Parlamentskorrespondenz Nr. 729 vom 29.09.2005

Europa-Plenum befasst sich mit der Hochschulpolitik

Gehrer: An einzelnen Universitäten gibt es Entspannung

Wien (PK) - Das Thema der Grünen beim 1. Europatag des Nationalrats lautete: Europäische Herausforderungen für die österreichische Hochschulpolitik.

Abgeordneter Dr. GRÜNEWALD (G) sah die Mobilität der Studierenden in Europa positiv, sie ermögliche es auch österreichischen Studenten, Universitäten überall in Europa zu besuchen. Der Irrtum der Bundesregierung habe allerdings darin bestanden zu glauben, dass die österreichische Rechtsordnung beim Hochschulzugang auf Dauer aufrecht erhalten werden könne. Die Bundesregierung habe eine Vogel-Strauß-Politik betrieben und auf Vorschläge für eine europäische Regelung beim Zustrom deutscher Studierender in Numerus-Clausus-Fächern verzichtet. Den Schwarzen Peter wegen mangelnder Vorbereitung auf das Urteil des EuGH habe die Regierung dann den Universitäten zugeschoben, denen es in der kurzen Zeit nicht möglich war, faire Zugangsbedingungen zu schaffen.

Die Limitierung des Studienplatzangebots ist für Grünewald unverständlich, zähle Österreich doch zu den wenigen Ländern, die 2005 weniger Studenten haben als 1999. Bei der Durchsetzung der Dreigliedrigkeit aller Studien in Europa war eine Lösung möglich, dies sollte laut Grünewald auch beim Hochschulzugang gelingen. Österreich brauche 100.000 Studenten mehr, um auf den OECD-Durchschnittswert zu gelangen. Es geht um einen wissensbasierten Kulturraum als Grundlage für eine wettbewerbsfähige Wirtschaft. Mit Lippenbekenntnissen und EU-feindlichen Sprüchen werde man dies nicht erreichen.

Bildungsministerin GEHRER (V) wollte den jungen Menschen Mut machen, jene Studien zu ergreifen, zu denen sie sich berufen fühlen. Daher wurde die Studieninformation in den Gymnasien verstärkt, teilte die Ministerin mit. Es gelte auch, genügend Österreichern ein Medizinstudium zu ermöglichen, um einen ausreichenden Ärztenachwuchs zu sichern. Die Regierung habe sich auf das EuGH-Urteil vorbereitet, die Konsequenzen aber erst nach Vorliegen des Urteils - das zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt gefällt wurde - gezogen. Ein Aufschub war leider nicht möglich, die Universitäten und deren Rektoren waren aber vorbereitet, hielt die Ministerin fest.

Gehrer betonte, es sei ihr ein Anliegen, die Studien zu ermöglichen, weshalb sie auch eine Arbeitsgruppe eingesetzt habe. Das EuGH-Urteil eröffne die Chance, nachzuweisen, dass die Einheitlichkeit des österreichischen Bildungssystems gestört wurde. Damit sei auch die Möglichkeit gegeben, eine positive Diskriminierung vorzuschlagen. Sie werde darin auch von ihren deutschen Amtskollegen unterstützt und es gebe darüber hinaus Signale aus Frankreich und Brüssel, dass man bereit sei, die Problematik auf EU-Ebene zu besprechen.

Gehrer plädierte nachdrücklich dafür, den Bildungsbereich in der Hand der einzelnen Mitgliedsstaaten zu belassen und nicht an die EU-Kommission abzugeben, auch wenn Europa einen einheitlichen Hochschulraum bilden sollte. An die Opposition richtete sie die Bitte, nicht Szenarien an die Wand zu malen, die sowohl die Verantwortlichen an den Universitäten als auch die Studierenden demotivieren. In den meisten Studienrichtungen gebe es genügend Plätze, sagte Gehrer, Probleme seien vor allem an den Medizin-Universitäten festzustellen. 

Abgeordneter Dr. ZINGGL (G) hielt der Ministerin entgegen, sie habe es verabsäumt, sich auf bilateraler Ebene und durch Gespräche mit den zuständigen Mitgliedern der Kommission besser auf das EuGH-Urteil vorzubereiten. Er räumte zwar ein, dass in der gesamten Bildungspolitik das Subsidiaritätsprinzip gelte, plädierte aber für eine gemeinsame Hochschulpolitik. Regionales Denken sei der falsche Weg, sagte Zinggl, die Mobilität sei größer geworden und eine europäische Hochschulpolitik hätte die Aufgabe, besser zu differenzieren. Die Grundlagen müssten überall angeboten und dann entsprechend angerechnet werden. Derzeit fehlten jedoch die fächerübergreifenden Angebote. Eine europäische Hochschulpolitik mit ausreichender Finanzierung könnte hier regulierend eingreifen und damit würde auch das Problem der ausländischen Studierenden entschärft. Zinggl brachte in diesem Zusammenhang einen Entschließungsantrag der Grünen ein, der auf eine gemeinsame Regelung der grenzüberschreitenden Ströme von Studierenden abzielt.

Abgeordnete Dr. BRINEK (V) widersprach und meinte, man sei auf das Urteil des EuGH gut vorbereitet gewesen, weshalb man auch rasch habe reagieren können. Man habe gewusst, dass der Trend in Richtung Zugangsbeschränkungen gehe. Sie sei über das vorliegende Maßnahmenpaket froh, werde sich aber gegen jede Regelung stellen, die EU-widrig ist. Auch Brinek wies darauf hin, dass es an den einzelnen Universitäten eine Entspannung gebe. So verfüge die Universität Graz über weitaus mehr Plätze als BewerberInnen. Laut OECD sei eine erfreuliche Entwicklung sowohl im Universitäts- als auch im Fachhochschulbereich zu verzeichnen und diese Qualität sollte man gemeinsam weiter entwickeln.

Abgeordneter BROUKAL (S) hoffte auf Entspannung in den nächsten Wochen. Er ging dabei näher auf jene Europarechtler ein, die Vorschläge für Zugangsbeschränkungen für ausländische Studierende entwickelt haben, und sah auch politischen Gesprächen über eine Neuregelungen mit Erwartung entgegen. Kritisch bewertete er die Berufung der Ministerin auf die Autonomie der Universitäten, denn diese habe nicht zum Ziel geführt. Vielmehr sei sie auf dem Rücken der jungen MaturantInnen ausgetragen worden. Die Verantwortlichen an den Universitäten seien offensichtlich nicht ausreichend geschult worden, mutmaßte Broukal. Er ersuchte die Ministerin eindringlich, etwas für die 50 Südtiroler StudentInnen zu tun, die aufgrund der späten Maturatermine an der Innsbrucker Medizin-Uni nicht mehr zum Zug gekommen sind. Grundsätzlich hielt Broukal fest, die SPÖ sei gegen die Streichung der Mitbestimmung der StudentInnen und sie würde daher auch die Reform zurücknehmen. Die Universitäten seien darüber hinaus aufgrund der geringen Budgets einem dauernden Stress ausgesetzt, eine SPÖ-Regierung würde wesentlich mehr Mittel den Universitäten zufließen lassen.

Abgeordnete Dr. BLECKMANN (F) warf der Opposition Panikmache und Verunsicherung vor. So schlimm könne es nicht sein, zumal Österreich laut OECD einer der attraktivsten Studienorte sei, merkte sie an. Bleckmann räumte ein, dass es vor allem auf den Medizin-Unis Probleme gebe und hier etwas zu tun sei. Gleichzeitig wies sie darauf hin, dass es in allen anderen Ländern Zugangsbeschränkungen gebe. Man müsse auf europäischer Ebene Gespräche führen, um eine Lösung zu erzielen, und deshalb brachte sie einen V-F-Entschließungsantrag zur weiteren Umsetzung der Bologna-Ziele ein. Bleckmann hält aber auch innerösterreichische Maßnahmen, wie den Universitätsscheck, für notwendig. Dieses Modell würde eine Studiengebühr für alle von 5.000 € vorsehen, wobei die österreichischen Studierenden einen Scheck in der Höhe von 4.620 € erhielten, womit sie im Endeffekt die heutige Studiengebühr von 380 € entrichteten. Das wäre eine gute Möglichkeit, so Bleckmann, für österreichische Studierende Plätze zu sichern, und für ausländische das Studieren in Österreich teurer zu machen. Bevor man jedoch Maßnahmen setze, sollten die Zahlen, Daten und Fakten nach der Inskriptionsfrist abgewartet werden.

Abgeordnete SBURNY (G) beschäftigte sich mit den Herausforderungen der Wissensgesellschaft, die derzeit die Industriegesellschaft ablöst. Dabei spiele die Bildung eine große Rolle, denn alle Untersuchungen zeigten, dass dort, wo Bildung ein wesentliches Thema ist, auch das Wirtschaftswachstum am größten ist. In Österreich werde man diesen Herausforderungen in keiner Weise gerecht, obwohl Wissen heute neben Arbeit, Kapital und Boden eine wichtige Ressource darstelle. Um die Chancen einer Wissensgesellschaft nutzen zu können, brauche man entsprechende Rahmenbedingungen. In Österreich gehe man aber den falschen Weg und orientiere sich nach wie vor an der Industriegesellschaft. Sburny forderte einen freien Zugang zu den Universitäten, ein breites Angebot und sprach sich gegen Selektion aus. Nicht nur Fachwissen sei gefragt, sondern vor allem interdisziplinäres Wissen. Darüber hinaus müsse man die Diversität nützen, die Diversität von Mann und Frau, von Stadt und Land, von Inland und Ausland. Die heimische Universitätspolitik sei aber innovationsfeindlich und wolle nur Beschränkungen. 

Abgeordnete Mag. HAKL (V) verwies auf die steigende Zahl der Universitätsabschlüsse seit 1999 um 27 %, an den Fachhochschulen um 87 %. Es sei zwar richtig, sagte sie, dass die Zahl der Studierenden zurückgegangen sei, aber dies sei deshalb der Fall, weil die Zahlen nun nicht mehr die so genannten Karteileichen umfassten. Das Wesentliche am europäischen Hochschulraum sei die Möglichkeit, in den verschiedenen Ländern ohne Barrieren studieren zu können. Das Bologna-Modell habe sich in Österreich bereits gut durchgesetzt, 28 % der österreichischen Studierenden absolvierten einige Semester im Ausland. Österreich gebe pro Studierenden mehr Geld als Finnland aus, aber Geld allein sei wenig aussagekräftig. Wichtig sei vor allem Effizienzsteigerung. Hakl trat abschließend dafür ein, durch eine rasche Digitalisierung der Bestände in Bibliotheken und Museen das Weltkulturerbe nach Österreich zu holen und das österreichische Kulturerbe in die Welt hinaus zu tragen.

Abgeordneter DDr. NIEDERWIESER (S) sprach sich für einen offenen europäischen Hochschulraum aus, meinte aber, die Mitgliedsstaaten hätten die Aufgabe, für ihre eigenen Bürger ein leistungsfähiges Bildungssystem zur Verfügung zu stellen. Es gehe nicht an, dass ein Staat diese Aufgabe für einen anderen Staat übernimmt. Sache jedes einzelnen Landes sei es überdies, jene Zugangsbedingungen zu erlassen, die es für richtig hält. Angesichts der niedrigen Akademikerquote in Österreich wäre es jedenfalls falsch, den Zugang für die eigenen Bürger zu beschränken, betonte er.

Abgeordnete DI ACHLEITNER (F) plädierte ebenfalls für die Schaffung eines europäischen Hochschulraumes und forderte weiters die Forcierung von Mobilität der Studierenden und mehr Transparenz bei der Anerkennung von Qualifikationen sowie eine verstärkte Förderung von Austauschprogrammen. Hinsichtlich des EuGH-Urteils bekräftigte die Rednerin das Bekenntnis der Regierungsparteien zum freien Universitätszugang und die Ablehnung eines Numerus clausus. Vielmehr gelte es nun, auf europäischer Ebene Verhandlungen zu führen, meinte sie. Ein Beitrag zur Lösung des Problems wäre, wie sie anfügte, auch der von Landeshauptmann Haider vorgeschlagene Universitätsscheck.

Abgeordneter BROSZ (G) beklagte die niedrige Akademikerquote in Österreich und sah den Staat aufgefordert, jedem, der eine akademische Ausbildung wünscht, diese auch zu ermöglichen.

Abgeordnete Dr. WOLFMAYR (V) zeigte sich zuversichtlich, dass es gelingen werde, die Zugangsregelungen zu den heimischen Universitäten EU-konform zu gestalten. Den Oppositionsparteien warf sie vor, in dieser Frage mit "Horrorzahlen" zu operieren.

Abgeordnete Mag. WURM (S) sprach von einem sozialen Numerus clausus an den österreichischen Universitäten und kritisierte, Kinder aus bildungsfernen Schichten seien deutlich unterrepräsentiert. Besonderes Augenmerk sollte ihrer Meinung nach auch auf die Bedürfnisse von werktätigen Studierenden gelegt werden. Darüber hinaus müssten, wie sie sagte, die Universitäten weiblicher werden.

Abgeordneter DI SCHEUCH (F) zeigte sich enttäuscht vom ersten Europatag und meinte, er hätte sich mehr Europapolitik und weniger Parteipolemik und Inlandspolitik erwartet.

Abgeordneter Mag. DONNERBAUER (V) stellte fest, den Grünen sei es beim Punkt Hochschulpolitik nicht gelungen, den Blick über den nationalen Tellerrand zu heben. Der Ruf nach mehr Geld könne keine Lösung sein, notwendig wären vielmehr europäische Handlungsansätze. Überhaupt vermisste Donnerbauer die europäischen Dimensionen in den Debattenbeiträgen der Oppositionsredner.

Abgeordneter Dr. JAROLIM (S) warf Ministerin Gehrer Säumigkeit in Sachen EuGH-Urteil vor und forderte in einem Entschließungsantrag neben der Abschaffung der Studiengebühren und einzelner Zugangsbeschränkungen die Ausarbeitung adäquater, bundeseinheitlicher Standards für die Medizinischen und Veterinärmedizinischen Universitäten.

Abgeordneter Mag. HAUPT (F) schloss als letzter Redner mit einem kritischen Resümee und bemerkte, für zukünftige Europatage werde man sich mehr einfallen lassen müssen, um nicht durch Sitzungen wie die heutige den Verdruss an Europa noch weiter zu nähren.

Bei der Abstimmung wurde der Entschließungsantrag der Regierungsparteien mehrheitlich angenommen, die Anträge von SPÖ und Grünen fanden hingegen keine Mehrheit. (Schluss)


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