Parlamentskorrespondenz Nr. 860 vom 09.11.2005

Umweltausschuss: grenznahe AKW, Ökostrom und EU-Präsidentschaft

Pröll spricht von einer konsequenten Haltung in der Anti-Atompolitik

Wien (PK) - Am Beginn der umfangreichen Tagesordnung der heutigen Sitzung des Umweltausschusses stand eine aktuelle Aussprache, bei der folgende Themen behandelt wurden: die Atomausbaupläne an Österreichs Grenzen, die Zukunft der Ökostromförderung sowie die Schwerpunkte der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft. Beim ersten Thema drückten die Redner der Opposition ihre Sorge darüber aus, dass es in Europa angesichts der steigenden Erdölpreise offenbar zu einer neuen Atomstromoffensive komme.

Abgeordnete Heidemarie Rest-Hinterseer (G) wies darauf hin, dass etwa in Bulgarien, Tschechien, der Slowakei und Ungarn daran gedacht werde, den Betrieb bestehender Kraftwerke zu verlängern bzw. überhaupt neue zu errichten. Sie hätte sich erwartet, dass die österreichische Bundesregierung in dieser Frager mutiger und ambitionierter auftritt. Auch Abgeordneter Hannes Bauer (S) ersuchte den Minister, die EU-Präsidentschaft dafür zu nützen, über die Zukunft der europäischen Energiepolitik zu diskutieren und Alternativkonzepte vorzulegen. Beunruhigt zeigte er sich auch über die Situation beim AKW Temelin, wo trotz vieler Störfälle weiter ausgebaut werde. Dies sei wohl nicht mit dem Melker Protokoll vereinbar, gab S-Abgeordneter Kai Jan Krainer zu bedenken. Erfreulich sei zumindest, dass die Anti-Atomstromstrategie ein Schwerpunktthema der österreichischen Präsidentschaft sein wird; damit werde einer Forderung der Sozialdemokraten entsprochen. Abgeordneter Georg Oberhaidinger (S) kam schließlich noch auf den Euratom-Vertrag zu sprechen.

Auch Abgeordnete Elke Achleitner (F) erkundigte sich nach der Situation beim AKW Temelin, da die Störfälle nicht aufhören und die Sicherheitsprobleme noch immer nicht behoben wurden.

Eine Anti-Atompolitik könne nur dann glaubwürdig und erfolgreich sein, wenn nicht nur protestiert werde, sondern wenn den jeweiligen Ländern auch Alternativkonzepte angeboten werden, meinte Abgeordnete Eva Glawischnig-Piesczek (G). Dies sollte man auch im Fall von Slowenien tun, wo überlegt werde, neben dem AKW Krsko noch ein zweites zu bauen. Auch die Slowaken haben bereits eine Machbarkeitsstudie bezüglich des Baus der Blöcke 3 und 4 von Mochovce in Auftrag gegeben, zeigte sich die G-Rednerin besorgt. Sie hätte sich auch gewünscht, dass die Regierung zu den offensiven Atomausbauplänen der CDU in Deutschland Stellung nimmt.

Es sei sehr zu begrüßen, dass in Österreich alle vier Fraktion eine Anti-Atomlinie vertreten, denn dadurch könne Österreich natürlich auch nach außen hin glaubwürdiger auftreten, meinte Karlheinz Kopf(V). Bedauerlich sei, dass es auf europäischer Ebene noch keinen Konsens hinsichtlich des Ausstiegs aus der Kernenergie gebe und dass von manchen Ländern das Argument des Klimaschutzes vorgeschoben werde, um Atomkraftwerksprojekte zu rechtfertigen.

Österreich verfolge sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene eine sehr konsequente Anti-Atompolitik, unterstrich Bundesminister Josef Pröll. Was die angesprochenen Ausbaupläne angeht, so könne er nur bestätigen, dass Finnland aktiv den Ausbau der Atomenergie betreibt, die anderen Projekte seien nur Gerüchte. Aber es sei klar, dass rechtzeitig reagiert werden müsse, betonte der Minister, deshalb gebe es keinen Termin mit einem europäischen Umweltminister, wo nicht über die Atomkraft und die Nulloption gesprochen werde. Bezüglich Slowenien könne er den Abgeordneten mitteilen, dass er einen Brief von der Regierung erhalten habe, in dem ausdrücklich festgestellt wird, dass keine Entscheidung über die Verlängerung von Krsko oder den Bau eines neuen AKW getroffen wurde. Klare Signale gebe es auch seitens des neuen slowakischen Wirtschaftsministers, der bestätigt hat, dass der Beitrittsvertrag für ihn sakrosankt sei. Zum Thema Temelin erklärte Pröll, dass der Expertenbericht Verbesserungen attestiert habe, es aber noch offene Sicherheitsfragen gebe. Er habe deshalb den Außenminister kontaktiert, der ihm zugesagt habe, dass es zu weiteren Expertendiskussionen kommt, bei denen die Sicherheitsaspekte eingehend behandelt werden sollen. Außerdem wünsche er sich einen Ausbau der Kooperation mit Österreich im Bereich der nachhaltigen Energiepolitik. Von einem Stillstand der Gespräche könne daher keine Rede sein, stellte der Bundesminister klar.

In Richtung des Abgeordneten Oberhaidinger gab Pröll zu bedenken, dass eine Änderung des Euratom-Vertrages nur einstimmig möglich sei; die Aufstockung der Mittel wäre jedoch mit Stimmenmehrheit möglich. Was die Wortmeldung der G-Abgeordneten Glawischnig-Piesczek angeht, so gebe er nur zu bedenken, dass die rot-grüne Regierung in Deutschland zwar den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen, dies aber in den letzten sieben Jahren nicht umgesetzt habe.

Die Anti-Atompolitik werde ein Schwerpunkt der österreichischen Ratspräsidentschaft sein, denn hier soll ein klares Signal gesetzt werden, führte Pröll weiter aus. Wichtig sei auch, dass gleichzeitig Alternativen aufgezeigt werden. Deshalb werde man auch wichtige Akzente setzen in den Bereichen erneuerbare Energien, Biomasse etc.

Wie geht es weiter mit dem Ökostrom?

Sodann befassten sich die Mitglieder des Ausschusses mit dem Thema Ökostrom, das zwar nicht in den Kompetenzbereich des Umweltausschusses fällt, aber dennoch eng mit dem Klimaschutz verbunden sei, argumentierte Ausschussvorsitzende Eva Glawischnig-Piesczek. Das aktuelle Problem sei, dass es noch immer keine neue Einspeiseverordnung gibt, da es zu keiner Einigung zwischen den Regierungsfraktionen gekommen sei.

Abgeordneter Karlheinz Kopf (V) informierte darüber, dass es zwar eine Einigung auf Regierungsebene gegeben habe, aber auf parlamentarischer Ebene wurde noch keine Lösung gefunden. Nun soll ein neuer Anlauf genommen werden. Allerdings habe die EU-Kommission rechtliche Einwände gegen den Aufbringungsmechanismus der Fördermittel vorgebracht, weshalb es sinnvoller sei, zunächst einmal die Lösung dieser Frage abzuwarten.

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (S) erinnerte daran, dass die Sozialdemokraten schon vor einem Jahr auf die möglichen Probleme hingewiesen haben; vom Wirtschaftsministerium sei dies aber auf die leichte Schulter genommen worden.

Abgeordnete Heidemarie Rest-Hinterseer (G) trat für eine seriöse Evaluierung des Ökostromgesetzes ein. Eine Lösung bezüglich der Einspeiseverordnung müsse bald gefunden werden, da die Betreiber der Anlagen seit Anfang des Jahres quasi im rechtsfreien Raum agieren müssten.

Das Ökostromgesetz sei eine Erfolgsgeschichte, zumal die Zielwerte übertroffen wurden, erklärte Bundesminister Josef Pröll. Im Jahr 2004 wurden sehr viele Projekte genehmigt, derzeit liege man bei einem Ökostromanteil von 7,5 % - dies sei deutlich höher als intendiert. Bei dem Einwand von Seiten der EU-Kommission handle es sich um eine heikle Frage, die man bei der Lösung noch mit bedenken müsse, aber er hoffe, dass rasch und zügig eine Regierungsvorlage verabschiedet werden könne.

Die Schwerpunkte der österreichischen EU-Präsidentschaft im Umweltbereich

Im dritten Teil der Aussprache informierte Bundesminister Josef Pröll die Ausschussmitglieder über die Schwerpunkthemen der österreichischen EU-Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2006. Grundsätzlich komme es natürlich darauf an, was alles noch unter der britischen Präsidentschaft erledigt werden kann. Möglich sei etwa, dass noch kein Kompromiss bezüglich des Reach-Programms (ein System zur Registrierung, Bewertung und Zulassung chemischer Stoffe in der EU) erzielt werden konnte. Sicher sei jedenfalls, dass Österreich den Prozess bezüglich der Ausrichtung der Klimastrategie in der EU weiter vorantreiben muss. Was nun die konkreten österreichischen Initiativen angeht, so sollen drei Bereiche im Mittelpunkt stehen: die Luftstrategie, die Abfallstrategie sowie das Thema städtische Umwelt (Mobilität, Lärm etc.). Weiters soll intensiv über die Zukunft der Energiegewinnung (inklusive Atomenergie) diskutiert und ein Biomasse-Aktionsplan ins Leben gerufen werden, kündigte Pröll an. Von Seiten der EU-Kommission kommen noch das Hochwasseraktionsprogramm sowie der Review der Nachhaltigkeitsstrategie als zentrale Aufgaben auf Österreich zu. Im Blickpunkt stehen werden auch die informellen Ministerräte, die im Mai in Eisenstadt und Rust abgehalten werden. Im April des kommenden Jahres soll außerdem die erste grundlegende EU-Gentechnik-Konferenz in Wien veranstaltet werden. (Fortsetzung)