Parlamentskorrespondenz Nr. 728 vom 29.09.2005

Europa muss sich dem Kampf gegen Terrorismus stellen!

Ministerin Gastinger für innereuropäischen Informationsaustausch

Wien (PK) - Die F hatte sich für den heutigen Europatag das Thema "Kampf gegen Terrorismus: eine gemeinsame Aufgabe für Europa" gewählt.

Abgeordneter SCHEIBNER (F) erklärte, die Frage der Sicherheitspolitik sei eine der zentralen Aufgaben für das gemeinsame Europa. Vor der Bedrohung durch den Terror sei von Experten schon seit langem gewarnt worden, nunmehr sei diese Herausforderung auch der Bevölkerung bewusst geworden. Die Bundesregierung habe jedoch vorausschauend agiert und schon frühzeitig entsprechende Strategien für eine umfassende Sicherheits- und Verteidigungspolitik entwickelt. Österreich müsse sich dieser Aufgabe mit ganzer Kraft stellen, denn die Bedrohung mache vor Österreich nicht Halt, weshalb man das Land, aber auch seinen Luftraum entsprechend schützen müsse. Auf europäischer Ebene sei man von einer einheitlichen Linie noch weit entfernt, es brauche also verstärkte Bemühungen auf diesem Gebiet, resümierte der Redner.

Bundesministerin Mag. GASTINGER sagte, die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger demokratischer Staaten sei praktisch überall seit 2001 enormen Bedrohungen ausgesetzt, woraus man entsprechende Lehren ziehen müsse. Es sei notwendig, dem Terror den Boden zu entziehen, ohne dabei auf die europäischen Werte zu verzichten. Eine ständige Beobachtung solcher Aktivitäten sei unabdingbar erforderlich, diesbezügliche Schritte habe die Bundesregierung fristgerecht gesetzt. Es brauche aber auch einen innereuropäischen Informationsaustausch, um sich gemeinsam gegen terroristische Aktivitäten zu wappnen.

Es gelte aber auch, den Ursachen solchen Terrors wirkungsvoll entgegenzuarbeiten. Eine bessere Zusammenarbeit werde angestrebt, wie man auch einen gesamteuropäischen Lagebericht erarbeitet habe, betonte das Regierungsmitglied, das zudem über die aktuellen europäischen Aktivitäten auf diesem Gebiet Bericht erstattete und über die Ziele Österreichs im Rahmen seiner EU-Präsidentschaft sprach. Man werde der Terrorismusbekämpfung einen entsprechenden Schwerpunkt einräumen, kündigte die Ministerin an.

Abgeordnete Dr. PARTIK-PABLE (F) wies darauf hin, dass man es mittlerweile mit einer neuen Form des Terrorismus zu tun habe. Der islamistische Terror sei viel mehr eine Generalattacke auf die westliche Welt und ihre Grundwerte. Auch in Österreich gebe es ein Potential für diese Form des Terrorismus, dementsprechend brauche es adäquate Antworten auf diese Bedrohung. Viele Schritte seien seitens der Regierung schon gesetzt worden, gleichwohl müsse man auch weiterhin wachsam bleiben. Freiheit sei nur gewährleistet, wenn auch die Sicherheit gegeben sei, demgemäß müsse man agieren.

Abgeordneter Dr. FASSLABEND (V) sagte, Europa müsse den Menschen nützen, müsse sie aber auch schützen. Der Sicherheitsaspekt dürfe keineswegs vernachlässigt zu werden, zumal angesichts der neuen Dimension des Terrors, auf die es Antworten zu finden gelte. Dazu brauche es eine gezielte Strategie, meinte der Redner. Man müsse die Zellen des Terrorismus bekämpfen, aber auch an die Wurzeln des Problems gehen. Österreich habe frühzeitig auf das neue Bedrohungsszenario reagiert und ressortübergreifend richtige Schritte gesetzt, behauptete der Redner, denen weitere folgen würden. Europa habe gleichwohl eine wichtige Rolle, denn das Problem des Terrorismus könne nicht von einem Land alleine gelöst werden.

Abgeordneter Dr. CAP (S) plädierte für eine effiziente Terrorbekämpfung im Verbund mit einer wirksamen Strategie gegen die Wurzeln des Terrors. Hier seien auch die Außen- und die Wirtschaftspolitik gefordert, betonte der Redner, habe der Terrorismus doch auch eine ökonomische und soziale Komponente. So brauche es etwa auch eine kluge Integrationspolitik, um Gegensätze gar nicht erst entstehen zu lassen. Konkret ging der Redner sodann auf die Frage der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ein und betonte, Österreich müsse hier klar Position beziehen und dürfe von seinem harten Standpunkt nicht abrücken.

Abgeordneter Dr. PILZ (G) zeichnete ein differenziertes Bild der Bedrohung durch den Terrorismus und warnte davor, sich durch die Gefahr des Terrorismus zu Maßnahmen verleiten zu lassen, deren Auswirkungen unangemessen wären. So seien die Abfangjäger seines Erachtens nach keineswegs ein effizientes Mittel zur Bekämpfung des Terrorismus. Man brauche eine angemessene Politik gegen den Terrorismus, Abfangjäger zählten hier nicht dazu, so Pilz. Auch sei es nicht nötig, Bürgerrechte zu unterhöhlen. Zur Bekämpfung des Terrorismus sei es sicher nicht nötig, Fingerabdrücke von steirischen Pensionisten zu nehmen oder die Telefongespräche von burgenländischen Pendlern zu speichern, betonte Pilz. Vielmehr sollte die Finanzierung des Terrorismus unterbunden werden.

Abgeordneter Dr. BÖSCH (F) bezeichnete den Kampf gegen den Terrorismus als eine der Hauptaufgaben, denen sich Österreich und Europa stellen müssten. Die Realität der multikulturellen Gesellschaft sei eine ernüchternde, und daraus gelte es Konsequenzen zu ziehen und Maßnahmen zu setzen. Von besonderer Wichtigkeit sei dabei die europäische Zusammenarbeit. Es gelte, alle Kräfte zur Bekämpfung des Terrorismus zu mobilisieren, schloss Bösch.

Abgeordneter KÖSSL (V) hielt fest, dass Österreich kein vom Terrorismus akut bedrohtes Land sei, bekannte sich aber zur Wachsamkeit und zur Bündelung aller internationalen Kräfte, um Anschläge wie in New York, Madrid und London zu verhindern. In diesem Zusammenhang lobte der Abgeordnete die sicherheitspolitischen Bemühungen der Bundesregierung in den vergangenen Jahren, insbesondere die Entsendung von Verbindungsbeamten in andere Länder und die Initiativen zur Bestellung eines EU-Terror-Beauftragten sowie zur Ausarbeitung des Haager Programms gegen den Terrorismus. Die internationale Datenvernetzung sei beim Kampf gegen den Terrorismus notwendig, stellte Kössl gegenüber Abgeordnetem Pilz fest.

Abgeordneter SCHIEDER (S) bezeichnete es im Sinne eines Parlamentarismus der Zukunft für wünschenswert, auch in EU-Plenarsitzungen parlamentarische Instrumente wie Dringliche Anfragen oder Fragestunden zuzulassen. Den Bundeskanzler forderte der Redner auf, sich für seine gestrige verbale Entgleisung gegenüber Abgeordnetem Gusenbauer zu entschuldigen.

Beim Thema Terrorismusbekämpfung sagte Schieder, Bürger- und Menschenrechte dürften nicht eingeschränkt werden, denn sonst hätten die Terroristen bereits ihr erstes Ziel erreicht. Der Kampf gegen den Terrorismus müsse auf rechtlich gesicherten Beinen stehen. Daher sei die Folterkonvention auszuweiten, außerdem sollte die EU der Menschenrechtskonvention beitreten. Eine erfolgreiche Terrorismusbekämpfung sei daran zu messen, ob sie mehr Terrorismus verhindere als sie - vielleicht unbeabsichtigt - schaffe.

Abgeordnete Dr. GLAWISCHNIG-PIESCZEK (G) erinnerte an die Vermutung, dass das vierte Terrorflugzeug vom 11. September 2001 das US-Atomkraftwerk Three Miles Island zum Ziel hatte. Vor diesem Hintergrund bezeichnete die Rednerin den geringen Schutz europäischer AKW als erschreckend. Die Stahlbetonmäntel reichten maximal gegen den Absturz kleiner Flugzeuge bis 3 Tonnen aus. Gegen einen Angriff wie im September 2001 seien europäische AKW ungeschützt. Dieses Problem sollte auf europäischer Ebene ernsthaft behandelt werden, wobei Glawischnig-Piesczek Flugverbotszonen und einen Ausstieg aus der Atomkraft - auch aus Gründen der Sicherheit vor terroristischen Anschlägen - vorschlug.

Abgeordneter FAULAND (F) stellte fest, dass d er Kampf gegen die internationale Kriminalität und gegen den Terrorismus kein nationales Thema, sondern schon längst ein internationales sei. Die Warnungen seiner Vorrednerin vor den Gefahren terroristischer Angriffe auf Kernkraftwerke seien sehr ernst zu nehmen, sagte Fauland. Er fügte aber hinzu, dass die von Glawischnig verlangten Flugverbotszonen auch der Überwachung bedürfen - dafür seien Abfangjäger notwendig. Als unerlässlich erweise sich die aktive Luftraumüberwachung auch bei der Luftraumsicherung für Großveranstaltungen wie Weltmeisterschaften und Olympische Spiele.

Abgeordneter ELLMAUER (V) wertete die schrecklichen Anschläge auf die Londoner U-Bahn als Hinweise darauf, dass Europa vor Terroranschlägen längst nicht mehr gefeit sei. Es sei wichtig, den Dialog zwischen den Kulturen und Religionen aufrecht zu erhalten und klare Bestimmungen für den Aufenthalt von Fremden zu schaffen. Ellmauer begrüßte auch die Absicht, das Asylwesen bis 2010 EU-einheitlich zu regeln. De Redner legte ein Bekenntnis zur internationalen Zusammenarbeit bei der Terrorbekämpfung ab und hielt fest, dass dieser Kampf immer im Einklang mit den Menschenrechten sowie mit den Grund- und Freiheitsrechten geführt werden müsse. Als wichtig für ein funktionierendes Miteinander bezeichnete Ellmauer auch erfolgreiche Integrationsmaßnahmen für Migranten.

Abgeordneter PARNIGONI (S) hielt die These für gewagt, dass die Sicherheit vor terroristischen Anschlägen mit der Zahl der verfügbaren Abfangjäger steige. Die Beispiele von New York, London und Madrid sprechen eine ganz andere Sprache. Das europäische Wertesystem müsse bei allen Maßnahmen im Kampf gegen den Terrorismus gewahrt bleiben. Der von der SPÖ lange geforderte Europäische Aktionsplan gegen den Terror sei geschaffen worden, aber er sei ergänzungs- und verbesserungsbedürftig. Ein S-Entschließungsantrag, den Parnigoni vorlegte, enthielt unter anderem auch die Aufforderung zur Verstärkung des Dialogs mit der islamischen Welt und für EU-Friedensinitiativen im Nahen Osten, um dem Terror den Nährboden zu entziehen.

Abgeordnete Mag. LUNACEK (G) beobachtete Veränderungen im internationalen Terrorismus der letzten Jahre. Die neuen Terrorgruppen verfolgten keine klar umrissenen politischen Ziele mehr, sondern treten generell gegen Demokratie, Freiheitsrechte, Frauenrechte sowie gegen die Trennung von Religion und Staat auf. Da die Türkei einer der wenigen islamischen Staaten sei, in dem die Trennung von Religion und Staat verwirklicht sei, unterstützen die Grünen deren Beitrittsbemühungen. Es sei kein guter Dienst an Österreich und seiner bevorstehenden EU-Präsidentschaft, wenn das Wort des Bundeskanzlers, der sich noch vor wenigen Monaten für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei aussprach, jetzt nicht mehr gelte, sagte Lunacek.

Abgeordneter Mag. HAUPT (F) brachte einen Entschließungsantrag der Regierungsparteien zum Thema Terrorismusbekämpfung ein, mit dem eine rasche Beschlussfassung des Haager Programms zur Verbesserung der Sicherheit in Europa verlangt wird. Der heutige Terrorismus ziele darauf ab, die freiheitliche Gesellschaft zu unterminieren, bei seiner Abwehr sei aber darauf zu achten, dass an die Stelle eines freiheitlichen Staates nicht ein Polizeistaat trete. Prävention sei notwendig, wobei Abgeordneter Haupt die diesbezügliche Tätigkeit der Spezialeinheit Cobra und des Bundesheeres würdigte. In diesem Zusammenhang machte Haupt auf die zahlreichen sozialen Projekte österreichischer UN-Soldaten aufmerksam und nannte als Beispiele Kindergärten für Kriegswaisen im Kosovo und Schulen für Frauen in Afghanistan.

Abgeordneter MIEDL (V) hielt fest, dass es notwendig sei, die Wurzeln des Terrorismus zu bekämpfen. Zugleich sei es aber auch notwendig, den bestens ausgerüsteten und ausgebildeten Terroristen mit allen Mitteln entgegenzutreten. Wachsamkeit sei erforderlich, sagte Miedl, und dazu gehöre auch die Überwachung und Sicherung des Luftraums, da Terroristen jede Lücke im Sicherheitssystem für ihre Zwecke nutzten. Gegenüber Abgeordnetem Pilz verwies Miedl auf die Maßnahmen, mit denen dem Waffen-, Menschen- und Drogenhandel und damit der Finanzierung des Terrors entgegengetreten werde. Darüber hinaus werde an einer europäischen Finanzaufklärungsbehörde gearbeitet, teilte Abgeordneter Miedl mit.

Abgeordneter Mag. MAIER (S) sah den Datenschutz in einem Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz der inneren Sicherheit und dem Schutz der persönlichen Freiheit stehen. Daher seien Bedingungen für Anti-Terrormaßnahmen einzufordern. Terrormaßnahmen müssen der parlamentarischen Kontrolle unterliegen und es dürfe keinen Freibrief für Grundrechtseinschränkungen geben. Österreich brauche eine unabhängige Datenschutz-Kontrollbehörde, nicht zuletzt auch deshalb, weil der Datenaustausch zwischen den europäischen Ländern immer intensiver werde. Die Einführung von Hochsicherheitspässen mit Funkchips würde nur einigen wenigen Unternehmen nützen, für die Bekämpfung des Terrors sei diese Maßnahme weder zweckmäßig noch verhältnismäßig.

Abgeordnete Mag. STOISITS (G) gab den Eindruck wieder, der sichtbarste Ausdruck des Kampfes gegen den Terror sei noch mehr Krieg und noch mehr Gewalt. Der Kampf gegen den Terror sei aber mit kriegerischen Mitteln nicht zu gewinnen, zeigte sich die Abgeordnete überzeugt. Ihre Frage an die Innenministerin lautete, warum sie den Vorschlag des britischen Innenministers, die Europäische Menschenrechtskonvention für den Kampf gegen den Terrorismus zu relativieren, nicht entschieden zurückgewiesen habe. In der Menschenrechtskonvention seien die Europäischen Grundwerte festgeschrieben, diese dürften im Kampf gegen den Terrorismus nicht preisgegeben werden. "Menschenrechte sind unteilbar", schloss sie.

Abgeordneter Mag. POSCH (S) zeigte sich skeptisch gegenüber der gegenwärtigen Verengung der Mittel bei der Eindämmung des Terrorismus. Posch fragte sich, ob der Vorrang militärischer Strategien gegen den Terrorismus verhältnismäßig sei und wirklich Erfolg verspreche. Bislang habe der zum Kampf der Kulturen hochstilisierte Krieg gegen ein islamisches Land den Terror nicht vermindert. Skepsis äußerte der Abgeordnete auch gegen ein Mehr an Überwachung und die Einschränkung von Freiheitsrechten mit dem Ziel, die Freiheit gegenüber dem Terrorismus zu verteidigen. Ein Überwachungsstaat sei kein geeignetes Mittel zum Schutz der Demokratie.

Abgeordnete Dr. PARTIK-PABLE (F) warf Abgeordnetem Pilz vor, Angst vor den staatlichen Maßnahmen gegen den Terrorismus verbreitet zu haben. Er habe versucht, es lächerlich zu machen, Fingerprints zu sammeln und Gesprächsdaten aufzuzeichnen. Man wisse nicht, wo sich Terroristen aufhalten, daher seien solche Maßnahmen notwendig. Partik-Pable wollte es nicht Pilz überlassen sehen, zu bestimmen, welche polizeilichen Maßnahmen angemessen seien und welche nicht.

Bei der Abstimmung blieb der S-Entschließungsantrag (Verbesserung des EU-Aktionsplans gegen den Terrorismus) in der Minderheit und wurde abgelehnt. Der V-F-Entschließungsantrag zum Thema Terrorismusbekämpfung wurde hingegen mehrheitlich angenommen. (Forts./Hochschule)