmerzperioden sowie die Information der Opfer über die Enthaftung der Beschuldigten unterstützen könne. Die Ausdehnung der Verfahrenshilfe auf Privatbeteiligte sei natürlich eine Kostenfrage, gab er zu bedenken. Was die schonende Einvernahme angeht, so soll diese seiner Meinung nach nur in Ausnahmefällen angewandt werden.

Abgeordnete Elisabeth Grossmann (S) berichtete vom tragischen Schicksal einer behinderten Frau, die mehrfach vergewaltigt wurde und nun betteln gehen musste, damit sie sich die psychosoziale Betreuung und die Anwaltskosten für den Prozess leisten kann. Die Ablehnung der Forderung nach Ausdehnung der Verfahrenshilfe auf Privatbeteiligte könne sie daher nur als maßlose Überheblichkeit werten.

Abgeordnete Terezija Stoisits (G) hob die erfolgreiche Zusammenarbeit aller vier Parlamentsfraktionen im Bereich des Opferschutzes hervor. Sie brachte sodann noch einen Antrag auf Erlassung eines "Amnestie-, Rehabilitierungs- und Entschädigungsgesetzes/AREG" ein. Darin wird eingangs festgestellt, dass der Nationalrat jede Form der Diskriminierung, Anfeindung und Gewalt gegen homo- und bisexuelle Frauen und Männer verurteile. Der Nationalrat bedauert zudem, dass auch in der Zweiten Republik Paragraph 129 I lit. b des Strafgesetzes 1852 unverändert in Kraft blieb und 1971 durch weitere Sonderstrafgesetze ersetzt wurde. Die Grünen fordern in dem Antrag, dass alle Verurteilungen nach den Sonderstrafgesetzen getilgt werden und Ersatzansprüche für die durch die Verurteilung erlittenen persönlichen Beeinträchtigungen geleistet werden. Stoisits erinnerte daran, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Österreich wegen der jahrelangen strafrechtlichen Verfolgung homo- und bisexueller Männer auf Grund des Paragraphen 209 StGB wiederholt verurteilt hat.

Justizministerin Karin Gastinger ging auf den Antrag der Abgeordneten Stadlbauer ein und informierte darüber, dass bezüglich der besseren Information der Opfer über die Enthaftung von Beschuldigten bereits mit dem Innenministerium Kontakt aufgenommen wurde. Es sollte in der Praxis daher zu keinen Problemen mehr kommen. Was die Ausdehnung der Verfahrenshilfe für Privatbeteiligte angeht, so handle es sich dabei um eine inhaltlich völlig neue Diskussion, gab die Ressortchefin zu bedenken. Hinsichtlich der schonenden Einvernahme von Opfern wies Gastinger darauf hin, dass der Richter im Einzelfall darüber entscheiden kann. Der Abgeordneten Stoisits gegenüber stellte die Ministerin mit Nachdruck fest, dass sie jede Form der Diskriminierung von gleichgeschlechtlichen Beziehungen ablehne. Allerdings sollte man ihrer Meinung nach mit Generaltilgungen vorsichtig sein, da man sich jeden Fall genau anschauen müsse. Außerdem habe es seit 2004 keinen einzigen Antrag auf gnadenweise Tilgung entsprechender Verurteilungen aus dem Strafregister gegeben, informierte Gastinger.

Die Vorlage wurde sodann in der Fassung eines V-F-Abänderungsantrages (Anhebung des zulässigen Anteils von Sprengelstaatsanwälten von 5 % auf 6 %) einstimmig angenommen. Der S-G-Antrag wurde im Rahmen einer getrennten Abstimmung teils einstimmig angenommen(Feststellung der Schmerzperioden und Information der Opfer über die Enthaftung der Beschuldigten), teils abgelehnt (Gewährung von Verfahrenshilfe auch für Privatbeteiligte sowie Ausdehnung der schonenden Einvernahme). Abgelehnt wurde der Antrag der Grünen betreffend Erlassung eines "Amnestie-, Rehabilitierungs- und Entschädigungsgesetzes/AREG". Als miterledigt galt auch ein Antrag der Grünen betreffend die Änderung der Strafprozessordnung, der erst im Laufe der Sitzung auf die Tagesordnung kam. Die G-Mandatare sahen es als problematisch an, dass es einzig und allein im Ermessen der etwa 140 Bezirksgerichte liegt, ob eine Anzeige nach dem Suchtmittelgesetz zurückgelegt wird, wenn der Erwerb eines Suchtmittels nicht ausschließlich zum eigenen Gebrauch erfolgte bzw. mehr als eine geringe Menge erworben wurde.

Zustimmung aller Parteien zur Erhöhung des Anteils der Sprengelrichter

Der verfassungsmäßig zulässige Anteil der Sprengelrichter soll in Zukunft einem Antrag der Regierungsparteien zufolge von zwei auf drei Prozent erhöht werden. Die V- und F-Abgeordneten begründen ihre Initiative mit der Notwendigkeit, die Funktionsfähigkeit des Gerichtsbetriebs angesichts des steigenden Arbeitsanfalls sicherzustellen. Bei der Abstimmung wurde der Antrag von allen vier Parlamentsparteien angenommen.

SPÖ-Antrag bezüglich Rehabilitierung von Justizopfern des Austrofaschismus abgelehnt

Der im Juni vertagte S-Antrag betreffend Rehabilitierung von Justizopfern des Austrofaschismus wurde in der heutigen Sitzung neuerlich behandelt. "In einer Zeit, in der zurecht verstärkt die Aufarbeitung der Vergangenheit als eine Voraussetzung für die Gestaltung der Zukunft angesehen wird, scheint es den unterzeichneten SPÖ-Abgeordneten in hohem Maße angebracht, zu einer politischen und juristischen Aufarbeitung des Dollfuss-Schuschnigg-Regimes beizutragen und sich für die Rehabilitierung der Opfer auch dieses Regimes einzusetzen", erklären die Sozialdemokraten und fordern die Justizministerin in einem Entschließungsantrag auf, dem Nationalrat einen Gesetzesvorschlag zuzuleiten, der entsprechende Schritte vorsieht.

Abgeordneter Johannes Jarolim (S) begrüßte unter Bezugnahme auf ein im Parlament hängendes Dollfuss-Bild, dass statt einer neuerlichen Vertagung die Koalitionsfraktionen heute "Flagge zeigen" wollten.

Abgeordneter Heribert Donnerbauer (V) begründete die Ablehnung des Antrags durch seine Fraktion damit, dass das Ziel des Antrags bereits durch ein Gesetz des Jahres 1945 erreicht worden sei; daher bestehe kein Anlass für ein neues Gesetz.

Der Antrag wurde nur von den Oppositionsparteien unterstützt und gilt somit als abgelehnt. (Fortsetzung)