Parlamentskorrespondenz Nr. 727 vom 29.09.2005

Regierungsparteien überzeugt: Richtlinie stärkt Wettbewerbsfähigkeit

Chancen und Risken der Dienstleistungsrichtlinie werden aufgezeigt

Wien (PK) - Abgeordneter BUCHER (F) teilte in der Debatte des Nationalrats die Bedenken von ÖGB-Präsident Verzetnitsch und unterzog vor allem die überbordende Bürokratie einer harten Kritik. Österreich erweise sich bei der Umsetzung von Richtlinien oft als Musterschüler und die daraus entstehende Verwaltung und Bürokratie haben schon viele Betriebe an den Rand des Ruins gebracht, sagte Bucher. Andere Länder gingen hier nicht so genau vor. Auch den USA sei man bei Basel II "auf dem Leim gegangen", die USA wären aber schon längst wieder wegen des zu großen Verwaltungsaufwands davon abgegangen. Diese Überregulierung verstünden BürgerInnen und Wirtschaft nicht, so Bucher. Man dürfe es den Menschen nicht zu schwer machen, an das Ziel der EU zu glauben, vielmehr trüge die Politik die Verantwortung dafür, die Gefahren ernst zu nehmen und auf die Veränderungen der globalen Wirtschaft zu reagieren. Bucher sprach sich abschließend dafür aus, Strafzölle auf jene Produkte einzuheben, die unter Missachtung sozialer und umweltrechtlicher Standards entstünden.

Abgeordneter ÖLLINGER (G) kritisierte Abgeordneten Haupt, da dieser viel Richtiges gesagt habe, gleichzeitig aber als Mitunterzeichner des koalitionären Antrags fungiere. Öllinger stellte sich vehement gegen die geplante Dienstleistungsrichtlinie und wies darauf hin, dass alle Gemeinden in Österreich sowie die Landtage gegen diese seien. Nur die ÖVP und mit ihr Bundesminister Bartenstein wollen in Europa dafür stimmen. Wenn die Politik so verfahre, dann nützten auch die Europatage nichts. Der Grün-Abgeordnete brachte dann einige konkrete Beispiele, etwa ErdbeerpflückerInnen in Niederösterreich, um auf die negativen Auswirkungen der Richtlinie hinzuweisen. Wenn ArbeitnehmerInnen von österreichischen Firmen an ausländische Firmen vermittelt würden, verliere man vollkommen die Kontrolle über die Löhne. Die Dienstleistungsrichtlinie bringe das europäische Sozial- und Wirtschaftsmodell zur Explosion, warnte Öllinger, und dann sei Europa als lebbare Demokratie am Ende.

Dem widersprach Wirtschaftsminister Dr. BARTENSTEIN heftig und hielt fest, dass polnische ErntehelferInnen nach österreichischem Kollektivvertragssystem entlohnt würden. Sozialdumping sei aufgrund der Richtlinie ausgeschlossen, da in Österreich bereits die Entsenderichtlinie umgesetzt sei.

Abgeordnete HAGENHOFER (S) verlangte, gleiche Voraussetzungen für alle zu schaffen, denn nur dann werde man die Wettbewerbsfähigkeit und die Beschäftigung innerhalb Europas erhöhen können. Die Menschen müssten auch so viel verdienen, dass sie im Stande seien, die Produkte zu kaufen. Auch sie trat für das Ziellandprinzip ein und forderte, das Herkunftslandprinzip zu streichen. Bleibe die Richtlinie so, wie sie vorliege, so könnte das bedeuten, dass 25 Rechtsvorschriften nebeneinander gelten, was niemand mehr kontrollieren könne.

Abgeordnete HÖLLERER (V) wollte vor allem die Chancen der Dienstleistungsrichtlinie aufzeigen. Für die Dienstleistungen gebe es noch keinen richtigen Binnenmarkt, weshalb die Liberalisierung auch für Österreich als Dienstleistungs-Exportland notwendig sei. Man dürfe nicht nur Schreckensszenarien zeichnen, sagte sie. Selbstverständlich müssten entsprechende Rahmenbedingungen in Hinblick auf soziale und umweltrechtliche Standards und den Verbraucherschutz definiert werden. Die Dienstleistungsrichtlinie werde ein Mehr an Arbeitsplätzen und eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit mit sich bringen, zeigte sie sich überzeugt.

Abgeordneter DI HOFMANN (F) beklagte die mangelnde Seriosität einzelner Wortmeldungen, in denen man sich hinkender Vergleiche bedient habe, anstatt sich konstruktiv der Problemlösung zuzuwenden. Der Dienstleistungssektor sei ein wichtiger Bereich, daher müsse man ihm verstärkt Augenmerk widmen. Er rechne nicht damit, dass durch die in Rede stehende Richtlinie Lohndumping oder eine Unterminierung sozialer Standards erfolge, vielmehr gelte es Problembereiche anzusprechen und nach entsprechenden Lösungen zu suchen. Von diesem Ansatz lasse man sich seitens der Regierungsfraktionen hier auch leiten, betonte Hofmann.

Abgeordnete REST-HINTERSEER (G) wies auf die bestehenden Unsicherheiten zwischen dieser und anderen Richtlinien hin und äußerte die Befürchtung, dass dieser Umstand vor allem kleineren und mittleren Betrieben sowie insgesamt den Arbeitnehmern zum Nachteil gereichen werde. Insbesondere drohe Sozialdumping, entsprechende Gegenstrategien seien daher dringend geboten, vor allem im Sinne von mehr Nachhaltigkeit, betonte die Rednerin.

Abgeordneter Mag. HOSCHER (S) meinte, es herrsche in Bezug auf die Richtlinie ein beträchtliches Maß an Unsicherheit. So stehe zu erwarten, dass durch die Richtlinie bei weitem nicht so viele Arbeitsplätze geschaffen werden würden, wie diese ihre Befürworter annähmen. Auch gebe es keine Folgenabschätzung für den Arbeitsmarkt, es gebe zu viele Unklarheiten, auch hinsichtlich der Kompatibilität mit den bisherigen Regelungen, sodass er, Hoscher, nicht erkennen könne, dass man sich hier auf dem richtigen Weg befinde. Schließlich brachte er einen S-Entschließungsantrag ein, wonach der Glückspielbereich aus der Richtlinie ausgenommen bleiben sollte.

Abgeordneter AMON (V) sagte, es sollte für die Österreicher möglich sein, Dienstleistungen aus anderen Ländern in Anspruch zu nehmen und gleichzeitig eigene Dienstleistungen in andere Länder exportieren zu können. Dies sei für eine offene Volkswirtschaft dringend erforderlich. Gleichzeitig lehne man jedoch jede Form von Lohndumping kategorisch ab. Demgemäß würden die Unternehmen auch von Amts wegen entsprechend kontrolliert und geprüft, betonte Amon. Es solle also dem Grundsatz der Offenheit der heimischen Volkswirtschaft Rechnung getragen werden, ohne die Rechte der Arbeitnehmer zu schmälern, fasste der Redner seine Ansicht zusammen.

Abgeordneter NEUDECK (F) bezeichnete die Richtlinie als Chance und Gefahr. Man müsse also die Chancen nutzen und sich gegen allfällige Gefahren wappnen.

Die Anträge der Opposition blieben in der Abstimmung in der Minderheit, jener der Regierungsfraktionen fand hingegen die Mehrheit. (Forts./Terrorismus)