Parlamentskorrespondenz Nr. 831 vom 04.11.2005

ASVG-Novelle nimmt Hürde Länderkammer

SVÄG - ein weiterer Schritt zu einem fairen Sozialsystem

Wien (PK) - Vor Eingang in die Tagesordnung kündigte der Vorsitz führende Bundesratspräsident WEISS insgesamt acht Fristsetzungsanträge von SPÖ und Grünen an. Gegenstand dieser Initiativen waren das Gesetz über die Einrichtung einer "Familie und Beruf Management GmbH", das Zahnärztekammergesetz, das Zahnärztereform-Begleitgesetz, die Ärztegesetznovelle, das Arzneimittelgesetz, die Postgesetznovelle, die Führerscheingesetznovelle sowie das Fremdenpolizeigesetz. Als Termin für die Fristsetzung war jeweils der 30. November 2005 vorgesehen.

Auf Antrag des Bundesrates BIERINGER (V) wurde daraufhin einstimmig beschlossen, über die Fristsetzungsanträge eine Debatte abzuhalten.

Bundesrat BIERINGER (V) zeigte sich verwundert über das Verhalten der Opposition und meinte, es sei sonderbar, dass SPÖ und Grüne vor zwei Tagen in den zuständigen Ausschüssen teils ohne Wortmeldung Vertagungsanträge gestellt hatten, heute aber Fristsetzungen verlangen, wo sich doch in der Sache seit Mittwoch nichts Neues ergeben habe. Bieringer warf der Opposition Verzögerungstaktik vor und erinnerte an ein entsprechendes Abkommen zwischen SPÖ, ÖVP und FPÖ aus dem Jahr 1984, das darauf abzielte, bei Änderung der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat eine derartige Vorgangsweise zu verhindern. Durch ihre heutigen Fristsetzungsanträge breche die Opposition die damalige parlamentarische Vereinbarung, stand für Bieringer fest.

Bundesrat KONECNY (S) sah zunächst keinerlei Widerspruch zwischen den Vertagungsanträgen und den heutigen Fristsetzungsanträgen und argumentierte, in jedem einzelnen Fall sei die Fristsetzung begründet, gehe es doch darum, eine von der Regierung unterlassene Begutachtung durchzuführen und noch weitere Einigungsmöglichkeiten auszuschöpfen. Dies sei aber nicht binnen 48 Stunden möglich. Die Fristsetzungen seien vor allem auch deshalb gefordert worden, um sicher zu stellen, dass diese Vorlagen im nächsten Plenum behandelt werden. Zu der von Bieringer zitierten Vereinbarung aus dem Jahre 1984 merkte Konecny an, diese müsse im Zusammenhang mit den Rahmenbedingungen gesehen werden. Die Regierung Schüssel unterscheide sich in ihrem Umgang mit der Opposition ganz wesentlich von der damaligen Regierung Sinowatz und habe die Vereinbarung schon längst gebrochen. Die SPÖ fühle sich daher nun auch nicht mehr daran gebunden, betonte Konecny.

Bundesrat SCHENNACH (G) unterstrich wie sein Vorredner, sämtliche Vertagungen seien sachlich begründet, die heutigen Fristsetzungen dienten dazu, die Materien noch eingehender zu behandeln, zumal die entsprechenden Gesetze vom Nationalrat, wie er kritisierte, im "Ruckzuck-Verfahren" ohne entsprechende Begutachtung beschlossen wurden.

Bundesrat Mag. HIMMER (V) räumte ein, es stehe der Opposition frei, eine Vereinbarung von 1984 zu kündigen, meinte aber, es sei nicht nachvollziehbar, dass SPÖ und Grüne Fristsetzungen verlangen, gleichzeitig aber Einsprüche gegen die betreffenden Gesetzesbeschlüsse ankündigen.

Einstimmig wurden Bundesrätin Mag. Susanne NEUWIRTH (S) und   Bundesrat Ernst WINTER (S) zu Schriftführern gewählt.

Der Bundesrat beschloss einstimmig ohne Wortmeldung, keinen Einspruch gegen das Zahnärztegesetz zu erheben.

Bundesrat GIEFING (S) kündigte die Zustimmung seiner Fraktion zur Änderung des Gentechnikgesetz es an und betonte, für die SPÖ sei es vor allem wichtig, dass die im Rahmen des Begutachtungsverfahrens geforderten datenschutzrechtlichen Aspekte noch in das Gesetz eingearbeitet wurden.

Bundesrätin DIESNER-WAIS (V) sah in dem Gesetz eine rechtliche Anpassung an die wissenschaftliche Technik und betonte, der hohe Schutz bleibe auch weiterhin gewährleistet. Sie begrüßte überdies die besondere Absicherung der datenschutzrechtlichen Aspekte.

Bundesrätin KERSCHBAUM (G) bezeichnete das vorliegende Gesetz als für Laien zwar unverständlich, die darin vorgenommenen Änderungen aber als sinnvoll. Kerschbaum vermisste jedoch wesentliche Regelungen für den landwirtschaftlichen Bereich, wie Haftungsbestimmungen, Regelungen zur Koexistenz sowie zu gentechnikfreien Regionen. Sie bedauerte, dass der Entschließungsantrag der Grünen im Nationalrat, der auf die Beibehaltung bestehender Importverbote gentechnisch veränderter Pflanzen abzielte, keine Mehrheit gefunden hatte.

Bundesministerin RAUCH-KALLAT merkte an, dass es sich bei den vorliegenden Änderungen um normative Anpassungen an die Entwicklungen im Bereich der Gentechnologie handle. Die Neuerungen beträfen Maßnahmen auf dem medizinischen Sektor, die von der EU nicht geregelt sind. Insbesondere gehe es um die Berücksichtigung neuer Technologien und Methoden, um den Datenschutz und um eine differenziertere Beurteilung. Zu den von ihrer Vorrednerin angesprochenen Importverboten sagte die Ministerin, diese könnten nur bei Vorliegen einer wissenschaftlichen Begründung verhängt werden. Derzeit laufe jedoch eine Studie zu diesem Thema. Grundsätzlich stellte Rauch-Kallat fest, dass sie genauso wie der Landwirtschaftsminister gegen das Aufmachen für Importe von gentechnisch veränderten Pflanzen sei.

Bei der Abstimmung beschlossen die BundesrätInnen einstimmig, gegen die Novelle zum Gentechnikgesetz keinen Einspruch zu erheben.

Unter einem wurden hierauf das Zoonosen gesetz und Ausbildungsgesetz Verbrauchergesundheit verhandelt.

Bundesrat GRUBER (S) kündigte seitens seiner Fraktion die Zustimmung zu beiden Gesetzesvorlagen an. Darin, so Gruber, seien wichtige Maßnahmen und wesentliche Ergänzungen bestehender Gesetze enthalten. In Zukunft könne man Zoonosenerreger und sich ausbildende Resistenzen besser überwachen und damit lebensmittelbedingte Krankheiten verhindern. Eine weitere Voraussetzung für mehr Sicherheit werde durch eine verstärkte interdisziplinäre Zusammenarbeit der verschiedenen Behörden geschaffen. Gruber bewertete auch die vorgesehenen Änderungen hinsichtlich der Ausbildung der Kontrollorgane als positiv, da damit ein weiterer Schritt zur Gewährleistung der Verbrauchergesundheit gesetzt werde.

Bundesrat MAYER (V) schloss sich dem an und wies auf die Aktualität der Gesetzesmaterien im Hinblick auf die Vogelgrippe hin. Die Bundesministerin habe rasch und mit einem exzellenten Krisenplan reagiert, sagte er. Auch er betonte die Notwendigkeit einer besseren Zusammenarbeit der Behörden, um rascher und effizienter reagieren zu können, und befürwortete das Ausbildungsgesetz. Dadurch könnten die Potenziale von Bund und Ländern besser genutzt werden, meinte er und hob die Verpflichtung zu bundeseinheitlichen Lern- und Prüfungsunterlagen hervor.

Bundesministerin RAUCH-KALLAT betonte ebenfalls die Wichtigkeit der interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen den Institutionen, die für Futtermittel, Veterinärmedizin, Humanmedizin und Lebensmittel verantwortlich sind. Nur so könnten die Erreger eruiert und effizient bekämpft werden. Davon würden auch die Lebensmittel produzierenden und verwertenden Betriebe langfristig profitieren.

Bei der Abstimmung beschlossen die BundesrätInnen jeweils einstimmig, gegen das Zoonosengesetz und gegen das Ausbildungsgesetz Verbrauchergesundheit keinen Einspruch zu erheben.

Gemeinsam verhandelt wurden auch die Änderungen des Patentgesetz es 1970 und des Musterschutzgesetz es 1990.

Bundesrätin Dr. LICHTENECKER (G) begrüßte die Vorlage als einen Schritt in die richtige Richtung, der Vorteile für die Wirtschaft, für die Arbeitsplätze in den Regionen und für das Gesundheitssystem allgemein bringe. Sie sprach dabei vor allem die Erleichterungen bei der Produktion von Generika an. Scharf kritisierte sie jedoch die Verschiebung der Kompetenzen vom BMVIT zum Patentamt als eine "Lex Rödler", da hier Parteiinteressen im Vordergrund stünden. Die Grünen könnten daher beiden Vorlagen nicht zustimmen.

Bundesrat SCHIMBÖCK (S) wies auf die steigende Bedeutung des Patent- und Musterschutzes hin. Die Neuregelungen seien daher notwendig gewesen, um einen Schaden für die europäische Wirtschaft, den er mit rund 60 Mrd. € bezifferte, abwenden zu können. Die Gesetzeskorrektur sollte Anlass sein, zu mehr Forschungsförderung und Patenten zu kommen. Wie seine Vorrednerin äußerte er sich aber auch kritisch zu den Kompetenzverschiebungen und erinnerte an das seiner Meinung nach missglückte Austria Wirtschafts Service AWS.  

Bundesrätin DIESNER-WAIS (V) unterstrich die Maßnahmen, die die Bundesregierung im Bereich Bildung und Forschung gesetzt hat. Sie hätte gerne auch über das Arzneimittelgesetz gesprochen, das bessere Vorkehrungen für den Krisenfall ermöglicht hätte. Leider sei die Vorlage vertagt worden. So wäre das Arzneimittelgesetz im Hinblick auf die Vorbereitung auf die Vogelgrippe ein wichtiger Mosaikstein gewesen, bemerkte sie.

Bundesministerin RAUCH-KALLAT erläuterte kurz die beiden Vorlagen inhaltlich und hielt fest, dass es sich dabei in weiten Bereichen um die Umsetzung einer EU-Richtlinie handle.

Bei der Abstimmung wurde von ÖVP, SPÖ und F mehrheitlich beschlossen, weder gegen das Patentgesetz und Gebrauchsmustergesetz noch gegen das Musterschutzgesetz, das Markenschutzgesetz, das Patentamtsgebührengesetz und das Patentanwaltsgesetz Einspruch zu erheben.

Bundesrätin KONRAD (G) kritisierte, derartig verschiedene Materien in dem Sammelgesetz Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2005 zusammenzufassen. Positiv beurteilte sie die Erhöhung der Ausgleichszulage auf 690 €. Die Ablehnung der Grünen begründete sie als einen Protest gegen die Streichung zahlreicher positiver Maßnahmen, die im Begutachtungsentwurf enthalten waren und dann auf Geheiß des Finanzministers gestrichen wurden.

Bundesrätin Mag. NEUWIRTH (S) hob zunächst auch einige Maßnahmen hervor, die seitens der SPÖ vollinhaltlich unterstützt werden. Darunter fallen unter anderem die freiwillige Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger und die Pflicht, sich spätestens unmittelbar bei Arbeitsantritt bei der Sozialversicherung anzumelden. Viele Punkte würden der SPÖ jedoch "Bauchweh" bereiten, sagte sie, und sie bedauerte ebenfalls, dass viele positive Maßnahmen dem Sparstift des Finanzministers zum Opfer gefallen sind. Vor dem Hintergrund einer Million armutsgefährdeter Menschen in Österreich, 400.000 von Armut akut gefährdeter Personen und 300.000 Arbeitsloser könne die Erhöhung der Ausgleichszulage keineswegs als große Leistung dargestellt werden. Neuwirth zeigte sich auch traurig darüber, dass es nicht gelungen ist, sich auf einen bundeseinheitlichen Heizkostenzuschuss zu einigen.

Bundesrat SCHENNACH (G) unterstrich das Ziel beider Oppositionsparteien, die erhöhte Ausgleichszulage am 1.1.2006 auszuzahlen. Dennoch sei es notwendig zu dokumentieren, dass die meisten positiven Vorhaben der Begutachtung herausgestrichen worden sind, und die einzige Maßnahme, die etwas kostet, aus dem Härtefonds beglichen wird. Außerdem widersprächen Sammelgesetze in einem derartigen Ausmaß dem Geist des Hauses, sagte Schennach. Harte Kritik übte er an der Neuregelung in Bezug auf die Praktika, denn PraktikantInnen seien in Zukunft nicht mehr kranken- und pensionsversichert. Unbezahlte Praktika seien aber Realität, und deshalb bringe das Gesetz eine eklatante Schlechterstellung. Die Grünen würden daher die Vorlage ablehnen, seien aber froh darüber, dass die Erhöhung der Ausgleichszulage kommt.

Bundesrat KRITZINGER (V) wies auf die Verbesserungen der 65. ASVG-Novelle hin und verteidigte die Neuregelung für PraktikantInnen. Diese bringe für ArbeitgeberInnen eine Erleichterung, argumentierte er. Die Anmeldepflicht bei der Sozialversicherung spätestens bei Arbeitsantritt zur Eindämmung der Schwarzarbeit, die Erhöhung der Ausgleichszulage zur Verminderung der Armut, die Möglichkeit der Selbstversicherung bei der Pflege naher Angehöriger stellten die richtige Antwort auf die Anforderungen dar, die an das Sozialversicherungssystem gestellt werden, so Kritzinger.

Bundesrat Dr. GUMPLMAIER (S) kündigte zwar die Zustimmung der SPÖ an, kritisierte aber wie einige seiner VorrednerInnen die Streichung vieler Maßnahmen aus dem Begutachtungsentwurf. Damit dokumentiere die Regierung ihre soziale Kälte und lasse die Lücken im sozialen Netz größer werden. Anlässlich des 50. Geburtstages des sozialpolitischen Jahrhundertwerks ASVG hätte man sich einen größeren Wurf erwartet. Die Regierung habe aber diese Gelegenheit verabsäumt, sozialpolitische Verantwortung zu zeigen. Gumplmaier vermisste die Einigung über eine Schwerarbeiterregelung und hielt die Bekämpfung des Schwarzunternehmertum für nicht ausreichend. Die Defizite in der Sozialpolitik würden größer, es fehle an Vorausschau und sozialpolitischem Mut, so sein Resümee.

Bundesrat MAYER (V) strich dem gegenüber die Verwaltungsvereinfachungen und sozialpolitischen Verbesserungen aus seiner Sicht hervor. Dem Vorwurf der sozialen Kälte hielt er einige Maßnahmen wie das Kinderbetreuungsgeld, die Abfertigung neu, die Familienhospiz sowie die Erhöhung der Pensionen, der Ausgleichszulagen und des Pendlerpauschales entgegen. Im Unterschied zu SPÖ kümmere sich die ÖVP jedoch um die Finanzierung. Mayer ging in weiterer Folge auf wichtige Punkte der vorliegenden Gesetzesmaterie ein und verteidigte die Praktikantenregelung mit dem Argument, es sei vor allem wichtig, Stellen zu finden. Praktika seien auch keine Arbeitsverhältnisse im herkömmlichen Sinn.

Bundesrat Ing. KAMPL (ohne Fraktion) begrüßte das vorliegende Gesetz und sprach dabei vor allem die pensionsrechtliche Verbesserung für pflegende Angehörige und die Erhöhung der Ausgleichszulage an. Als Bürgermeister kenne man die Problematik der pflegenden Angehörigen sehr genau, sagte er, und wisse, wie notwendig eine solide soziale Absicherung sei. Die Erhöhung der Ausgleichszulage betreffe 188.000 alleinstehende Personen, davon 154.000 Frauen. Die Regierung sei bemüht, jenen, die unverschuldet in Not geraten sind, eine Hilfestellung zu geben. Kampl würdigte insbesondere die Maßnahmen der Bundesregierung für die berufliche Einbindung behinderter Menschen, die Erhöhung des Pflegegelds und die Einführung einer Pflegeanwaltschaft. 

Die Bundesräte TIEFNIG und WOLFINGER (beide V) würdigten die Vorlage als wichtige sozialpolitische Maßnahme, die auch positive Schritte in Richtung Landwirtschaft setze. Damit werde auch eindrucksvoll bewiesen, dass von dieser Regierung keineswegs "soziale Kälte" ausgehe, sondern dass diese Regierung sich vielmehr der sozialen Anliegen annehme und entsprechend handle. Die Bundesregierung gehe mit der Arbeitsmarktoffensive und der Standortsicherung jedenfalls den richtigen Weg, indem eine wichtige Initiative zur Armutsbekämpfung gesetzt werde, zeigten sich die Redner überzeugt.

Bundesministerin HAUBNER meinte, es gehe darum, wesentliche Verbesserungen für die Menschen zu erzielen, und diesem Ziel dienten die geplanten Maßnahmen wie die Anhebung der Mindestpensionen bzw. Anpassungen an die Inflationsrate, wie gesagt werden könne, dass man auf diesem Gebiet seit 1999 namhafte Verbesserungen erzielen konnte.

Auch bei der Pflegeversicherung habe man eine Lücke geschlossen und so ein wichtiges Resultat für die Betroffenen erzielt.

Besonders für die Frauen habe man hier etwas Richtiges geschaffen, und das sollte nicht übersehen werden, betonte das Regierungsmitglied, das schließlich auch noch auf die Problematik der Praktika einging. Diese ASVG-Novelle sei ein weiterer Schritt in ein ausgewogenes und faires Sozialsystem, hielt die Ministerin fest. Sie gebe Menschen im Alter Sicherheit, stärke die Familien und sichere die Betreuung von Menschen mit Behinderungen.

Es wurde kein Einspruch erhoben. (Forts.)

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